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Donnerstag dm 23. Ieör.
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Die Redaktion und Expedition.
Amtliches.
*Uebertragen wurde: die erledigte Pfarrei in Whengstett dem Pfarrer Murthun in Neulautern: die Erledigte Schulstelle in Schmieh dem Unterlehrer Linden- brrger in Schwieberdingen.
* Gestorbent Postverwalter a. D. Honer, Spai- chingen; Schullehrerswitwe Schrof, geb. Nipp, Solitude.
D Aus Paris.
Das Gesetz der Trägheit, das in der geistigen Welt die gleiche Bedeutung wie auf physikalischem Gebiete hat, sorgt schon dafür, daß selbst große und aufregende Ereignisse in der Volksseele nicht allzulange nachwirken. Wenn nicht alle Anzeichen trügen, hat die an. sängliche Wirkung des Panamaskandals bereits an Kraft erheblich eingebüßt und die erneuerten Versuche, diese Skandale abermals zu beleben, find so gut wie erfolglos geblieben.
Die Thatsache, daß mehr als hundert Deputierte und Senatoren, daß die meisten Pariser Zeitungen, ja daß selbst einzelne Minister mit Panamageld bestochen worden sind, steht ebenso fest, als die andere Thatsache, daß 1600 Millionen Frank ohne irgend einen Erfolg in und für den mittelamerikanischen Seekanal verpulvert worden sind. Nun geht es aber mit den Bestechuugsgeldern etwa so, wie mit den Zuwendungen aus dem Welfenfonds: weder hier noch dort find authentische Belege vorhanden; denn niemand ist so einfältig, eine Quittung auszustellen darüber, daß er mit so und so viel Tausend Mark zu einem bestimmten Zwecke bestochen worden sei. Notizbücher, kurze Aufzeichnungen, Anfangsbuchstaben von
Namen und dergl. bilden in Paris das dürftige Material für den Untersuchungsrichter und daß da bei keckem Leugnen der Angeschuldigten nicht viel herauskommen kann, ist ja leicht einzusehen.
Selbstverständlich war der einmal angezettelte Skandal für die heimlichen und offenen Gegner der gegenwärtigen Staatsform in Frankreich ein gefundenes Fressen. Als ob nicht das Julikönigtum an seiner eigenen Korruption zu Grunde gegangen wäre; als ob nicht unter dem zweiten Kaiserreich die öffentliche Ausplünderung in ein förmliches System gebracht worden wäre! Die Moral des Bürgertums, nicht die Regierungsform, bildet die Bürgschaft für die Kraft jedweden Staatslebens. Die Gambettisten in Frankreich sind durch den Skandal in gleicher Weise besudelt worden, wie die Radikalen in der Person ihrer Führer Clemenceau und Floquet. Diese und andere Namen, wie Rouvier und Freycinet, werden von der Bildfläche verschwinden und die liebe Mittelmäßigkeit wird sich an ihrer Stelle breit machen und mit einer Moral prunken, die nur deshalb existiert, weil bisher noch niemand sie für wichtig und einflußreich genug gehalten hat, um sie . . . zu kaufen.
Der neue Gesellschaftsretter Cavaignac Hai auch schon wieder viel von dem Nimbus eingebüßt, der ihn anfangs umgab. Mau ist gar zu bald dahinter gekommen, daß es ihm durchaus nicht in erster Linie um die patriotische Tugend und die republikanische Reinheit der Sitten, sondern... um die Eroberung des Präsidentenpostens zu thun war, und daß sein Auftreten in der Kammer erst infolge einer Verabredung mit der Rechten und dem rechten Zentrum erfolgte. Außerdem hat ihm sehr geschadet, daß bekannt wurde, er habe seiner Prästdentschaftskandidatur schon durch die massenhafte Verteilung einer Broschüre bei der Landbevölkerung vorgearbeitet. Das Auftreten Ca- vaignacs in der Deputiertenkammer kommt dadurch in eine ganz andere Beleuchtung. Nicht mehr als ein Patriot ist es, der aus Liebe zum Vaterlande heraus flammende Worte
findet, um die Tempelschänder aus dem geheiligten Ort zu treiben, sondern ein gewöhnlicher Streber, der nur geschickt den Augenblick und die richtige Weise zu treffen wußte, um seine Kandidatur für die Präsidentschaft einzuleiten, und den ganzen Koup schon lange mit allen Mitteln vorbereitet hatte. Der Panama- Skandal wird „langweilig", — Cavaignac ist durchschaut, — die Republik ist gerettet.
Deutscher Reichstag.
* Berlin, 17. Febr. Der Reichstag setzte die handelspolitische Debatte fort. Im Laufe der Sitzung erklärte Reichskanzler Caprivi: Es sei auffallend, daß diese Debatte über die Not der Landwirtschaft gleichzeitig im Reichstage und im preußischen Abgeordnetenhause geführt worden sei. Er nehme die Bewegung sehr ernst und habe die feste Ueberzeugung, daß die jetzigen Vorgänge für Deutschland die größten Gefahren in sich schließen. Er sei der Meinung, daß hinter der Bewegung etwas ganz anderes stecke, als vorgeschützt werde. Die Geschichte zeige, daß Bewegungen, welche anfangs das Beste wollten, dann weiter gingen und nachher nicht aufzuhalten waren. Jemehr die politischen Parteien in wirtschaftliche Bahnen drängen, desto mehr sei es Pflicht der Regierung, zu wachen, daß die allgemein politischen Interessen nicht vernachlässigt werden. Festigkeit sei die erste Anforderung, welche an die Gesundung Deutschlands gestellt werden könne. Jeder Wechsel in den Personen sei mit einer Erschütterung verbunden. „Also ich werde aus- halten." Aber es sei dringend zu wünschen, daß die Vertreter der agrarischen Interessen erwägen, ob die eingeschlagenen Wege dauernd mit den Staatsinteressen vereinbar seien. Nicht um den einzelnen Menschen handle es sich hier, sondern um das Schiff, worauf die deutsche Flagge wehe. (Lebhafter Beifall links.) — Die Mittel zur Besoldung des Staatssekretärs werden bewilligt.
* Berlin, 18. Febr. Zweite Beratung des Etats des Reichsamts des Innern. Beim
Ueber die Württ. Verfassungsrevision.
(Schluß.)
Wir würden hiernach neben einer aus dem allgemeinen Stimmrecht hervorgLgangenen Vertretung von ca. 65 Köpfen noch eine Jnteressen- Vertretung von ca. 45 Personen, im Ganzen also 110 Mitglieder erhallen, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, daß die mit ca. 10—12 Personen in Rechnung genommenen württ. Standesherren, wenn sie persönlich erscheinen müssen, von ihrem Stimmrecht wohl keinen Gebrauch machen würden, so daß die künftige einzige Kammer die Zahl von 100 Mit gliedern (65 -s- 35) kaum überschreiten würde. Diese Zahl wäre für die Größe unseres Landes und die vorhandenen Kapacitäten durchaus genügend. Die Vertreter der gewerblichen, merkantilen, agrarischen und geistigen Interessen des Landes würben hiebei ein angemessenes Gegengewicht gegen die Zufälligkeiten des allgemeinen Stimmrechts bilden und Ms einen erheblichen Prozentsatz durchaus unabhängiger, dem Einflüsse der Regierung wie dem Einflüsse von unten unzugänglicher Männer sichern, welchen, weil sie von den beteiligten Kreisen ausgewählt worden, auch die erforderlichen Sachkenntnisse zuzutrauen wären. Eine Lücke bildet nur noch die besondere Vertretung der berechtigten Interessen des Arbeiterstandes ; einer solchen steht wenigstens in diesem Augenblick uoch der Mangel einer festen korporativen Organisation dieses Standes muerhalb des Landes entgegen. Solange es hieran fehlt, könnte immerhin durch die künftige Einteilung der Wahlbezirke für die Stadt Stuttgart die Möglichkeit einer wenigstens thatsächlichen Vertretung ihrer Interessen in der Ständekammer herbeigeführt werden.
Und nun, nachdem ich meinen Vorschlag für die künftige Zusammensetzung eines einzigen ständischen Körpers im engsten Anschluß an das bisherige Recht im Sinne der bürgerlichen Freiheit und ohne Anknüpfung an überlebte Einrichtungen entwickelt habe, dabei auch dem bisher gelten
den allgemeinen Stimmrecht ungeachtet seiner Mängel nicht zu nahe getreten, sondern nur bemüht gewesen bin, seine Lücken durch die Interessenvertretung gleichsam auszufüllen und seine Gefahren zu beseitigen, habe ich mich noch mit dem zweiten Einwand auseinanderzusetzen, den ich an die Spitze meines Vortrags hätte stellen können. Man wird mir einwenden, wie soll dieser Vorschlag, so sehr er sich auch an das Bestehende anzuschließen sucht, zur Ausführung gelangen ? Würden nicht die Standesherren einen Entwurf, der die fernere Existenz der Kammer der Standesherren beseitigt, unbedingt ablehnen?
Darauf erwidereich einfach: Dieses wird bei jedem ernstlichen Versuch der Reform unserer ständischen Vertretung der Fall sein. Unsere Kammer der Standesherren kann trotz ihres geschilderten Zustands, den die K. Staatsregierung selbst in ihrer Vorlage vom 4. Mai 1885 anerkannt hat, jede auf Verminderung ihrer Macht durch Aenderung ihrer bisherigen Zusammensetzung gerichtete Vorlage ablehnen und sie wird dies jedenfalls thun. Denn keine Macht beschränkt sich selbst und wer könnte sie nötigen, einem solchen Entwürfe zuzustimmen? Es kommt dabei noch in Beiracht, daß zur Zeit ca. ^ der Kammer der Standesherren der katholischen Kirche angehört: daß also die kath. Kirche in Württemberg dermalen die Macht besitzt, jede Gesetzgebung, welche ihr nicht genehm ist, durch den Widerspruch der Kammer der Standesherren zu hindern, und mit dem nicht fernen Aussterben der protestantischen Prinzen des königlichen Hauses und der Vermehrung der katholischen wird dieses Uebergewicht noch gesteigert werden. Wer eine solche Macht besitzt, gibt sie nicht freiwillig aus den Händen, am wenigsten die kath. Kirche. Sie würde diese Uebermacht aber sofort verlieren, wenn auch nur die bisherigen Privilegirten der II. Kammer in die erste Kammer versetzt würden. Das Ministerium könnte es daher ganz wohl wagen, mit irgend einem populären Entwurf der Verf.-Reform vor die Stände