zunge zwischen dem Fluß- u. Mühlkanal bildet, vom Hochwasser weggerissen; der auf sehr festem Ktesgrund fundierte, in solidester Weise gemauerte Pfeiler hat jedoch nicht die geringste Beschädigung erlitten. Die Züge können ungehindert wie vorher verkehren. — Am Samstag hielt der Familienkranz einen Scherzabend im Gasthof zur Linde ab, welches einzige Fastnachtsvergnügen, das wir hier hatten, sich einer zahlreichen Beteiligung erfreute. Die Anordnung war von gewohnter Gediegenheit und das Programm, das 18 Stücke umfaßte, bot in komischen Aufführungen, kernhaft witzigen Deklamationen rc. eine urfidele Unterhaltung. Die Zwischenpausen wurden durch Vorträge der Stadtmufik auf's angenehmste ausgefüllt. Alle Mitwirkenden haben sich ihrer Aufgabe mit vielem Geschick entledigt. Da das Alltagsleben so viel des Ernsten bietet, so sind mitunter einige dem Frohsinn geweihte Stunden geradezu ein Bedürfnis. — Sturm, Regen, Sonnenschein, Schneegestöber, Hochwasser — ein wahres Durcheinander — das ist das Bild der letzten Tage. Sollte noch mehr Schnee fallen, so könnten wir bald die „verböserte" Auflage einer Hochflut der Flüsse erleben, denn der Boden ist noch immer gefroren und läßt kein Wasser durch.
* Jeder Radfahrer wird fortan sein Velociped auch im Winter bei Schnee- und Eisbahn benützen können. Ein einfacher, solid konstruierter Apparat kann an jedem Velociped ohne Unterschied des Systems an Stelle des vorderen Rades angebracht und so zum Schlitten umgewandelt, durch das Triebrad in Bewegung gesetzt werden.
* Calw. Der Agent einer Nähmaschinenfabrik läßt seine Abnehmer im Bezirk Wechsel unterschreiben, ohne sie über die Bedeutung ihrer Unterschriften aufzuklären. Gleichzeitig giebt er ihnen einen Abzahlungs-Karton in die Hand und nimmt auf diesen Zahlungen ein, ohne die in Umlauf gesetzten Wechsel für den entsprechenden Betrag zu annullieren. Wenn er nun auch den Bezogenen bei Wechsel-Verfall für ihre Accepte Deckung einsendet, so ist doch ein solches Verfahren gsAgnet, die Besteller, welche mit derartigen Manipulationen nicht vertraut sind, zu verwirren und zu beunruhigen. Daher aufgepaßt und ja keine Wechsel unterschreiben. (Nach d. Calw. Wochenbl.)
* Stuttgart, 8. Febr. Der Besuch des Kaisers von Oesterreich steht hier für April oder Mai in Aussicht.
* (Predigttext.) Als Predigttext für das Geburtsfest S. Maj. des Königs am 25. Febr. wurde Psalm 84, 12, 13: „Gott der Herr ist Sonne und Schild; der Herr giebt Gnade und Ehre, er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen. Hr.Zebatoth, wohl dem Menschen, der sich auf dich verläßt," bestimmt.
* Plochingen, 11. Febr. Der Neckar bringt wieder Hochwasser. Die Wasserhöhe beträgt 3,2 Meter.
*EIlwangen, 10. Febr. Heute abend
9 Uhr erstes Gewitter dieses Jahres mit viel Regen und Graupen.
"Vom Lande, 8. Febr. Betreffs des Umtausch? und der Bareinlösnng verdorbener oder unbrauchbar gewordener Versicherungsmarken herrscht im Publikum auf Grund eines früheren Erlasses vielfach die irrige Auffassung, daß die genannten Marken ohne weiteres bet den Postanstalten umgetauscht werden können. Wie das Vcrsicherungsamt nunmehr in einem neuen Rundschreiben mitteilt, ist diese Auffassung nicht zutreffend. Es bedarf vielmehr bei dem Umtausch solcher Marken stets eines Antrags an den Vorstand der Versicherungsanstalt, welcher seinerseits nach getroffener Entscheidung die Vermittlung der zuständigen Oberpostdirektion zum Zwecke des Umtausch? in Anspruch nehmen kann. Eine Mitwirkung der lokalen Postbehörden kann daher nur auf Anweisung der Oberpostdirektion stattstnden.
*Vom Lande, 10. Febr. Die Wehrsteuer, die von Nichtmilitärdiensttauglichen erhoben werden soll, findet immer mehr Anhänger. Eine solche Steuer besteht in der Schweiz, Oesterreich- Ungarn, Frankreich und Serbien; sie ist in der Einführung begriffen in Rumänien und in Aussicht genommen in Italien und Rußland. In einer soeben erschienenen Broschüre von Karl Saur über die Wehrsteuer wird der Ertrag derselben für Deutschland auf Grund des Gesetzentwurfs von 1881 auf 18 Millionen Mark jährlich berechnet. Nach jenem Entwürfe sollte während 12 Jahren von den Befreiten eine jährliche feste Abgabe von 4 Mk. und zugleich von Denjenigen, deren Jahreseinkommen 1000 Mark übersteigt, eine progressiv geordnete Einkommensteuer erhoben werden. Jedenfalls «st es nicht unwahrscheinlich, daß die Wehrsteuerfrage auch parlamentarisch in bestimmter Form wieder zur Erörterung kommt.
* (Verschiedenes.) In Mergentheim hat sich der Amtsanwalt H. in seinem Zimmer erschossen. — In Stuttgart wurden in letzter Zeit mehrere Etnbruchdiebstähle.in Dienstbolenkammern verübt. In einzelnen Fällen haben die Diebe Beträge von 100 Mk., 180 Mk. in bar erbeutet. — In Hausen a. Th. ist der Maurer Reinauer beim Holzfällen von einer stürzenden Tanne erdrückt worden, so daß der Tod sofort eintrat. Er hinterläßt eine Wirwe mit 6 Kindern. — Zwischen den Stationen Hall und Hessenthal ist ein mit 2 Pferden bespanntes, mit Dünger beladenes Fuhrwerk, welches hart am Rande des dortigen Bahneinschnitts aufgestellt und beim Abladen m Bewegung gekommen war, über die steile, 23 w hohe Böschung und Felswand auf das Bahngeleise herabgestürzt. Die Pferde waren sofort tot. Die um die fragliche Zeit fälligen Züge konnten rechtzeitig aufgehalten werden. Eine Betriebsstörung ist nicht eingetreten. — Einem Holzhändler von Bella mont sind auf dem Heimweg von einem Holzverkauf über 2000 Mk. in Papiergeld abhanden gekommen. Ein Un-
bekannnter hat ihn ein Stück Wegs begleitet, ihn beim Fallen in den tiefen Schnee ein paarmal aufgeholfen und ihn dabei wahrscheinlich bestohlen.
* Karlsruhe, 10. Febr. Schwere Soldatenmißhandlungen sollen bei dem in Durlach garnisonierenden Jnfantertebataillon durch einen Feldwebel und einen Unteroffizier vorgekommen sein. Es verlautet, daß der erstere zu acht, der letztere zu 4 Jahren Festung verurteilt worden sein soll. Die Mißhandlungen sollen bis in das Jahr 1885 zurückreichen. In einem Fall soll der Feldwebel einem Soldaten befohlen haben, kochende Suppe zu essen, an deren Genuß der Mann gestorben ist. In einem anderen Fall soll das spucken eine Rolle spielen. Auch bei dem hiesigen Leibgrenadierregiment sollen Mißhandlungen vorgekommen sein.
* Mannheim, 10. Febr. Daß ein 14- jähriger Schüler mit einem geladenen Revolver zur Schule kommt, haben heute auch die Lehrer unserer Volksschule erfahren müssen. Dieser saubere Gutedel, der schon mehrere Tage eigenmächtig die Schule versäumte, wurde heute früh von seinem älteren Bruder zur Schule gebracht und dis zum Beginn des Unterrichts in den Carcer gesperrt. Plötzlich krachte ein Schuß und beim Oeffnen der Thüre lag der Arrestant auf dem Boden und erklärte, er habe mit dem Revolver gespielt und sich am Bein eine Schußwunde beigebracht. Derselbe mußte ins allgemeine Krankenhaus überführr werden.
* In Spei er starb die sehr vermögende Frau eines im vorigen Jahr verstorbenen Bäckermeisters, Witwe Anth, den freiwilligen Hungertod. Sie ließ sich in den letzten 24 Stunden nicht mehr sehen und cs wurde die Polizei hievon unrerrichtet, welche die Wohnung gewaltsam öffnen ließ. Man fand die Frau entseelt in ihrem Lehnsessel sitzend.
* Leipzig. Nach den Veröffentlichungen über die Einschätzung zur Einkommensteuer befinden sich unter den 150000 Leipziger Steuerzahlern rund 200 Millionäre. Unter diesen sind 80 Personen vorhanden, die mehr als 100 Ol 0 Mk. Einkommen aufzuweisen hatten.
* Leipzig, 9. Febr. Das in der verflossenen Nacht gegen 11 Uhr im Restaurant Schäfer am Neumarkt stattgefundene schwere Brandunglück entstand durch Spielen mit einem Feuerwerkskörper, wodurch die Entzündung von Tannenreisern und sodann eine Gasexplosion hervorgerufen wurde. Die Tochter Schäfers und das Dienstmädchen, ferner vier Männer sind tot, 5 oder 6 Schwerverletzte wurden ins Hospital verbracht. Der Weinhändler Kretzschmer, welcher den Feuerwerkskörper entzündete, wurde verhaftet.
* Görlitz, 7. Februar. Lieutenant Kurt v. Zastrow von den 5. Kürassieren, der älteste Sohn des Rittergutsbesitzers Major a. D. v. Zastrow in dem benachbarten Schönberg, ist dieser Tage in entsetzlicher Weise verunglückt.
Die Hochler des Gauklers.
Original-Roman von Gebh. S chätz l er-P erasi ni.
(Nachdruck
verkoken.)
(Fortsetzung.)
„Ich kannte ja meine Sabine," sagte tiefbewegt der Doktor. „Nun komm, Kind, mein Wagen wartet unten; wir fahren sofort nach Fels- Lerg. Gern hätte ich dir Erholung gegönnt, aber das ist hier ja doch unmöglich. Und dann drängt die Zeit furchtbar; je schneller wir zu Kurt kommen, desto besser. Ach, du wirst sehen, Kindchen, es wird noch alles gut werden."
„Wie wehe ich allen thun mußte!" schluchzte Sabine. „Kurt, mein armer, lieber Kurt! Ach, Sie glauben nicht, Doktor, wie schwer es mir wurde, ihn fortzuschicken ohne Hoffnung!"
„Still, still, Sabine, keine Aufregung mehr! Hoffentlich sind die Nachwehen dieser entsetzlichen Stunden bald verwischt."
Sabine lächelte ein wenig. Zwar war es ein trübes, schwaches Lächeln, aber es ließ der Hoffnung Raum, daß die Sonne des Glückes doch noch durchbrechen werde voll und klar.
Der Sanitätsrat stützte Sabine, als sie über die Treppe und den Hofraum gingen.
Stanislaus Ferina ftand mit einigen jungen Leuten der Truppe in einer Ecke und hetzte wütend, zu wehren, daß ihm der Doktor sein eigenes Kind wieder nähme.
Einige, besonders die jungen Hitzköpfe, welche er die Treppe hinab- warf, waren dazu auch gleich bereit. Künstlerseeleu ^versöhnen sich bald und um so schneller, wenn ein hübsches Menschenkind dabei im Spiele ist. Als der Doktor mit Sabine erschien, traten sie näher.
„Halt, Herr Sanitätsrat!" rief Stanislaus. „Ich verbiete Euch, mein Kind mitzunehmen."
„Mit Euch spreche ich später," antwortete der Doktor in einem Tone, der nur noch die Wut Ferinas erhöhte.
„Ich bin der Vater und —"
Er versuchte, den Pferden in die Zügel zu fallen.
Der Doktor und Sabine waren eingestiegen, und der erstere rief nun dem Kutscher in kräftigen Worten zu:
„Fahr' zu nach Felsberg, so schnell du kannst!"
Stanislaus aber zerrte an den Zügeln.
Da traf ihn ein wuchtiger Peitschenschlag und fluchend taumelte er zurück.
Unter dem Gelächter der Umstehenden sandte er dem davonrollenden Wagen greuliche Flüche nach.
Die jungen Leute hatten sich zwar sämtlich über den Sprung Ferinas lustig gemacht, aber sie waren doch alle dabei, als er sie ausforderte, noch desselben Tages mit ihm nach Felsberg zu gehen, wo Stanislaus offen und mit Androhung eines Skandals sein Kind fordern wollte.
Daß die Geschichte mit Eklat in Szene gehen sollte, dafür wollten sie schon sorgen.-
Langsam ritt Kurt von Felsberg in den Schloßhof.
Vom Fenster grüßte ihn seine gute Mutter.
Er ging hinauf zu ihr.
„O Mutter — Mutter!" stöhnte er aus tiefster Brust.
Sie führte ihn zitternd bis zu einem dunkelsamtenen Diwan, wo sie sich niederließ.
„Kurt — mein Liebling!"
Er fiel vor ihr nieder und bettete sein Haupt auf ihrem Schoß, wie dereinst in Kinderjahren.
„Mutter," stammelte er, „Mutter, wie unglücklich ich bin!"