August Schäuble von Marschalkenzimmern sein Leben lassen. Er führte Langholz, geriet, im Begriff die Pferde des zweiten in allzu schnellen Lauf kommenden Wagens zurückzuhalten, zwischen die beiden Wagen und wurde hiebei so gedrückt, daß er nach Versluß von einer halben Stunde verschied. — Am Mittwoch abend ließ sich der bayrische Kanonier Titus Unzer aus Weilheim, der beim ersten bayerischen Fußarttlleriebataillon in Neu-Ulm stand, bei Jllertissen vom Bahnzug überfahren. Furcht vor Strafe wegen einer Veruntreuung in der Küche hat ihn in den Tod getrieben. — Die katholische Gemeinde in Sulz a. N., welche schon seit einiger Zeit einen Kirchenbaufonds gegründet hat, hat ein Grundstück um 800 Mk. zu einem Bauplatz erworben. Mit dem Bau der neuen Kirche soll im kommenden Frühjahr begonnen werden. — Am Christabend wurden zwei Frauenzimmer auf dem Wege von Er sin gen nach Riß- tissen von einem unbekannten Mann überfallen. Das eine konnte sich flüchten, während das andere von dem Lotterbuben überwältigt, gebunden und seiner Barschaft beraubt wurde. Die von dem ersten Frauenzimmer zu Hilfe gerufenen Ortsbewohner verjagten den Uebelthäter.
— Der Bauer Gottfried Schmid in Neip- perg stürzte die Treppe seines Hauses hinab, infolgedessen er bald darauf starb. — Ein Jagdpächter in Esstngen traf letzten Samstag auf dem Anstand eine ganze Hirschfamilie an. Davon erlegte er die Hirschkuh im Gewicht von etwa 2 Zentner. — Einen hoffnungsvollen Sohn besitzt ein 70 Jahre altes Ehepaar in Pliezhausen. Derselbe jagte dieser Tage um die Mitternachtsstunde mit einer gefährlichen Mordwaffe in der Hand seine Eltern zum Haus hinaus. Nur hinzugeeilten Personen ist es zu verdanken, daß kein weiteres Unglück vorgekommen und die alten armen Eltern wieder unter Dach gebracht wurden. — Vor einigen Tagen wurden in Herblingen einer Bauerswitwe 10 000' Mk. in Gold und Wertpapieren gestohlen. Als der That verdächtig wird der flüchtige Dienstknecht Georg Röder von dort verfolgt. — In Herrlingen,, OA. Ulm, wurde einem Bauernburschen beim Neujahrsschießen durch Zerspringen des Karabiners die Nase weggerissen.
— Am Dienstag wurde ein Bürger vonHaiter- bach erhängt im Walde aufgefunden. Derselbe ist ein Witwer und hinterläßt 3 Kinder im Alter von 9, 13 und 17 Jahren.
* Karlsruhe, 5. Jan. Auch der Rest des Grenadierregtments 109 wird infolge eines neuen Todesfalles an Genickstarre vorläufig von hier nach Rastatt verlegt. Der gegenwärtige Krankenbestand ist zwei Schwerkranke, ein Rekonvaleszent, vier Kranke in Beobachtung.
* Der verstorbene Rentner Steinmüller aus Heidelberg vermachte der Stadt Karlsruhe zu wohlthätigen Zwecken 227000 Mk.
* In einem Mannheimer Hotel hat sich am Samstag früh der Commis Julius Kauf
mann aus Laupheim getötet. Derselbe war von der Kriminalbehörde in Frankfurt a. M. wegen Unterschlagung verfolgt.
* Berlin, 3. Jan. Heute nachmittag ist auf Beschluß des königlichen Amtsgerichts die letzte Nummer der „Zukunft", herausgegeben van Maximilian Harden, mit Beschlag belegt worden. Die Beschlagnahme erfolgte wegen des Artikels: „Monarchen - Erziehung." Es heißt, die Anklage gegen Harden laute auf Majestätsbeleidigung.
* Im Reichstag ist mit Beginn des neuen Jahres reichhaltiges Material eingegangen. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat ihre angekündigte Interpellation zur Notstaudsfrage eiugebracht. Das Zentrum hat drei Initiativanträge: zur Ergänzung der Konkursordnung (gerichtet gegen böswillige Koukurs- fälle), zur Ergänzung des Genossenschaftsgesetzes und zur Einschränkung des Haufiergewerbes gestellt. Schließlich hat die Reichsregierung den Bericht der Reichsschuldenkommisston dem Reichstag zugrhen lassen.
* Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht noch immer nicht den Wortlaut der Ansprache, die der Kaiser an die Generäle gerichtet hat, dagegen wird der „Nat.-Ztg." zuverlässig mitge- teilt, daß der Kaiser den Ausdruck, er würde Widerspruch gegen die Militärvorlage im Heere „zerschmettern", nicht gebraucht hat. Der „Berl. Courier" hält die Behauptung, daß dieser Ausdruck gebraucht worden sei, aufrecht und auch die „Schles. Ztg." bestätigt dieselbe.
* Berlin, 5. Jan. Graf Kanitz beginnt in der „Kreuzztg." eine Artikelserie über Heeresvorlage und Silberfrage, worin er zu beweisen sucht, daß ohne eine Währungsänderung die Lasten eines künftigen Krieges nicht zu tragen seien.
* Vom Bergarbeiterstreik im Saarbrückener Revier liegen wichtige Nachrichten nicht vor. Der Hauptanführer der Arbeiter, Marken, ist verhaftet worden, weil er sich äußerte, „3000 Revolver seien zum Verkauf bereit". Bis heute streiken 23 000 Mann, während 6400 arbeiten. Diese können jedoch nur unter Tags arbeiten, da sie sonst nicht so wirksam vor den Angriffen der Streikenden beschützt werden können. Die Jnfanterieregimenter Nr. 69 und 29 in Trier werden voraussichtlich ins Streikgebiet ab- marschteren müssen.
* Neunkirchen, 5. Jan. Gestern find vielfache Ausschreitungen vorgekommen. Arbeitslustige wurden auf der Straße anzefallen. Auf bayerischem Gebiet fand ein Zusammenstoß beider Parteien in den Wäldern statt. Vor dem hiesigen Jnspektionsgebäude wurden gestern abend wiederholt Schüsse abgefeuert. Die von der Schicht kommenden Leute wurden von Frauen und Kindern mit Steinen beworfen.
* Ueber die Entstehung der „Quittungen des Welfenfonds" teilt die „Köln. Ztg." folgendes mit: „Der Besitzer dieser Papiere ist mit denselben als Erpresser von Thür zu Thür hausieren gegangen, er hat je nach den Umstän
den sein Schweigen und sein Reden zum Kauf angeboten. Niemand hat es der Mühe wert erachtet, dem Manne Beachtung zu schenken; schließlich hat ihm die Sozialdemokratie Unterstand gegeben."
* Kottbus, 31. Dezbr. Ein entsetzlicher Akt spielte sich heute vormittag 11 Uhr auf hiesigem Bahnhofe ab. In großer Aufregung erschien, nur leicht bekleidet, der Eisenbahn- wagenmeister Lehmann auf dem Bahnhofe und warf sich vor die Maschine eines eben einlaufenden Rangierzuges. Er wurde furchtbar zermalmt und auf der Stelle getötet. Bald danach erschienen die Kinder Lehmanns, nach ihrem Vater schreiend, und gaben an, er habe daheim die Mutter nach einem voraufgegangenen Streite erstochen. Der Mann war kurz vorher vom Nachtdienst nach Hause gekommen.
* Osnabrück, 3. Jan. Bisher herrschte im Osnabrück'schen die Sitte, daß der Erwerber einer bäuerlichen Stätte oder ein auf dieselbe heiratender Ehemann seinen Familiennamen mit dem Namen der Stätte vertauschte. Jetzt ist dieses alte Recht aufgehoben worden.
* Wien, 5. Jan. Der Eisenwarenhändler Schetka wurde wegen einer den Betrag von 70000 fl. übersteigenden Wechselfälschung verhaftet.
* Bern, 4. Jan. In Worblaufen bei Bern sind heule morgen 4 Uhr zwei Pulvermühlen in die Luft geflogen. 2 Tote.
* Aus Rom wird gemeldet: Secolo veröffentlicht einen enthusiastischen Leitartikel über die Opposition des deutschen Reichstags g-gen die Militärvorlage; die italienischen Deputierten möchten sich diese Haltung zum Beispiel nehmen.
* Rom, 5. Jan. Die Regierung brachte einen Gesetzentwurf ein, wonach die Ziviltrauung der kirchlichen Trauung voranzugehen habe unter Androhung von Gefängnisstrafe uns Pfründenverlust für Zuwiderhandelnde Geistliche.
* Paris, 4. Jan. Zwei alte Frauen, die aus Geiz das Heizen unterließen, wurden tot aufgefunden; in den bewohnten Räumen wurde für eine halbe Million Franks Renten aufgefunden.
* Paris, 4. Jan. „Figaro" veröffentlicht ein Jnterwtew mit den berüchtigten Generälen Tschernajew und Komarow. Neidete deuteten ziemlich unverblümt ihren Glauben an das Bestehen eines französ.-russtschen Bündnisvertrages an. Sicher sei, daß im Falle eines deutschfranzösischen Krieges Rußland Frankreich beistehe. Beide äußerten sich äußerst deutsch feindlich. Tschernajew erklärte, der Krieg mit Deutschland wäre der volkstümlichste, den Rußland je geführt. Komarow schloß mit der Bemerkung: „Erinnern Sie die Franzosen daran, daß die Russen den Weg nach Berlin kennen.. (Im Jahre 1870 haben die Franzosen den Weg nach Berlin ebenfalls gekannt und gefunden, allerdings nicht in der von ihnen gewünschten Weise. Red.)
Are Tochter des Gauklers. LmÄ
Original-Roman von Gebh. Schätzler-Perasini.
(Fortsetzung.)
„Sie scheinen es mit Ihrem Anliegen sehr dringend zu haben," sagte sie zu Stanislaus; „da Sie mir denn durchaus eine Geschichte erzählen wollen, so bitte, beginnen Sie. Suchen Sie etwas im Schlosst, wobei ich Ihnen behilflich sein kann, so bitte, sprechen Sie nur."
Sie setzte sich auf eine Gartenbank, die neben dem Fliederstrauche stand, hing den Hut, der ihr entfallen war, wieder über ihren Arm und legte die Hände in den Schoß. Ruhig blickte sie nun den Zerlumpten an.
„Fangen Sie an!"
Stanislaus hatte verwundert dem Treiben Sabinens zugeschaut. Daß sie alles so ruhig nahm, gefiel ihm.
„Sie gefallen mir ganz ausnehmend, Fräulein! Mit Ruhe geht es weit besser!" sagte er.
Sabine verzog das Mündchen geringschätzig und zuckte die Schultern.
„Ob ich Ihnen gefalle oder nicht, dürfte gleichgültig sein; das gehört nicht hierher!"
„Meinen Sie?" machte Stanislaus trotzig, da er sich über die abweisende Antwort ärgerte. „Nun hören Sie nur einmal meine Geschichte ! Sie ist sehr interessant, sehr lehrreich! Sie werden staunen! Wenn Sie auch jetzt noch so ruhig sind — es kommt schon der Effekt!"
„Wenn Sie nicht schneller zum Ziele kommen, gehe ich ins Schloß!" versetzte ungeduldig Sabine.
„Wie schade das wäre!" machte er. „Und gerade Sie suchte ich hier zu treffen, weil ich gerade Ihnen, oder vielmehr nur Ihnen meine Geschichte erzählen muß."
Das wurde immer rätselhafter.
Stanislaus Ferina lehnte sich an einem Baumstamm und kreuzte die Arme übereinander.
„Es war einmal — so fangen alle Geschichten an, ob sie gut oder schlecht sind — also: es war einmal ein armer Mann; dem starb sein gutes Weib und ließ ihn zurück mit einem kleinen Kinde. Der beste Freund des Mannes war das Elend, und als ein reicher Herr — dem Armen eine Summe Geldes für dar Kind bot, konnte sich der Mann nicht lange besinnen, um so mehr, da er wußte, daß das Kind einem ruhigen Leben entgegenging, während zu Hause nur der Jammer
herrschte. Da war ein stolzes Schloß-- Aber weshalb erschrecken
Sie denn?"
„O, es ist nichts! Nur weiter!" stieß Sabine hervor.
„Ja, ich weiß nicht — wenn ich Sie mit der Geschichte langweile, will ich lieber schweigen," schweifte Stanislaus mit grausamer Galantheit ab.
„So sprechen Sie doch weiter, Mann!" rief das junge Mädchen mit bebenden Lippen.
Der alte Künstler nickte.
„Na, also: es war ein stolzes Schloß — ähnlich dem da oben —, da brauchten sie das Kind. Wozu, und warum sie nicht ein anderes nahmen, weiß ich nicht. Vielleicht nur als Spielzeug für den jungm Grafen, dem das kleine Ding zu gefallen schien. Lieber Gott! Gräfliche Gnaden können sich ja viel erlauben! Man ließ den Mann einen Vertrag unterschreiben, nie mehr zu kommen, alle Rechte auf das Kind hinzugeben, und warf ihm das Sündengeld vor die Füße. Was wollte der thun?! Ich sagte schon, daß er arm, sehr arm war. Also nahm er das Geld, ließ sein Kind zurück und ging in die Welt — in die andere Welt, die über dem großen Wasser liegt; die im Schlosse hattm