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Amtsblatt für

Allgemeine^Kn^lge

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Erscheint wöchentl. 3wal: Dienstag, Donnerstag u. Samstag u. kostet bei der Exped., sowie im OA.- Bezirk Nagold 80^, außerhalb 1 das Quartal.

Kienslag dm iv. Januar

Einrückungspreis der lspalt. Zeile für Altensteig I und nahe Umgebung bei Imal. Einrückung 8 ^ I f893 bei mehrmaliger je 6 auswärts je 8 j

Nack - Besiellunaen aufAus den Tannen" werden noch fonwäyrend angenommen. Die bereits erschienenen Nummern, sowie der Wand­kalender werden nachgeliefert.

Die Expedition.

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Uebertragen wurde die Schulstelle in Aichelberg, Br;. Ealw, dem Schulamtsverweser Wieland in Kapfen­hardt, Bez. Neuenbürg.

D Die belgische Berfassuugsrevision.

Die älteren unter den Lesern werden sich erinnern, daß noch vor fünfundzwanzig Jahren Belgien als derkonstitutionelle Musterstaat" galt, neben dem man höchstens noch England gelten ließ. In dem seilher verflossenen Vier­teljahrhundert haben sich die sozialen Gegen­sätze erheblich zugespitzt, das Arbeiterproletariat ist großenteils unter die Fahne der Sozial­demokratie getreten und die Regierungsmtttel, die der doktrinäre Liberalismus damals als unfehlbar anpries und allmählich auch zur Anerkennung brachte, haben sich als völlig be­langlos gegenüber der schnellen sozialen Ent­wickelung und der dadurch gesteigerten Unzu­friedenheit der unteren Volksklaffen erwiesen.

Seit Jahren schon ist in Belgien die Agi­tation an der Arbeit, um denkonstitutionellen Musterstaat" in einen solchen nach modernen Begriffen und auf der Grundlage des allge­meinen Stimmrechts umzumodeln. Eigentüm­licherweise ist diese letztere Forderung auch das A und das O der belgischen Sozialisten, die zur Durchführung desselben sogar verschiedene Male den Generalstreik angedroht haben. Das erinnert in gewisser Beziehung an das Auftreten Ferdinand Lassalles, der ebenfalls der Meinung war, dos allgemeine Stimmrecht werde die Heutige Gesellschafts- und Erwerbsform von Grund aus umgestalten. Nun, Deutschland hat seit einem Vierteljahrhundert das allgemeine Stimmrecht, aber weder sind die Klagen der Arbeiter verstummt, noch ist cs den Arbeitern gelungen, eine solche Anzahl sozialdemokratischer Vertreter in den Reichstag zu bringen, daß diese im stände wären, einen maßgebenden Ein­fluß auf den Gang der Dinge auszuübcn.

In ihren politischen Rechten stehen die belgischen Arbeiter hinter den deutschen noch meilenweit zurück. Die belgischen Arbeiter sind vom Wahlrecht einfach ausgeschlossen, was nicht einmal in Preußen bet demelendesten aller Wahlsysteme" (wie Bismarck oie Dreiklassen­wahl bezeichnet hat) der Fall ist. Die Ver- faffungsreform, mit der sich gegenwärtig die gesetzgebenden Faktoren Belgiens abquälen, soll diese Zurücksetzung der Arbeiter teilweise gut- machen. Indessen, wie es so hergeht: Die Liberalen Belgiens möchten die Erweiterung der Wählerzahl durch die Bestimmung der Kapazität erzielen, d. h. sie fordern von dem, der wählen will, daß er auch ein gewisses Maß von elementaren Kenntnissen besitzt. Da in Belgien das Schulwesen noch sehr im Argen liegt, so hätte die städtische Arbeiterbevölkerung den verhältnismäßig größeren Vorteil von der Sache; denn in den Städten ist naturgemäß das Schulwesen besser entwickelt als auf dem platten Lunde. Das ist überall so ziemlich das Gleiche. Die Rechte dagegen ist für das Okku­pationssystems d. h. sie will nur den Hausbe­sitzern oder den Hauptmietern das Wahlrecht geben. Da die Arbeiter in den Städten nur z« einem ganz verschwindend geringen Teile Hauptmieter" und noch weit weniger Haus­

besitzer sind, so würde der einzige Vorteil dabei für die Landbevölkerung herausspringen, von der ein großer Teil auf eigener, wenn auch noch so kleiner Scholle sitzt.

Der erste Vorschlag findet nicht den Bei­fall der Rechten, der zweite nicht den der Liberalen und zu einer Verfassungsänderung ist eine Zweidrittel-Mehrheit der Kammer nötig. Während die sozialistischen Arbeiter das allge­meine Stimmrecht fordern, scheint sich zwischen der Rechten und den Doktrinär-Liberalen ein Ausgleich anzubahnen, und zwar auf Grund einer Verschmelzung des Kapazitäts- mit dem Okkupattonssystem. Für eine solche Uebercin- kunft würde sich zur Not auch in der Kammer eine Zweidrittel-Mehrheit finden, die breiten Schichten des Volkes, vor allem aber die sozialistisch gesinnten Arbeiter würden sich damit durchaus nicht zufrieden erklären und die Agi­tation zu gunsten des allgemeinen Stimmrechts wird in sehr erregter Weise ihren Fortgang nehmen.

Die Weihnachtsferien der Kammer und die für Belgien strenge Kälte sind dazwischengetreten und haben dem öffentlichen Für und Wider Halt geboten. Nun aber dürfte die Entscheidung bald erfolgen, denn der Ministerpräsident Beer- naert wird sogleich nach dem Wiederzusammen­tritt der Kammer das von ihm vorgeschlagene Ausgletchsprojekt zur Beratung stellen, wobei besonders noch die Bestimmung stark umstritten werden dürfte, daß jeder Wähler auch zum Wäh­len verpflichtet sei. Da die Wahlbeteiligung in den Städten stets eine lebhaftere ist, als auf dem Lande, so will Bcernaert durch jene Bestimmung für die Erweiterung des Wahlrechts ein Gegen­gewicht schaffen. Außer in einigen Kantonen der Schweiz (und dort auch nur fürKommunal- wahlen) ist die Wahlpflicht noch nirgends eingeführt und sie beansprucht daher auch das­jenige Interesse, das jedes neue politische Ex­periment erregt.

Laadesaachrichteu.

* Altensteig, 9. Jan. Der hiesige Vieh- Verstcherungs-Verein hielt gestern nachmittag >m Gasthaus zum Anker seine jährliche Haupt­versammlung. Nach dem hiebei vorgetragenen Bericht des Kassiers war das Jahr ein ver­hängnisvolles, indem 18 Verlustfälle zu regu­lieren waren, eine Zahl, die bis jetzt in einem Jahre gottlob noch nie vorkam. Die meisten Tiere fielen an der Maul- und Klauenseuche, die im Bezirk Nagold schlimm auftrat (es ver­endeten 57 Stück im Werte von ca. 12 000 Mk.) Der Verein vereinnahmte 1892 835 Mk. 53 Pf. und verausgabte an Entschädigungen und Un­kosten 1022 Mk. 41 Pf., weshalb ein Defizit von 186 Mk. 88 Pf. entstand. Während nun im vorhergegangenen Jahre 65 °/g der erhobenen Prämien zurückbezahlt werden konnten, ist dies­mal eine Nachzahlung von 35 Pf. Pr. 100 Mk. Versicherungssumme zur Deckung des Defizits zu leisten. Die Versammlung nahm den An­trag auf Nachzahlung einstimmig an und ge- nehmigtedenRcchnungs-Abschluß. JmRechnungs- jahr waren von 92 Mitgliedern 215 Stück Vieh versichert im Anschlag von ca. 47200 Mk. Der seitherige Vorstand und Ausschuß wurde nahezu einstimmig wiedergewählt. Trotzdem, daß die trüben Erfahrungen der letzten Zeit gelehrr haben, wie zweckmäßig der Viehverstcherungs- Verein ist, durch welchen der Verlust des Ein­zelnen von der Gesamtheit seiner Mitglieder ge­tragen wird, stehen demselben doch noch viele

Viehbesttzer fern. Von der Wohlthat eines solchen Vereins überzeugt, haben sich erst jüngst in Egenhausen und Haiterbach Männer vereinigt und haben gleiche Vereine gegründet, denen viele Viehbesitzer beigetreten sind. Da nun bei Beginn des Jahres die günstigste Ge­legenheit zum Beitritt ist, wollen wir nicht ver­säumen, jeden Viehbesitzer zum Anschluß an den Verein aufzufordern, zumal ja die Prämie eine verhältnismäßig bescheidene ist und.jeder in die Lage kommen kann, daß ihn ein unvorherzu- sehendes Unglück trifft.

* Die in Nr. 2 des BlattesAus den Tannen" enthalteneNachricht, daßMaurerSchuler in Haiterbach seinen Verletzungen erlegen sei, wird hiemit widerrufen. Derselbe befindet sich noch am Leben und ist seine Wiederherstellung zur Zeit nicht ausgeschlossen.

* Stuttgart, 5. Jan. Von dem Vorhandensein einer kritischen Bewegung innerhalb der evangelischen Landes­kirche Württembergs legt das soeben erfolgte Erscheinen einer Schrift, betitelt:Warum ich aus Kirche und Amt ausgetreten bin; mit Beziehung auf die erwartete Erklä­rung der württembergischen Geistlichen und die Absetzung Schrempf's, von res. Pfarrer A. Dorner in Fellbach" (Verlag von Rob. Lutz) neues Zeugnis ab. Dorner's Austritt ist bereits vor zwei Jahren freiwillig erfolgt. Wenn er jetzt sein Schweigen bricht, so geschieht cs offen­bar zu dem Zweck, einen Einfluß auf die vor kurzem an­gekündigteErklärung würltemb. Geistlichen" auszuüben und dazu beizutragen, die Bewegung weiter in Fluß zu bringen.

'Stuttgart, 7. Jan. Allem Anschein nach werden die württembergischen Gesandt­schaften durch den Machtspruch des nächsten württembergischen Landtags verschwinden, wo­gegen sich voraussichtlich im Hinblick auf die praktische Bedeutungslosigkeit dieser Gesandt­schaften wenig Stimmen erheben werden. Man wundert sich vielfach darüber, daß vom Finanz­ministerium zunächst nur der russische Gesandt- schaflsposten gestrichen worden ist; es ist selbst­verständlich, daß der Landtag sich damit nicht begnügen wird, sondern daß auch die Beseitigung der andern Gesandtschaften beantragt werden wird. Bei der Finanzlage Württembergs werden unsere Landboten nicht lange im unklaren da­rüber sein, wie sie über diese Institution, welche nach dem übereinstimmenden Urteil der württem- bergischen Presse ohne praktische Bedeutung ist, urteilen sollen, und der Finanzminister dürfte der letzte sein, der etwas dagegen einzuwenden hätte.

' Stuttgart, 7. Jan. Das Urteil des Oberlandesgerichls in dem Beleidigungs-Prozeß des Bankdirektors Colin gegen Frhr. v. Münch lautet: Die Revision wird verworfen und die sämtlichen Kosten dem Beschwerdeführer v. Münch auferlegt. Tie Gründe besagen, daß sämtliche Angriffe auf das Urteil der 2. Instanz, womit die Revision begründet wurde, avzuweisen sind.

* Vom Neckar, 6. Jan. (Zur Chicagoer Weltausstellung.) Bei den Amerikanern steht stets das Gochäst obenan. Es kann daher den­jenigen, der den Charakter der Dankes kennt, nicht überraschen, daß die Amerikaner die Chi­cagoer Weltausstellung vorzugsweise vom Stand. Punkt des Geschäftes betrachten. Einen schlagen den Beweis für die amerikanische Ausbeutung" sucht liefern nach derEiscnzeitung" die ameri­kanischen Frachtsätze. Es hieß ja sehr häufig, daß die amerikanischen Bahnen die Frachten für den Transport von Ausstellungsgütern vom Hafen nach Chicago auf die Hälfte herabgesetzt hätten, in wohlverstandenem eigenem Interesse. Die Sache erhält aber einen ganz anderen Hintergrund, wenn man nachträglich erfährt.