vermessungsamt" verlangt Schwarz eine Revision der Seemannsordnung in der Richtung, daß die Schiffe nicht nur genauer auf ihre Seetüchtigkeit, sondern auch darauf untersucht würden, ob die Mannschaft in ausreichender Zahl vorhanden ist. Bei dieser Gelegenheit bringt Bebel den Fall des Rheders Schiff aus Elsfleth zur Sprache und fragt an, ob Schiff noch Mitglied des Reichsverstcherungsamts sei. Staatssekretär Bötticher verneint dies. Ein Schreiben des Reichskanzlers, das in der heutigen Reichstagssttzung verlesen wurde, teilt dem Reichstag mit, daß nach Auskunft der Württembergischen Regierung das Strafverfahren gegen den Freiherrn M ü n ch, auf das sich der neuliche Beschluß des Reichstags betreffend die Einstellung des Strafverfahrens bezog, nicht mehr schwebt, vielmehr durch das rechtskräftig gewordene Erkenntnis beendet sei. Das Schreiben wird der Geschäftsordnungskommission überwiesen.
Laadesaachrichtea.
* Altensteig, 24. Febr. Der Verband württ. Gewerbevereine wird sich an den Verband deutscher Gewerbevereine mit dem Vorort Köln anschließen, wozu das Ministerium des Innern zunächst einen einmaligen Beitrag von 200 Mk. verwilligt hat. Die Kosten für die Landesverbände, welche als solche mit allen ihren Mitgliedern diesem Vereine beitreten, betragen per Mitglied jedes Vereins jährlich 5 Pf. Der Zweck der Vereinigung ist: festes Zusammenwirken deutscher Gewerbevereine zu Nutz und Frommen des ganzen Gewerbestandes, Anregung zu fruchtbringender Thätigkeit, sowie Förderung des geistigen Lebens der Gewerbevereine, endlich die Lösung gemeinsamer Ausgaben und die Wahrung gemeinsamer Interessen.
* Nagold, 21. Febr. Letzten Sonnntag unternahm derwürttb.Werkmeisterverein(Sektion Schwarzwaldkreis) einen Ausflug zur Besichtigung der neuen Stadtkirche- des Seminars, der Nagold- Altensteiger Nebenbahn, sowie des Elektrizitätswerks von Klinger und Barthel u. s. w. hieher, wo derselbe mit stattlicher Musik empfangen wurde. Nicht nur der freundliche Willkomm und die sehr bereitwillige Führung bei Besichtigung dieser Anwesen seitens staatlicher Organe und einheimischer Techniker, sondern auch die treffliche Aufnahme in der Post und im Gasthaus zum Hirsch machte den Ausflug zu einem lehrreichen und angenehmen Aufenthalt.
* Nagold, 22. Febr. Ergebnis der Viehzählung im Oberamtsbezirk. Haushaltungen mit Vieh rc. gibt es 4260, davon haben 535 nur Geflügel und Bienenstöcke. Pferde gibt es im Bezirk 1045, Rindvieh 10,833, Schafe 4593, Schweine 5487, Ziegen 483, Bienenstöcke 2043, Geflügel 32,003, nämlich Gänse 3369, Enten 2914, Hühner 25,720. (Schw. B.)
* Aus dem Bezirk Sulz, 28. Febr. Von dem K. Amtsgericht Sulz wurde vor kurzem eine Entscheidung gefällt, welche für manche
Gewerbetreibenden von Interesse sein dürfte. Es waren nämlich mehrere Geschäftsleute wegen Uebertretung der Sonntagsruhe weil die Thüren ihrer Verkaufslokale nicht zur bestimmten Zeit geschlossen wurden — mit einer kleinen Ordnungsstrafe belegt worden. Auf Rekurs derselben wurden jedoch diejenigen vom K. Amtsgericht freigesprochen, welche zu ihrer Wohnung keinen andern Eingang haben als durch ihr Geschäftslokal, natürlich unter der Voraussetzung, daß zur fraglichen Zeit keine Käufer im Laden anwesend waren.
* Stuttgart, 22. Febr. Ein Schwindler, welcher bet vielen hiesigen Einwohnern Gaben für eine in Ulm zu errichtende Rettungsanstalt sammelte, ist gestern abend festgenommen worden. Derselbe will aus Oesterreich-Schlesien gebürtig sein und einem aus Deutschland ausgewiesenen Orden angehören, welcher sein Domizil in Paris habe. Die Rettungsanstalt soll in Algier errichtet werden. Das wird natürlich alles erlogen sein. Nach der bet dem Schwindler Vorgefundenen Sammelliste hat derselbe in hiesiger Stadt 1312 Mk. zusammengebracht und hatte hiervon bei seiner Einlieferung noch 13 Mk. 64 Pf. im Besitz.
* Der „Kirchl. Anzeiger", das Organ des evang. Pfarrvereins für Württemberg, veröffentlicht die Antwort auf die von 153 Geistlichen Unterzeichnete, dem Konsistorium vorgelegte „Erklärung", worin die 153 ihre Auffassung von der bei ihrem Eintritt in den Kirchendienst übernommenen Verpflichtung niederlegten, ferner auf die dieser Erklärung beigeschlossene Bitte der 12 Geistlichen, welche dieselbe eingeleitet hatten: „die Oberkirchenbehörde möge die sog. Verpflichtungsformel in der Richtung auslegen. daß die heil. Schrift als oberste Norm der evang. Verkündigung anerkannt werde". Die Antwort des Konsistoriums lautet nach der Wiedergabe in der „W. V.-Z.": Die Oberkirchenbehörde hält daran fest, daß für den rechtlichen und geschichtlichen Bestand der evang. Landeskirche Württembergs die bestimmte Beziehung nicht bloß auf das Prinzip der Reformation im allgemeinen, sondern auf die Bekenntnisse, in welchen die Kirche der Reformation ihre Glaubensüberzeugung urkundlich ausgesprochen hat, unentbehrlich ist. Diese Beziehung auf die reformatorischen Bekenntnisse hat denn auch in dem durch höchste Entschließung vom 28. Januar 1827 genehmigten und seitdem zu Recht bestehenden Eidesvorhalt für evang. Geistliche einen entsprechenden Ausdruck erhalten, indem die letzteren sich verpflichten, „bei ihren Vorträgen und im Religionsunterricht sich an die heilige Schrift zu halten und sich keine Abweichung von dem evang. Lehrbegriff, so wie derselbe vorzüglich in der Augsburgischen Konfession enthalten ist, zu erlauben." Die Oberkirchenbehörde kann in der Einschränkung des „evang. Lehrbegrifss" auf die „Rechtfertigung vor Gott durch den Glauben an Christus" eine den Sinn und Zweck der Verpflichtung erschöpfende Auffassung jenes Eidesvorhaltes nicht erkennen, muß vielmehr hierin eine Abänderung desselben sehen, zu deren Anerkennung das Konsistorium keinesfalls zuständig wäre. Daß die heil. Schrift „oberste Norm der evang. Verkündigung" sei, ist in den Worten der Verpflichtung selbst enthalten und es ist keinem Geistlichen versagt, die christliche Wahrheit unmittelbar aus der heil. Schrift zu entnehmen und darzustellen, wofern nur der sachliche und der geschichtliche Zusammenhang mit den Grundzeugnissen, in welchen die evang. Kirche ihr Schriftverständnis niedergelegt hat, gewahrt bleibt. Ueberhaupt hat die Oberkirchenbehörde das Recht der wissenschaftlichen Forschung in der evang. Kirche stets anerkannt und der persönlichen Entwicklung und Bewegung des einzelnen Geistlichen jede mit der Rücksicht auf die kirchliche Ordnung und das religiöse Bedürfnis der Gemeinden vereinbare Freiheit gelassen. Sie wird
dies auch ferner thun. Um so mehr darf die Oberkirchenbehörde von den Geistlichen erwarten, daß sie neben dem Recht freier Forschung, das sie als wissenschaftlich gebildete Theologen für sich in Anspruch nehmen, auch der Verpflichtung eingedenk bleiben, welche sie als berufene Diener am Evangelium Jesu Christi haben, die Gemeinden auS der heil. Schrift in Uebereinstimmung mit dem wesentlichen Inhalt der reformatorischen Bekenntnisse zu erbauen, den lithurgischen Ordnungen der Landeskirche im Blick auf die Gesamtgemeinde nicht willkürlich Abbruch zu thun und, auch bei Verschiedenheit der theologischen Ansichten in einzelnen Punkten der Lehre, die Einigkeit im Geist zu erhalten, deren unsere evang. Kirche in dieser Zeit sozialer Gährung und konfessioneller Spannung mehr als je bedarf. Stuttgart, den 26. Januar 1893. v. Gemmingen.
* Ein merkwürdiger Fall beschäftigt derzeit die Gerichte in Heilbronn. Vor einiger Zeit brach in dem Hause des Handelsmannes H. daselbst Feuer aus. Da gegründeter Verdacht vorlag, der Eigentümer, welcher seine Fahrnis im Wert von nicht einmal 100 M. mit 3000 Mk. versichert hätte, könnte den Brand selbst gelegt haben, so wurde er in Haft genommen und da das Beweismaterial genügend erschien, zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilt. Im Untersuchungsgefängnis machte H. ein paarmal Selbstmordversuche, weshalb ein anderer Arrestant seine Zelle teilen mußte. Als nun H., der schon ein halbes Hundert Strafen hinter sich hat, im Zuchthaus war, machte er die Anzeige, daß nicht er, sondern sein Mitgefangener das Haus angezündet habe. Dieser gab es auch, als er im Landesgefängnis in Hall verhört wurde, sofort zu, mit dem Bemerken, daß er den Brand aus Rache gelegt habe, weil er beim Betteln in einem Haus abgewiesen worden sei. Da man ihm nicht ohne weiteres Glauben schenkte, so wurde er hierhergeliefert. In Begleitung eines Landjägers und eines Beamten fand er auch sofort das fragliche Haus und gab dann an, wie er etngestiegen sei. Es wird nun immerhin interessant sein wie sich die Sache aufklärt. Bemerkt muß noch werden, daß zwar H. seine Schuld stets geleugnet hat, daß aber starke Verdachtsgründe heute noch gegen ihn vorliegen.
^ Ulm, 22. Febr. Die unüberlegte That, welche der Unteroffizier Rau in der Silvesternacht mit seiner Rekrutenkorporalschaft in der Pionierkaserne veranstaltete, hat derselbe nach der „U. Zg." mit 22 Tagen Mittelarrest zu büßen.
* Vom Lande, 22. Febr. Nachstehende Maßregeln eines fränkischen Bezirksamts, welche der Choleragefahr vorzubeugen bestimmt sind, verdienen allgemeine Nachahmung: 1) Nach vollständigem Aufthauen des Eises sind sämtliche Kanäle und Brunnen mittels einer Lösung von Chlorkalk oder Aetzkalk oder Eisenvitriol zu desinfizieren, was bis auf weiteres künftig allmonatlich zu geschehen hat. 2) In allen Schul« Häusern, Wirts- und Gasthäusern sind die sämtlichen Aborte schon jetzt jedesmal aber nach 14 Tagen mit den obenbemerkten Desinfektionsmitteln zu reinigen. 3) Zur Kontrole dieser Desinfektionen sind Ortsgesundheitsräte unter den Gemeindegliedern aufzustellen, mindestens 3
meinem Geburtstage —, die Versicherungsgesellschaft wird hoffentlich kein Bedenken tragen, die Summe auszuzahlen.
„Wie könnte sie das?"
„Mein Mann war nur ein Jahr versichert."
„Und wäre er es nur einen Tag gewesen, die Gesellschaft ist zur Zahlung verpflichtet, sobald sie die Prämie in Empfang genommen hat."
Die dunklen Äugen der Witwe hefteten sich bittend auf das Gesicht des alten Herrn, in dessen Zügen sich nur freundliches Wohlwollen und innige Teilnahme spiegelten.
„Mein Bruder fürchtet, daß wir dabei auf einige Schwierigkeiten stoßen werden," sagte sie leise; „er meint, die Gesellschaft werde einen Totenschein verlangen, der von unserm Hausarzt ausgestellt ist."
„Es genügt vollständig, wenn nur ein Arzt ihn ausgestellt hat."
„Ich besitze allerdings einen solchen Schein vom Herrn Doktor Kleinschmidt, aber Sie würden auch mir einen recht großen Gefallen erzeigen, wenn auch Sie —"
Die junge Frau stockte und drückte das Tuch wieder vor die Augen; der Schmerz über den herben Verlust schien sie zu übermannen.
„Bitte zeigen Sie mir den Schein meines Kollegen," sagte der Medizinalrat nach einer kurzen Pause, „ich will Ihnen gern den Weg ebnen, wenn ich das vermag."
Frau Griesheim erhob sich und schritt zu dem Schreibsekretär; der Blick des alten Herrn ruhte jetzt mit Wohlgefallen auf der schlanken Gestalt, deren tadellose Formen das elegante, knapp anliegende Traver- gewand voll hervortreten ließ.
Sie übergab ihm den Schein und legte das nötige Schreibgerät vor ihm auf den Tisch, dann nahm sie ihren Sitz ihm gegenüber wieder ein.
„Sie haben ihn schon am zweiten Tage beerdigen lassen?" fragte der Medizinalrat erstaunt, nachdem er den Schein gelesen hatte.
„Ich mußte das; der Zersetzungsprozeß trat so rasch ein, daß ich die Leiche nicht länger liegen lassen konnte, ich durfte es den Mitbewohnern dieses Hauses nicht zumuten."
Der alte Herr nickte zustimmend und schrieb rasch einige Zeilen nieder.
„Ich denke, das wird genügen," sagte er; „sollte aber die Versicherungs-Gesellschaft dennoch Schwierigkeiten machen, so wird mein Sohn gewiß gern bereit sein, Ihnen mit Rat und That zur Seite zu stehen."
„Vorausgesetzt, daß ihm Zeit dazu bleibt! Er ist ja sehr in Anspruch genommen, daß er meinen Prozeß vielleicht nicht übernehmen kann —"
„Er ist allerdings ein vielbeschäftigter Advokat," unterbrach der Medizinalrat sie, und über sein Gesicht glitt ein Zug stolzer Ge- nugthuung, „aber Ihnen wird er die Bitte nicht abschlagen. Und was Doktor Varnay übernimmt, das ruht in guten Händen."
Eine leichte Röte überzog die Wangen der jungen Witwe, sichtbar verlegen senkte sie vor dem forschenden Blick des Medizinalrats die Wimpern.
„Ich will hoffen, daß ich mich zu dieser Bitte nicht genötigt sehe," erwiderte sie, „ein Prozeß hat immer Unannehmlichkeiten im Gefolge."
„Na, ich hoffe das auch," sagte der alte Herr, während er feinen Hut nahm und ihr die Hand bot; die Versicherungs-Gesellschaft wird ja vernünftig sein und ihren Verpflichtungen auch ohne gerichtliche Klage Nachkommen. Und sollten Sie eines Freundes bedürfen, sei es jetzt oder später, so kommen Sie nur getrost zu mir, meiner Frau wird es gewiß auch Freude machen, wenn sie Ihnen einen Gefallen erzeigen kann."
(Fortsetzung folgt.)