Wendung zum Bessern steht für die nächste Zeit kaum in Aussicht. Demgemäß ist bei der Vorbereitung des neuen Hauptfinanzetats auf allen Gebieten der Staatsstnanzverwaltung mit besonderer Vorsicht verfahren worden. Wenn dennoch Mehrforderungen nicht ganz vermieden werden können, so sind dieselben vorwiegend durch sachliche Bedürfnisse veranlaßt.
Wesentlich wegen des gesteigerten Ausgabebedarfs der Staatsetsenbahnen muß die Schätzung des Ertrags des Kammerguts hinter dem letzten Voranschlag nicht unerheblich Zurückbleiben. Auch bei den Anteilen an den Erträgen der Zölle und einzelner Reichssteuern scheint der Höhepunkt überschritten zu sein.
So sieht sich die Staatsfinanzverwaltung jetzt auf die Verstärkung der Deckungsmitrel angewiesen: Diese wird zu einem Teil zwar eintreten in Folge der wachsenden Ergiebigkeit der Mehrzahl der bestehenden Landessteuern und kann weiter erzielt werden durch Zuschüsse aus dem Vermögen der Restverwaltung, im Uebrigen aber macht sie die Wiederherstellung derjenigen Steuersätze notwendig, nach welchen die direkten Steuern bis zum 1. April 1889 erhoben worden sind. Die gedachte Maßregel wird indessen nicht bloß hinreichen, das Gleichgewicht im Staatshaushalt aufrecht zu erhalten, sie wird es auch ermöglichen, die sonst noch verfügbaren Restmittel zur Fortführung und Vollendung der schon früher unter Ihrer Zustimmung begonnenen größeren Bauten und zu anderen im Bedürfnis liegenden außerordentlichen Staatsausgaben zu verwenden; sie wird es endlich erleichtern, diejenigen Steuerentlastungen zu vereinbaren, welche in den zur sofortigen Einbringung fertig gestellten Gesetzentwürfen betreffend die Abstufung der Malzsteuer und über die Steuerbefreiung neubestockter Weinberge in Vorschlag gebracht werden sollen. Mit dem letzteren Entwurf steht im inneren Zusammenhang eine in der Behandlung befindliche Gesetzesvorlage betreffend die Besteuerung der Kunstweinfabrikation, — beide Gesetze, neben anderen im Hauptfinanzetat berücksichtigten Vorkehrungen, vorwiegend dazu bestimmt, dem seit Jahren andauernden Notstand der fleißigen, Weinbau treibenden Bevölkerung soweit thunlich zu begegnen.
Was die für die Staatseisenbahnen zu exigierenden Mittel betrifft, so ist für die Fertigstellung der in der letzten Landtagspertode beschlossenen Eisenbahnbauten Vorsorge zu treffen. Die Fortschritte tm Eisenbahnwesen und die sich steigernden Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Bahnen machen weitere Verbesserungen und Erweiterungen der im Betrieb befindlichen Bahnanlagen namentlich an den älteren Bahnlinien notwendig. Die Vorarbeiten für die baulichen Anlagen zu der dringlich gewordenen Entlastung des Bahnhofs Stuttgart find zum Abschluß gebracht. Auf Grund derselben wird Ihnen der Bau einer Verbindungsbahn von Unlcriürkheim nach Kornwestheim
vorgeschlagen werden. Inwieweit mit dem Bau neuer Nebenbahnen von vorwiegend lokaler Bedeutung fortgefahren werden kann, hängt davon ab, ob die Restverwaltung die zu den Zuschüssen erforderlichen Mittel wird zur Verfügung stellen können. Mit der Erbauung neuer Familienwohnungen fürUnterbedtenstete der Verkehrsanstalten in Stuttgart soll auf dem zu diesem Zweck erworbenen Areal begonnen werden.
Die in Angriff genommene Arbeit der Steuerreform im Sinne einer, der Leistungsfähigkeit der einzelnen Steuerpflichtigen, wie den wechselnden Bedürfnissen des Staats besser sich anpassenden Verteilung und Veranlagung der direkten Steuern soll nachdrücklich!! fortgesetzt und möglichst beschleunigt werden. Im unmittelbaren Anschluß hieran wird auch die Neuordnung der Besteuerungsrechte der Gemeinden und Amtskörperschaften erfolgen können. Schon jetzt für die Gemeinden eine weitere Einnahme zu erschließen, ist die Absicht des sofort einzubringenden Entwurfs eines Gesetzes über die Erhebung eines Zuschlags zur Liegenschafts- accise durch die Gemeinden.
Ihrer Beratung wird ferner alsbald ein Gesetzentwurf über das landw. Nachbarrecht unterstellt werden, welcher dieser Materie auf der Grundlage der bei den früheren Verhandlungen über den Gegenstand zu Tage getretenen Anschauungen, vornämlich im Sinne einer Ausgleichung der Interessen von Feld und Wald zu regeln bestimmt ist. Bei den lebhaften Wünschen, mit welchen die landw. Bevölkerung das Zustandekommen dieses Gesetzes begleitet, darf einer nunmehrigen Einigung entgegengesehen werden. Ein Gesetzentwurf über die Benützung der öffentlichen Gewässer, welcher die Ausnützung der wertvollen Wasserkräfte des Landes für die Zwecke der Industrie und Landwirtschaft erleichtern und fördern wird, unterliegt zur Zeit der Begutachtung des Geh. Rats.
In einer gleichfalls im Laufe der Landtags- Periode einzubringenden Gesetzesvorlage sollen die Voraussetzungen der Entlassung dienstunfähig gewordener Körperschaftsbeamter, unter gleichzeitiger Fürsorge für die.,materielle Sicherstellung der auf Lebenszeit angestellten Körperschaftsbeamten geregelt werden.
Die im abgelaufenen Jahre erfolgte Abänderung der reichsgesetzltchen Bestimmungen über die Krankenversicherung der Arbeiter hat einige Aenderungen und Ergänzungen der landesgesetzlichen Ausführungsvorschriften notwendig gemacht. Eine hierauf sich beziehendeMorlage wird Ihnen alsbaldzukommen. Die Gewährung einer Entschädigung für das an Maul- u. Klauenseuche gefallene Vieh soll durch einen Ihnen demnächst zugehenden Gesetzentwurf geregelt werden. Ihrer sofortigen Beratung wird weiter unterstellt werden ein Staatsvertrag zwischen Württemberg und Baden, welcher die gegenseitige Leistung der Rechtshilfe in Sachen des öffentlichen Rechts ordnet.
Endlich soll, noch mit dem gegenwärtigen Landtag eine Verständigung über die Revision der Landesverfassung insbesondere in Absicht auf die Zusammensetzung der Ständeversammlung durch eine entsprechende Gesetzesvorlage etnge- leitet werden. Mögen Ihre Beratungen über alle diese Arbeiten, beherrscht und getragen von dem Geiste treuer Pflichterfüllung und warmer « patriotischer Hingabe, dem Wohl Unseres gelteb- §> ten Württemberg dauernd zum Segen gereichen.
Ich erkläre den Landtag für eröffnet.
Laudesuachrichteu.
-r. Altensteig, 11.Jan. Gestern abend iE" passierte auf der Straße in der Nähe der Loh- L"« mühle ein recht bedauerliches Unglück. Hr. Z Z Schultheiß Sprenger von Ebershardt DA hatte Gelegenheit auf einem Letter Wagen mit Hochzeitsgästen sich hinten aufzusetzen. Unter- wegs fiel einem der Mitfahrenden der Hut -8^ herab. Man hielt deshalb. Beim raschen An- ^ 2 fahren bekam nun Schultheiß Sprenger das Db Uebergewicht und stürzte so unglücklich auf die Straße, daß er das Genick brach und äugen- S A blicklich tot war. Man kann sich die Ueber- ZA raschung der ganzen Gemeinde denken, wie auch 8 L- dic große Trauer über den Verlust des erst
40 Jahre alten und beliebten Ortsvorstehers, _
als man diesen entseelt heimbrachte. Kinder hinterläßt der Verunglückte keine. Z 8
-r. Ende voriger Woche wurde das Mast'sche 8Z- Anwesen in Ebhausen, bestehend aus einer bedeutenden Wasserkraft (42 Lferdekräften, die ZÄ sich noch durch weiteren Erwerb vermehren lassen) und der vor 5 Jahren abgebrannten Wollspinnerei um die Summe von 28000 Mk. -AL von einer Frankfurter Baustcma aufgekauft. L Es soll ein bedeutendes Sägwerk und eine Bauholzhandlung errichtet werden. Die Ge- .L meinde Ebhausen ist den Käufern dadurch ent- gegengekommen, daß sie ihnen auf 5 Jahre ^8 Steuernachlaß gewährte. ^8-
* Nagold, 7. Jan. Das alte volkstüm- -A liche Sprichwort „Gott schickt dem Menschen — L kein Unglück allein" scheint sich in letzter Zeit in unserem benachbarten Filialstädtchen Hatter- bach erfüllen zu lassen. Kaum haben sich die * Gemüter einigermaßen über das letzte Brand- Z Unglück, welchem 3 Menschenleben zum Opfer
fielen, während das 4. noch im Schweben steht, -
beruhigt, der kurz darauf erfolgte Selbstmord eines dortigen unglücklichen Burgers die Fama A zum Schweigen gebracht, wurde gestern das Amtsgericht telegraphisch berufen, um den That- bestand einer Messeraffaire Ln Haiterbach fest- 8 zustellen. Ein dortiger Bürger, welchem seine -2 2 Ehehälfte entlaufen, trat von der amlsgericht- T 8 liehen Verhandlung mit seinem Schwager, der AS als Zeuge zu erscheinen hatte, den Heimweg an; unterwegs entspann sich über die Angelegen- Z heit ein Wortwechsel, der zu Thätltchketten führte und der verlassene Gatte wurde von «r 8 seinem Schwager derart in den Kopf gestochen, dtß an seinem Aufkommen gezwcifelt wird. wS-A
Ratlos stand Franziska da. Was sollte sie thun? Gegen den Willen Sabinens eindringen, war doch nicht möglich. Aber wenn eine Krankheit im Anzuge wäre? Wie wird Kurt sich ängstigen! Sie wagt es beinahe nicht, ihm die Antwort zu bringen.
„Sabinchen, darf ich dir Kurt an die Thür schicken? Der Arme wird sich zu Tode ängstigen; sprich mit ihm. Willst du?"
Ein leises „Ja!" ertönte innen. Es war nur geflüstert und vom Weinen beinahe erstickt.
Als Franziska mit unheilverkündender Miene zurückkehrte, erbleichte Kurt. Hastig eilte er davon.
Auch der Doktor erschrak und war sofort bereit, zu dem Kinde zu gehen; allein die Gräfin hielt ihn zurück.
„Es würde vergebens sein," sagte sie betrübt; „Sabine hat sich eingeschlossen und öffnet nicht. Mit Gewalt können wir nicht eindringen; es bleibt uns nichts übrig, als zu warten, bis sie selbst den Willen zeigt, uns einzulassen. Dieses Benehmen Sabinens erschreckt mich aber, weil ich es nicht begreife; sie hat sich dergestalt nie benommen; mich beunruhigt die Sache doch sehr."
Auch dem Doktor war gar nicht wohl zu Mute.
Es war wirklich ein ganz unbegreifliches Benehmen Sabinens. Sollte sie sich am Morgen eine Erkältung zugezogen haben? Der Doktor konnte nicht daran glauben; da steckte etwas anderes dahinter. Aber was?
Darüber zerbrach er sich vergeblich den Kopf. Es blieb schließlich nichts übrig, als abzuwarten, was sich weiter begab. Vielleicht war es nur eine Laune Sabinens; aber die Zofe sagte, daß ihre Herrin sehr bleich vom Parke zurückkam. Allein sonst das offene, heitere Wesen des Kindes — und heute diese Verschlossenheit? Unbegreiflich! Dem Doktor kam zwar plötzlich auch der Gedanke an Stanislaus
Ferina; aber er wies ihn als unbegründet von sich. Der war vielleicht A
längst gestorben und verdorben; wenn nicht, würde er es doch nicht wagen, hierher zu kommen.
An Sabinens Thür stand hochgradig erregt Kurt. Mit leiser »Z „ Stimme antwortete ihm Sabine; aber aus all' dem hörte er den Ton NZ
der Liebe und Zuneigung, der um so mehr sein Herz zerriß, als er auch ,_
daraus vernahm, wie Sabine litt. <
„Sage mir doch, Sabinchen, was dir geschah, als du von mir Z 8 gingst!" bat Kurt. „Es kann nur nachdem gewesen sein. Hast du dich erkältet?" Z
„Es wird wohl so sein, Kurt," kam die Antwort. A D
„So nimm doch die Hilfe des Doktors an!" drängte er. ZZ '2
„Nein, nein! Es geht schon vorüber. Nun gehe Kurt, und be- ruhige die Mama!"
„Du schickst mich fort, Sabine?!" sagte er traurig. „Wann „ darf ich dich wieder sprechen?" , .
„Wenn du gegen Abend — noch einmal zu mir kommen willst, o,AZ — bin ich dir dankbar Kurt, —" -L .
Er wollte nicht gehen.
„Ach, Sabine," rief er, „wenn du mir krank würdest, ich ertrüge es nicht!"
Drinnen ward es still.
Als er gegangen war, schluchzte Sabine herzbrechend. Er mußte es dennoch ertragen — ohne sie zu leben; es gab keinen anderen « » Ausweg. , D
Mißgestimmt ging der Doktor nach seinem Zimmer. Er liebte ' ^ Sabine wie ein eigen Kind; ihre Offenheit und ihr zutrauliches Wesen hatten ihn stets entzückt; das heutige Benehmen paßte ihm gar nicht.
(Fortsetzung folgt.)