* Ellwangen, 20. Januar. Die Strafkammer verurteilte den Bankier Heinrich Kaufmann von hier wegen einfachen Bankerotts, zweier Vergehen der Unterschlagung und 11 Fällen von Betrug zu 2VZ Jahren Gefängnis, wovon 6 Monate Untersuchungshaft abgehen, ferner zu 2 Jahren Ehrverlust. Vorläufige Haftentlassung wurde nicht bewilligt.
* U l m, 23. Jan. Gestern ist vom hiesigen Gouvernement angeordnet worden, daß die Wachposten innerhalb der Hauptumwallung mit Ausnahme des Militärgefängnisses und des Arrest- Hauses ohne scharfe Patronen aufziehen. Noch am letzten Samstag hat hier ein Sergeant auf einen flüchtigen Militärarrestanten mehrere scharfe Schüsse abgegeben, jedoch ohne zu treffen. Der Flüchtling hat sich sodann um Mitternacht am Augsburger Thor in Neu-Ulm der Wache gestellt.
* (Verschiedenes.) In Backnang machte der Wagner Heinz zur Erwärmung seines Kellers in einem eisernen Topf ein Kohlenfeuer. Da derselbe längere Zeit nichts von sich hören ließ, sah dessen Frau nach ihm und fand ihn bewußtlos am Boden liegen. Sofort angewandte ärztliche Hilfe war erfolglos. Die Kohlengase hatten den Mann getötet. — Die Gemeinde Laut erb ach, OA. Ehingen, kam auf seltsame Weise in der Nacht vom 16. Jan. in Wassergefahr. Die Lauter gefror bis auf den Grund, dadurch wurde der Wafserlauf gehemmt und die am Flüßchen gelegenen Häuser und Stallungen füllten sich mehrere Fuß tief mit Wasser. Alarmsignale weckten die Ein wohner, welche durch Aufhacken und Wegräumen des Eises dem Wasserlauf wieder ein Bett bereiteten. — In Ellwangen verurteilte die Strafkammer den Bauern I. Grupp von Oberkochen, welcher in Wasseralfingen eine Frau überfahren hatte und sie hilflos liegen ließ, zu 100 Mk. Geldstrafe und 80 Mk. Entschädigung an die Frau.
* Königshofen, 23. Jan. Fine eigentümliche bei uns kaum gekannte Naturerscheinung haben wir zu berichten: Am Samstag abend kurz vor 5 Uhr trat eine so auffallende gelblich gefärbte Dunkelheit ein, daß man gezwungen war, in den Wohnungen Lichter anzuzünden. Verbunden mit dichtem Schneegestöber erfolgte rin Wirbelwind, so daß Dächer abgedeckt Scheuern- thore, Läden abgerissen und Fenster eingedrückt wurden. Aber nicht in einer gewissen Windrichtung, sondern in ziemlich auseinander gelegenen Gebäuden wurde die Zerstörung angerichtet.
* Frankfurt a. M., 24. Behufs Unterstützung der Heeresvorlage bildete sich hier ein patriotischer Verein mit bereits 500 Mitgliedern, welcher erklärt, bei Auflösung des Reichstags keinem Abgeordneten die Stimme zu geben, der die Heeresvorlage ablehnt.
' Berlin, 19. Jan. (Der Besuch des Reichstags.) Den „M. N. N." wird aus Berlin geschrieben: Ob die Zahl der Abgeordneten
im Reichstagssaal heute oder gestern die kleinere war, darüber wurde heute im Foyer und auf den Trübinen ein bißchen gestritten. Genaueres ließ sich nicht feststellen, weil die Diener in der Statistik der Hutzählung von einander abwichen. Aber klein, erschreckend klein war die Zahl jedesmal am einen wie am andern Tage. 30 oder 40,'wenn es hoch kommt, 50 Abgeordnete sitzen in verstreuten Gruppen im öden Saale, der so noch öder erscheint, und am Bundesratstisch gähnt dieselbe Leere. Unter solchen Äußerlichkeiten werden dann die wichtigsten Gesetzentwürfe beraten, heute der Börsensteuerentwurf, Am Freitag sollen nur einige 20 Retchsboten im Saal gewesen sein!)
* Berlin, 24. Januar. Im Foyer des Reichstags verlautete gestern, die Brausteuervorlage werde zurückgezogen und dafür eine Quittungssteuervorlage eingebracht werden. — Eine Petition der deutschen Tierschutzvereine gegen Wiederholung des Distanzritts ist beim Reichstag eingetroffen. — Das hiesige Hauptquartier der Heilsarmee stellt drei große Versammlungslokale als Wärmchallen für die Notleidenden Tag und Nacht zur Verfügung.
* Der Zentralausschuß der nationalliberalen Partei der Rheinprovtnz hat neben den Be schlüssen über die Mtlitärvorlag; folgende Resolution gefaßt: „Wir erachten den Zeitpunkt für gekommen, in welchem es unabweisbare Pflicht der nattonalliberalen Abgeordneten geworden ist, den verantwortlichen Organen der Reichsregierung gegenüber mit Nachdruck zu betonen, daß ihre Politik in wesentlichen Fragen des Vertrauens in den weitesten nationalgesinnttn Kreisen des Volkes ermangelt." Diese Beschlüsse sollen der Zentralleitung der nationalliberalen Partei in Berlin unter dem Ersuchen mitgeteilt werden, im Sinne der Resolutionen ihren Einfluß auf die nationalliberalen Abgeordneten geltend machen zu wollen, da die Lage der Dinge ein energisches Handeln der Partei und ihrer Vertreter gebieterisch erheischt.
* Bekanntlich hat sich ein Verein der Inhaber des Eisernen Kreuzes gebildet, der den Zweck hat, den Inhabern dieser hochehrenden Auszeichnung einen Ehrensold von Reichswegen zu verschaffen. Eine Abordnung dieses Vereins wurde letzter Tage von dem Großherzog von Baden in Audienz empfangen und hatte so Gelegenheit erhalten, den Großherzog für ihre Angelegenheit interessieren zu können. S. K. Hoheit stellte sich der Sache sehr günstig gegenüber und sagte zu, er werde die erste Gelegenheit ergreifen, mit dem Kaiser das Gesuch befürwortend zu besprechen, denn wenn irgend etwas, so verdiene dieses Gesuch warme Unterstützung. Auch der Prinzregent von Bayern hat für die bayerische Armee dem Eisernen Kreuze einen Ehrensold bewilligt. Der Verein der Inhaber des Eisernen Kreuzes hielt in Mannheim seine Generalversammlung ab und waren Mitglieder aus allen Teilen des Reiches als Teilnehmer dazu erschienen.
* Halle, 21. Jan. Die „Saalezeitung" meldet aus den Koch'schen Untersuchungen in Nietleben folgendes verblüffende Ergebnis: „Das Schmutzwaffer der Anstalt, darunter Excremente Cholerakranker werden auf Rieselfelder geleitet. Die Abflüsse der letzteren gehen in die wilde Saale. Wenige Schritte unterhalb wird das Trink- und Gebrauchswasser der Anstalt dem Flusse entnommen. Die Gesamtzahl der Cholera- Erkrankten beträgt 67, die Zahl der Todesfälle 22."
' Haale, 24. Jan. Prost Rob. Koch ist nach Trotha geeilt, wo ein Arbeiter, der gestern Saalwafser getrunken, indem er sich über das Verbot lustig machte, in den letzten Zügen liegt.
* Lübeck, 23. Jan. Die Häringsdampfer, die von Schweden hteher bestimmt sind, haben schwere Reisen. Die „Meta" wurde vom Eis durchschnitten, doch die Bemannung gerettet mit Ausnahme des Kochs. Die „Christine" wird vermißt, man fürchtet, daß sie im Eis feststtzt oder in einen Nothafen geflüchtet ist.
Ausländisches.
* Wien, 22. Jan. Ihre Majestäten der König und die Königin von Württemberg find um 11^ Uhr hier etngetroffen und wurden am Bahnhof von Seiner Majestät dem Kaiser, den Erzherzogen, dem Prinzen Leopold von Bayern, den Herzogen Wilhelm, Nicolaus, Philipp, Al- brecht und Robert von Württemberg, sowie den Spitzen der Behörden empfangen. Der Kaiser küßte den König zweimal, sodann küßte er der Königin die Hand. Vom Bahnhofe, wo eine Ehrenkompagnie aufgezogen war, fuhren die Herrschaften nach der Hofburg.
'Wien, 24. Jan. Heute Dienstag um 11 Uhr vom. fand die Vermählung in der Hofburgpfarrkirche statt. Der ganze Hof ging in feierlichem Zug zur Kirche. Der Kaiser schritt mit dem König und dem Bräutigam, dem Herzog Albrecht von Württemberg, ferner die Königin und die Erzherzogin Marie Therese mit der Braut, der Erzherzogin Margarete. Die Co- pulation vollzog der Cardinal - Fürsterzbischof von Wien. Der apostolische Nuntius und der württembergische Gesandte waren im Presbyterium anwesend, die hohen Herrschaften und das diplomatische Corps in den Oratorien. Am Schluß wurde das Tedeum angesttmmt. Nach der Trauung empfing der Kaiser die Neuvermählten in Abschiedsaudienz. Um 2 Uhr war bet dem Vater der Braut, dem Erzherzog Karl Ludwig, Dejeuner. Hierauf reisten die Neuvermählten nach Salzburg, dann nach Stuttgart. Das württembergische Königspaar reist nach 9 Uhr abends nach Nachod in Böhmen. Am 26. reist König Wilhelm nach Berlin, die Königin bleibt einige Tage in Nachod und kehrt dann nach Stuttgart zurück. Nachod ist dekoriert zum festlichen Empfang.
* Wien, 24. Januar. Bei dem Galadinrr brachte Seine Majestät der Kaiser folgenden Toast au?: Dem heutigen Fest verdanken wir
Die Hochler des Gauklers.
Original-Roman von <8 ebh. S chätz l er-P erasi ni.
(Nachdruck
verboten.)
(Fortsetzung.)
Bleich, doch ohne Klagen jetzt, folgte sie dem grausamen Vater durch die Laubgänge des Parkes.
Einmal streifte sein Blick auch "über das einfache Kleid in die kleine Tasche Sabinens.
„Ist das alles, was du mitnimmst?" konnte er sich nicht enthalten zu fragen.
„Ja!" bekam er als einzige Antwort.
„Verdammt wenig!" brummte Stanislaus. „Und nichts Wertvolles? Du hast doch deinen Schmuck mitgenommen?"
Das Benehmen des Vaters krampfte dem Mädchen das Herz zusammen.
„Ohne alles bin ich ins Schloß gekommen; es ist schon zu viel, was ich mitnehme. Ihr könnt nichts verlangen."
Ferina biß die Zähne knirschend zusammen. Das Mädel hatte Ansichten, die mit den seinen nicht im entferntesten harmonierten. Dagegen im Augenblicke ankämpfen, wäre ein unnützer Versuch gewesen; auch war es zu spät. Der Hauptnutzen konnte ihm ja doch nicht entgehen. Alles war auf das Vortrefflichstegelungen; es klappte zusammen wie die Zähne zweier Räder; die drehten sich langsam im Kreise und mußten zum ersehnten Ziele führen.
Stanislaus dachte nicht, daß einige Räder auch brechen könnten. Das seine ging ja freilich weiter; aber das er mitzutreiben hoffte, brach vielleicht in Stücke und ließ das andere kraftlos zurück. —
Stanislaus und Sabine hatten den Park verlassen, beschritten dann eine Weile die Landstraße und bogen nun auf Feldwege ab. Er
vermied es, durch das Dorf zu gehen, und benutzte deshalb Wege, die außen herum führten; er hatte sich während des Tages genügend orientiert. In den Gassen konnte ihm möglicherweise jemand begegnen, dem das ungleiche Paar aufstel; Sabine war doch auch bekannt hier unten.
Nun schritten sie um eine mannshohe Mauer; es war der Friedhof, der am Ausgange des Dorfes lag. Vom Mond beleuchtet, sahen die Kreuze schwarz herüber.
Sabine blieb sieben. — Das Grab ihrer Mutter! Vielleicht sah sie es nie mehr, wenn nicht jetzt.
Stanislaus drehte sich nach seiner Tochter um, die zurückblieb.
„Komm, Sabine!" sagte er.
Das Mädchen deutete auf die Kreuze.
„Da innen schläft meine Mutter, nicht wahr? Ihr habt sie ja begraben und könnt mir die Stelle zeigen."
„Meinetwegen!" meinte er und suchte den Eingang.
Das morsche Gitterthor gab seinem Fußtritte sofort nach, und er suchte über die Gräber schreitend, das Grab seines Weibes.
Nach einigem Suchen gelang es ihm auch; er fand einen wohlgepflegten Hügel. Er wunderte sich. Er sah auch einen kleinen Sandstein mit dem Namen seines Weibes, und die ganze Stelle war gut erhalten.
„Auch vom Schloß!" dachte er sich belustigt und zeigte seinem Kinde den Ort.
Sabine las den goldenen Namen, und wäre ihr noch ein Zweifel geblieben, ob der Mann, der sie wie eine Ware behandelte, wirklich ihr Vater war, hier wäre er geschwunden.
ES war recht unheimlich auf dem alten Dorfkirchhofe.
In die Grabesruhe hallte das einförmige Ticken der Turmuhr.
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