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Mr. 19.
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Gestorben: Anna Maria Eßig, Nagold; Karoline Schuon, geb. Oßwald. Nagold; Friedrike Schwenk, geb. Hornberger, Freudenstadt; Spitalverwalter Gottschick, Markgröningen; res. Siadtschulrheiß Jenl, Winnenden; Eisengießereibesitzer Jedele, Aalen.
Deutscher Reichstag.
* Berlin, 9. Febr. Zweite Beratung des Etats des Reichsamts des Innern. Möller erkennt die Bedeutung des Fobrikinspektorats an, doch dürfe eine allzu schnelle Erweiterung der Befugnisse nicht erfolgen. Segensreich könne es nur wirken, wenn es getragen werde vom Vertrauen der Arbeiter und Arbeitgeber. Der badische Fabrikinspeklor, der sich sogar mit einem sozialdemokratischen Redakteur in Verbindung gesetzt habe, der Vereinsgelder unterschlagen habe, habe das Vertrauen der Arbeitgeber verscherzt. Daß Fabrikinspektoren mit Arbeiterorganisationen in Verbindung treten, sei bedenklich, solange letztere Parteipolilik trieben. Die Einführung der Sonntagsruhe für die gewerblichen Arbeiter dürfe nicht überstürzt werden. Hartmann nimmt die Berichte der Fabrik- inspektoren gegen Wnrm's neuliche Angriffe in Schutz. Der Arbeiter habe es nirgends so gut, wie in Deutschland. Stumm verteidigt die in seiner Arbeits-Ordnung enthaltenen Strafbestimmungen. Wenn die Inspektoren mit den ArbeitervereinigunLeri und den Führern der Arbeiter in Verbindung treten, so überschreiten sie ihre Aufgabe, und nehmen Partei für Organisationen von zweifelhaftem Wert. Auf erneute Anregung des Abg. Hirsch erklärt Staatssekretär v. Bötticher, daß er die Entwürfe für die Ausführungsbestimmungen zur Sonntagsruhe der gewerblichen Arbeiter, sobald sie fertig- gestellt seien, nicht sofort dem Bundesrat, sondern zuvor Sachverständigen vorlegen werde, unter denen sich auch Arbeiter befinden würden. Das sei nötig nach den Erfahrungen, die man mit den Bestimmungen über die Sonntagsruhe für das Handelsgewerbe gemacht habe. Nach längerer wehr persönlicher Debatte wird die Beratung vertagt. Morgen Fortsetzung.
* Berlin, 10. Febr. Etat des Reichsamts
des Innern. Möller (nat.lib.) bringt eine Reihe von Beschwerden über die Bestimmungen wegen der Sonntagsruhe vor; er bemängelt insbesondere das übergroße Formenwesen der preuß. Ausführungsbestimmungen. Für die beklagten Uebelstände seien in erster Linie die Gemeindebehörden verantwortlich, welche gewissen örtlichen Bedürfnissen durch Ortsstatut weit mehr hätten Rechnung tragen können. Die Sonntagsruhe schädige namentlich die Tabakhändler, deren Sonntagsetnnahme um 46 Proz. zurückgegangen sei, während die Zunahme am Samstag nur
1 V^ Proz. betrug und der Montagsverkauf wieder
2 Proz. Abnahme zeigte. Auch die mit notwendigen Lebensbedürfnissen handelnden Geschäfte bedürfen einer Verlegung der Geschäftskunden. Die gegenwärtigen Sonntagsruhebestimmungen haben zur Vermehrung des Kneip, leben« geführt. Redner hält eine allgemeine Aenderung der bezüglichen Gesetzesbestimmungen für notwendig. Bebel (Soz.) bemängelt, daß die Sonntagsruhe im Gewerbebetriebe immer noch nicht eingeführl werde; ihm scheine, daß hier infolge des Widerspruches der Großindustriellen eine Verschleppung beabsichtigt sei. Die Zahl der mit der Sonntagsruhe Zufriedenen sei bei weitem gröber, als die der Unzufriedenen. Die Etnnahmverluste der Tabakhändler seien zum Teil dem wirtschaftlichen Niedergang der Bevölkerung zuzuschreiben. Die Nachteile, welche zweiffellos mit dem Uebergang verbunden seien werden sich infolge der Gewöhnung bald aus- gleichen. Redner wendet sich darauf gegen die Fabrikordnungeu in den Staatsbetrieben, welche vielfach den Gesetzen widersprächen. In einer Anzahl solcher Ordnungen werden die soz. dem. Arbeiter geächtet, während doch die Staatsbehörden in erster Linie verpflichtet wären, den Privatunternehmern mit gutem Beispiel voranzugehen.
Laudesaachrichteu.
* Altenstetg , 12. Febr. Heute nachmittag wurde in einer öffentlichen Ausschußsttzung des Gewerbevereins im Gasthaus zum Anker der
Jahresbericht an die Handels- und Gewerbekammer Calw über den Geschäftsgang im Jahr 1892 beraten. Aus der Beratung ging hervor, daß der Geschäftsgang weniger befriedigte als 1891, indem der Absatz schwieriger war und nur zu gedrückten Preisen sich vollzog. Als Ursache wurde bezeichnet die allgemeine Geld- klemme, der Hausierhandel (dem leider vom Reichstage nicht zu nahe getreten werden will, wie man aus den letzten Verhandlungen ersehen mußte), sodann die neuen Handelsverträge und die sich immer mehr geltend machende Konkurrenz der Großindustrie. Nur diejenigen Gewerbe, welche durch die Landwirtschaft beschäftigt werden, bezeichneten den Geschäftsgang als befriedigend. Ferner wurde ausgeführt, daß die Arbeitszeit wiederholt eine Kürzung erfahren habe und daß höhere Arbeitslöhne bezahlt werden müßten. Beklagt wurde der Druck der Alters- und Jnvaliditätsversicherung, von welchem Institut das Handwerk wohl eine ordentliche Last, aber rein gar keinen Nutzen habe. Da die meisten Handwerker selbständig werden, so sind die in der Gesellenzeit geleisteten Beiträge weggeworfen. — Auch in diesem Frühjahr soll wieder eine freiwillige Lehrlingsprüfung abgehalten werden, da die Zentralstelle für Gewerbe und Handel die Abhaltung derselben dringend empfiehlt. Mehrfach wuroe bedauert, daß die Prüfung nicht obligatorisch etngeführt werde und daß der Lehrlingsprüfung sich später keine Gesellen u. Meisterprüfung anschließe, wodurch allein der Stümperei begegnet und dem Handwerk eine praktische Aushilfe erstehen könne. Die verhängnisvolle absolute Gewerbefreiheit stehe hindernd im Wege. — (Wann endlich wird das Handwerk in den Land- und Reichstag Vertreter senden, die das Interesse desselben mit wirklichem praktischem Verständnis nachhaltig vertreten?!)
* Alten steig, 13. Jan. Der „St.Anz." stellt den Zeitungsbericht richtig in betreff der Eisenbahnbrücke über die Waldach. Danach wurde wohl das 3 m breite, alte bestandene Vorland des Mittelpfeilers, welches eine Land-
Ueber die Württ. Verfaffrmgsrevifiorr.
Rede des Landgerichtsrats a. D. Dr. Gaupp in Tübingen, gehalten in der Versammlung der Deutschen Partei Stuttgarts am 8. Februar 1893.
Verehrte Versammlung! Nicht ohne gewichtige Bedenken habe ich wich entschlossen, der ehrenden Aufforderung des Vorsitzenden des III. Bezirks nachzukommen, und über die württ. Versassungssrage in Ihrem Kreise einen Vortrag zu Hallen. Ist doch diese Frage seit nahezu einem halben Jahrhundert mit nur kurzen Pausen fortgesetzt der Gegenstand der politischen Erörterung und der parlamentarischen Kämpfe gewesen, so daß sie für Viele als eine recht abgedroschene langweilige Frage erscheinen mag. Mit dem 1. Dez. 1849, dem Zusammentritt der ersten Londesversammlung, begann der Kampf und nachdem mit Auflösung der 3. Landesversamwlung am 6. Nov. 1850 die alte Verfassung im Weg der K. Ordonanz wieder in Wirksamkeit getreten, stehen wir nun heute nach vergeblichen Versuchen der verschiedensten Art noch immer aus dem alten Fleck. Liegt da nicht der Gedanke nahe: der Zustand unseres Verfassungslebens muß doch kein so gar trauriger sein, wenn man seither — nachdem inzwischen im Jahre 1868 durch die Reform des Wahlrechts zur II. Kammer den dringendsten Beschwerden abgeholfen worden — mit der bisherigen Zusammensetzung unserer Ständekammer ausgekommen ist? Auch ist ja seit 22 Jahren das deutsche Reich errichtet und die politische Situation eine ganz andere geworden. Weite Kreise des gesamten staatlichen Lebens — auf dem Gebiete des Rechts wie der Wohlfahrtspflege — werden jetzt ausschließlich durch die Gesetzgebung des Reichs beherrscht, und selbst auf denjenigen Gebieten, welche derzeit verfassungsmäßig noch der Regelung durch die Ein- zrlstaaten überlassen sind, ist die Thätigkeck der Landesgesetzgebung durch die ttontrole des Reichs und die Möglichkeit künftrgcn Eingreifens der Reichsgesetzgebung so sehr lahm gelegt, daß die Funktionen unserer
Landesgesetzgebung, wenn man die Sache nur nüchtern betrachten und von allem unnützen Apparat absehen wollte — nicht sehr viel weiter reichen als diejenigen eines Provinziallandlags. Insbesondere ist es das deutsche Reich allein, auf dessen Schultern der Schutz der öffentlichen Sicherheit nach innen wie nach außen ruht. Hat es da überhaupt noch ein erhebliches Interesse, daß an dem Gesetzgebungsapparat, der doch immer noch notdürftig seinen Dienst thut, fundamentale Aenderungen vorgenommen werden.
Auch kann man geltend machen: eine gründliche Aenderung unseres verfassungsrechtlichen Zustands könnte, wenn man nicht auf das allein selig machende Dogma des allgemeinen Stimmrechts schwört, oder an längst überlebte Einrichtungen anknüpfen will, nur verwirklicht werden in Anknüpfung an dauernde Gebilde unseres modernen Gssellschaftsrechts, auf der Grundlage der in unserem Lande zu körperschaftlicher Gestaltung gelangten wirtschaftlichen und geistigen Interessen der Nation.
Bedeutende Ansätze hierzu find bereits gemacht im Anschluß an die neueste soziale Gesetzgebung des Reichs — es sei nur an die Gliederung selbständiger Jntereffenverbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die Handels- und Gewerbekammern, Berufsgenoffenschaften rc. erinnert. Aber hier stehen wir noch mitten im Fluße einer ganz neuen Entwicklung, welche sich noch nicht abgeklärt und zugleich das Eigentümliche hat, daß sie vielfach die Grenzen der deutschen Einzelstaaten überschreitet und eine Benutzung für eine prinzipielle Reform des partikulären Ver- fassungsrechts mit Beschränkung auf das Gebiet des Einzelstaats nicht zuläßt, wenn man nicht etwa, was ich trotz sonstiger Uebereinstimmung mit Schöffle nicht billigen kann, rein staatliche Organisationen ohne selbständige gesellschaftliche Grundlage, wie unsere Amtskorporationen, zum Ausgangspunkt einer selbständigen Interessenvertretung machen will.
(Fortsetzung folgt.)