Hebung der Suspension abschläglich beschieden, mit der Motivierung, daß neue wichtige Beschwerdepunkte gegen ihn vorliegen.
* Aus dem Bezirk Tuttlingen, 18.
Juli. Durch die neuen Vorschriften über die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe fühlen sich besonders Kaufleute und Krämer auf dem Lande empfindlich geschädigt. Die größte Beeinträchtigung erblicken sie in den Ausnahmebestimmungen für Konditoreien, Bäckereien u. s. w., weil diese der Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen Thür und Thor öffnen, da die betreffenden Geschäfte auf dem Lande nie blos Conditoreiwaren führen, sondern immer neben denselben auch Colonialwaren, oft auch Ellenwaren und vieles andere. Sodann erblicken die Betroffenen eine Schädigung darin, daß die Geschäfte erst mittags geöffnet werden dürfen, während es auf dem Lande sommers zumal bei dringenden Feldgeschäften sehr häufig am Samstag nicht mehr möglich ist, die nötigen Einkäufe zu machen und andererseits die gewöhnliche Essenszeit Sonntags um 11 Uhr ist, also zu der Zeit, an welcher der Geschäftsbetrieb beginnt. Die in Tuttlingen im »Ritter" versammelten Kaufleute und Krämer der Landgemeinden besprachen diese Mißstände in eingehender Weise und beschlossen einstimmig in einer Eingabe um Abänderung der geltenden Bestimmungen in der Richtung einzukommen, daß der Geschäftsbetrieb von morgens * -8—Vz9 Uhr, von mittags V-ll^/rl Uhr und abends von 4—6 Uhr, zusammen 5 Stunden gestattet werden möchte. Da dieselben in ihren Betrieben Gehilfen nicht beschäftigen, zu deren Schutz ja in erster Linie das Gesetz erlassen wurde, so hoffen sie umsomehr, daß ihren Darlegungen Rechnung getragen und ihrer Bitte entsprochen werden wird.
* Oehringen, 17. Juli. Zur Bismarckreise der Schwaben nach Kissingen möchten wir ein flottes Radlerstückchen nachtragen. Ein hiesiger ehrsamer Schneidermeister bestieg in der Nacht von Samstag auf Sonntag um 1 Uhr (die Bismarckverehrer, welche den Extrazug benützten, waren schon 5 Stunden vorher abgereist) sein Stahlroß und machte die 157 Km nach Kissingen mit einer einzigen Unterbrechung in der Zeit von 11 Stunden. Drei Kilometer vor Kissingen sauste der Extrazug an ihm vorüber; zur Tafel aber und zum übrigen kam er ebensobald, als die Extrazügler. Die Heimfahrt machte er mit seinem Rad in 12 Stunden.
* Leutkirch, 18. Juli. Der Landwirt und landwirtschaftliche Schriftsteller Fritz Möhr- lin ist, 65 Jahre alt, gestorben.
* Wie mitgeteilt wird, beabsichtigen die württ.
Papierfabriken, mit den übrigen süddeutschen Papierfabrikanten ein sogen. Preiskartell zu schließen, wonach beim Verkauf unter einen gewissen festzusetzenden Preis nicht herabgegangen werden darf. Dadurch soll dieser Industrie, welche infolge der südamerikanischen Wirren und eines unverhältnismäßig starken Ueberange-
Während sich Bennoit im Spiegel betrachtete, hatte auch Martin die letzte Hand angelegt, sich zum Ausgehen zu rüsten und stand nun reisefertig da wie sein Gast.
„Wir können gehen!" sagte der Aubergist zu Bennoit, „ich glaube, Ihr habt Euch in Eure Person verliebt."
„Es ist fast so," erwiderte Bennoit, „doch sagt mir einmal, Martin, werde ich später bei Euch wohnen?"
„Nicht dran zu denken, mein Freund! Ihr müßt Euch eine andere Wohnung suchen."
„So, so; nun noch eins: Man kann bei tüchtigen Leistungen ja wohl auch eine höhere Stellung auf dem Wege, den ich zu gehen im Begriff bin, erlangen?"
„Ei, Ihr faßt ja die Sache schnell, mein Freund; freilich könnt Ihr das. Ist Euch etwas Besonderes eingefallen?"
„Nun, es könnte sein —"
„So greift nur nicht zu früh zu, laßt Euch erst gehörig unterweisen; doch kommt jetzt."
Die beiden Männer verließen das Gasthaus und durchschritten mehrere Straßen bis zum alten Marais. Hierauf betraten sie das Kriminal-Kommissariat des Viertels, dem damals der später so bekannt gewordene Vidocq Vorstand.
Vidocqs Leben und Treiben ist teils durch ihn selbst, teils durch seinen Freund Dumas so bekannt geworden, daß wenig für ihn gesagt zu werden braucht.
Ein schlauer und verwegener Gauner von Jugend auf, gewann ihn die Kriminal-Polizei des Kaiserreichs als Agenten, und mit Energie bekämpfte er seine früheren Genoffen, bis er unter der Juli-Monarchie unliebsam geworden und entlassen ward.
Vidocq selbst sagt, es sei geschehen, weil er sich nicht zur Ver
bots zurzeit in einer wenig beneidenswerten Lage ist, nach der Ansicht der Fabrikanten wenigstens einigermaßen Schutz gewährt werden. Verhandlungen darüber werden nächste Woche in Aulendorf stattfinden. Die Gründung solcher Ringe ist nichts Neues; erst vor etlichen Jahren wurde im Buchhandel ein gleicher Ring gebildet, der aber alsbald wieder aufgelöst wurde, weil ihn die betreffenden Kontrahenten auf jede Weise zu umgehen wußten.
* (Verschiedenes.) In der Fabrik zu Karlsthal bei Haigerloch wurde ein Fabrikarbeiter von der Transmission erfaßt und mitfortge- führt, wobei erschwere innereVerletzungenu. mehrfache Beinbrüche davontrug, die seinen baldigen Tod herbeiführten. — Am Samstag ist der 17jährige Maurer Joh. Noll ausBierlingen (Horb) beim Baden im Neckar ertrunken. — In Ulm hat sich der Zustellungsbeamte Rau in der Donau ertränkt.
* Aus Freiburg i. Br., 18. Juli, wird geschrieben: Ein skalpiertes Mädchen befindet sich derzeit in Behandlung der Freiburger Universitätsklinik. Die Arme kam der Transmission einer Sägmühle zu nahe, das Getriebe erfaßte ihren Haarzopf und riß mit schrecklicher Gewalt den Zopf samt der gesamten Kopfhaut bis auf einen kleinen Rest an der Schläfegegend weg. Der ganze Schädel lag bloß, Man versucht nun, vermittelst abgeschälter dünner Hautstücke die frische Wunde trotz ihres Umfangs überhäuten zu können, und hofft ziemlich sicher auf gänzliche Heilung der Unglücklichen.
* In Kitztngen überschüttete eine schon seit Langem geisteskranke ledige Person, die ca. 40jährige Schwester eines Schnittwarenhändlers ihre Kleider mit Petroleum und zündete sie an. Dann stürzte die Unglückliche, lichterloh brennend, auf die Straße, Entsetzen hervorrufend bei Allen, welche die wandelnde Feuersäule sahen. Mit vieler Mühe gelang es den Nachbarn, das Feuer zu löschen. Ueber und über mit Brandwunden bedeckt, wurde die Aermste in das Spital gebracht, wo sie nach fürchterlichen Qualen durch den Tod erlöst wurde.
* Der Prinzregent von Bayern schenkte den von dem Gewitter und Wolkenbruch heim- gesuchten Gemeinden vom Schliersee und Miesbach je 10000 Mk.
* Darmstadt, 18. Juli. Fürst Bismarck hat sich auf eine Anfrage bereit erklärt, nächsten Samstag die Abordnung aus Hessen zu sammen mit denjenigen aus Baden zu empfangen.
* Schweidnitz, 19. Juli. Aufsehen erregte die gestern in der hiesigen Ausstellung erfolgte Verhaftung des hiesigen Platztngenicurs Reinhardt, angeblich wegen bedeutender, in Hannover verübter Unterschlagungen.
* Gera, 15. Juli. Einem Insassen des hiesigen Armenhauses wurde durch eine ausländische Erbschaft der Ztnsgenuß von 80 Millionen Gulden zu tekl, gewiß ein angenehmer Wechsel der Lage.
* Berlin, 17. Juli. Das Dienstmädchen eines Kaufmanns F. war, so berichtet man der „Königsb. Allg. Ztg." aus dem Samlande, mit den beiden im dritten und vierten Lebensjahre stehenden Knaben ihrer Herrschaft in Begleitung eines Hundes nach einem in der Nähe von Kuhmenen gelegenen Wäldchen gegangen. Dort angelangt, tummelten die Kinder sich eine Zeit lang nach Herzenslust herum. Plötzlich legte sich der jüngere der Knaben im Grase nieder und schlief ein. Der Hund, ein schwarzer Deckel, hing derartig an dem Kinde, daß er Tag und Nacht nicht von seiner Seite wich. Als das Tier auch jetzt neben dem Knaben sich uiedergelegt hatte, ging das Mädchen mit dem älteren Knaben ein Stückchen weiter. Nach einiger Zeit hörte das Mädchen auf einmal ein lautes Bellen des Hundes; Unheil ahnend, eilte sie zurück und hier bot sich ihr ein Anblick dar, der sie erstarren machte. Der Knabe schlief ruhig fort; neben ihm lag eine große Kreuzotter tot und zu den Füßen saß der treue Hund, seine im Kampfe mit der Schlange von dieser empfangene Wunde leckend. Der Körper des Hundes schwoll zusehends au und nur mühsam konnte das schwer verletzte Tier sich nach Hause schleppen Kaum hatten die aufs .höchste erschreckten Eltern erfahren, in welcher Gefahr ihr Kind geschwebt, als das treue Tier verschied.
* Berlin, 18. Juli. Eine Brieftasche mit einem Wertinhalte von über 350 000 Mk. zumeist Depositenscheine einer Stuttgarter Bank, und 4000 Mk. bar, wurde am Freitag Mittag im Kassenflur des Friedrich Withelmstädtischen Theaters vom Kassierer gefunden. Der Besitzer, der ein Billet gelöst hatte, offenbar ein Ausländer, konnte nicht sofort ermittelt werden. So wanderte der wertvolle Gegenstand nach der polizeilichen Fundstube. Bald lief dort die Ver- lustmeldung ein von Seiten eines russischen Staaisrats v. S. Der Kassierer hatte einen guten Tag. Denn Herr v. s. hatte in der Freude seines Herzens nicht nur den gesetzlichen Finderlohn abgegeben, sondern erschien vor seiner Abreise nochmals an der Abendkasse des Theaters, um dem Finder eine besondere Zulage ein- zuhändigen.
* Berlin, 18. Juli. Die aus Petersburg eintreffenden Choleranachrichten melden ein zweifelloses Zunehmen derselben. Die meisten Toten waren am 15. Juli in Astrachan zu verzeichnen, wo 364 Personen, die wenigsten in Tiflis, wo 11 Personen an der Cholera starben. Besondere Sanitätskommissionen sind teils nach dem infizierten Gebiete auf dem Wege, teils bereits dort etabliert. Eine Anzahl ausländischer Aerzte, darunter Deutsche, sind zum Studium der Krankheit im Choleragebiet etngetroffen.
* Berlin, 19. Juli Das „Berliner Tagblatt" meldet aus Wien: Die russischen Truppen au der Grenze sollen bereits von der Cholera ergriffen sein. Es verlautet, daß die Kaiserretse nach Galizien und die dortigen Manöver vielleicht wegen der Choleragefahr unterbleiben.
folgung politischer Verbrecher habe hergeben mögen. Doch er sagte dies nach der Revolution von 1848, und es klingt deshalb, als habe er sich entschuldigen wollen.
Im Jahr 1817 war Vidocq zwar als großer Spitzbubenfänger bekannt, doch immer noch keine Berühmtheit.
Seit drei oder vier Jahren vom Agenten zum Kommissarius avanciert, war er auch erst so lange wirklicher Beamter, und da er ebenfalls im Bagno gewesen, hatte der Beginn seiner Laufbahn einige Aehnlichkeit mit derjenigen Äennoits.
Martin ließ sich und seinen Begleiter dem Kommissarius melden, und gleich darauf wurden beide in das Geheim - Büreau desselben geführt. Ein kräftig gebauter Mann in mittleren Jahren mit kleinen, scharfen Augen empfing sie und erwiderte höflich ihre Grüße. „Nun, Vater Martin," fügte er dann hinzu, „was wünscht Ihr?"
„Martin trug in kurzen Worten sein Anliegen vor, und Vidocq betrachtete während dieser Zeit scharf prüfend den Protege des Schankwirts, der infolgedessen wiederholt errötete.
„So, so!" meinte der Kommissarius endlich lächelnd, „nun, wir können solche Leute brauchen, Euren Paß, Mousieur Bennoit."
Bennoit überreichte das so verhängnisvolle Papier, welches ihm hier trotzdem gleichsam als Empfehlungsbrief dienen mußte.
Vidocq nahm dasselbe und begann es zu studieren, als lese er viel mehr daraus, als wirklich in demselben enthalten war, oder als sei das Lesen für ihn eine etwas schwierige Arbeit.
Daun jedoch schrieb er einige Zeilen auf ein Stückchen Papier, ging zur Thür und rief den wachhabenden Agenten herbei.
„Gehen Sie zum Kriminal-Gerichtshof," sagte er zu demselben, „und bitten Sie um diese Akten."
(Fortsetzung folgt.)