wir die Militärvorlage in dem jetzigen Umfange nicht bewilligen.
Caprivi: Die wirtschaftlichen Interessen würden im Bundesrat stets voll gewürdigt. Dasselbe gilt vom Reichsschatzamt. Ich freue mich, daß der Vorredner wie Herr Buhl die Militärvorlage sachlich prüfen will, ich hoffe, daß er sich überzeugen läßt und nachgibt. Er danke Rickert für seinen sachlichen Ton, Richters Angriffe habe er hingenommen, wie er manches hinnehmen müsse. Die Militärvorlage habe ursprünglich mit viel höheren Kosten abgeschloffen, er habe Punkte herausgefunden, die einen Abstrich ermöglichten, so daß die Heranziehung des Tabaks unnötig wurde.
Freiherr v. Münch: Die wirtschaftliche Lage ist so betrübend, daß nicht nur die Militärvorlage abzulehnen ist, sondern die Friedenspräsenzstärke herabgesetzt werden müßte. Redner führt des Näheren aus, daß die Militärvorlage wirtschaftlich und auch militärisch schädlich sei.
Bebel gegen Caprivt und Frege polemisierend, führt aus, daß die ganze neue Gesetzgebung der Sozialdemokratie keinen Abbruch thun, sondern sie fördern werde.
Persönlich bemerkt Richter: Wir treiben hier im Reichstage keine Politik des persönlichen Wohlwollens oder Mißwollens gegenüber dem Reichskanzler, sondern nur sachliche Politik. Ich bin mir bewußt, solche stets getrieben zu haben.
Laudesaachrichteu.
-r. Altensteig, 4. Dezbr. Nachstehendes dürfte für manchen Leser dieses Blattes von Interesse sein. In jüngster Zeit fuhr ein Herr aus unserer Gegend mit einer Retourkarte auf der Eisenbahn nach Stuttgart. Er blieb daselbst aber länger als 10 Tage, weshalb er für die Heimfahrt ein neues Billet kaufen mußte. Zu Hause angekommen, schickte er das unbrauchbar gewordene aber nicht ausgenützte Billet an die K. Eisenbahndirektion nach Stuttgart ein, mit dem Bemerken, daß er hätte können wohl die Fahrkarte vor der Ablaufzeit verkaufen, aber weil „unübertragbar" darauf stand, habe er dies nicht gewollt. Die Folge seines Schreibens war, daß ihm 2 M. 80 Pf. zurückerstattet wurden, nämlich der Mehrbetrag des Retourbillets über die einfache Fahrtaxe für die Hinfahrt. Man sieht hieraus, wie entgegenkommend die K. Bahn- direktion in derartigen Fällen handelt. — Wie jüngst in Warth so ist jetzt auch in Egenhausen die Wasserleitungsanlage durch einen Ingenieur geprüft und dann von der Gemeinde übernommen worden. Alles funktioniert gut und es kann die Wasserversorgung als gut ausgeführt und als gelungen bezeichnet werden. Von sämtlichen Familien haben alle bis auf 8 nun die Leitung im Hause. Die Kosten betragen ca. 40,000 Mark, für welche Summe die Gemeindekasse Egenhausen eintritt. Da die Dampfmaschine täglich nur wenige Stunden zu pumpen hat, so kann die überflüssige Betriebskraft mit der Zeit noch anderweitige Verwendung finden.
Für den Fall einer Feuersgefahr, die Gott verhüten wolle, steht die Gemeinde jetzt wohlgerüstet da. Möge ihr die nun eröffnete Wasserleitung von dauerndem Segen sein!
* Altensteig, 5. Dez. Wie sehr der Umgang mit Futterschneidmaschinen zur Vorsicht mahnt, das zeigt wieder ein hier vorgekommener Unfall. Der 13jähr. Sohn des Schuhmachermeisters Müller brachte eine Hand in die Maschine, wobei diese schrecklich zugerichtet wurde. Es ist nicht ausgeschloffen, daß noch einige Finger amputiert werden müssen.
* Altensteig, 5. Dezbr. Es darf gewiß als eine erfreuliche Thatsache bezeichnet werden, daß, wie das Versicherungswesen überhaupt sich einer stets zunehmenden Wertschätzung erfreut, so namentlich auch die Lebensversicherung in immer weiteren Kreisen Eingang findet. In Deutschland waren i. I 1860 316 Mill., im 1.1870 1010 Mill., im 1.1880 2282 Mill. und im J.1890 4312 Mill. M. Versicherungssummen in Kraft. Uebertroffen wird Deutschland in dieser Beziehung nur von England, das einen Verstcherungsstand von 11015 Mill. Mk. aufweist. Diese Zahlen sind gewiß ein deutlicher Beweis für das Interesse, welches diesem in sozialer Beziehung so wohlthätig wirkenden Institut von vielen Seiten entgegengebracht wird. Abgesehen davon, daß der Abschluß einer Lebensversicherung für manchen den Anfang und die Grundlage zur Sparsamkeit und zur gewissenhaften Ausnützung und Anwendung seines Erwerbs bildet, haben wir an Tausenden von Beispielen schon ersehen, daß bei ei; em jähen Todesfall nur die aus der Lebensversicherung geflossene Summe die Hinterbliebenen vor Not und Jammer zu bewahren vermochte. Wer in die Lebensversicherung tritt, legt die Grundlage zu einem Kapital, auf das er jederzeit um Sicherheit rechnen darf, das bet seinem vorzeitigen Ablebenseinen Angehörigen ihr Fortkommen nicht nur erleichtert, sondern vielfach ermöglicht, oder welches er, falls er ein hohes Alter erreicht, dereinst seinen Hinterbliebenen als willkommenes Erbe htnterläßt. Während neben dem Beamtenstand die städtische, namentlich die gewerbetreibende Bevölkerung den Wert der Lebensversicherung größtenteils zu würdigen weiß und solches auch thatsächlich bekundet, find die ländlichen Kreise derselben noch weniger zugänglich, obwohl ihnen genanntes Institut dieselben Vorteile bietet. Man betrachte nur die Verhältnisse des täglichen Lebens mit offenen Augen u. teilnehmenden Herzen, und es wird sich zeigen, daß auch hier in manchem Hause nach dem Tod des Ernährers Kammer und Sorge gemildert worden wären, wenn derselbe rechtzeitig auf die Versicherung seines Lebens Bedacht genommen hätte. — In der Beilage des „St. Anz." Nr. 279 ist eine Bekanntmachung der K. württ. Prüfungskommission für Einjährig - Freiwillige enthalten. Die Bekanntmachung ist für diejenigen von Interesse, welche die Berechtigung zum einjährig freiwilligen Dienst nachsuchen wollen.
die wirtschaftlichen Gründe gegen die Militärvorlage dar. Er vermißt eine Garantie dagegen, daß ein späterer Kanzler zu der zweijährigen Dienstzeit zurückkehre. Richters vom Reichskanzler angezwetfelte militärischen Kenntnisse seien jedenfalls größer als die wirtschaftliche Einsicht der Generäle. Einer der stärksten Kitte, welche Nord- und Süddeutschland Zusammenhalten, ist die Gemeinsamkeit der politischen Anschauungen des nord- und süddeutschen liberalen Bürgertums: Die Annahme der Militärvorlage würde den Unmut des Volkes angemessen steigern und die Sozialdemokratie vermehren. Eine Auflösung des Reichstags fürchten wir nicht; sie wäre sogar wünschenswert. Aus Furcht vor einem schwarzen Kartell soll man jedenfalls die Militärvorlage nicht annehmen. Jedenfalls wird so, wie in den letzten 20 Jahren, auf Dauer nicht weiterregtert werden können.
Caprivi: Daß die Militärvorlage den Unmut der Wähler vielfach errege, finde er begreiflich, weil man ihnen die Gründe der Regierung für die Vorlage nicht vorlege. Auch die Militärvorlage habe er bezüglich der Wirkung auf die Sozialdemokratie geprüft. Sie bahne eine völlige Gleichheit Aller an, entziehe also der Sozialdemokratie einen Agitationsstoff. Sie sei ein Schritt weiter nach der Devise: 8uum omgue.
Abg. Schal scha (Zentrum) schildert die wirtschaftliche Lage und die Not der Landwirtschaft, die unter den Handelsverträgen, der Freizügigkeit, der chronischen Maul- und Klauenseuche leide und auch die Kosten für die neue Mtlitärvorlage tragen solle, aber nicht einmal durch die Einführung der Doppelwährung aufgebessert werde.
Rickert verbreitet sich über die Finanzlage des Reiches. Von einer Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen durch den Bundesrat sei im Etat nichts zu merken, das beweisen namentlich die großen Marineforderungen. Die Militkrvorlage werde auch seine Partei sachlich prüfen ohne Rücksicht darauf, ob die auswärtige Politik Vertrauen verdiene; wir haben dieses Vertrauen und verurteilen jene Versuche, welche die jetzige auswärtige Politik diskreditieren. Bei aller politischen Gegnerschaft zu dem jetzigen Reichskanzler liegt uns jeder persönliche Angriff fern. Die Angriffe des Reichskanzlers auf die freisinnige Partei wegen ihrer Haltung in Militärfragen sind unbegründet. Die jetzige Vorlage, welche die zweijährige Dienstzeit bringt, rechtfertigt uns. Die große Mißstimmung des Landes über die neue Militärvorlage ist bei dem unerträglichen Druck der direkten und indirekten Steuern erklärlich. Redner schildert die wirtschaftliche Lage, dabei das neue konservative Programm, die frühere und die jetzige Handelspolitik berührend. Fern liegt uns jede persönliche Spitze gegen den Reichskanzler, aber wir vertreten auch wirtschaftliche Interessen und glauben ebenso patriotisch zu handeln, wenn
„Haben Sie genau gelesen? Ich händige Ihnen zum Zwecke Ihrer Auswanderung dreihundert Thaler ein. Die doppelte Summe können Sie persönlich erheben auf der Bank zu New-Aork. Alles dazu nötige werde ich veranlassen."
Es wirbelte Stanislaus im Kopfe. Wenn er nur das eine schon in Händen hätte!
„So steht's auf dem Papier," sagte er; „ich hab's gelesen und unterschrieben."
„Denken Sie nicht, daß es Ihr Kind ist, das ich Ihnen mit diesem Gelde etwa abkausen will. Das Kind ist übrigens in meiner Obhut tausendmal besser aufgehoben als in der Ihrigen. Ihnen müßte es lästig fallen und im Elende käme es um, noch ehe es das Leben gekostet hätte. Das Geld soll Ihnen eine neue Heimat, eine Existenz gründen. Ich hoffe, daß Sie es nutzbringend anwenden!"
„Gewiß, Herr Sanitätsrat!" versicherte eifrig Stanislaus. „Mit dem Gelde in der Hand ist mir erst recht wohl; nun kann ich mich rühren! — Mein Kind verkaufen! Ah, wie können Sie so etwas sagen! Stanislaus Ferina würde lieber verhungern, als das!"
Er kam sich ordentlich edel vor und sah nicht das ironische Lächeln Bronnigs, das ihm gesagt hätte:
„Du selbst verkaufst deine Ehre, wenn sich's lohnt; deine Sprache ist Renommisterei! Ich kenne dich besser!"
Aber er sah es nicht, dieses vielsagende Lächeln, und fuhr sogar mit einem Hauche von Schwermut fort:
„Das ttind ist mir wirklich eine große Last. Ich könnte den Gedanken gar nicht fassen, allein dafür zu sorgen, es mitzuschleppen auf meinen Wanderzügen. Sie haben recht, es müßte untergehen; deshalb entsage ich ihm lieber. Und was mich betrifft, Herr Sanitätsrat — ich danke Ihnen; das ist Menschenliebe!"
Dr. Bronnig öffnete eine Schatulle und legte mehrere Banknoten vor Stanislaus auf den Tisch.
Der Vater Sabinens schaute glänzenden Auges die Papiere an.
„Es sind doch schöne Papiere!" konnte er sich nicht enthalten zu sagen.
Eigentlich fand er es sehr dumm von dem Doktor, daß dieser für ein lästiges Kind sein schönes Geld hingab. Aber nein — es war ja nicht für Sabine, sondern für ihn, damit er sich eine Heimat gründe — eine Existenz.
„Hier sind dreihundert Thaler! Wollen Sie das Geld nehmen?"
„Natürlich!" lachte Stanislaus, griff nach den Banknoten und fuhr in geheimer Wollust mit dem Daumen über die Papierftächen. Dann legte er das Geld sorgsam in seine Brieftasche und stand auf.
„Ich danke! Nun kann ich doch gehen?"
„Noch einige Worte muß ich Ihnen sagen. Sie reisen direkt von hier nach Hamburg und schiffen sich ein. Der Dampfer „Atlantic" verläßt den Hasen in sechs Tagen. Es bleibt Ihnen also noch Zeit genug, verschiedene Kleinigkeiten zu besorgen. Reisen Sie nicht mit diesem Schiffe ab, so verläuft die von mir dem New-Aorker Bankhause noch zu bezeichnende Frist; später erhalten Sie das Geld nicht mehr. Treffen Sie jedoch zeitig ein — dasselbe Schiff, das Sie bringt, führt auch meine Anweisung mit —, so wird Ihnen niemand ein Hindernis in den Weg legen. Hier haben Sie noch einige Notizen, die Sie über alles wettere aufklären."
Stanislaus nickte zustimmend mit dem Kopfe. Er wolle sich schon pünktlich einfinden, um das Geld zu erheben. (Fortsetzung folgt.)
Auflösung des Rätsels in Nro. 142- Algen — Galgen.