Der württemb. Gesandte v. Moser be­tont, daß auch Württemberg den größten Wert auf die Beibehaltung der Steuerdifferenz lege. Gerade in Württemberg gebe eS fast ausschließ­lich kleine Brennereien.

Holtz (freikons.) hat Bedenken gegen die Vorlage, die er aber zur Beschaffung der Mit­tel für die Mtlitärvorlage notwendig hält.

Ga gern (Zentr.) führt aus, daß das Festhalten an der Steuerdifferenz von 20 Mk. im Interesse der landwirtschaftlichen Brennereien geboten sei.

Wurm (Soz.) schildert die Nachteile des übergroßen Kartoffelbaues für die Volksernäh­rung und verlangt die Beseitigung der Liebesgabe.

Morgen Interpellation Brömel, betreffend das Warenverzeichnis zum Zolltarif und Fort­setzung der Beratung der Branntweinsteuervorlage.

Württembergischer Landtag.

Kammer der Abgeordneten.

* Stuttgart, 14. Januar. (4. Sitzung.) Tagesordnung: 1) Rechenschaftsbericht des ständischen Ausschusses. 2) Kommissionswahlen. 1. Beratung des Rechenschafisberichts des ständ. Ausschusses vom 9. d. M. v. Gültlingen ver­mißt einen Bericht über den Betrag unserer Staatsschuld, von Hofacker sagt diesen zu. (Der Rechenschaftsbericht enthält in der Haupt­sache neben der Verwaltung der Staatsschuld und Personalverhältnissen dieser Verwaltung (Anstellung von 4 Buchhaltern und einen Kon- troleurassistenten) den Beacht über die stän­dische Jubtläumsgabe.) v. Gültlingen be­zweifelt, ob der Antrag des ständischen Aus­schusses richtig sei, wonach die Mitglieder Ege und Bockshammer, die bei der landwirtschaft­lichen Berufsgenossenschaft, bezw. der Alters­und Jnvaliditätsverficherung als Vorsitzende im Laufe ihrer Wahlperiode ernannt worden seien, damit ein Staatsamt nicht erhalten haben, welches ihre Mandate nach der Bestimmung der Verfassungsurkunde zum Erlöschen bringe. Die Reichsverfassung enthalte eine gleiche Be­stimmung wie unsere Verfassungs-Urkunde. Die Reichstagsmitglieder haben aber bis jetzt in einem analogen Falle ihr.Mandat niederzu­legen gehabt, er halte die Frage für wichtig genug, um sie zur Besprechung und zur Stellung­nahme zu bringen, wenn er auch einen Antrag nicht stellen wolle; Ege habe sein Amt zudem wieder niedergelegt. Freiherr v. Gemmingen verteidigt den Bericht des ständischen Ausschusses; es handle sich nicht um ein Staatsamt im Sinne der Verfassungsurkunde, da ja die Ge­hälter direkt aus der Staatskasse bezogen, diese aber seitens der Genossenschaften wieder ersetzt werden; ein Staatsamt enthalte Funktionen, die das Interesse des Staates und die Voll­ziehung der Staatszwecke unmittelbar zum Gegen­stand haben. Zudem spreche das Gesetz nicht nur von einem Staatsamt überhaupt, sondern von einem besoldeten Staatsamt, also von einem Amt, für welches die Besoldung materiell

aus der Staatskasse gereicht werde. Der Fall aus dem Reichstag sei ihm nicht bekannt. Seine Anschauung sei im übrigen die berühm­ter Staatsrechtslehrer, von Gültlingen: Er beantrage, daß sich die staatsrechtliche Kommission mit der Sache beschäftige und dem Hause einen Bericht vorlege, von Gemmingens Widerspruch beweise, um welch wichtige Frage es sich hier handle. Das Amt sei ein besol­detes Staatsamt, wenn auch die Mittel nicht aus der Staatskasse stießen, das sei für die Ent­scheidung von keiner Bedeutung; es gebe bei uns viele Staatsämter, deren Gehalt nicht aus der Staatskasse fließe und doch finde die Ver­fassungsurkunde auf sie zweifellos Anwendung, z. B. das Amt des Landesfeuerlöschinspektors. Der Antrag ergiebt Stimmengleichheit; der Präsident stimmt mit Nein, der Antrag ist also ab­gelehnt. Im übrigen giebt der Rechenschafts­bericht zu Erörterungen keinen Anlaß. Der Präsident macht hierauf unter großer Hei­terkeit des Hauses die Mitteilung, daß das Ergebnis der Abstimmung, den Antrag von Gült­lingen betr., unrichtig berechnet worden sei und eine Stimmengleichheit nicht Vorgelegen habe. Es haben 42 mitJa" und 37 mitNein" gestimmt. Der Antrag sei also angenommen. 2) Wahl einer Kommission für die Gesetzes­vorlage über das landwirtschaftliche Nachbar­recht (15 Mitglieder.) Gewählt werden: Bant­leon, Schoffer, Frhr. v. Hermann, Frhr. v. Ow, Landuer, Maurer, Rath, Deutler mit je 73, Auer, v. Abel, Spieß, Stockmayer mit je 72, v. Göz, Vogler mit je 71 und Frhr. von Ell­richshausen mit 68 Stimmen. 3) Wahl einer Kommission für die angekündigte Gesetzesvor­lage über dK Entlastung dienstunfähig gewor­dener Körperschaftsbeamter u. dgl. (15 Mit glieder.) von Schad glaubt, daß, bevor der Gesetzentwurf überhaupt eingelaufen sei, eine Kommission nicht gewählt werden sollte, indem er auf die kürzliche Anregung Hanßmanns Hinsichtlich der Beratung wichtiger Gesetzesvor­lagen hinweist, welcher auch er sympatisch gegen­über stehe; zuvor müsse man wissen, was im Gesetze stehe; es frage sich, ob man dann über­haupt noch eine solche wähle. (Die Frage der Lebenslänglichkeit der Ortsvorsteher werde da wohl wieder auf der Bildfläche erscheinen.) Er beantrage, den Gegenstand von der Tages­ordnung abzusetzen. Der Antrag wird ange­nommen. 4) Wahl einer Kommission für die 2 Gesetzesvorlagen über die Steuerbefreiung neubestockter Weinberge und über die Besteuerung der Kunstweinfabrikation. (9 Mitglieder.)

Laadesaachrichtea.

* Alten steig, 18. Jan. Waidmänner und Schäfer sind mit ihren Prophezeihungen, der heurige Winter werde ein gnädiges Regiment führen, gründlich hereingefallen. Nachdem es am Freitag den Anschein hatte, als ob milderes Wetter eintreten wollte, gab es schon am Sams­tag ziemlich reichlichen Schneefall, der uns die

ersehnte gute Schlittenbahn gebracht hat. Mit dem Nordsturm in der Samstagnacht uyd am Sonntag sank die Temperatur abermals und zwar so sehr, daß das Termometer an zugige« Stellen in der Frühe 2023 Grad Kälte auf­wies ! Auch gestern und heute früh war es nicht § viel besser. Ein kalter Januar ist schon recht, aber bei einem so lang andauernden kalten Froste > hört die Gemütlichkeit um so mehr auf, als der Geldbeutel stack in Mitleidenschaft gezogen wird ! durch Anschaffung von Brennmaterialien, die ^ unter sothanen Umständen im Preise natürlich nicht zurückgehen. Trotz der Kälte und der glatten Wege ist der heutige Vieh markt ziemlich stark befahren. Da auch viele Händler an­wesend sind, verspricht der Umsatz ein guter zu werden, wenigstens wurde gleich zu Beginn des Marktes vieles Fettvieh aufgekauft.

* N a g o l d , 13. Januar. In Ober- ^

jettin gen ereignete sich infolge des Glatt- i

eises ein recht bedauerlicher Unglüksfall. Bier­brauer Büß wollte beim Betreten seines Bier- kellers die Thüce hinter sich schließen und stürzte dabei rücklings die Treppe hinab. Bewußtlos

lag Böß einige Zeit in seinem Blut im Keller.

Die Verwundungen am Kopfe sind derart, daß man noch nicht für sein Leben stehen kann. Der Redakteur des hiesigen Gesellschafters, S. Stein­wandel, vollendete heute sein 70. Lebensjahr.

Seit etwa 36 Jahren leitet er mit seltener Treue und Umsicht als Faktor die hiesige Zaiser- sche Buchdruckerei. Mit dem 1. Februar gedenkt er in den wohlverdienten Ruhestand zu treten.

* Stuttgart, 16. Jan. Der Pferde­händler N. Löbstein, welcher wegen zu Ulm verübter Exzesse zu Monatlichem Gefängnis verurteilt wurde, ist vom König zu Festungs­haft begnadigt, auch sind ihm 5 Wochen an der Strafe geschenkt worden.

* Stuttgart, 15. Jan. Die Zahl der Arbeitslosen in Stuttgart beträgt, soweit die Erhebungen bis Freitag gediehen waren, 2400 männliche und 200 weibliche.

* Friedrichshafen, 17. Januar. Der Trajekthafen von Romanshorn ist eingefroren, der T>ajektverkehr dahin eingestellt. Der Untersee hat dieser Tage ein Opfer gefordert.

Ein junger Ehemann aus Berlingen (Thurgau) machte seinen Heimweg von Ermattngen übers Eis, mußte aber die Richtung verloren haben, mehr der Reichenau zu; nächst einer Eisspalte fand man andern Tages Hut und Cigarren- spitze des Verunglückten.

* Mannheim, 16. Jan. Soeben ist der Defraudant Häusler von Amerika über Wi5- helmshafen hier etngeliefert worden.

* (Ob's noch Eine wagt?) Dem Bauern Alois Plank in Rimbach (Baiern) sind in der Zeit von 5 Jahren vier Ehefrauen gestor­ben. Die Letztverstorbene wurde am Dreikönigs­feste zu Grabe getragen. Dem Ehegatten haben die vier Ehefrauen nur 3 Kinder hinterlaffen.

Kie Hochter des Gauklers.

Original-Roman von Gebh. S chätz l er-P era si ni.

(Fortsetzung.)

Als die Gräfin ihren Gemahl wehklagend ins Schloß führte, sah sie bald, daß es ein Irrsinniger war, den sie in ihren Armen hielt. Kunz kannte nur noch sein Weib und wie ein ängstliches Kind klam­merte er fich an sie; aber seine Reden waren wirr.

Der eine Bursche, welchem Kunz das Lebensglück raubte, hatte sich unterdessen zu einem ersten Anführer der Bauern emporgeschwungen. Keiner wütete so wie er; auf seine Veranlassung wurde der Graf weg­gefangen. und er ordnete auch alles weitere an."

Um den Zustand des Schloßherrn herbeizuführen, hatte der Unmensch die entsetzlichsten Mittel angewendet. Die Sage erzählt, daß er Kunz zwei Wochen hindurch mit den raffiniertesten Martern quälte und peinigte, ohne ihn zu töten. Tag und Nacht wurde der Graf hin­ter dem Berge dort drüben, wo noch die Höhle liegt, aller Kleidung beraubt, in dem Kreise der wildlachenden gefesselt gehalten. Die Bar­baren marterten ihn derart, daß das Geschrei des Armen weit ins Land gehört wurde. Und jener Todfeind ersann immer neue Mittel, die er zur entsetzlichsten Qual des Grafen mit Hilfe der bestialischen Bauern anwendete. Was der entmenschte Bursche wollte, geschah.

Kunz war längst wahnsinnig vor martervollstcm Schmerz gewor­den. Als er nur noch lallte und heiser lachte, führten ihn die Bauern vor sein Schloß. Lachend flüchtete sich Kunz immer wieder an die Brust seines treuen Weibes; er wollte sie nicht mehr verlassen Tag und Nacht.

Ein ganzes Jahr blieb Felsberg von den Bauern verschont; sie schienen etwas abwarten zu wollen. Die mächtige, siegende Bewegung

der Bauern hatte auch manchen Schloßknecht, der bis dahin treu seinem Herrn diente, in ihr Lager geführt; nur wenig Besatzung besaß Fels­berg noch.

Da genas die Gräfin eines Kindes zum Unglück des ganzen Geschlechtes. Der Vater war irrsinnig! Die Gräfin soll das kleine Wesen oft betrachtet haben mit dem Gedanken, es eher zu töten, als leben zu lassen zum Unglück aller. Sie kam nicht dazu; war sie doch eine Mutter.

Eines Morgens lagerten sich die Horden der Bauern um das Schloß, und als der Abend kam, rasselten die Zugbrücken, die nur noch in langen Fetzen herunterhingen, nieder vom Anprall der wütenden Massen. Allen voran stürmte jener Bursche. Sie fanden Kunz an sein Weib geklammert und rissen die beiden brutal voneinander. Mit Joh­len empfingen die wilden Tiere die zarte Gräfin. Ihr Anführer riß ihr die Kleider in Stücke, behandelte sie bestialisch und warf sie sodann seinen jubelnden Kumpanen zu. Kunz wurde gezwungen, dies alles ruhig mit anzusehen; mit stierem Blicke that er's. Als ihm die Rotte den entseelten Leichnam seines heißgeliebten Weibes vor die Füße warf, that er einen einzigen furchtbaren Schrei ein lichter Augenblick war bei ihm eingetreten. Wie ein Rasender durchbrach er den Kreis und stürmte die Stufen des Turmes hinauf. Nur der Instinkt, von dort aus Hilfe zu erspähen, war es, der ihn dort Hinauftrieb. Ueberall im Umkreise lagerten die Bauern; das brennende Schloß leuchtete, und im Hofe unten wurde die wenige treue Besatzung abgeschlachtet.

Die Treppe herauf stürmten die johlenden Verfolger. Da soll Kunz vom Boden eine der damaligen alten Reiterpistolen genommen haben, die einer seiner Reiter bei der Verteidigung des Schlosses geführt hatte. Noch war die Waffe geladen; ihr Besitzer, vom Tode ereilt, noch ehe er den neuen Schuß abgab, lag daneben.