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Amts- Md Aryeigeblatt für den Oberamtsbyirk Calw.
86. Jahrgang.
LrscheinurigStage: Msntag, Dienstag, DtittivoL, ^»»nrrerStag, Freitag und Sam-tag. JnsertionspreiD f.1 Hfg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte; außer Vezkk 1> Pfß.
Ireitag, den 11. August 1911.
B-zugSpr.i. d. Stadt'/^Lhrl.m. LrLgerl. Mk. 1.25. PostbezugSpr. s.d. OrtS-u. NachbarortSverk. ' .jährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Württ. so Pfg., in Bayern u. Reich ILPsa.
Tagesueuigkeiten
Z Calw 10. Aug. (Rathausbericht.) Die bürg. Kollegien nahmen heute die neue Gehaltsordnung für die ständigen Lehrer am Realprogymnasium nach den Vorschlägen der Regierung und Landstände an. Danach sind zu den einzelnen Stelle», von den jeweiligen, durch die staatl. DienstalterSzulage veränderliche, Gehälter zu unterscheidende „Ge- meindeleistungen" (1 Stelle mit 4600 1 mit
4000 4 mit 3000 3 mit 3400 und
Wohnungsgelder (370—320 zu gewähren, im Gesamtbetrag von 37 660^. Der seitherige auf Herkommen beruhende Staatsbeitrag von 10647 ^ wird »ach § 6 der Gehaltsordnung weiter beansprucht, so daß als reine Leistung der Gemeinde verbleibe« 17 013 Der bisherige reine Aufwand betrug 14673 sodaß sich eine Mehrleistung der Gemeinde von 3341 ^ ergibt. Zu deren teilwriser Deckung find die Gemeinden zu einer Erhöhung der Schulgelder ermächtigt. Diese sind in Württemberg im Ganze» wie in Calw im besonderen im Verhältnis zu dem Satz in anderen Bundesstaaten bisher sehr mäßige gewesen. Die Regierung hat neue Höchstsätze aufgestellt. Die Kollegien beschlossen, ohne diese Höchstsätze zu erreiche», die Schulgelder wie folgt festzusrtzen:
^Kl°^I ) 30 bisher 30 Höchstsatz 43 ^
Kl II—V 45^, „30 «.40^, „ 48^
Kl. VI—VII 60 „ 50^, „ 66^
Die Mehreinnahmen hieraus betragen beim gegenwärtigen Schülerstand 1730 so daß sich der Gesamtaufwand auf die Gehaltsordnung auf 611 ^ ermäßigt. — Ueber den Platz für den Neubau des Realprogymnasiums
konnten die Kollegien »och nicht schlüssig werden. ES wurde die Kommission beauftragt, nächste Woche verschiedene mustergiltige Neubauten in Schorndorf Eßlingen und Kirchhrim u. T. zu besichtigen. — Stadtbaumeister Hohnecker wird ein vierteljähriger Kraukheitsurlaub bewilligt. — Der Ver- schönerungSverein wird ermächtigt, bei der Beratungsstelle nach einem Entwurf eines B r u n «e n S für die Georgenäumianlageu sich um- zusrhen. — Die Kollegien wären ferner nicht abgeneigt, eine» Zuschuß zu eiuer zweiten Fahrt de« Zeppelinschiffs „Schwaben" «ach Calw und Liebenzell zu blwillige«. — Dem mißbräuchlich starken Wasserverbrauch — trotz noch reichlichen Quelleuzulaufs (s. Wochenblatt Nr. 181) muß Tag und Nacht, zeitweise sogar mit 3 Pumpen gepumpt werden — wird durch da» Verbot der Benützung von Schläuchen zur Garten- und Straßenbesprenguug und Wagenwäsche eutgegengetreten. Von der Absperrung der Zuleitungen während einiger Tage«- oder Nachtstunden, welche in vielen Städten notwendig wurde, wird zunächst noch abgesehen. — Die Verbesserung und Anpflanzung de« Fußweg» «ach Hirsau mit schattenspendende» Bäumen wird ins Auge gefaßt. — Da» Konzesfio«»gesuch de« Ad. Brlthle für die dingl. Wirtschaft zum „Engel" wird befürwortet. — Dem „Einsender" über Tierquälerei, verübt durch Spanne» der Euter der zu Markt gebrachten Kühe, mag hier erwidert werden, daß er bei nur einiger Beobachtung sich leicht hätte überzeugen könne«, wie die Landjägermannschaft diesem Unfug »ach Kräften entgegrntritt und daß auf jedem Markt ärmere Frauen sich einstellen, welchen da» Aus- melren der überspannten Euter überlaffe» wird. Auch sind seit Jahre« eine Reihe polizeilicher Strafen verhängt worden, wobei nur zu bedauern
ist, daß die Strafen von dem Schöffengericht häufig aufgehoben werden, wenn der Tatbestand nicht ausdrücklich von einem Tierarzt bestätigt ist. Der Einsender wende sich also mit seinen Belehrungen anstatt an die „Behörden", welche ihre Pflicht stets getan haben, an da» durch die Schöffen vertretene „Volk". —
* Bad Liebenzell 10. Aug. Am nächste» Sonntag, den 13. Aug-, nachmittag» von 4—7 Uhr, findet in den König Wilhelm-Anlagen ei» großes Militärkonzert statt. Dasselbe wird ausgeführt von dem vollständige« Musik- korpsdes Ulaaen-Regimevt» ia Ludwig«- burg unter persönlicher Leitung de» Kgl. Musikmeister« Herr« Emil Thomas. E» ist die» dieselbe Kapelle, die vorige» Jahr durch ihre vorzüglichen Leistungen so stürmischen Beifall erntete, und e» ist deshalb sicher anzunehme», daß «ns Herr Thomas auch Heuer wieder etwa» ganz Hervorragende» bieten wird.
Wildbad 10. Aug. Da» Luftschiff „Schwaben" nahm seinen Weg von Baden- Baden hierher über Pforzheim und kreuzte zwischen V«9 und 9 Uhr über dem Sommerberg und der Stadt, worauf es wendete und wieder da» Enztal hinunter über Pforzheim i» der Richtung nach Herrenalb und Baden-Baden fuhr. Das Luftschiff wird übrigen» heute über 8 Tagen einen Ausflug von Baden-Baden nach Friedrich»- hafen mit Rückfahrt am folgenden Tage unternehmen.
Stuttgart 10. Aug. (Landtag.) Die Zweite Kammer genehmigt heute vormittag zunächst in 1. und 3. Beratung den Ertrag au» der Staatslotterie, wodurch 783 000 ^ jährlich al» Einnahme der Staatskaffe vorgesehen find. Auch eine Anregung de« Abg. Haußmann erklärt
Frau Lores Lebenswerk.
8) Roman von Erich Ebenstein.
«Fortsetzung.)
„Ach was, mit dem Mädel bin ich auch fertig. Hat'» so gut zu Hause gehabt und wirft sich dem fremden Mensche» an den Hals. ' Hat sie mir wa» zuliebe damit getan?"
Frau Lore wurde der Antwort enthoben, denn Peter Lott steckte den Kopf zur Tür herein: „So, Lore, — wird sind da. Ich denke, man erwartet Dich drüben."
Hastig, stumm, mit bi» an den Hal» schlagendem Herzen ging die Mutter dem neuen Sohne entgegen. Al» sie die Portiere» aureinander- schlug, war ihr zumute, als entscheide diese Stunde über Tod und Leben, und sie brachte trotz aller guten Vorsätze kein Wort über die Lippen.
Aber da schlangen sich schon zwei kräftige Arme um sie und eine metallartig tönende Stimme sagte: „Na, also, Schwiegermama, da bist Du ja! Wollen uns gut vertragen miteinander, gelt, ja? Uns lieb haben -bist mir doch nicht böse, daß ich Dir Dein Mädel da wegstibitzt habe?"
Frau Lore blickte von dem strahlende« Gesicht ihrer Tochter in da» schöne Männerantlitz und suchte dann hilflos den Schwager, der mit zusammengekniffenen Lippe» und bleichen Wange» im Hintergrund stand. Sie brachte kein Wort heraus.
Eine eiskalte Enttäuschung, über deren Ursprung sie sich keine Rechenschaft geben konnte, lief ihr über den Rücken. Sie gab nichts auf Formen — gewiß. Aber-sie hatte sich diese« erste Zusammentreffen doch ander» vorgestellt. Feierlicher. Inniger-
Hörte nur sie den leisen Unterton von Herablassung und Spott au» de» Worten diese« Maune« heraus?
Lanzendorf ließ ihr nicht viel Zeit zum Nachdenken.
„Na, krieg' ich keinen Kuß? Keinen Willkomm, Schwiegermama?"
Wie ein Stich durchfuhr sie die Anrede. „Schwiegrrmama?" Und sie hatte ihm doch Mutier, eine wahrhafte Mutter sein wollen! Aber
sie mußte sich beherrschen-lächeln-lustig sein-
um Assunta» willen, deren Augen so forschend und ängstlich auf ihr ruhten.
Mechanisch legte sie ihre Lippen auf die gebräunte Wange de» fremden Mannes, lächelte und sagte wie im Traum: „Willkommen bei uns, lieber Sohn."
Dann trat sie aufatmend zurück. E» war vollbracht. Gott sei
Dank.
Ferry Lanzendorf blieb, was er vom erste» Moment seine» Eintritte» an gewesen war: Herr der Situation. Er sprach sehr viel, sehr herzlich, bewunderte alle» und schlug seiner Braut gegenüber wenigsten» wirkliche GemütStöne an.
Dabei war er stet» bemüht, Schwiegermutter und Onkel mit in» Gespräch zu ziehen. Er erzählte von seinen Eltern und der harten Jagend, die er neben dem übermäßig strenge« Vater und der kühl praktische» Mutter gehabt habe. Al» er zwölf Jahre alt war, starb sei» Vater und er mußte sich selber durchschlagen. Al» Handlungsgehilfe, Reisender und Schauspieler, bis e» ihm zuletzt glückte, hier unterzukommen und sich eine geachtete Stellung in der Gesellschaft zu erringen, die gottlob auch ihre» Mann nährte.
Unbefangen plauderte er alle» heraus, ganz ohne falsche Scham, daß er sich eigentlich von der Pike auf emporarbeiten hatte müssen. Im Gegenteil. Er war stolz darauf. Arbeit schändet ja nicht und Arbeit hatte er immer geliebt.
NI» Onkel Loli einmal die Frage einwarf, ob ihm der Mangel