daß es mit dieser Herabsetzung der Frachten auf die Hälfte wohl seine Richtigkeit hat, daß aber vorher die Bahnen dafür auch die Frachten auf das Dreifache erhöht hatten!!! Wie hoch dadurch die Frachten werden, veranschaulicht am Besten ein Beispiel. Eine gewisse Partie Ausstellungsgut kostete von Berlin nach Hamburg 1500 Mk. Fracht, von Hamburg nach New-Aork 3500 Mk., von New-Jork nach Chicago aber 14000 Mark! Damit ist die Geriebenheit der Amerikaner noch nicht zu Ende; sie läßt vielmehr noch einen weiteren Streich in guter Aussicht. Es braucht nur für den Rücktransport diese famose Frachtermäßigung wieder aufgehoben zu werden, dann lohnt der Rücktransport für den Aussteller sich nicht mehr und die Waren bleiben hübsch im Lande, dann wird entweder der unerschwingliche Zoll dafür bezahlt oder sie werden von den Zollbehörden meistbietend versteigert. Undalles dies vollzieht sich auf völlig gesetzlichem Wege, so daß vom Reichskommissar kaum etwas dagegen geschehen kann, wenn nicht vorher die nötige Sicherung geschafft wird. Ja, ja, die Amerikaner sind
„smart!"
* Die Gesamtsumme der Sparkaffeneinlagen in Württemberg beträgt im verflossenen Geschäftsjahr 31 727 529 Mk. Rückbezahlt wurden 22887045 Mk., es ergiebt sich sonach eine Mehreinlage von 8840484 Mk. An den Einlagen nimmt der Neckarkreis teil mit 11 160 635, der Donaukreis mit 8066 616, der Schwarzwaldkreis mit 5215857, der Jagstkreis mit 5089402 Mk. Der einzige Bezirk, welcher eine die Einlage übersteigende Rückzahlung und zwar von 11234 Mk. aufweist, ist Künzelsau. Die ganze Ueberficht gewährt einen angenehmen Einblick in den sich steigernden Sparsinn unseres württembergischen Volkes.
* Aus Mannheim, 6. Jan., wird geschrieben : Zwei Grenadiere des hiesigen Grenadierregiments Nr. 110, Namens Ellrich und Seyfried, desertierten aus Furcht vor Strafe, die sie zu erwarten hatten, weil sie Urlaubskarten gefälscht hatten. Man glaubt, daß sie die Schweizer Grenze erreicht haben. Eine Person, die sich der Beihilfe schuldig gemacht haben soll, wurde in Haft genommen.
* Berlin, 7. Jan. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung* bemerkt zur Empfehlung des Auswanderungsgesetzes, der gegenwärtige Zeitpunkt sei zum Beginn einer nationalen Auswanderungspolitik besonders geeignet, namentlich angesichts der Einwanderungserschwerungen seitens der Vereinigten Staaten. Für diese Politik gebe der Entwurf Mittel und Wege.
* Ueber die Neujahrsansprache des Kaisers an die Generale wogt der Widerstreit der Meldungen noch hin und her. In der,Nordd. Allgem. Ztg/ wird, anscheinend offiziös, folgende einstweilige Schlußbemerkung gemacht: „Das, was von der Ansprache veröffentlicht werden sollte, ist so, wie geschehen, auf Befehl des Kaisers
veröffentlicht worden. Zwar ist anderweit gut verbürgt, daß der Kaiser dem Sinne nach auch geäußert habe, er mißbillige eine etwaige politische Opposition und Stimmungsmacherei von Angehörigen der Armee wider die Vorlage aufs schärfste und werde sie unbedingt nicht dulden; allein dies gehört zu den Dingen, über die der Monarch nur zu seinen Generalen gesprochen hat und die sich in einer halbamtlichen Veröffentlichung, vollends im Wortlaut, entziehen. Es erscheint deshalb auch nicht angemessen, etwaigen Vermutungen über bestimmte Vorgänge oder Personen, auf die sich der kaiserliche Tadel bezogen haben könnte, weiteren Spielraum zu geben."
* Auf einer Treibjagd bei Haina (Hessen- Nassau) ereignete sich ein beklagenswerter Unglücksfall. Nach Beendigung der Jagd gab ein Jäger sein Gewehr, ohne es zu entladen, einem von zwei Jungen, die bei der Jagd als Treiber gedient hatten, zum Tragen. Unterwegs sagte der Träger des Gewehres im Spaß zu seinem Gefährten: „Soll ich einmal schießen?" Dabei legte er auch schon das Gewehr auf seinen Gefährten an, zielte, drückte los und traf denselben in Brust und Kopf. Der Tod trat sofort ein. Der Getötete ist erst 14 Jahre alt und der Sohn geachteter Eltern.
* Das K. Konsistorium der Provinz Brandenburg untersagte die Aufstellung von Urnen mit Aschenresten in Erbbegräbnissen des Berliner protestantischen Friedhofs, da die Leichenverbrennung der christlichen Sitte widerspreche.
* Krefeld. Der Butterhändler Heinrich C. stand bereits seit Jahren im Verdacht, Margarine mit billiger Naturbutter zu vermischen und dieses Gemisch dann als echte Naturbutter in den Handel zu bringen. Den eifrigen Bemühungen der Revierpolizei ist es nun gelungen, das ganze Fälschernest auf einmal aufzuheben. Als nämlich die dienstbaren Geister des C., welche in Gestalt von Bäuerinnen gekleidet waren, zum Ruhrorter Markte zogen, wurde die betreffende Gesellschaft beobachtet und überwacht. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel trat dann die Polizei hervor und beschlagnahmte die ganze Fabrikation beim flottesten Handel. Die chemische Untersuchung hat zu tage gefördert, daß diese Butter meistens aus Margarine bestand. Wie groß der Umsatz dieses Fabrikanten gewesen sein mag, kann man beurteilen, wenn man erfährt, daß in einem Monat vorigen Jahres über 3000 Pfund Margarine angekommen sind. Neben dem Genannten haben sich als Gehilfen bezw. Gehilfinnen zu verantworten dessen Ehefrau, Sohn, Tochter und die Dienstmagd.
* Düsseldorf, 7. Jan. Der Kassierer des Künstlervereins Malkasten ist mit den anvertrauten Geldern durchgebrannt.
"Trier, 7. Jan. Die Bergwerksbehörde wird nächster Tage ein Ultimatum an die Streikenden richten mit der Aufforderung, die Arbeit
wieder aufzunehmen, sonst stehe ihnen dauernde Ablehnung bevor. Das Organ des Rechtsschutzvereins bittet um Geldunterstützung für die Streikenden.
* Gelsenkirchen, 6. Jan. Die„Gelsen- kirchener Zeitung" meldet: Eine zahlreich besuchte Berg-Arbeiter-Versammlung beschloß den sofortigen Ausstand. Es wird auch hier ei« allgemeiner Ausstand befürchtet.
* (Vom Streik im Saarkohlen- Revter.) Eine neue Erscheinung in de« Ausstand ist die Beteiligung der Frauen. Bei dem letzten Ausstand blieben die Frauen zu Hause und rieten teilweise den Männern vom Ausstand ab. Diesmal reizen sie Gatten und Söhne zum Ausstand an. So sprachen in Altenkessel in einer von 3000 Personen besuchten VersammlungdretBergmannsfrauen und forderten auf, Wetter im Ausftand zu beharren. Im ganzen Streikgebiet ziehen Frauen jeden Alters mit in die Versammlungen und Hähnen und schmähen die arbeitswilligen Bergleute und deren Frauen.
* Ueber einen raffinierten Checkfälschungs-Fall wird aus Straßburg folgendes berichtet: „Bet der Bank von Elsaß und Lothringen wurde ein Check über 105 Mark, ausgestellt von dem Bankhause Mayer u. Cie. in Metz, vorgezeigt und von dem kontrollierenden Buchhaltungs- Beamten mit dem Vermerk der Richtigkeit versehen. Anstatt den Check aber an der Kaffe einzuziehen, nahm das Individuum ihn mit, beseitigte auf chemischem Wege die Summe und änderte dieselbe in eine wesentlich höhere, wie verlautet, 15000 Mark, die ihm auf Grund jenes Vermerks anstandslos ausgezahlt wurde.
* Hamburg, 6. Jan. Der imAhlwardt- Prozeß nicht aufgefundene Entlastungszeuge Krähahn ist dieser Tage aus Amerika in Altona angekommen, wo er sich gerichtlich vernehmen ließ.
Ausländisches.
* Wien. Im Allgemeinen Krankenhause hier hat sich seit Jahren wieder einmal der seltene Fall ereignet, daß aus der Reihe der Patienten der Tod sich kein einziges Opfer geholt hat. Diesmal hat die Rast des Todes sogar von 5 Uhr abends am Donnerstag bis 6 Uhr früh am Samstag, mithin genau 37 Stunden, gedauert. Die letzte Rast des Todes hat im Sommer 1889 stattgefunden. Damals ließ der Direktor des Allgemeinen Krankenhauses die weiße Fahne hissen, von der Gepflogenheit wird indes seither Abstand genommen.
* Paris, 4. Jan. Das Elend der ärmeren Pariser Bevölkerung wird durch den anhaltenden Frost in erschreckendem Maße gesteigert. Seit dem Panamaskandal haben die meisten Industriellen die Zahl ihrer Arbeiter vermindert; es ist nirgends Beschäftigung zu finden. Die kleineren Gewerbe, die besonders für die Feste des Jahreswechsels arbeiten, sind nun ihrerseits völlig ins Stocken geraten, und ihr Gewinn war diesmal ein sehr spärlicher. Immer
Die Tochter des Haukkers.
Original-Roman von Gebh. Schätzler-Perasini.
(Fortsetzung.)
„Meiner lieben Mama! Wie hübsch das klingt! Wenn nur auch ein bißchen Wahrheit in dem Dinge steckte. Deine „Mama" liegt unten auf dem Dorfkirchhofe; das oben sind nur Fremde für dich."
„Also doch — doch!" schluchzte Sabine.
„Alle Wetter", fuhr der Kunstreiter fort, „was ich gestern vernahm, ist ja nie dagewesen! Daß ich in meinen alten Tagen noch solches Glück mit einem Kinde erlebe, hätte ich mir nicht träumen lassen. Einen Grafensohn nimmst du zum Manne, wirst Gräfin von Felsberg!" Er lachte grell. „Wird der Graf eine Freude an seinem alten Schwiegervater haben! Auf meine alten Tage soll ich's noch gut haben; schlecht genug ist's mir auch bis heute ergangen."
Er sprach nun mit einer absichtlichen Schärfe; die entsetzten Blicke seines armen Kindes rührten ihn durchaus nicht mehr.
„Und was — was wollt Ihr thun?" fragte bebend Sabine.
Er verzog den Mund.
„Hm — ganz nach Umständen. Ich richte mich nach dem, wie man mir entgegenkommt. Ich glaube es wohl, daß man mich im Schlosse nicht mit Vivatschreien empfangen wird, wie es die Bauern gestern thaten — bei deiner Verlobung; auch ist mein Anzug nicht mehr salonfähig." — Stanislaus klopfte auf seine defekten Beinkleider. — „Wie wär's, Sabine, wenn du mir etwas unter die Arme greifen wolltest?"
Begierig hatte das Mädchen aus seine Worte gehorcht.
„Also — Geld wollt Ihr?" fragte sie zusammenschauernd und schaute den verbissen Lächelnden mit einem eigenen Blicke an. Er ärgerte sich über dieses Anschauen und erwiderte brutal:
„Vorläufig — ja!"
„Vorläufig? Was meint Ihr damit?"
„Ich denke mir die Geschichte ganz einfach," versetzte ruhig Stanislaus. „Daß ich dein Vater wirklich bin, wirst du wahrscheinlich nicht mehr bezweifeln — wenn ich auch gerade nicht erbaut bin über die Art, wie du mich empfangen hast. Ich könnte dir auch schriftliche Beweise zeigen. Nun meine ich so: Du gibst mir zu leben, bis du Gräfin Felsberg bist — ich werde mich unterdessen verstecken, daß mich keine Katze finden soll; nachdem aber, wenn alles im Reinen ist, dann kommt der Vater an die Bildfläche; dann stelle ich mich dem Grafen als Schwiegervater vor."
Abwehrend streckte Sabine die Hände nach ihm aus.
„Nein, nein! Das wird nie geschehen! Eher töte ich mich!"
Er kehrte sich nicht sonderlich an diese Unterbrechung, sondern fuhr fort:
„Es wird dir nichts nützen, und man stirbt in deinen Jahren nicht so leicht; das wär' auch jammerschade. Und dann, was denkst du, würden die da oben einen Schmerz erleiden, wenn sie dich tot sähen?"
„Und an den Schmerz, den ich ihnen bereiten würde, wenn ich auf Euern wahnsinnigen Vorschlag etnginge, denkt Ihr nicht?" rief jammernd Sabine. „O, Ihr könnt ja nicht wissen, mit welcher Liebe man mich umgibt. Meine engelsreine Mutter. Ich kann sie nicht verraten — und Kurt! Nein, es ist nicht möglich. Ich kann ihnen nicht die Schande in das friedliche Schloß bringen!"
„Oho, mein Kind," lachte trotzig Stanislaus. „Du sprichst ja recht niedlich von deinem Vater!"
„Ach, warum seid Ihr gekommen? Weshalb habt Ihr mich meinem stillen Glücke entrissen? Ihr bringt Verderben über alle, die ich liebe und die mich wieder lieben. Wie glücklich lebte ich! Und nun — nun?"