* Paris, 5. Jan. Der Gxboulangist und Imperialist Thiobaud Hai im Grand Hotel vor einem sehr zahlreichen und gewählten Publikum einen Vortrag gehalten, worin er die Möglichkeit auseinandersetzt, den Durchstich des Panama-Isthmus doch noch zu vollenden. Die Lage der Panamagesellschaft sei nicht so verzweifelt, wie sie aussehe. Dieselbe habe aus Anlehen 1329 Millionen eingenommen; ausgegeben habe sie 240 Mill. für Jntcrkalarzinsen, 91 Mill. für Arbeitsmaterial, 27 für Transport des letzteren, 93 für die Eisenbahn von Colon nach Panama, 47 für den Bau von Arbeiterwohnungen, Bareaux rc., 25 Mill. für Kohlen, Dynamit und andere Arbeitsmittel, 82 für Verwaltung, Polizei u. s. w., 12 für ein amerikanisches Komite, welche den „Mon- roZ-Schwärmcrn" in den Ver. Staaten das Maul zu stopfen hatte, 10 Mill. für den Staat Columbia als Konzesstonsgebühr, 15 für Unterhaltungskosten der Gebäude rc., 440 für Arbeitslöhne, Maschinen rc. Die 20 Millionen, welche für Bearbeitung der Presse verausgabt wurden, findet Thiobaud nicht übertrieben, wohl aber findet auch er die Summen ungerechtfertigt, welche zum Stimmkauf verwendet wurden. Die Republik habe nach allem, was vorgegangen sei, die Pflicht, den Kanal zu vollenden. „Die Rettung von Panama ist heute die Rettung der Republik."
* Petersburg, 5. Jan. Der Zar ordnete wegen des in verschiedenen Gouvernements herrschenden Notstandes den sofortigen Beginn vieler Straßen- und Eisenbahnbauten an und verbot die Einstellung fremder Arbeiter.
* Aus Odessa wird der „Pol. Corr." geschrieben: Der Agent des Barons Hirsch, Frei- cherg, traf in Simferopel ein, um die Auswanderung von 6000 Juden aus der Krim vorzubereiten. Die Behörden erhielten Befehl, die Vorarbeiten zu fördern.
* New-Jork, 5. Jan. 500 maskierte Personen griffen das Gefängnis in Bakersoille (Nordcarolina) an und lynchten den dort inhaftierten Mörder eines angesehenen Bürgers. Sieben Gendarmen, die der Menge entgegentraten, wurden alle getötet. Von denLynchern sielen 25, darunter angesehene Bürger.
* Der Kaiser von Japan hat dem Major Fukushima, der sich zur Zeit aus dem Distanz- rttt von Berlin nach Peking befindet, die Summe von 2000 Doll, zum Geschenke gemacht. Ein Komite hat sich in Tokio gebildet, das beabsichtigt, Beiträge zu sammeln, um den kühnen Reiter würdig zu empfangen. Dasselbe gedenkt ihm auch eine goldene Erinnerungsmedaille zu überreichen.
Vermischtes.
* „Für diejenigen, welche nicht alle werden", macht dasBerltner Polizeipräsidium bekannt, daß ein von der großen englischen Reklameheldin Anna Ruppert als »Min Donio" in den Tagesblättern gegen die verschiedensten
Hautkrankheiten empfohlenes Geheimmittel aus einer Lösung Sublimat in Wasser besteht, welcher etwas Glycerin und ein geringwertiges Parfüm zugesetzt ist. Die Flasche von210<-obm Inhalt wird zum Preise von 11 Mk. fetlgeboten, während der reelle Wert des Inhalts etwa 5 Pfennige beträgt.
* KneippbetHofe. Ueber die Einladung Kneipps zum Prinzregenten von Bayern berichtet „N. Z. Z." folgendes: „Pfarrer Kneipp trat in der Residenz mit merkbarer absichtlicher Derbheit auf, als wollte er besonders abstechen. Als er zur Hoftafel geladen war, erklärte der Pfarrer zunächst, er setze sich grundsätzlich auf keinen gepolsterten Stuhl, und allen Ernstes verlangte Kneipp vom dienstthuenden Flügeladjutanten einen hölzernen Sessel. Der Adjutant suchte dem Reklamanten begreiflich zu machen, daß er an die Hoftafel unmöglich einen anderen Stuhl als die vorhandenen stellen könne. Während dieser Szene stand der Regent in nächster Nähe, Höne anfangs erstaunt zu, ging aber dann lächelnd weg. Bet Tische waren dem Wasserapostel die Speisen nicht nach Geschmack, derlei Speisen sollte man gar nicht genießen, sagte er, da sie der Gesundheit schädlich seien, und was dergleichen Aeußerungen mehr sind. Peinlich berührt schwieg man und ließ Kneipp reden, der einmal und nicht wieder in der Residenz gewesen sein dürfte. Kneipp benützte auch die Gelegenheit, um ein scharfes Verdammungsurteil über die Dampfbäder russischen Systems zu äußern. Pfarrer Kneipp mochte wissen, daß der Prinzregent ein fleißiger Frequentant der Dampfbäder ist und zu den regelmäßigen Besuchern des Maximilians-Hofbades zählt. Kneipp verordnet zwar auch Dampfbenützung, aber nur in Krankheitsfällen. Sein absprechendes Urteil, in derber Art geäußert, rief große Verlegenheit hervor.
* Ein Löwe über Bord. Der Löwenbändiger I. Seeth schiffte sich, wie die Revaler Blätter schreiben, vor etwa 14 Tagen in Reval' mit seinen Löwen und Pferden auf dem Dampfer „Marie Luise" zur Fahrt nach Lübeck ein Unterwegs erhob sich ein furchtbarer Sturm, der die Tiere der Wildnis zu verzweifelten Anstrengungen brachte, sich aus ihrem Käfig zu befreien. Die Sturzseen brachten durch wiederholte Schläge den Löwenwagen aus seinen Augen und nur mit Mühe gelang es, die Bestien zurück- zuhalten, als plötzlich eine Löwe sich frei machte und auf ein Pferd losstürzte, mit dem zusammen er von einer Woge über Bord gerissen wurde und seinen Tod in den Wellen fand. Auch der Löwenbändiger soll von einem der Tiere gepackt und nicht unbedeutend verwundet sein.
* (Eigene Auffassung.) Vater der Braut: „Wie, zehntausend Mark Schulden haben Sie! Das ist ja ungeheuer!" — Bewerber (stolz): „Sehen Sie, so viel Kredit haben Sie mir wohl gar nicht zugetraut?"
' (Vom Kasernenhof.) Unteroffizier: „Nur
immer Ausdauer. Das Ei des MlumSuS ist auch nicht an einem Tag gelegt worden 1"
Handel «nd Verkehr.
-r. Pfalzgrafenweiler, 6. Jan. Gestern war hier vom Revieramt aus ein größerer Stammholzverkauf, zu dem sich viele Sägwerkbesitzer und Holzhändler eingefunden hatten. Es wurden etwa 5000 Langholzstämme mit 4000 Festmeter zum Verkauf gebracht. Der Erlös war über Erwarten gut; obwohl man hohe Preise im letzten Jahre schon gewohnt war, wurde diesmal noch mehr gesteigert. Es wurden 4—32°/„ im Durchschnitt 24 "/«» über den Revierpreis erlöst. Das zu 900 0 Mk. veranschlagte Holz wurde zu 110 000 Mk. verkauft. Die hies. Gemeinde hatte anreihend an den staatlichen Holzverkauf einen eigenen avbe- raumt. Auch für sie war der Erlös gut, doch nicht in dem Maße wie beim Staat.
* Hall, 4. Jan. Auf dem Biehmarkt beweg'en sich die Preise bet 1 Paar Ochsen auf 27 bis 50 Karolin, bei einer Kuh auf 70 bis 300 Mark und bet einem Stück Schmalvieh auf 64 bis 300 Mark.
Gemeinnütziges.
* (Mittel gegen Hausschwamm.) 950 Gramm gewöhnliches Salz und 90 Gramm Borsäure werden innig gemischt und in fünf Liter kochendem Wasfer gelöst. Mit dieser noch heißen Lösung werden alle zu schützenden und bereits ergriffenen Holzkelle mittels eines Pinsels oder Schwammes, oder in Höhlungen mit einer kleinen Spritze in Zwischenräumen von einigen Tagen zweimal befeuchtet. In feuchten Kellern oder Räumen kann die Luft außerdem durch Auslegen von ungelöschtem Kalk getrocknet werden.
Verantwoitlicher Redakteur: W. Rteker, Altensteig.
Krkättungen haben sehr häufig schwere Erkrankungen im Gefolge, wenn nicht sofort geeignete Mittel dagegen angewmdel werden. Als außerordentlich wirksam hat sich seit mehr als 55 Jahren die unter dem Namen WicHters Anker - H'ain Kapellier bekannte Einreibung bewährt. Bei Gicht, Rheumatismus, Kopfschmerzen u. s. w. genügt oftmals eine einzig« Einreibung, um die Schmerzen zu beseiiigen. Dies alte Hausmittel sollte in keiner Familie fehlen, umsoweniger, als es in fast allen Apotheken zu dem billigen Preis von 50 Pf. und I Mk. die Flasche zu haben ist. Da es bereits wertlose Nachahmungen giebt. so empfiehlt es sich, beim Einkauf ausdrücklich Richters Anker-Pain-Erpeller zu verlangen.
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cs so verlangt. Die Zeit verging, der Mann wurde alt und grau und das Kind eine große Dame in dem Schlosse. Und damit nichts fehlt, ist auch ein Prinz da, der sie freien will —"
Stanislaus hielt inne und betrachtete eine Weile sein Kind, das unter der Zweifelsqual angstvoll stöhnte. Die zuckenden Finger ineinander geschlungen, schaute es ihn mit einem Blicke an, der selbst ihn, den verkommenen Menschen, erbeben machte. In diesem einen unschuldsvollen Blicke lag die ganze keusche Seele des Kindes, lag aber auch ein unendlicher Jammer. Ein leises Gefühl der Rührung wollte ihn beschleichen; aber der Trotz gewann die Oberhand. Er war in seinem Rechte — er als Vater!
„Aber der arme Mann kam zurück," sagte er hart, „nach langen Jahren, und da er sein Kind sehen möchte, verschließt man ihm die Thüren. Man zeigt den Schein und pocht auf das gegebene Versprechen. Ich aber," rief Stanislaus heiser, ich poche auf mein Vaterrecht! Das ist ein ewiges Recht — mit Blut erkauft. Was ist mir der Schein?! Ein leerer Wisch, den ich in Fetzen reiße! Ja, Sabine, ich habe dich erkannt; so sah deine Mutter aus! Ich bin Stanislaus Ferina, jetzt der Kunstreiter ; ich bin dein Vater!"
„Ah!"
Ein lauter, entsetzter Aufschrei Sabinens war es, der durch den ruhigen Park hallte; es war wie der Todeslaut eines getroffenen Edelwildes. Mit zusammengepreßteu Lippen und wildwogendem Busen streckte Sabine die Hände wie zur Abwehr dem Kunstreiter entgegen.
Stanislaus hatte seine nachlässige Stellung aufgegeben; einigermaßen that ihm das Kind doch leid. Aber es half nichts: er mußte zu seinem Rechte gelangen.
„Was-entsetzest du dich so, Sabine?" Er gebrauchte ruhig das
vertrauliche „Du", obwohl er sah, daß sein Kind zusammenschauerte. „Bin ich nicht dein Vater?"
„Nein! Nein! Das ist nicht wahr!" stieß Sabine in atemloser Hast heraus.
Er lächelte überlegen.
„Es hilft nichts; es ist nun einmal so! Es ist ja wahr, ein Gefühl wie Kindesliebe kannst du nicht mehr in dir haben; ich weiß auch eigentlich nicht, wie das ist, und will's auch nicht wissen. Die da oben haben's vielleicht von dir erfahren; aber das ist alles erkauft mit Geld." Er trat näher zu Sabine, und mit der Hand nach dem Schlosse deutend, erzählte er mit heiserer Stimme: „Weißt du, wieviel du wert bist? Neunhundert Thaler! So viel gaben sie für dich. Ein teures Spielzeug! Sie warfen mir das Geld hin vor sechzehn Jahren und jagten mich wie einen Hund zum Lande hinaus. Jetzt aber bin ich da und lasse mir mein Recht nicht nehmen; sie sollen sich ein anderes Spielzeug kaufen!"
Entrüstet sprang Sabine auf.
„Schweigt!" rief sie. „Das ist erbärmlich von Euch! Nicht liebevoller kann man ein eigenes Kind behandeln; ich war kein Spielzeug — hört ihr? Wenn Ihr mein Vater seid, den ich tot wähnte, für den ich betete, so — mag es Gott mir anrechnen als eine Schuld, ich habe für Euch kein Gefühl mehr in meiner Brust. Ihr steht mir kalt gegenüber; ich kenne Euch nicht! Mein Herz gehört ins Schloß hinauf, meiner lieben Mama und meinem Kurt."
In wahnsinniger Hast hatte sie gesprochen; die Gedanken rasetea durch ihr Gehirn. Ihr war nur eines klar; der Manu vor ibr war gekommen, um ihr alles zu rauben, Glück und Frieden.
Stanislaus zuckte höhnisch die Schultern.
(Fortsetzung folgt.)