Titel „Germanisches Museum" bemängelt Kunert die Geringfügigkeit der für Kunstzwecke vom Reiche ausgeworfenen Summen. Beim Titel „Retchszuschuß zur Jnvaliditätsversicherung" wünscht Barth gegenüber der steigenden finanziellen Wirkung des Gesetzes genauere Grundlagen für die Bemessung des Reichszuschusses. Die Feststellung der Invalidität geschehe lediglich nach subjektivem Ermessen. Populär sei das Gesetz nicht, wie die Nürnberger Petition beweise. Leider sei an die Abschaffung nicht zu denken. Staatssekretär Bötticher giebt zu, daß für die Feststellung der Invalidität festere Normen geschaffen werden müssen. Populär werde das Gesetz mit der Zeit noch werden. Schalscha wünscht fakultative Versicherung. Bebel klagt, daß die angesammelten Gelder zur Errichtung von Arbeiterwohnungen verliehen und bisweilen Arbeiterlöhne um den Betrag der Altersrente gekürzt würden. Dienstag Forts.; vorher: Egyvtischer Handelsvertrag.
Laadesuachrichtea.
-r. Altensteig, 21. Febr. Der landwirtsch. Verein Nagold will die MünchenerViehausstellung mit einer Collektion schöner Tiere aus unserem Bezirk beschicken. Zu diesem Zwecke brachten gestern die Viehbesitzer vom hintern Bezirk ihre schönsten Tiere hieher, wo eine besondere Kommission, bestehend aus Hr. Landwirtschafts- inspektor Römer aus Stuttgart, Hr. Gutsbesitzer Wanner aus Leonberg und Hr. O.-A.-Tierarzt Wallraff aus Nagold, die allerschönsten Tiere für die Collektion zur Ausstellung bestimmte. Von 2 Farren, 4 Kühen, 6 Kalbeln und 2 Rindern wurden 1 Farren, 2 Kühe, 2 Kalbeln und 1 Rind auserlesen. Diese Tiere werden 6 Wochen lang vor dem Absandt zur Ausstellung zusammengestellt und gemeinsam gefüttert und gepflegt.
* Altensteig, 22. Febr. Der Landtag soll Mitte des nächsten Monats zur Etatsberatung wieder zusammentreten, um dann vielleicht ohne längere Unterbrechung mit Ausnahme der Osterfeiertage bis in den Juni hinein beisammen zu bleiben. — In der Finanzkommis- ston der Kammer der Abgeordneten wurden die Gesandtschaften in München und Wien auf die nächsten zwei Jahre zur Genehmigung beantragt. Ein Antrag die Gesandtschaft in Wien vom 1. April 1885 an einzuziehen erhielt Stimmengleichheit. Ein Antrag die Regierung um Erwägung zu bitten, ob die Gesandtschaft in München nicht eingezogen werden könnte, wurde mit großer Mehrheit abgelehnt.
* Nagold, 17. Febr. Gestern wollte ein Metzgerbursche ein starkes Rind von Unter
jettingen hierher führen. Kaum hatte er das Dorf verlassen, riß sich das unbändige Tier los, stürzte sich in voller Wut auf seinen Führer und verletzte denselben an Kopf und Brust so schwer, daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. Weil sich dem wütenden Tier kein Mensch ohne Lebensgefahr mehr nahen konnte, mußte es mit Flintenschüssen und Baumstützen erlegt werden.
* Nagold, 20. Febr. Gestern sind die Seminaristen aus der Influenza-Vakanz zurückgekehrt.
* Tübingen, 20. Febr. Der Hafner Götz von Münsingen, früher wohnhaft in Reutlingen, welcher angeklagt war, im Jahre 1884 das ihm zur Hälfte gehörige Wohnhaus im Federnsee in Reutlingen in Brand gesteckt zu haben, wobei eine aus 6 Köpfen bestehende Familie den Tod in den Flammen fand, wurde mangels genügender Beweise freigesprochen.
* Stuttgart, 20. Febr. Es ist hier eine neue große katholische Kirche projektiert, welche auf den Baugrund des Kgl. Marstalls zu stehen kommen soll.
* Ludwigsburg, 21. Febr. Voneinem Unikum seltenster Art sei hier berichtet. In der Aspergerstraße besteht hier ein größeres Anwesen, das einen Wert von mehr als 100000 Mark repräsentiert und das sich eine ganze Häuserreihe hindurch bis in die Lindenstraße hinzieht. Dasselbe ist aber seit bald einem Jahrzehnt völlig unbewohnt. Die einzigen Bewohner der von Werkmeister Danzer vor ca. 50 Jahren aus prächtigen Quadersteinen erbauten Gebäulichkeiten bilden die Ratten und das Ungeziefer. Die Thore und die Läden derselben sind immer geschlossen; die hinter den Gebäuden sich bis an die Lindenstraße hinziehenden Gärten entbehren seit Jahren jeder Kultur und Pflege. Die Erben des Anwesens sind die beiden Töchter des Erbauers, die aber im Auslande leben und nur selten ihre Vaterstadt besuchen.
* (Verschiedenes.) In Dösfingen (Böblingen) ist die Zehntscheuer mit ungefähr 700 Ztr. Stroh niedergebrannt. — InHöfen wurde in das Magazin des Kaufmanns Boda- mer eingebrochen. Der Dieb nahm nur Nahrungsmittel mit sich. — In Heiden heim kam am 19. ds. das Wedelwasser zum drittenmal innerhalb 4 Wochen. — Vier Metzger- burschen in Ulm wurden ihre Koffer erbrochen und aus denselben das darin befindliche bare Geld gestohlen. — Nachdem vor etwa 3 Wochen ein Fall von Genickstarre mit tätlichem Verlauf beim Stuttgarter Ulanenregiment aufgetreten war, sind neuerdings wiederum zwei Ulanen an derselben erkrankt und ins Lazaret
verbracht worden. — Die mehr und mehr unter den jungen Burschen sich etnbürgernde Unsitte Taschenrevolver zu tragen, hat in Bietigheim wieder ein Unglück herbeigeführt. Von zwei 15jährigen Burschen, welche sich miteinander stritten, zog plötzlich der eine seinen Revolver aus der Tasche und schoß denselben gegen die Brust seines Gegners ab. Nur einem glücklichen Umstand war es zu verdanken, daß die Kugel nicht tief genug eindrang um tätlich zu wirken. — Dem früheren Gemetnderat Brose inWin- zerhausen wurden in seinem Weinberge fast sämtliche Reben abgehauen. Es handelt sich um einen Akt teuflischer Rache. — In Laufen a.d.E. stürzte der Ziegler Schlegel beim Zapfensammeln so unglücklich, daß er die Mchsel aus- einanderstel und einen Fuß brach. — Eine tragische Störung nahm die auf letzte Fastnacht anberaumte Hochzeit des Bauern N. ln Münster bei Creglingen. Den üblichen Umzugswagen führte tags zuvor der Bruder des Bräutigams. Die Pferde, des fremden Geräusches der Möbel ungewohnt und durch ziemlich nahe Schüsse erschreckt, scheuten und gingen durch. Der Kutscher kam dabei so unglücklich unter den Wagen, daß er nach 2 Stunden sein Leben aufgeben mußte. Die Möbel wurden vom Wagen geschleudert und ruiniert. — In Giengen a.B. fiel der 16 Jahre alte Bterbrauerlehrling im Schlüssel, S. Hkge von Oellingen, in eine mit siedendem Wasser gefüllte große Stande und verbrannte sich lebensgefährlich. — Als ein Zeichen der Zeit darf wohl der Umstand sprechen, daß sich von den 87 Bewerbern um die erledigte Stelle eines Dieners beim Liederkranz in Stuttgart auch eine erkleckliche Zahl von Männern befand, welche Inhaber eigener Geschäfte sind. — InWaldsee wurde die Frau eines Fuhrknechts verhaftet, welche im Verdachte steht, Mädchen teils in die Schweiz und Frankreich, teils nach Oesterreich, ja sogar nach Amerika verlockt zu haben.
* Leipzig, 20. Febr. Das Reichsgericht verwarf die Revision der in dem Trierer Rockprozeß Verurteilten, Theologie-Kandidat Reichert und seines Verlegers Sonnenberg.
* Berlin, 18. Febr. Die große Versammlung des „Bunds der Landwirte" hat heute hier im Tivoli stattzr- funden. Dieselbe war aus allen Teilen Deutschlands von Groß- und Kleinbesitzern besucht. Es war die größte Versammlung, die Berlin bisher gesehen hat. Der Saal faßt nicht viel über 4000 Personen; es mußte daher die sofortige Wiederholung der Versammlung vorgesehen werden, um den Tausenden, die vor dem Tivoli harrten, und die nochmals weit über 4000 betrugen, ihren Anteil an dem Tage zu ermöglichen. Die erste Versammlung begann um halb 3 Uhr. Herr von Plötz hielt die Eröffnungsrede. Er gab als Parole aus „So kann es nicht weiter gehen"; die deutschen Landwirte müssen alle
zu treten, man weiß ja im Voraus, daß die Standesherren alle solche Vorschläge ablehnen werden, mögen sie nun beschaffen sein, wie sie wollen.
Eine Verfassungsreform hat überhaupt nach Lage der Verhältnisse nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn wir ein Staats Ministerium haben, welches im Bewußtsein, daß es sich um die Erhaltung des Staats Württemberg als eines lebenskräftigen, den Stürmen der Zukunft gewachsenen Organismus handelt, die Reform mit rücksichtsloser Energie in die Hand nimmt, nicht blos so: ut tdoiMs vicksutur d. h.
nur um den Schein hervorzurufen, daß man etwas gethan habe und dann nachher wieder in die alte oben bezeichnet Lethargie zurückzufallen.
Hat aber das Ministerium die nötige Energie, um alle Mittel anzuwenden, welche zur Erreichung des Ziels erforderlich sind, dann ist auch die Verfassungsreform trotz der ersten Kammer nicht unmöglich. Wir haben in unserer Verfassung einen § 161, in welchem bestimmt ist: Sollte bei Eröffnung eines Landtags eine der beiden Kammern nicht in der erforderlichen Zahl — also bei der I. Kammer nicht die Hälfte der Mitglieder versammelt sein, so wird sie als einwilligend in die Beschlüsse der andern angesehen. Zweimal ist es schon vorgekommen, daß wegen der Beschlußunfähigkeit der Kammer der Standesherren die Abgeordnetenkammer allein in Verbindung mit der Regierung die gesetzgebende Gewalt aus übte, im Jahr 1824 bei der Verabschiedung des Pfandgesetzes und in den Jahren 1848 und 1849. Damals wurde eine Reihe der wichtigsten Gesetze ohne Kammer der Standesherren erlassen; der Z 161 der V.U. bildete insbesondere auch die Grundlage für die Verabschiedung des Gesetzes über die Einberufung der konstituierenden Landesversammlungen von 1849 bis 1850. Nun hat aber die Staatsregierung selbst in ihrer Vorlage vom 4. Mai 1885, als sie die Erhöhung der Zahl der lebenslänglichen Mitglieder der Kammer der Standesherren befürwortete, hervorgehoben, daß es in Folge der im Lauf der Zeiten eingelreteneu Verminderung der Zahl oer Mitglieder dieser Kammer in neuerer Zeit zuweilen schwierig geworden sei, die nach tz 160 erforderliche Zahl der Mitglieder dieser Kammer zu versammeln.
Wenn ich hieran anknüpfen darf, so kann es der König!. Staatsregierung gar nicht schwer werden, den Fall des 8 161 der V.-U. in ganz loyaler Weise herbeizuführen und so eine Verfassungs Reform zu ermöglichen. Allerdings kann die Regierung zur Zeit nach der V.-U. nicht
mehr als 6 lebenslängliche Mitglieder ernennen: aber eine Pflicht der Regierung überhaupt lebenslängliche Mitglieder zu ernennen besteht nicht, es ist dieses vielmehr nur ein verfassungsmäßiges Recht. Wenn nun aber ein ständisches Institut im Laufe der Zeit so lebensunfähig geworden ist, daß es seine verfassungsmäßigen Aufgaben nicht mehr erfüllen kann, wenn die Regierung nicht mit Männern aus den Kreisen ihrer höheren Beamten zu Hilfe kommt, damit diese den Standesherren ihre Geschäfte besorgen, so wäre die Regierung vollkommen im Recht, wenn sie erklärt, ich bin fernerhin nicht mehr Willens diesem Institut die Krücken zu liefern, auf welchen es notdürftig gehen kann. Die Regierung kann auch, nachdem sie einmal selbst die Theorie angenommen hat, daß ein Verzicht aut die lebenslängliche Funktion statthaft sei und sie in den letzten Jahren wiederholt solchen Verzicht herbeigeführt hat. einmal auf ihre in der Kammer sitzenden Beamten in dem Sinne einwirken, daß sie auch jetzt auf ihre lebenslängliche Funktion verzichten oder doch bei Eröffnung des Landtags nicht erscheinen. Was den geborenen Standesherm erlaubt ist, muß auch ihnen erlaubt sein. Die Beschlußunfähtgkeit der ersten Kammer wird sich dann sofort ergeben und der Fall des § 161 der V.-U. eintreten. Ein solches Vorgehen wäre rechtlich unanfechtbar. Ohne ein solches durchgreifendes Auftreten der Staatsregierung kommen wir in der Frage der Verf.-Reviston um keinen Schritt weiter.
Aus den soeben erörterten Bestimmungen der Verf.-Urkunde dürfte sich aber auch ergeben, wie sehr meine Vorschläge bezüglich des Einkammersystems an das bestehende Verfaffungsrecht anknüpfen und wie sehr sie sich von allen mehr oder weniger kühnen Verf.-Vorschlägen der neuern Zeit unterscheiden. Denn die Zusammensetzung der Kammer, wie ich sie Vorschläge, stimmt fast ganz überein mit § 161 der Verf.-Urkunde, v. h. mit derjenigen Zusammensetzung, in welcher die großen noch heute giltigen Gesetze der Jahre 1848/49 verabschiedet wurden, nur daß den Anforderungen der Gegenwart entsprechend den größeren Städten eine ausgiebigere und eine vom Magistrat gewählte Vertretung zugewiesen ist und an die Stelle der Prälaten und des Bischofs die Vertreter von HandÄ und Gewerbe gesetzt sind.
Damit schließe ich, meine Herren, und danke für die Ausdauer, mit welcher Sie meinem Vortrag gefolgt sind.