* Freudenst adt, 26. Jan. In Baiers- bronn war der 24 Jahre alte Sohn des Mühle- besttzers Drück damit beschäftigt, das am Wasserrad befindliche Eis zu entfernen, als er zwischen das Kamm- und Wasserrad geriet. Sein in der Mühle anwesender Bruder hatte die Geistesgegenwart, das Werk sofort zum Stehen zu bringen, doch konnte der Verunglückte erst nach Verfluß von Vi Stunden aus seiner schrecklichen Lage befreit werden. Die hiebei erlittenen äußeren und inneren Verletzungen find derart, daß der Verletzte bald wieder hergestellt werden dürfte. Ohne die rasche Hilfe seines Bruders wäre derselbe unmittelbar zermalmt worden.
Neuenbürg, 27. Jan. In Sprollenhaus warf ein 8jähriges Mädchen die Erdöllampe um, wodurch sein 4jähriges Schwesterchen sich derart verbrannte, daß es nicht mehr gerettet werden konnte. Es ist dies der dritte Fall in unserem Bezirk innerhalb eines Vierteljahres.
* Tübingen, 25. Jan. Der Vortrag des lio. tlisol.
Schrempf, welcher am Montag abend im großen Festsaal des Museums stattfand, hatte ein äußerst zahlreiches Publikum aus den akademischen und bürgerlichen Kreisen ungezogen, auch Damen befanden sich unter den Zuhörern. Eingeführt wurde Schrempf durch oanä. tirsol. A., welcher hervorhob, daß die akademische Jugend nur von ihrer Lernfreiheit Gebrauch mache, wenn sie in der gegenwärtigen brennenden Frage einen Mann hören will, der die Licenz zum Lesen hat. Schrempf selbst stellt als Hauptpunkt hin : es handelt sich nicht um eine dogmatische, sondern um eine sittliche Frage, nemlich, ob ich als Pfarrer ein Bekenntnis oblegen kann, welches der Ausdruck meiner Gesinnung ist; ob ich vor meiner Gemeinde Meinungen erregen darf, die ich nicht habe, ja vielleicht für schädlich halte? umgekehrt, ob ich Meinungen zurückhalten darf, welche ich vielleicht für notwendig halte? Nun ist Faktum, daß viele Theologen und Laien das Bekenntnis für den Ausdruck der höchsten Wahrheit halten ; Faktum, daß viele Theologen und Laien es nicht dafür halten; Faktum, daß bisher die Kirche ignoriert, daß viele Laien, besonders aber Lehrer der Kirche es anzweifeln. Die wissenschaftliche Lösung der Bekenntnisfrage können wir nicht abwarten, wir müssen mit ihm leben. Für uns ist die Aufgabe also eine sittliche, als sittliche geht sie auch die Gemeinde an, aber in ihr hat der einzelne, sobald er diese Aufgabe erkannt hat, die Pflicht, für sich das evangelische Recht der persönlichen Ueberzeugung jund Verantwortlichkeit zu wahren. Luther hat nach ihr gelebt und gehandelt, aber statt konsequenterweise sich zu besinnen, wie Individuen, die das Recht der Ueberzeugung beanspruchen, gemeinsam leben können, hat er die Form der alten Gemeinschaft übernommen. Folge ist, daß der Pfarrer offizieller Beamter und Wahrheitszeuge in Einer Person ist. Dieser Zustand ist unhaltbar und muß geregelt werden. Auch die Studierenden müssen Stellung nehmen. Sind sie reif genug, sich zu verpflichten, so müssen sie auch reif genug sein, zu wissen, wozu sie sich verpflichten. Wissen sie es? Als Beamte werden sie von der Kirche verpflichtet, von ihr aber sofort an Christus und Gott weitergegeben, Wahrheit zu kündigen. Nichtberufene haben schwer zu büßen, sie mögen wegbleiben. Wer sich berufen fühlt, frage ernst: Ist der Glaube der amtlichen Religionsbücher der meinige ? Wenn nicht, so ist es besser, außerhalb des Amtes für Gott zu wirken. Der Zweck kann das Mittel heiligen, wenn nemlich der Zweck ein heiliger, das Mittel dem Zweck wirklich dienlich ist, und das Mittel keine äußeren Vorteile verschafft. Jeder mache Ernst mit seinem Verhältnis zur Kirche, still und anspruchslos für sich, ohne agitatorisches Treiben, vielleicht macht die Kirche dann auch Ernst. Lebhafter Beifall lohnte die Ausführungen. (Tüb. Chr.)
* Stuttgart, 26. Jan. Der Meßgehalt der württembergischen Staatsgüter beträgt nach
der neuesten Berechnung 10 001 Hektar, worunter 9611 Hektar bebaute Fläche sich befindet; auf Meiereien entfallen 4406, auf einzelne Güter 5467 Hektar. Der Ertrag der Meiereien belaufe sich im verflossenen Verwaltungsjahr auf 164553 Mk., der von einzelnen Gütern auf 483 641 Mk. — Nach einer im Finanzministerium aufgestellten Berechnung sind in den letzten 4 Jahren den Kameralämtern durchschnittlich 144 622 Mk. uneinbringliche Geldstrafen, welche von den Gerichten gegen abwesende Militärpflichtige wegen Verletzung der Wehrpflicht erkannt wurden, überwiesen worden. Ein hübsches in Abgang zu dekretierendes Sümmchen!
* Vaihingen, 27. Jan. Die letzte Sonntagsnummer des hier erscheinenden demokratischen „Enzboten" wurde wegen Kaiser-Beleidigung konfisziert.
* (Verschiedenes.) Ein 23jähr. Fabrikarbeiter von Unterboihingen feuerte am Freitag früh mit einem Revolver zwei Schüsse auf die zum Brunnen gehende M. E., ebenfalls 23 Jahre alt, und traf dieselbe lebensgefährlich in die Brust. Als Grund wird Eifersucht angegeben. Der Thäter eilte alsbald nach Hause und verwundete sich selbst schwer durch einen Schuß in den Kopf. — Bei der Fahnenweihe des Milttärvereins in Unterdeufstetten (Crailsheim) brach die Tribüne, auf welcher sich die Festjungfrauen und etngeladenen Gäste zur Uebergabe der Fahne aufgestellt hatten, unter lautem Krach zusammen und alles stürzte in buntem Gewirr zur Erde. Zum Glück ging dieser Massenabsturz ohne besonderen Schaden von statten und die Festlichkeit wurde im Gasthaus zum „Rößle" ohne weiteren Zwischenfall unter allgemeiner Heiterkeit zu Ende geführt. — Bei einem in dem Schafhaus des Bauern I. Bulltng in Gmünd ausgebrochenen Brande find 235 Schafe in den Flammen umgekommen. — Auf dem Etnödhof Englis (Biber ach) ist am Mittwoch abend ein Brand ausgebrochen, wobei 9 Stück Vieh, 1 Pferd, 3 Schweine und sämtliches Geflügel in den Flammen umkamen. Der Hof ist vollständig niedergebrannt.
* Karlsruhe, 27.Jan. Von der Handelskammer in Schopfheim t. W. wurde bei der Staatsregterung in Anregung gebracht, in Erwägung zu ziehen, ob nicht auf die Verlegung der z. Z. mit Werktagen zusammenfallenden Feiertage auf die Sonntage hingewirkt werden solle. In der Begründung wurde, wie die Handelskammer in ihrem Jahresbericht mitteilt, auf Elsaß-Lothringen, Frankreich und die Schweiz hingewtesen, in welchen Ländern die angestrebte Einrichtung — das Weihnachtsfest ausgenommen — bestehe, und daß es dorten niemand einfalle daran zu rütteln, in der richtigen Erkenntnis, daß die häufige Unterbrechung der Arbeitszeit durch Feiertage sich weder mit dem Interesse der durch die Konkurrenz zu immer höheren Leistungen genötigten, mit kostspieligen Maschinen
arbeitenden Industrie, noch mit dem Interesse der in teurer Zeit lebenden Arbeiter vertrage. Bei uns in Deutschland spreche noch besonders für die Verminderung der Feiertage der Umstand, daß die hohen, durch die Sozialgesetzgebung auferlegten Lasten, welche an sich schon teilweise in einer Beschränkung der Arbeitszeit beständen, durch Verteilung auf eine größere Zahl von Arbeitstagen erträglicher zu machen wäre.
* Mannheim, 28. Jan. Vom Oberrhein und Unterrhein wird Eisgang gemeldet. Hier stehen noch Rhein und Neckar fest. Die Nebenflüsse des Neckars melden ebenfalls Eisgang.
* Regensburg, 27. Jan. Fürst Ferdinand von Bulgarien hatte gestern hier eine zweistündige Besprechung mit Krupp aus Essen, welcher abends wieder abreiste. Der Fürst reist (wider Erwarten) heute Mitternacht mittels Extrazuges nach München weiter, wo er um 3 Uhr eintrifft und im Hotel Bayerischer Hof absteigt.
* Berlin, 27. Jan. Der Kaiser nahm anläßlich seines Geburtstags bereits in der Frühe die Glückwünsche seiner Umgebung entgegen. Darauf statteten die Kaiserin und die kaiserlichen Prinzen ihre Glückwünsche ab. Gegen 10 Uhr brachten die allerhöchsten und höchsten Herrschaften ihre Glückwünsche dar, worauf die fremden fürstlichen Gäste nebst Gefolge erschienen. Nach dem Gottesdienst in der Schloßkapelle fand eine große Gratulationskour, darauf große Paroleausgabe statt.
* Der Geburtstag des Kaisers ist im ganzen Reiche feierlich begangen worden. Aus allen größeren und kleineren Städten liegen Meldungen vor, die der Natur der Sache nach übereinstimmend lauten: Flaggenschmuck überall, Festgottesdienste, die üblichen militärischen Veranstaltungen, Festessen, Reden und Festakte in den Schulen, in den Theatern Festvorstellungen, abends Illumination.
* Berlin, 27. Jan. Beim Frühstück der Alexander-Grenadiere brachte der Kaiser einen Toast aus, in dem er sagte: „Wir alle sehen im Czar nicht nur den hohen Regimentschef und vornehmsten Kameraden, sondern vor allem den Träger der altbewährten monarchischen Traditionen, der oft erwiesenen Freundschaft nnd der innigen Bande intimer Beziehungen zu den erlauchten Vorgängern, deren Erfüllung in früheren Zeiten russische und preußische Regimenter auf dem Schlachtfeld vor dem Feinde mit Blut besiegelten! Der Zar Hurra!" Der Großfürst- Thronfolger dankte und trank auf das Wohl des Kaisers und des Regiments.
* Die herzlich warmen Worte, mit denen Kaiser Wilhelm beim Trinkspruche in Gegenwart des russischen Thronfolgers den Zaren feierte, haben in der russischen Presse eine entgegenkommende Aufnahme gefunden; je mehr der Freund an der Seine durch die Skandale in der allgemeinen Wertschätzung sinkt, um so höher steigt naturgemäß die Schale Deutschlands.
* Berlin, 28. Januar. Die Beleuchtung
Die Hochler des Gauklers.
Original-Roman von Gebh. Schätzler-Perasini.
(Fortsetzung.)
Er griff mit den Armen in die Luft und schlug, mit dem Gesicht nach vorwärts, wie ein gefällter Baum zu Boden.
Mit furchtbarem Aufschrei warf sich die Gräfin über den Körper ihres Sohnes.
„Wasser!" schrie der Doktor wie wahnsinnig.
Das vor Schreck halb ohnmächtig gewordene Kammermädchen taumelte fort und brachte endlich das Verlangte.
„Langsam schlug Kurt die Augen auf; er erinnerte sich sofort des Geschehenen.
„Mutter!" stöhnte er. „Sie hat mich verlassen!"
Der Doktor hob das Papier auf. Da stand es wirklich! Plötzlich schnellte Bronnig in die Höhe. Eine fürchterliche Wut ergriff ihn. Hätte er den Kunstreiter zur Stelle gehabt, er wäre im stände gewesen, ihn wie einen Hund über den Haufen zu schießen. Aber er mußte ihn ja entdecken; denn nur einer konme das Bubenstück vollbracht haben — Stanislaus Ferina; nur er konnte Sabine gezwungen haben, das Schloß zu verlassen.
Kurt ward aus ein Bett, zunächst auf das Sabinens, gelegt; er erholte sich übrigens wunderbar schnell. Es hielt ihn nicht auf dem Lager.
„Ich muß sie finden!" schrie er, daß der Doktor fürchtete, er verfalle in Tobsucht. „Ich suche sie; ich will sie haben und wenn sie unter der Erde liegt! Vom Himmel reiße ich sie herunter."
Alles Zureden half nichts; der junge Graf war nicht mehr zu erkennen. Totenblaß stürmte er in den Schloßhof hinab. Der Jammer seiner entsetzten Mutter schien ihn nicht mehr zu bewegen; sie wollte ihn ja zurückhalten — das war genug.
„Du tötest dich, Kurt!" rief sie ihm zu und hob bittend die Hände.
Er warf ihr einen wilden Blick zu.
„Sabiue war mein Himmel, mein Leben! Wenn sie mir verloren ist, werfe ich das meine von mir als ein unnützes Ding."
Zu Tode erschrocken wankte Franziska.
Der Doktor fing sie auf.
„Mut! Mut!" sprach er zu ihr. „Wir werden diesen Schlag überstehen. Ich schaffe Sabine herbei, so wahr ich lebe."
„Mein Pferd!" schrie Kurt in Schloßhof.
Nach Augenblicken stand der Rappe gesattelt vor seinem Herrn. Wohin er damit wollte, wußte er noch nicht; aber nur hinaus — wohin sie ja auch war.
Wie ein Blitz war die Kunde durchs Schloß gedrungen: Das Fräulein Sabine ist fort.
Mit erschrockenen Gesichtern liefen die Leute umher; es war keinem wohl zu Mute.
Der junge Reitknecht aber trat dem Grafensohn in den Weg, eben als Kurt das Pferd besteigen wollte.
„Herr Graf, ich sah das gnädige Fräulein — gestern in der Nacht."
Kurt faßte ihn bei den Schultern.
„Wo? Wo?"
„Mit einem Vagabunden auf der Landstraße nach Sternburg," stotterte Johann.
Der Reiter flog zum Thore hinaus.
Friedrich lehnte sich schwach an das Gemäuer des Schloßportals. Er murmelte unverständliche Worte; seine Hände falteten sich und er betete für seinen jungen Herrn.
*