dcrt Polizisten erhalten mühsam die Ordnung aufrecht.
' Der Pariser Vertreter des „Budapest! Htrlap" beharrt dabei, Rouvier habe vor dem Untersuchungsrichter erklärt, er habe 200000 Frs. Panamageld dem russischen Botschafter Baron Mohrenheim gegeben.
* Die Panama-Angelegenheit wirbelt immer neuen Staub auf. Jetzt wird sogar auch der französische Botschafter in Berlin, Herbette, als in dieselbe verwickelt erklärt. In der Wochenschrift „Bouche de Fer" schreibt Pascal Groufset: „Der Name, den Andrieux der Kommission verschwieg und dem Kriegsminister Freycinet vertraulich mttteilte, der Name, welcher aus der Photographie desChek- verzeichntsses herausgeschnitten war, ist der Herbettes, des französischen Botschafters in Berlin." Grousset will weitere Enthüllungen von Andrieux vereiteln, indem er schon jetzt sagt, was Andrieux erst in einem ihm passenden Zeitpunkte enthüllen wollte. Andrieux hatte von Herz nicht alles erfahren. Herz wußte folgendes: Das Geheimnis des französischen rauchlosen Pulvers war vor 4 Jahren an Deutschland und England verkauft worden. Baron Reinach war einer der Vermittler dieses Handels. Cornelius Herz hatte den Beweis dafür in Händen, und das war eines seiner Erpressungsmtttel, mit denen er 5 Millionen Dollars von Reinach Herauspressen wollte; 3 Vz Millionen gab ihm Reinach, den Rest konnte er nicht aufbringen. Darauf habe er sich vergiftet. Großes Aufsehen erregt die Nennung des Botschafters Herbette, dessen Namen bisher in der Panamaangelegenheit nicht genannt war. Man wird sich indessen erinnern müssen, daß schon die verschiedensten Angriffe gegen Herbette versucht worden sind. Andrieux hat indessen erklärt, Herbette komme bet diesen Dingen nicht in Betracht.
* Brüssel, 5. Jan. Drei Dampfer, Suez vom Orient kommend, Norway von England und der fällige Harwtch-Dampfer sind sämtlich auf der Schelde, im Bebel gestrandet. Die Rettung der Passagiere ist gesichert, die Lage der Dampfer gefahrvoll.
* London,5. Jan. Der Dampfer „Teutonic" überbrtngt Einzelheiten über lne gefahrvolle Fahrt des Norddeutschen Lloyddampfer „Saale" aus Southampton nach New-Aork (Ankunft in New-Dork am 26. Dezember.) Die „Saale" war 12 Tage unterwegs und die Passagiere waren die ganze Zeit auf die Kajüten angewiesen. Das Deck war mit einer fußdicken Eiskruste überzogen, die Mannschaften waren mehrfach über 36 Stunden ununterbrochen im Dienst auf dem eisigen Deck gewesen; verschiedene waren zu Fall gekommen und verletzt. Kapitän Ringk erklärte, daß der Sturm und die Kälte so heftig gewesen, wie er sie niemals zuvor erlebt habe.
* London, 7. Januar. Das Unterhausmitglied Spencer Balfour ist nach Verübung
betrügerischer Finanzoperationen flüchtig Gegangen.
* Liverpool, 7.Jan. Bei einer FeuerS- brunst in einem Baumwollspeicher find elftauseud Ballen verbrannt. Zwei Feuerwehrleute find, umgekommen. Der Schaden beträgt 20000V Pfund Sterling (4 Millionen Mark.)
* Mexiko. Der Sohn des Präsidenten von Mexiko wurde von dem reichen Spanier Fernande; im Zweikampfe getötet. Fernands und seine Duellzeugen wurden verhaftet. Der Zweikampf fand einer jungen Schauspielerin wegen statt, der der junge Diaz und Fernande; in gleicher Zeit den Hof machten.
Hes undheitspflege.
* (Die Wiege in der Kinderstube.) Obgleich von verschiedenen Seiten schon oft gegen die Unsitte, kleine Kinder in den Schlaf zu wiegen, Front gemacht worden ist, ist dieselbe doch noch vielfach an der Tagesordnung. Das Wiegen trägt durchaus nichts zur dauernd guten Ruhe des Säuglings bei, im Gegenteil, es hindert dieselbe. Es bewirkt zwar für den Augenblick eine leichte Betäubung, die die Kinder einschlafen läßt, aber es sorgt auch dafür, daß dieser Schlaf von kurzer Dauer ist und zudem von seiner kräftigenden Wirkung einbüßt. Ganz besonders nachteilig wirkt das Wiegen nach der Sättigung des Säuglings. Schon einem Erwachsenen würde ein solches naturwidrige Hin- und Herschaukeln nach vollendeter Mahlzeit unerträglich sein, um wie viel schädlicher muß es bei einem Säuglinge wirken. Die Erfahrung der Aerzte hat denn auch gezeigt, daß nicht nur das allgemeine Wohlbefinden beeinträchtigt wird, sondern auch Gehirnleiden verschiedenster Art sich ausbtldenkönuen.
— Ist das Kind an das Wiegen gewöhnt, so schläft es ohne die Wiege entweder gar nicht oder doch nur äußerst schwer ein. Das stürmische Verlangen nach derselben entspringt einesteils aus dem instinktarttgen Gefühl der gewohnten Schaukelbewegung, dann aber auch aus dem schwach dämmernden Bewußtsein, daß der kleine Schreihals nicht allein ist. sofern er gewiegt wird. Kinder, die nie an das Wiegen gewöhnt werden, schlafen und gedeihen ohne dasselbe weit besser
— ganz abgesehen von der armen Mutter, der dadurch manche Anstrengung, viel Zeitverlust und — Schlaflosigkeit erspart wird. — Darum fort mit dem überflüssigen und schädlichen Möbel aus der Kinderstube!
Vermischtes.
* (Wer kann's besser?) Meier: „Ich sage Ihnen, das Wasser bei uns ist so eisenhaltig, wenn Sie da abends einen Stab hineinlegen, haben Sie am anderen Morgen das schönste Stabeisen. — Müller: „Und unsere Quelle enthält so viel Schwefel, daß man nur eine Handvoll Holzsplitter hineinzutaucheu braucht, um sofort Streichhölzer zu erhalten."
Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Altensteig.
lauter wird die allgemeine Klage. Die öffentlichen Nachtherbergen können dem Zudrang der Obdachlosen nicht genügen; von verschiedenen Seiten schlägt man vor, aus der großen Maschinenhalle der Ausstellung von 1889 eine solche Nächtliche Zufluchtsstätte zu machen. Es ist gewiß, daß Etwas geschehen muß, wenn nicht dies zunehmende Elend den revolutionären Parteien eine neue Waffe liefern soll. Die zahlreichen, durch Kälte und Hunger veranlaßten Todesfälle, von denen jetzt täglich die Blätter berichten, sind für das öffentliche Gefühl auch rin Skandal, und ein schlimmerer vielleicht als der im Parlament entstandene. So liest man heute wieder eine besonders empörende Erzählung. Auf der Straße bricht eine Frau durch Entbehrung erschöpft zusammen. Man trägt sie in eine Apolheke, um ihr eine Stärkung einzuflößen, aber sie stirbt den Hilfeleistenden unter den Händen. Der herbeigerufene Polizeikommiffär findet in der Tasche ihres Kleides ihre Adresse.
Er begiebt sich in ihre Wohnung und läßt durch einen Schlosser die Thüre öffnen. Auf einem Strohsack in der Ecke, dem einzigen Hausrat, liegen zwei kleine halberfrorene Knaben von L und 2 Jahren, denen es seit 2 Tagen an feder Nahrung gefehlt hat.
* Paris. Freycinets Stellung als Kriegsminister gilt bereits seit längerer Zeit für bedroht; was ihn noch hält, ist wohl die Verlegenheit über die Wahl eines passenden Nachfolgers. Einem General möchte man nach den Erfahrungen mit Boulanger das Kriegsministerium nicht anvertrauen, und ein Zivilist, der einigermaßen Fachkenntnisse und Autorität besitzt, ist nicht vorhanden.
* Paris, 6. Jan. Das „Petit Journal" veröffentlicht eine angebliche Enthüllung, wonach Cornelius Herz als Agent Crispis der französischen Regierung im Jahr 1890 Vorschläge Crispis überbracht habe über eine Annäherung Italiens an Frankreich und den Austritt Italiens aus dem Dreibunde. Herz habe gleichzeitig dem Petit Journal und anderen Pariser Blättern monatliche Zuschüsse aus dem italienischen Geheimfonds angeboten, falls sie für Italien günstig schreiben würden.
* Paris, 6. Jan. Es wird bestätigt, daß für den 10. Januar die umfassendsten Vorkehrungen getroffen werden; in Paris und der Umgegend werden alle Garnisonen marschbereit gehalten. Abends soll in Tivoli-Vauxhall eine große Arbeiterversammlung stattfinden; die Regierung ist entschlossen, etwaige Unruhen rücksichtslos niederzuschlagen.
* Paris, 7. Jan. Ein Antisemitenmeeting in Vauxhall gestaltete sich zu einer großen Demonstration. Ehrenpräsident Rochefort, Drumont und Mores entwickelten ihr soziales Programm, welches die Rückgabe aller unreell erworbenen Vermögen und der gesamten in Judenhänden befindlichen Kapitalien, sowie die Abschaffung der Bürgerrechte der Juden fordert. Zweihun-
Von dem ganzen Elend überwältigt, sank Sabine auf die Bank zurück.
Stanislaus wurde unruhig. Die Zeit rückte immer mehr vor, und er wollte nicht, daß ihn vielleicht hier jemand mit Sabine zusammen traf. Es paßte das nicht zu seinem Plane, den er sich inzwischen zurechtgelegt hatte.
„Damit kommen wir zu keinem Ziele," begegnete Stanislaus dem Jammer seines Kindes. „Kannst du mir bis heute abend — fünfhundert Thaler verschaffen, Sabine?"
In Angst und doch verwundert blickte ihn das Mädchen an.
„Nein," sagte Sabine; „ich habe kein Geld und kann auch keines bekommen."
„So, so!" machte er ärgerlich. „Und daß ich ins Schloß gehe, willst du auch nicht haben?"
„Thut das nicht; sonst ist alles verloren!" flehte Sabine.
Stanislaus hatte diesen Gedanken auch gar nicht; es wäre für ihn nichts dabei herausgekommen. Er hatte einen größeren Streich vor. „Gut," sagte er lakonisch; „dann stelle ich mich auf den Boden meines menschlichen Rechtes. Ich ließ vor sechzehn Jahren mein Kind hier zurück; heute bin ich da und nehme mir's wieder. Du bist mein eigen Fleisch und Blut, und das Kind gehört zum Vater!"
Sie hatte ihn wohl verstanden; aber sie konnte nicht sprechen. Das Entsetzen über die Zukunft, die ihr bevorstand, lähmte ihr einen Augenblick die Zunge.
„Ihr — scherzt!" stammelte sie endlich.
Er schaute sie eine Weile an, dann sagte er höhnisch:
„Vielleicht dünkt es dir so; ich mache blutigen Ernst!"
Im Schlosse regte es sich. Er zuckte zusammen.
„Höre mich wohl an!" sagte erkält. „Ich will nicht, daß ich jetzt
schon gesehen werde, und im Schlosse wird es lebendig; deswegen ist's besser, ich gehe. Ich lasse dir Bedenkzeit bis heute abend; überleg dir's wohl! Entweder du bringst mir das Geld — hier an diese Stelle, wo wir stehen — wenn es dunkelt; dann will ich warten bis nach deiner Vermählung. Wo nicht, dann rüste dich nur immerhin zur Reise; nicht eine zweite Nacht bleibst du noch im Schlosse! Und du thust gut, gegen jedermann zu schweigen; es könnte ein Auflehnen von dir nichts nützen. Und wenn dein junger Graf auch noch so mächtig wäre, den Skandal fürchtet diese Sorte mehr als alles. Und für einen solchen würde ich sorgen; darauf verlasse dich. Die ganze Welt alarmiere ich deinetwegen — ich kann's mit gutem Rechte. Du bist mein Kind und gegen Blutsbande helfen alle Verträge der Welt nichts."
Mit weinenden Augen schaute Sabine den Gaukler an.
„Was habe ich Euch gethan, daß Ihr mich so zu Tode martert? Wenn Ihr mein Vater seid, so laßt Euer Kind doch glücklich sein! Und ich war glücklich," rief Sabine, die Hände vor das Gesicht schlagend, „überglücklich, ehe ich Euch getroffen! Seid edel und zerstört nicht mein junges Glück!"
„Edel!" lachte Stanislaus schneidend. „Indessen sitzt mein gutes Kind auf einem Schlosse und lacht über den dummen Komödianten, dessen Blut doch auch in seinen Adern fließt! Nichts da; du hast meine Bedingungen gehört! Mit der Dunkelheit erwarte ich dich. Kommst du nicht —"
„Ich komme!" flüsterte leise Sabine.
Alles war verloren, das junge, schöne Glück in den Schmutz gezogen, mit Füßen zertreten.
Bleich wie eine Tote ging sie nach dem Schlosse zurück. Aus deM Hute, den ihre matte Hand trug, fielen die Blumen in den Staub.
(Fortsetzung folgt.)