* Herrenberg. 29. Nov. Zum heutigen 'Viehmarkt war der Zutrieb sehr stark, namentlich in Zugochsen vom Gäu und Schönbuch. Zugeführt wurden fette Ot>sm 10ih Stiere 500, Kühe und Kalbinnen 300, Jungvieh 250 Stück. Da am gleichen Tage andere bedeutende Viehmärkte abgehalten und deshalb nur wenige Händler gekommen waren, entw ckelre sich kein
! rechter Handel, zumal die Verkäufer in ihren ! .Forderungen fest blieben.
* Leonberg, 2. Dez. In verschiedenen Orten unseres Bezirks tritt gegenwänig die Halsbräune unter der Kinderwelt m't großer Heftigkeit auf. In Heimsheim lagen vorgestern gleichzeitig 7 an D phtheritis verstorbene Kinder.
* Stutrgart, 3. Dezbr. Zu dem zweiien Vortrag des Herrn Lic. Schremps „über Religion" hat sich gestern abend wieder ein sehr zahlreiches Publikum im Konzertsaal der Liederhatle eingefunden. Der Redner wollte ausgesprochenermaßen nicht eine wissenschaftliche Erörterung des religiösen Problemes geben, sonder» nur sein eigenes religiöses Leben darlegen. Gott ist ihm der Urheber der Religion. Er ist der Urquell alles Lebens, alles Hohen, Edlen, Guten, der Vater aller Menschenkinder, sie stets mit derselben unwandelbaren Liebe umfassend. Mannigfach wechselnd ist dagegen das Verhältnis der Kinder zu ihm. D ie Unterscheidung von reifen und um eisen, von kindlichen und unkindlichen soll jedoch nicht'der Beurteilung anderer, sondern nur zur Selbstprüfung dienen. Dem «inen erweitert und vertieft sich allmählich ihr ursprünglicher, beschränkter Begriff von Gott. Dies ist der Weg, den das Volk Israel ging, den auch wir meist in unserer Entwicklung geführt werden. Andern verdichten sich die lebendig erfaßten Ideale immer mehr zu dem Begriffe: Gott. Sie können, meint der Redner, hiebei irren und doch selbst in dem „Atheismus", den sie b-kennen, unter Umständen Gott näher stehen als mancher „gläubige" «Christ. Von Gott berührt sind auch die Pessimisten und Realisten, sie sind nur religiös krank; religionslos sind diejenige», die nur im Augenblick leben; wahrhaft irreligiös dagegen die Heuchler, die bemerkt haben, daß mit dem Idealen auch ein Geschäft zu machen ist. Wie kommen wir nun zu Gott, dem für uns ewig unerreichbaren Ideale? Er tritt uns nahe in der Stille, in dem klaren, kühlen und doch so innigen Ernst des Gemütes. Ec offenbart sich in der Natur, ihrem unendlich quellenden Leben, ihrer erhabenen Gesetzmäßigkeit, er offenbart sich im Menschenleben, in jeder siegreich durchbrechenden Erkenntnis, jedem ernsten Entschluß. Für die heutige Welt aber ist die Natur meist nur ein Gegenstand des Wissens und der Beherrschung, der einzelne Mensch aber ein Spiel- und ein Handwerkszeug. Gott offenbart sich ferner in seinen be- rufinen Werkzeugen, den Propheten, den Aposteln, Reformatoren u. s. w., aber nicht in den von ihnen überlieferten Worten oder Lehrsätzen, sondern in dem, was sie innerlich waren. Er offenbart sich endlich in ganz besonderer Weise in Christus, in dem sich alle Fülle und Herrlichkeit göttlichen Lebens zusammenfaßt wie in einer Sammellinse. Doch überall lauert auch der Irrtum. Die Betrachtung der Natur und des Menschen kann auch zur Natur- und zur Menschenvergötterung führen. Die Organe der göttlichen Offenbarung können sich an Stelle Gottes selbst drängen. Die Auffassung der heiligen Schrift als „des Wortes Gottes" schlechtweg wirft uns in ein Meer von Fragen, die an sich unwesentlich und nur ablenken können von der Hauptfrage, unserem persönlichen Verhältnis zu Gott. Daß Christus später nicht mehr bloß als das erschienen, was er selbst sein wollte, als der Mittler, der uns allerdings zu sich ziehe, aber nur, um uns sofort hin
zuweisen auf Gott, unseren Vater, baß er selbst zu Gott geworden sei, habe die Christenheit in eine Menge von Streitfragen gestürzt, die noch heute der Erledigung harren, habe uns nur abgelenkt von der ersten und wichtigsten: Wie stehen wir zu unserem Gott? Redner schloß daher auch mit einer warmen Mahnung an die freier Denkende», über dieser Freiheit des Denkens das reine religiöse Leben in ihnen selbst nicht verkümmern zu lassen. Mit gespannter Aufmerksamkeit folgten die Zuhörer dem Vortrag, der eine Fülle der nachhaltigsten Anregungen bot.
'Stuttgart, 3. Dezbr. In der Ak-iv- masse des fallilen Kommerzienrats Stänglui liegen bis jetzt nur 15 Mark (!) in der Konkursmasse.
* (Verschiedenes.) In Reutlingen wusch eine Frau den Stubenboden mit aufgelöster kaustischer Soda ans und entfernte sich eine Weile, das Glas mit dem Soda ans dem Tisch zurücklassend; in ihrer Abwesenheit trank ihr 2jährigcs Töchterchen aus dem Glas, worauf es folgenden Tages unter großen Qualen starb. — Der Untermüller Simon Hayder von Wiesen steig wurde zwischen Westerheim und Feldstuten unier seinem Fuhrwerk liegend tot aufgefunden. — Zwei Fuhrleute, welche von Backnang nach Heilbronn Leder führten und auf ihrem Wagen eingeschlafen waren, fielen zwischen Groß- und Kleinafpach von demselben herab. Dem einen ging der schwerbeladene Wagen über die Brust, dem anderen über die Beine. Beide wurden in das Krankenhaus nach Backnang überführt.
* Aus Baden, 1. Dez. Wie aus Finanzkreisen verlautet, haben die indirekten Abgaben, wie Wein- und Fleischaccise, sodann die Accise von verkauften Liegenschaften bls jetzt nicht die im Budget veranschlagte Höhe ergeben und die noch ausstehenden zwei Monate werden voraussichtlich ebenfalls einen Fehlbetrag ergeben. Da aber die Ausgaben nicht veringert werden können, so ergiebt sich mit großer Wahrscheinlichkeit, daß die vom letzten Landtag beschlossene Herabsetzung der Einkommensteuer wieder aufgehoben werden muß. Es ist dies für den Steuerzahler bet!übend, da aber die Matrikularbetträge für Baden ca. 2 Mtll. mehr erfordern, unvermeidlich.
* In Karlsruhe erschoß sich der Rechtsanwalt Dr. Wörter.
* Dem Reichstag ist eine Denkschrift betr. die Vorbereitung für dieBeteiligung des Deutschen Reiches an der Weltausstellung in Chicago zugegangen. In dieser Denkschrift wird gesagt, man habe die Zahl der Aussteller auf etwas mehr als 2000, d. h. auf etwas mehr als das Doppelte der zur Ausstellung in Philadelphia zugelassenen Teilnehmer geschätzt. Es habe sich jedoch eine beträchtliche Ueberschreitung dieser Zahl herausgestellt und man erwartet jetzt etwa 4000 Aussteller, die sich in 25 Gruppen verteilen.
' Die Militärposten in den Höfen der Ge- fängn sse werden, wie die ,Kreuz.-Ztg/ usitteilt vom 1. Januar ab eingezogen. Dafür werden die Gefangenenaufseher zum Teil mst Revolvern versehen.
* Mainz, 2. Dez. Zur Umwandlung der Festung Mainz in ein befestigtes Lager ersten Ranges sind 5 neue Forts projektiert, und zwar 3 auf dem linken, 2 auf dem rechten Rheinufer. Dieses Erweiterungsprojekt liegt schon seit läng rer Zeit vor.
" Geestemünde, 28. Nov. Ein kolossaler Haifisch wurde hier durch den Fischdampfer „Nymphe" von der Frma Wiettng, Bremer- Hafen eingebracht. Das Tier war dem Dampfer auf seinem Fange ins Netz gegangen. Das Exemplar, das in solcher Größe sehr selten gefangen wird, mißt reichlich drei Meter und hat ein Gewicht von nahezu neun Zentnern. Das Tier wurde von einer hiesigen Firma, die solche Meeresungetüme im Binnenlande zur Schau stellt, angekauft.
' Posen, 1. Dez. Prinz Louis Napoleon Bonaparte ist zum Oberst und Kommandeur des in Kalisch garnisoniereuden 15. russischen Drag.-Regiments ernannt.
' Metz, 28. Nov. Auch auf dem Schlachtfeld von Wörth ist man zur Zeit damit beschäftigt, die Gebeine der dort zerstreut begraben liegenden Krieger auszugraben, um sie wie auf dem Schlachtfelde von Spichern, in einem Gesamtgrabe zu vereinigen.
Ausländisches.
* Wien, 2. Dez. Gestern war eine stürmische Versammlung von zahlreichen Arbeitslosen, welche in heftigen Ausdrücken gegen die Behörden loszogen, so daß die Versammlung polizeilich aufgelöst wurde. Einige Redner erklärten, die Menge der Hugernden wachse täglich an und werde nicht vor geschlossenen Thoren Halt machen, sondern zuGewaltmaßregeln greifen.
* Paris. D e Panama - Untersuchungs- Kommission vernahm den gerichtlichen Sachverständigen Rosfignol, der bestätigte, daß der (verstorbene) Baron Reinach seiner Zeit von der Panama-Gesellschaft neun Millionen Frank einkassiert habe, die Summe sei in den Büchern der Gesellschaft eingetragen, jedoch ohne Begründung. Rosfignol gab Einzelheiten über die durch die Panama Gesellschaft aa jedes Journal zur Verteilung gekommenen Summen; die unter der Leichnung „Kosten für Veröffentlichung* ausgegebenen Summen überstiegen 20 Mill. Fr. Rossignolerklärte im VerlaufesetnerBernehmung, er habe unter den Namen keine politisch bekanntere Persönlichkeit gefunden.
Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Altensteig.
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