Mittwoch abend gegen 9 Uhr am süd-südwest­lichen Horizont bei klarem Mondhimmel ein prächtiges Meteor. In Ebingen fiel der in den 60er Jahren stehende Johs. Hoch beim Heuaufladen so unglücklich vom Wagen herab, daß er tot auf dem Platze blieb. Dem Bauern Sch. in Kottm ann s we il er sind aus seiner Wohnung, während sämtliche Haus­bewohner auf dem Felde waren, ca. 1100 Mk. gestohlen worden. Ein Bäckermeister in Ulm, der seiner Zeit warm für das frühere Schließen der Verkaufsstellen in Bäckereien eingetreten war, am letzten Sonntag aber trotzdem nach 6 Uhr noch Waren abgab, wurde von einem Kollegen der Staatsanwaltschaft angezcigt. In einem Ulmer Blatt bedankt sich jetzt der Meister für den erwiesenen Liebesdienst.

* Mannheim, 7. Juli. Eine Liebes- tragödie hat sich in dem benachbarten Orte Käferthal abgespielt. Ein daselbst in Arbeit stehender Eisengießer E. stand in einem intimen Verhältnis zu einem Dienstmädchen von Leuters­hausen. Vor einem halben Jahr wurde das junge Paar mit einem Knaben beschenkt; das Paar trug sich mit der Absicht, im Laufe dieses Monats zu heiraten, indem man hoffte, daß E. bei der vor einigen Tagen hier stattgefun­denen Generalmusterung frei werden würde. Die Hoffnung erwies sich jedoch als eine trü­gerische. E. wurde für tauglich befunden und ausgehoben. Diese Fügung des Schicksals scheint das junge Paar zur Verzweiflung getrieben zu haben. Dasselbe beschloß, gemeinsam in den Fluten des Neckars den Tod zu suchen, welche Absicht die beiden jungen Leute auch ausführten. Die Leichen der Unglücklichen konnten bis jetzt noch nicht geländet werden.

* Die beiden bayrischen Armeekorps werden von jetzt ab von einem preußischen Offizier in­spiziert werden. Das amtliche Milttärwochen- blatt meldet, daß Prinz Leopold von Bayern (zweiter Sohn des Prinz-Regenten) zum Gene­ral-Inspekteur der 4. Armee-Inspektion, deren Standort von jetzt ab München sein wird, er­nannt ist und der bisherige General-Inspekteur der 4. Armee-Inspektion, General-Feldmarschall v. Blumenthal, die dritte Armee-Inspektion er­halten hat, die durch den Tod des Großherzogs von Hessen seit dem Monat März unbesetzt war.

* Görlitz, 7. Juli. (Strafkammer.) In der gestrigen Verhandlung gegen Bankier Adolf Albert wurde derselbe wegen einfachen Bankrotts, Unterschlagung in 10 und Betrug in 8 Fällen zu 6 Jahren Gefängnis und 5 Jahren Ehren­verlust verurteilt. Die Passiva hatten 1200 000 Mark betragen.

'Berlin, 7. Juli. DieMg. Ztg." schreibt über Weltausstellung und Revanchekrieg": Pariser und auch deutsche Blätter lassen in ihren Erörterungen über die Ausstellnngsfrage der Ansicht, daß die französische Ankün­digung für das Jahr 1900 eine weitere Friedensbürgschaft und Vertagung des Revanchekcieges bedeute, einen nach unsrer Meinung viel zu großen Spielraum. Schon das überraschende Vorgehen der französischen Regierung in dieser Angelegenheit beweist, daß man eine Rücksichtnahme

auf Deutschland in Paris nur noch so weit für geboten hält, als der Charakter unmittelbarer Feindseligkeit zu ver­meiden ist. Die gesamte Art des Prozedierens, bedeutet nicht mehr und nicht weniger als Deutschland den Stuhl, ans welchen es sich niederzulassen gedachte, von hinten fortzuziehen. Es wäre für die deutsche Industrie verhäng­nisvoll, wollte sie sich der Täuschung hingeben, daß die Strömungen, welche in Europa zum Kriege treiben, durch Ausstellungsprojekte in ihre Ufer eingedämmt werden könnten. Richtiger ist es vielleicht, die Pariser Ankündigung lediglich als einen bunten Vorhang zu betrachten, hinter welchem politische und militärische Kriegsvorbereitungen um so un­gestörter betrieben werden können. Die Pariser Ausstell­ungen haben für die Franzosen weit mehr als eine wirt­schaftliche Bedeutung. Diese Veranstaltungen sollen vor allem dazu dienen, das Prestige Frankreichs in den Augen der gesamten Welt wieder aufcichten zu helfen. Die Unter­stellung, daß Frankreich mit Aufhissung der Ausstellungs­flagge1900" eine bis dahin reichende Friedensbürgschaft gegeben, ist rundweg abzulehnen. Lxoinpla trasiunt! Die für 1867 angekündigte französische Ausstellung hätte den Krieg um Luxemburg nicht zu verhindern vermocht, der in der letzten Stunde nur durch Deutschlands Nach­giebigkeit vermieden ward. Die französische Friedensbürg­schaft ist einzig der russische Notstand und die russische Neubewaffnung. Sind diese beiden Hindernisse überwun­den, so wird es von dem Willen eines Mannes in Ruß­land abhängen, ob die chauvinistischen Strömungen in beiden Ländern die Uferdämme überschreiten oder nicht.

'Berlin, 7. Juli. DerReichsanzeiger" veröffent­licht einen Erlaß vom 23. Mai 1890 an sämtliche Kaiser­liche und Königliche Botschaften und Ä-sandlschasien, wo­rin daraus aufmerksam gemacht wird, daß durch die Presse Stimmungen und Anschauungen des Herzogs von Lauenburg veröffentlicht werden, die auch die auswärtige Politik berührten und im Luslande schädliche Mißdeu­tungen erfahren könnten. Der Kaiser sei indessen der Meinung, daß entweder von selbst eine ruhigere Stimmung eintreten, oder das Ausland den thatsächlichen Wert jener Aeußerungen richtig würdigen werde. Es sei nicht zu befürchten, daß aus der Verbreitung subjektiver, mehr oder weniger richtig aufgefaßter, teilweise zweifellos absichtlich entstellter und zum Teil zu Personen von anerkannter Feindschaft gegen Deutschland gethaner Aeußerungen ein dauernder Schaden entstehen könne. Der Kaiser unter­scheide zwischen dem früheren und dem jetzigen Bismarck und wolle alles vermieden sehen, was das Bild des grüß­ten Staatsmannes trüben könnte. Indem ich Sie ermäch­tige, sich erforderlichen Falls demgemäß zu äußern, füge ich die Hoffnung hinzu, es werde auch seitens der Regie­rung, bei der Sie accreditirt sind, den Aeußerungen der Presse über die Anschauungen Bismarcks ein aktueller Wert nicht beigelegt werden. DerReichsanzeiger" veröffentlicht ferner folgende Depesche Caprivi's vom 9. Jnni 1892 an den Botschafter Prinz Reuß in Wien: Im Hinblick auf die bevorstehende Vermählung des Grafen Herbert Bismarck teile ich Ew. Ercellenz nach Vortrag bei Sr. Majestät Folgendes ergebenst mit: Für die Gerüchte über eine Annäherung des Fürsten Bismarck an Se. Maj. den Kaiser fehlt es vor Allem an der unentbehrlichen Vor­aussetzung des ersten Schrittes seitens des früheren Reichs­kanzlers. Die Annäherung würde aber, selbst wenn ein solcher Schritt geschähe, niemals soweit gehen können, daß die öffentliche Meinung das Recht zu der Annahme er­hielte, der Fürst Bismarck hätte wieder auf die Leitung der Geschäfte irgend welchen Einfluß gewonnen. Falls der Fürst nebst Familie sich dem Hause Euer Durchlaucht nähern sollte, ersuche ich Sie, sich auf die Erwiderung der conventionellen Formen zu beschränken, einer etwaigen Einladung zur Hochzeit jedoch auszuweichen. Diese Ver­haltungsmaßregeln gelten auch für das Botschaftspersonal. Ich füge hinzu, daß Se. Maj. von der Hochzeit keine Notiz nehmen werden. Euer Durchlaucht sind beauftragt in der Ihnen geeignet scheinenden Weise sofort hiervon dem Grafen Kalnoky Mitteilung zu machen. Graf Caprivi.

* Berlin, 7. Jalt. Der Bundescat beschloß in der heutigen Plenarsitznng, den Gesetzentwurf für Elsaß-Lothringen über Erhöhung der Wein­steuer für Rosinenweili den Ausschüssen zi über­

weisen und der Resolution des Reichstages be­treffend Bewilligung von Diäten und Reisekosten aus Reichsmitteln an die Mitglieder des Reichs­tages keine Folge zu geben.

^ Berlin, 9. Juli. Aus Jena wird ge­meldet: Eine Abordnung oer Stadt und der Universität Jena wird am Sonntag den Fürsten Bismarck in Kissingen einladen, auf seiner Rück­reise in Jena zu verweilen.

* Die neuestenHamburger Nachrichten* be­streiten entschieden die Behauptung derNordd. Allg. Ztg ," daß russische Urkunden über das Mißtrauen des Zaren gegen den Fürsten Bis­marck vorlägen. Die Nordd. Allgemeine Zet» tung möge Beweise bringen.

* Großes Aufsehen erregt ein gegenwärtig vor dem Schwurgericht zuCleve verhandelter Prozeß gegen einen jüdischen Metzger namens Buschhoff aus Xanten, welcher beschuldigt wird, einen Christenknaben ermordet zu haben. Die bis jetzt bekannten Zeugenaussagen und Gut­achten der Sachverständigen sind aber keineswegs geeignet, die gegen Buschhoff gerichteten Be­schuldigungen zu erweisen.

* Cleve, 9. Juli. Im Prozeß Buschhoff teilte der Präsident mit, ein anonymer Brief werfe ihm vor, er behandle Buschhoff zu milde und beschleunige den Prozeß nicht. Der Prä­sident bemerkte, er behandle Buschhoff wie andere Angeklagte, er erblicke in jedem Angeklagten einen Menschen und seine Wicht, die Wahrheit zu ermitteln, gebiete eine langsame und sorg­fältige Behandlung.

* Das Ansiedelungsweck in Westpreußen und Posen soll in diesem Jahre eine möglichst gesteigerte Förderung erfahren. Zur Besiede­lung sind für dieses Jahr sieben Güter bestellt. An Nachfrage durch Ansiedelungslustige ist nach wie vor kein Mangel. Für nächstes Jahr, wenn nicht schon früher, erwartet man stärkeren Zu­zug von Ansiedlern aus Baden.

Ausländisches.

* Basel, 8. Juli. Mit Beginn der Woche nimmt das eidg. Schützenfest in Glarus seinen Anfang. Dasselbe nimmt noch größeren Um­fang an als das Basler Jubiläum. Die frei­willigen Gaben haben die überraschende Höhe von 180 000 Fr. erreicht, der Gabentempel, welcher die Schützen aller Länder anlockt, ist ausnehmend glänzend bedacht. Das Fest dauert 10 Tage. Diese Festhäufung giebt jedem um das Wohl des Landes bekümmerten Patrioten ernstlich zu denken. Es ist eine eigentliche Fest­seuche ausgebrocheu, welche dem ökonomischen Ruin entgegentreibt und auch moralisch viele Opfer fordert. Es bleibt während des Som­mers kein Sonntag übrig, ohne daß er nicht im Schweizerland herum mit Festivitäten ausge­füllt wäre, die eine Verrohung der Gemüter großztehen, das Volk für die öffentlichen Inte­ressen gleichgiltig machen und die junge Welt von ihren eigentlichen Aufgaben abztehen. Wie sehr hier die Festscuche schon Unheil angerich-

Der fcrLfche Kraf. Nachdruck v«bE,.)

(Kriminal-Roman von Karl Schmeling.)

(Fortsetzung.)

Ist schon überlegt," antwortete Bennoit,aber erlaubt mir noch eine Frage."

Nun heraus damit!"

Seid Ihr Polizei-Agent?"

Martin lächelte einen Moment höhnisch, und in diesem Augenblick zeigte sich etwas in seinen Zügen, wodurch der alte Spitzbube gekenn­zeichnet ward.Ich könnte," erwiderte er, die Schultern hebend,da­rauf mit Ja antworten, und Ihr mich als Euren etwaigen Genossen bezeichnen; aber ich will dir gleich sagen, mein Kind, daß ich jenes nicht thun, und, wenn du zu letzterem Lust hättest, der Pfeil auf deine Brust zurückgehen würde. Ich könnte auch einfach Nein sagen, und dir über­lassen, zu glauben, was du willst; aber ich will dir etwas andres sagen. Ich kenne einen Menschen, der mit den Vorsätzen wie du sie hegst, aus dem Bagno kam, der dann gezwungen den Weg machte, den ich dir ge­zeigt, und sich heute gut dabei steht!"

Bennoit war aufmerksam geworden.

Das paßt auf" begann er heftig.

Halt, nicht weiter; sieh aber die Narbe, sie wird nie wieder der anderen Haut gleich werden, und so ist es auch mit dir und der Gesell­schaft, du bist zu einer Narbe derselben geworden und wirst nie wieder etwas anderes werden; erkenne das und wähle danach."

Und Ihr könnt es möglich machen, mich als Agenten der Poli­zei anzubringen?" fragte Bennoit mit bleichgewordenem Gesicht, indem er sich erhob.

Ja, das kann ich!"

Nun, ich werde mir Euren Vorschlag noch einmal überlegen, Meister Martin, habt vorläufig Dank! Adieu!"

Adieu, Freund; doch noch eins: gefällt Euch die Sache nicht, so kommt auch nicht weiter. Ich bin im Jahre nur einmal mildthätig."

Bennoit stand noch einen Moment wie sinnend da, dann schritt er langsam zur Thür hinaus. Martin sah ihm gleichgültig nach, zuckte die Achseln, legte sich stark zurück und gähnte behaglich. Hatte er wirklich nur Scherz mit dem armen Kerl getrieben?

3.

Ein Entschluß.

Mit Gedanken und Vorsätzen, wie Francois Bennoit kehren ge­wiß nach verbüßter Strafe viele, ja die meisten Verbrecher aus den Korrektionsanstalten aller Art zurück.

Die beleidigte Gesellschaft, das verletzte Gesetz üben Vergeltung für die allgemein schädlichen Ausschweifungen; sie strafen das übelthätige Individuum, das geht in unseren Verhältnissen einmal nicht anders, obwohl dieselben nicht immer angethan sind, dies Individuum vor Be­gehung von Verbrechen zu wahren und zu hüten. Ungleich größer aber, als die Strafe selbst, ist die Folge derselben, die Ausstoßung, welche nicht beabsichtigt wird, und doch erfolgt. Es ist bisher noch ein Prob­lem, den Verbrecher wieder völlig zu rehabilitieren und ihm möglich zu machen, ein braver Mensch zu werden und zu bleiben.

Hier zeigt sich übrigens recht, welche Ungerechtigkeit dieser moderne Tyrann, das Geld, ausübt. Ist der bestrafte Verbrecher reichlich mir demselben versehen, kaun er sich selbst heben und erheben, so hoch er Lust hat, ohne doch Reue zu empfinden oder gebessert zu sein.

Doch in diesem Falle sind aber nur wenig Leute der gedachten Kategorie. Die Armut, vielleicht die Veranlassung des ersten Verbrechens, ist der stete Begleiter des Verbrechers.