* Altensteig, 17. Febr. In gegenwärtiger Jahreszeit fällt es jedermann auf, daß die Nachmittage bedeutend länger als die Vormit­tage sind; der Unterschied beträgt in der Mitte des Februar sogar eine Stunde 16 Minuten. Am 15. d. ging z. B. die Sonne um 7 Uhr 32 Minuten morgens auf, also 4 Stunden 28 Minuten vor dem Mittag unserer Uhren; der Untergang fand erst 5 Uhr 44 Minuten abends statt. Vergleicht man die Länge des Vormittags mit der des Nachmittags, so findet man den oben angegebenen bedeutenden Unterschied. Wo­her kommt derselbe? Schon vor Einführung der mitteleuropäischen Zeitrechnung, als man die sogenannte mittlere Zeit hatte, ging eine genaue Uhr in der Mitte des Februar gegen­über der wahren Sonnenzeit oder gegenüber den Angaben einer genauen Sonnenuhr um 14ftz Minuten voraus; die Zunahme des Tages werkte man schon damals am Nachmittage mehr als am Vormittage. Seit Einführung der neuen Zeitrechnung find aber unsere Uhren um fast 23V 2 Minuten vorgerichtet worden; somit gehen unsere Uhren um beinahe 38 Minuten gegenüber der Sonne voraus, oder mit andern Worten: Wenn die Sonne genau im Süden steht und ihren höchsten Stand erreicht hat, zeigen unsere Uhren in diesen Tagen schon 12 Uhr 38 Minuten. Der Nachmittag wird also auf Kosten des Vormittags verlängert und der Unterschied beider muß thatsächlich zweimal 38 Minuten, also 1 Stunde 16 Minuten betragen. Später wird der Unterschied wieder geringer und anfangs November erreicht er seinen klein­sten Wert. DieKneipp-Blätter" machen darauf aufmerksam, daß jetzt die geeignetste Zeit ist zum Einsammcln der Mistel, die auf Apfel- und Birnbäumen, auf Eichen und Weißtannen vorkommt. Sie ist ein vorzügliches Heilmittel bei Blutstauungen, ist wirksamer als jedes an­dere Heilmittel bei Blutbrechen, besonders bei Magen-, Lungen- und Unterleibsblutungen; sie heilt Magengeschwüre, Schnittwunden, blutende Schäden überhaupt und Hämorrhoiden. Die häufigste Anwendung ist die als Thee, bei Hämorrhoiden empfiehlt sich ein Klystier. Mit dieser Notiz glauben wir der leidenden Mensch­heit einen Dienst zu erweisen.

* Herrenberg, 16. Febr. Bei der heute stattgehabten Stadtschultheißenwahl wurde Ge­richtsschreiber Hauser in Biberach mit 155 St. gewählt. Von den beiden Mitbewerbern erhielten Stimmen Revtstonsassistent Stotz hier 147, Gerichtsschreiber Fischer in Geislingen 32. In den letzten Tagen kam noch viel Leben in die Wahl; die Kandidaten und ihre Freunde suchten durch Besuche von Haus zu Haus und am letzten Morgen noch durch Flugblätter sich zu empfehlen. Kranke wurden mittelst Wagen aufs Rathaus geführt.

* Einen Vermittlungsvorschlag zur Militär­vorlage macht in einer soeben im Verlage von Karl Krabbe in Stuttgart erscheinenden Broschüre der württembergische Oberstlieute­

nant a. D. v. Schmtd. Der Verfasser spricht sich für Einführung der zweijährigen Dienstzeit bet den Fußtruppen und Erhöhung der Friedens­stärke aus. Er warnt eindringlich vor den Gefahren, welche Deutschland bei einem Kriege im eigenen Lande bevorstehen würden; er hält die Mehreinstellung von 60 000 Rekruten schon aus Gründen der Gerechtigkeit geboten, weil nur dann die allgemeine Wehrpflicht durchgeführt und das Unrecht, daß alle Jahre mehr als 100000 kräftige Männer vom Dienste befreit find, aufgehoben wird. Die Aufstellung von 4. Bataillonen hält er für unumgänglich not­wendig, glaubt aber, daß für dieselben, ab­weichend von der Regierungsvorlage, eine Stärke von je 100 Mann genüge, und daß auch eine Erhöhung der schon bestehenden Kompagnien um je 10 Mann ausreichend ist. Die Auf­stellung von weiteren 60 Feldbatterien wird im Interesse der Schlagferttgkeit des Heeres für geboten erachtet, weil dieselben für die Reservedivifionen bestimmt sind. So kommt der Verfasser zu einer Erhöhung der Friedens­stärke um 51000 Mann, wodurch eine Ver­minderung der Kosten um jährlich 15 Millionen erzielt würde.

* Stuttgart, 14. Febr. Die 538 land­wirtschaftlichen Raiffetsen'schen Kreditgenossen­schaften Württembergs hatten Ende 1892 bei der Hofbank ein Guthaben von rund 1 Mill. Mark.

* Heilbr 0 nn, 15. Febr. Der nachstehende in Ludwigshafen vorgekommene Fall möge Andern zur Warnung dienen. Ein dortiger Kaufmann hatte es unterlassen, seinen neu ein­getretenen Hausburschen bet der Ortskranken- kasse anzumelden, weil er glaubte, es genüge, wenn er für den Ausgetretenen weiter zahle. Er mußte aber zu seinem Schaden erfahren, daß dies nicht statthaft ist. Der unangemeldete Bursche wurde nämlich krank und nun strengte die Ortskrankenkasse gegen den Kaufmann Klage an wegen Rückersatz der Verpflegungs­kosten. Das Urteil fiel zu seinen Ungunsten aus und nun hat er ca. 400 Mk. Verpflegungs­und Prozeßkosten zu zahlen.

* (Verschiedenes.) In Heilbronn begehen am Samstag die Tuchscheerer Karl Mertensschen Eheleute das seltene Fest der diamantenen Hochzeit. Der Ehegatte ist 87, die Ehefrau 81 Jahre alt. In Brackenheim ist am Montag nacht die Johanntsmühle bis auf den Grund nieder­gebrannt. Im Krankenhaus in Heiden- heim starb dieser Tage ein Küfer aus Heuch­lingen, welcher in seinem Leben nicht weniger als siebenmal die Hand in selbstmörderischer Absicht an sich gelegt hatte, aber jedesmal wieder dem irdischen Dasein zurückgegeben wurde. Dazu hatte er folgende Selbstmordarten gewählt: Ertränken, Erhängen, Oeffnen der Pulsader, Stechen von Nadeln in die Brust, Selbstver­stümmelung. Seine letzte Operation endlich, Aufschneiden eines Bruchs, führte den oft ge

suchten Tod herbei. In Cannstatt wurde am Dienstag nacht aus einem Goldwarenladen in einer der frequentesten Straßen durch Auf- schieben eines Rollladens und Eindrücken einer Fensterscheibe ein Rtngkästchen mit 48 goldenen Ringen, 4 goldene Armbänder, 1 silbernes Armband und 2 Garnituren goldene Kragen­knöpfe im Gesamtwert von 586 Mk. gestohlen. In Fellbach feierte Oberpräzeptor Knall mit seiner Gemahlin das Fest der goldenen Hochzeit. In Ditzingen wurde letzten Samstag der Bauer Kcafft, ein 74jährtger schwerhöriger Mann, vor seinem Wohnhause von einem Larrinenwagen überfahren, infolge­dessen er einige Stunden nachher starb. In Me im sheim hat sich der Wagner B., der wegen Diebstahls verhaftet werden sollte, erhängt. In Hessigheim wurde Schult­heiß Lipp, der sich in der Amtsführung ver­schiedene Unregelmäßigkeiten zu Schulden kom­men lreß, verhaftet. In Stuttgart wur­den 2 Arbeiter festgenommen, welche bei der städtischen Wafserwerksoerwaltung nach und nach ca. 4650 Ztr. neue Bleizungen gestohlen und in Eßlingen verkauft hatten. Die Teuerung aller Lebensmittel inHeiIbr 0 nn wird durch die eine Thatsache am besten bewiesen, daß neuerdings der Preis des frischen Eies auf 15 Pfennig gestiegen, worüber alle Großmütter ganz bedenklich den Kopf schütteln.

* Karlsruhe, 15. Febr. In Dattingen bei Mühlheim wurde ein heftiger Erdstoß verspürt.

* Berlin, 15. Febr. Der Reichstagsab­geordnete Hermes verkündet in der Deutschen Warte die Auflösung des Reichstags für Ende März nach der Annahme des Etats.

" Berlin, 15. Febr. Eine dem Reichstage zugegangene Novelle zum Militärpenfionsgesetz bezweckr die Neufeststellung der Fristen, an welche die Geltendmachung eines Pensionsan­spruches gebunden ist. Ein süddeutscher Er­finder stellte an das Polizeipräsidium ein Kon- Zcssionsgesuch behufs Einführung elektrischer Droschken.

* Berlin, 15. Febr. Wie dieKreuzztg." aus Belgrad meldet, ist der dortige Korrespon­dent der Frankfurter Zeitung, Weiz, von König Milan wegen Verleumdung verklagt worden.

"Berlin, 16. Febr. Mehrere Offiziere find für sechs Monate nach Petersburg zum Studium der russischen Sprache kommandiert.

* Eine von 214 deutschen Rabbinern veröffentlichte Erklärung gipfelt in dem Satze, daß die Stitenlehre des Judentums keinen Ausspruch und keine Anschauung anerkenne, die einem Nichtjuden gegenüber etwas erlaube, was einem Juden gegenüber verboten sei, und daß dieselbe gebiete, m jedem Menschen das Eben­bild Gottes zu achten, im Handel und Wandel die strengste Wahrhaftigkeit gegen jedermann zu belhättgen, jedes Gelübde und Versprechen, welches irgend einem Menschen, er sei Jade

fähigung zur Ausübung der ihnen überwiesenen Funktionen in hohem G rade besitzen, in eine Stellung versetzt sind, welche mit einer repräsen­tativen ständischen Funktion ganz unvereinbar ist, indem diese Srandes- herren II. Ranges thatsächlich zu auf Zeit angeftellten Funktionären der Regierung zum Zweck der Besorgung der standesherrlichen Geschäfte ge­worden sind. Je höher und angesehener die Stellung dieser Männer !m Staatsdienste ist, um so unangemessener ist die Art, wie sie hier im Dienste für die geborenen Standesherrn verwendet Werdens Das erste muß also sein, die Beseitigung dieser Kammer der Standesherrn, von denen der eine Teil seine Funktion nicht ausüben kann, während dem andern Teil die selbständige Rechtsstellung fehlt, welche für einen Pair des Reichs erforderlich wäre.

Ich sehe nun allerdings 2 Einwendungen voraus: Man wirft ein und merkwürdiger Weise ist es gerade unsere schwäbische Demokratie, welche neuerdings für diesen sonderbaren Gedanken etntritt man könnte ja die Kammer der Standesherrn dadurch lebensfähig machen, daß man die sog. Prtvilegirien der Abgemdnetenkammer in die I. Kam­mer versetze, die II. aber zum reinen Ausdruck des allgemeinen Stimm­rechts mache. Allein dieser Gedanke schein: mir ganz verwerflich zu sein: ein abgelebtes politisches Institut, dessen Existenz seit seiner Geburt mit der Geschichte wie m>t der öffentl. Meinung des Landes im Wider­spruch stand, jetzt erst lebensfähig machen, da die neueste politische Ent­wicklung unseres Landes, die Vereinfachung des ganzen Staatsorgan s- mus dringend fordert, das heißt denn doch den Lauf der Geschichte umkehren. Haben wir denn nicht nachgerade genug parlamentarische Körper in Deutschland; gähnt uns nicht eine öde Leere selbst aus den Sitzungen des Reichstages entgegen? Sollte es nicht genügen, wenn auch in den Mirtelstaaten die Volksvertretung in einer Körperschaft kon­zentriert wird, neben dem darüber stehenden Reichstag und Bundesrat

und den 'Selbstverwaltungskörpern, deren Zahl noch immer im Wachsen begriffen ist? Wenn es ferner, wie nicht za leugnen, eine Thatsache ist, daß die sog. Privileg erten der II. Kammer seit langen Jahren sie haben auch im Jahr 1848 mutig ausgehalten, thatsächlich einen großen Teil der Intelligenz der II. Kammer repräsentieren, sollen dann diese Privilegierten ohne weiteres in die I. Kammer versetzt werden, damit sie die Macht und das Ansehen dieser Kammer und damit auch den Einfluß einseitiger Adelsinteressen stetgern?

Ich bin da ganz anderer Ansicht. M. E. muß es vielmehr bei einer Verfaffungsrevision das erste und einzige Streben des Gesetzgebers sein, eine möglichst selbständige und intelligente ständische Vertretung herzustellen und die Frage kann nur sein, auf welchem Wege erlangt man am ehesten diese Eigenschaften? Eni Vorrecht für jeden, der Menschenantlitz trägt, seinen Kopfretl znr Zusammensetzung der Stände­kammer beizulragen giebt es nicht, das sind längst überwundene ver­kehrte Ideen. Wenn allerdings das allgemeine Stimmrecht dennoch im Erfolg jene Forderung erfüllen würde, so wäre es gewiß der einfachste Weg so zu sagen durch ein bloßes Addittonsverfahren die paffenden Vertreter heraus zu finden. So liegt aber leider die Sache nicht.

Die ständische Repräsentation muß ein lebendiges Bild aller im Staate nach Verwirklichung strebenden gesellschaftlichen Interessen dar­stellen, jedes muß Gelegenheit finden, in der Volksvertretung zum Wort zu kommen: und es muß daher die Aufgabe sein, diesen verschiedenen Lebensinteressen, wie sie in Landwirtschaft, Handel, Gewerbe, Knust und Wissenschaft sich offenbaren, eine ihrer Bedeutung entsprechende Ver­tretung zu sichern. Dieser Aufgabe entspricht das allgemeine Stimmrecht in keiner Weise. Es beachtet' zunächst nicht die ganz verschiedene Be­deutung, welche die Persönlichkeit des Einzelnen in Staat und Gesell­schaft einnimmt, indem es im Widerspruch mit den Thatsachen den