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Finanzminister v. Geßler: Für den Fall, daß Preuße« einen Verlust hat, würde ein Abzug an den Einnahme« nicht erfolgen, vielmehr würde eine kleine Herabsetzung der Vergütung auf 40 M. (statt normal 43 M.) für ein Los er­folgen, die Württemberg erhält. Lolteile, die in Preußen gespielt werden, kommen der würt- tembergischen Verrechnung nicht zu. E» besteht aber der Grundsatz, daß die Lotteriekollrkteure hauptsächlich ihre Lose in ihrem Bezirk und besten nächster Umgebung absetzen sollen. Wir werde» auf die Durchführung dieses Grundsatzes be­sonderen Wert legen «ad bezüglich seiner Durch­führung nochmal« mit der Generaldirrktion in Verbindung treten. Doch können wir nicht ver­hindern, daß von Württemberg»« in außer- württembergischen Kollekten gespielt wird. Für die Großbanken wird ein besondere» Geschäft nicht zu machen sein. Die ganze Provision be­schränkt sich auf 1°/o, die der Kollekteur erhält. Das Schamgefühl, da» etwa Württemberg» dazu treiben könnte, außerhalb Württembergs zu spielen, wird nicht sehr groß sein. Wir wollten einen zwölfjährigen Vertrag, mußten uns ab» schließ­lich mit dem IKjährigen einverstanden erklären. Sollte der Vertrag nicht Zustandekommen, so müßten wir eben einen anderen Weg suche», die Lotterie durchzuführen. Schließlich wird auch da» Eisenbahnbaukreditgesetz endgiltig erledigt und die Beratung der Denkschrift betr. Vereinfachung der Staatsverwaltung beim Departement des Kirchen- und Schulwesen» fortgesetzt. Kübel (D.P.): Hier soll man bei der Erziehung de« Nachwuchses daran denke», ihn zu gewöhnen, da» Wesentliche vom Unwesentlichen zu unter­scheide». Dem Kultministerium gebühre die An­erkennung, daß die in der Denkschrift aufgezählten Vorschläge zum großen Teil schon in Durch­führung begriffen sind. Daß unsere Hochschulen in ihren Einrichtungen stet« auf der Höhe der Zeit stehen, ist für un» etwa» selbstverständliches. Gegenüber einem Artikel de«Allgäuer Volkt- freund" betr. die Aufhebung von kleinen Pfarreien behauptet Redner, e» müsse eine andere finanzielle Regelung zwischen Staat und Kirche eintrete«, damit für jedermann in die Augen trete, daß für der­artige Fragen die Kirche und nicht der Staat verant­wortlich sei. Seine Freunde seien der Meinung, daß der Ausschuß sich mit dieser Frage eingehend zu befassen habe. Es sei avzunehme», daß die Denkschrift über die Ausscheidung de« Kirchen- gutes dem Hause bald vorgelegt werde. Darin solle die Regierung dem Hause positive Vor­schläge machen, wie sie sich die Verhältnisse ge­regelt denke. Dr. Späth-Biberach (Z.): Bei der Reorganisation der Hochschulen soll die Re­gierung die in d» Denkschrift niedergelegten Richtlinien im Interesse der Sparsamkeit ein­

halte«. Die Sätze für die Kranken 3. Klaffe in der Tübinger Klinik müssen erhöht werden. Die Gartenbauschule in Hohenheim soll man nicht aufhebe». Mit dem Beschluß de» Hause» über Aufhebung d» Tierärztlichen Hochschule soll e« sein Bewenden haben. Die kleine» Lateinschule» solle« möglichst erhalten werde«, namentlich im Jntereste der unbemittelten Bevölkerung»klaffen. Der Passus der Denkschrift, daß einzelne Stellen allmählich aufgehoben und verschiedene kleine Pfarreien eingehe» sollen, hat zum Teil große Beunruhigung Hervorgerufe». In der daran sich anknüpfenden Zeitungspolemik find allerdings Ausdrücke gefallen, die beffer unterblieben wären. Eine Veränderung oder Aufhebung einer Kirchen­stelle darf nach dem Kirchenrecht nur erfolgen, wenn zwingende Gründe dafür vorhanden sind. Darüber hat sowohl auf evangelischer wie auf katholischer Seite zuerst die Kirche zu entscheiden. Die Regierung hat sich in letzter Zeit mit der Frage befaßt, ob nicht durch Aufh bung über­flüssige Kircheustellrn oder Zusammenlegung kleiner Pfarreien Mittel geschaffen werden können für eventuelle neue Kirchevstelle». Wenn nun auf Grund der vom Bischöfl. Ordinariat angestellten Umfrage in de« Gemeinde» sich Erregung gegen die Absichten d» Regierung kund gab, so wird die Regierung darau« ersehen, daß ihre beab­sichtigten Maßnahmen auf starke» Widerstand stoße» werde». E« gibt 93Pfarreien mitunter 300 Seelen, die aber alle schon da waren vor dem württ. Staat und gegründet wurden unter großen Opfern der Gemeinden. Bei der Zu­sammenlegung sind auf katholischer Seite ganz andere Momente maßgebend al» auf evangelischer. Da» Kirchengebot verlangt jeden Sonntag Gottes­dienst. Wen» der Staat die Mittel zur Errich­tung neuer Kirchevstelle» nur dadurch aufbringen wollte, daß kleinere Pfarreien zusammengelegt werden sollten oder Kirchenstellen aufgehoben werde», so verwahre sich seine Partei entschiede« dagegen und berufe sich auf H 83 der Verfassung. In dieser Zeit, wo sich viele Bestrebungen geltend machen, die auch die staatlichen Fundamente untergraben, sollte sich die Regierung dreimal besinnen, bestehende Pastoration»einrichtungen aufzuheben. Heymanu (Soz) spricht sich für paritätische Schule» au« und wendet sich gegen die Bestimmung, daß eine Konfessionsschule von der Gemeinde übernommen werden muß, wenn eine gewisse Anzahl von Familienvätern die» be­antrage». Nägele (Vp.) anerkennt die vorge­sehenen Vereinfachungen und die geplanten Maßnahmen zu ihrer Durchführung. Die Auf­hebung der Tierärztlichen Hochschule bedeutet einen Verlust für das Land und die Wissenschaft. Da» Landeskonservatorium sollte vielleicht mit einer anderen Anstalt in Verbindung gebracht

werden, nicht au« Sparsamkeit sonder« aus Zwecke mäßigkeitsgründen. Mit der Aufhebung d» kleine» Lateinschulen ist Redner einverstanden. Schrempf (B.K.) Daß da« allgemeine Ver­waltungspersonal zu groß ist, ist überzeugend bewiesen. Die Hochschule« müssen auf der Höhe der Zeit gehalten werden. Höheren Sätzen der Patienten 3. Klaffe der Tübinger Klinik kenne man zustimmen. Die Ausländer an den Hoch­schule», namentlich in Hohenheim, sollten höhere« Schulgeld zahlen, al« die einheimischen. Auf dem Gebiet der Sammlungen wird sich nicht viel sparen lasse». Redner tritt warm für die Bei- haltung der kleinen Lateinschulen ein. Bei der Volksschule wird nicht viel gespart werden können. Kultusminister v. Fleischhauer betonte, be­züglich der Frage der Aufhebung der kleinen Pfarreien hätte die Regierung nicht maßvoller Vorgehen können. Bei Ausscheidung de« Kirchen­gute» würde» die Interessen der Kirche gewahrt werden. Nach weiteren Ausführungen der Abg. Rembold-Aalen (Z) wurde die Weiterberatung auf morgen verschoben.

Stuttgart 10. Aug. (Eine Dank­adresse.) Der Verband württembergischer StaatSbeamtenvereine, dem in mehr al» 38 Verbänden und Vereinen ca. 30 000 Mit­glieder angtschloffen find, hat an das K. Mini­sterium, sowie au die Erste und Zweite Kammer eine Dankadresse gerichtet. Sie hat folgeude« Wortlaut: Da« große Werk einer durchgreif­enden Verbesserung der Bezüge der Württ. Staatsbeamten ^ Unterbeawten und Arbeiter ist nunmehr in einer der Verteuerung und der Hebung der Lebenshaltung entsprechenden Weise »ach de» Vorgängen im Reich und in anderen Bundesstaaten von Regierung und Landständen in gemeinsamer ersprieSlicher Arbeit zu Ende geführt. Wenn damit auch nicht alle Einzel- wünsche erfüllt werden konnten, so bedeutet die Regierungsvorlage und ihre Gestaltung bei der landständische» Beratung doch im allgemeinen eine wesentliche fühlbare Hebung der wirtschaft­liche» Lage der Beamtenschaft, die mit besonderer Genugtuung begrüßt wird, weil eine Verminder­ung der Penfionsbezüge vermieden worden ist. Die Unterzeichneten Vereine, welche die über­wiegende Mehrheit der Württ. Staatsdiener um­fassen, fühlen sich gedrungen, dem hohe« König­lichen Staatsministerium (Erste und Zweite Kammer) ihren tief empfundenen Dank auszu­sprechen.. Mit diesem Danke verbinden sie die Versicherung steter treuer Pflichterfüllung im Dienste de» Staate» und der Allgemeinheit.

Stuttgart9.Aug. (Der fremde Kerl im Bett.) Ueber ein Vorkommnis das de» Humors nicht entbehrt, wird derWürttemberg«

einer systematische» Schulbildung nicht manchmal hinderlich im Wege stehe, lachte er hell auf.

Aber bester Onkel Peter, fragen Sie doch 'mal die Millionäre da drüben in Amerika, wie viel die an sogenannter Schulbildung genoffev haben. Und da» sind meine Vorbilder gewesen. Der Selfmademan»! Denen will ich'» auch ferner «acht««. Ehe ich nicht die Million im trockenen habe, eher rast ich nicht. Was, Schulbildung! Da» ist doch alle» nur Klimbim, 'n bißchen Manieren, '« bißchen Auftreten, ein Heller Kopf, da» ist alle«, worauf es ankommt im Leben! Was sagst Du dazu, Schwiegermama?"

Sie sagte nicht» und lächelte nur gezwungen. E« gab bei aller Großzüzigkeit und Geistesfreiheil ihre» Wesen» Traditionen, von denen sie sich nicht losmachen konnte. Ihr Vater war Arzt gewesen, ihr Mann Rechts­anwalt wie Schwager Lott, ein verstorbener Onkel Professor soweit sie zurückdenken konnte, hatten alle männliche» Glieder der Familie Uni­versität oder Technik studiert.

Nun saß da einer «eben ihr, der sich äußerlich ganz tadellos benahm, obwohl er nur zwei Bürgerschul- und eine Handelsschulklaffe außer der Elementarschule hinter sich hatte. Die Situation war ihr so neu, daß sie sich nicht gleich zurechtfinden konnte.

Eigentlich hatte sie bisher irgend ein Hochschulstudium bei gesell­schaftlich gleichstehenden Männern für so selbstverständlich angesehen, wie tadellose Wäsche-

Lanzendorf fühlte instiktiv, wa» in ihr vorging, und war bemüht, den Eindruck zu verwischen. Er spreche selbstverständlich nur von den systematischen Studien, auf welche der Deutsche so große» Wert lege. Bildung an sich natürlich, wer wäre nicht dafür? Er selbst habe sich nie eine Gelegenheit entgehen lassen, auf eigene Faust zu lernen und sich vertraut zu machen mit allem, wa» für Menschen von Bildung Wert habe. Dan» spielte er die Unterhaltung wieder geschickt auf da» Thema Familie, pries eine glückliche Ehe, innige» Seelenleben zwischen Mann

und Weib al» höchstes Ziel auf Erden und erreichte damit, daß Fra« Lore ihm warm die Hand drückte.

Darin wenigsten» werden wir eines Sinne» sein," dachte sie. Er besitzt ein warme« Herz und Gemütsliefe, da» ist schließlich mehr wert als Aeußerlichkeiten."

Und sie atmete immer freier. Der burschikose Empfang war wohl auch nur ungeschickt bemäntelte Verlegenheit gewesen. Nun diese über­wunden war, gab er sich ungezwungen herzlich und gemütlich und Fra« Lore begriff mehr und mehr, daß ein Zauber von dem Wesen dieses Manne» ausging, dem man sich nur schwer entziehen konnte.

Sie brauchte nur ihr Kind anzusehe», da» stumm, in schaudernder Seligkeit neben dem erwählten Man» saß, um alle» zu vergessen, wa» etwa störend ap ihm hätte wirken können.

Um diese» Glücke» willen, da» er Assunta schenkte, mußte sie Lanzeu­dorf gut sein. So wurde man gegenseitig vertrauter und wärmer mit jeder Minute, und die Peinlichkeit der erste» Momente war verwischt.

Da steckte die alte Barbe den Kopf herein und meldete, daß der Kaffee fertig sei. Sie hatte dem Hausmädchen absichtlich diese» Meldung«- amt abgrnommen, weil sie denHerrn Direktor" doch auch 'mal begucken wollte. Sie mußte doch auch sehe«, was ihre Affunta sich für einen aus­gesucht hatte.

Länger al» nötig bliebe» ihre Blicke auf Lanzendorf haften. Schön war er keine Frage. Da» würde ei» Paar abgebe», daß die Leute auf der Straße stehen bliebe».

Sie so weiß und zart mit dem schimmernden Haar und den blauen Auge», er gebräunt, kohlschwarzes gelockte» Haar und dunkle, feurige Augen. Dazu der kühn geschwungene Schnurbarl.

Vornehm war er auch. Wie er den Kopf hielt und die Hände bewegte weiße, kräftige, wohlgepflrgte Hände, da« machte ihm gewiß keiner nach.

(Fortsetzung folgt.)