Vorgesetzten ersparen wollen. Wie sich herausstellte, hatte der Oheim das auf seinen Namen lautende Testament nicht ausgestellt und da von der Behörde sein testierender Namensvetter durch öffentliche Bekanntmachung vergeblich gesucht wurde, so lag der dringende Verdacht nahe, daß der Amtsrichter sich der Erbschleicherei schuldig gemacht habe. Das Gericht hielt das Verbrechen nach oieser Richtung jedoch nicht für ganz aufgeklärt, verurteilte Töpelmann aber zu 3 Jahren Gefängnis wegenBeseitigung einer öffentl. Urkunde.
* Leipzig, 24. Mai. Gestern erschien eine neue Broschüre Ahlwardts über das Judentum.
* Berlin, 21. Mai. Die „Post" will wissen, die neue Militärvorlage werde eine Vermehrung der taktischen Einheiten der Fußtruppen in umfangreichstem Maße enthalten, entsprechend den bekannten Ausführungen Caprivis über Ausnützung der steigenden Bevölkerungsziffer. Von Bildung neuer Armeekorps sei jkeine Rede, ein ganz allmählicher Uebergang zur zweijährigen Dienstzeit mit Ausschluß der berittenen Waffen stehe in Aussicht.
* Berlin, 24. Mai. Die „Nationalzeitung" teilt mit, die freiwilligen Beitragsanmeldungen zum Garantiefonds für die Berliner Weltausstellung betragen bereits über eine Million Mark.
* Berlin, 24. Mai. Der Reichskanzler Graf Caprivt ist gestern 10 Uhr 50 Min. abends eingetroffen.
* Die „Vossische Zeitung" erfährt: Der Kommandierende des Hauptquartiers des Zaren Generaladjutant Richter, ist inkognito in Berlin eingetroffen und in der russischen Botschaft ab- gesttegen.
* Kottbus, 18. Mai. Folgender schwere Unglücksfall hat sich hier ereignet: Der Bauer Lehmann aus Staubitz (ein Dorf in der nächsten Nähe von Kottbus), seine Frau und beide Söhne hatten die Erlaubnis den Inhalt der Grube auf dem Grundstück des Herrn Krumrey als Dünger für ihren Acker zu benutzen. Lehmann stieg in die Grube und reichte seinem ältesten Sohne den vollen Eimer herauf, der ihn wieder dem mit der Frau Lehmann eine Kette bildenden Bruder weiter gab. Als endlich das Heraufreichen unterblieb, stieg der älteste Sohn zu seinem Vater, um zu sehen, was geschehen, da jedoch auch er nicht wieder kam, kletterte auch der zweite Sohn unter Hilferufen die Leiter hinunter, auch die Mutter wollte folgen, wurde jedoch von dem herbeigeeilten Besitzer zurückgehalten; als dieser sich jedoch, um Stangen zu holen, entfernte, stieg Frau Lehmann auch in die Grube; alle vier wurden nach kurzer Zeit als Leichen herausgeholt. Die sofort angestellten Wiederbelebungsversuche waren leider fruchtlos. Gase hatten die Eltern und ihre beiden Söhne erstickt.
* Der „Posener Ztg." wird aus Pleschen gemeldet: Der Gendarm Krüger in Kuchary ist in der Nacht vom Samstag auf Sonntag gegen 12 Uhr in feiner Wohnung erschossen worden. Kr. war mit seinem Kollegen kurz vorher vom
Abpatrouillieren der russischen Grenze zurückgekehrt und saß in seinem Zimmer, um einen Bericht darüber abzufafsen, als ein Schuß durch das Fenster ihn in den Kopf traf. Zwei des Mordes verdächtige Männer sind verhaftet worden.
* Straßburg, 21.Mai. Das Kaiserliche Bezirkskommando in Saargemünd erläßt folgende Aufforderung: „Während der Herbstübungen sollen im Radfahren geübte und im Besitz von Fahrrädern befindliche Mannschaften des Beurlaubtenstandes eingezogen werden. Die betreffenden Mannschaften haben ihre Fahrräder mitzubringen und erhalten dafür neben ihren sonstigen Gebühren eine Abnutzungs-Entschädigung von 25 Mk. Diejenigen übungspflichtigen Reservisten, welche unter der Bedingung der Benutzung ihres eigenen Zweirades zur vorgedachten Uebung bereit sind, wollen sich baldigst beim Hauptmeldeamt Saargemünd bezw. Meldeamt Saarburg melden."
Ausländisches.
* Zürich, 23. Mai. Im oberen Zürchersee ertranken heute früh 7 von 15 überfahrendenTöch- tern des Klosters Wurmsbach bei Rapperswyl. Ins Schiff ist Wasser eingcdrnngen und ersteres plötzlich gesunken. Unter den Ertrunkenen befindet sich Pauline Vollmer von Waldsee (Württemberg) und Philippine Huber von Erzingen in Baden.
* Aus der Schweiz, 19. Mai. In Luzern ist ein Ehepaar Müller, das seiner Zeit auf falsche Zeugnisaussagen hin zu mehrjähriger Zuchthausstrafe verurteilt worden war, freigesprochen worden und erhält 10,000 Franken Entschädigung. Die wirkliche Thäterin wurde zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt, und die falschen Zeugen wandern ebendahin. Die Entschädigungspflicht des Staates gegenüber unschuldig Verurteilten wird nun in der Schweiz allgemein anerkannt, auch wenn sie gesetzlich nicht vorgeschrieben ist.
* (Die Wehrfähigkeit in der Schweiz.) Im Großen Rat hob Oberlieutenant Reynold hervor, daß von 19,000 Wehrpflichtigen des Kantons Freiburg nur 7500 wehrfähig seien; 60 °/g sind dienstfrei, im Kanton Waadt 43 °/o, in Unterwalden nur 39°/«. Woher diese Erscheinung in einem Kanton, der einst die kräftigsten und stattlichsten Soldaten für den fremden Kriegsdienst lieferte?
* Paris, 23. Mai. Pasteur soll ein Heilmittel gegen Epilepsie entdeckt haben, welches dasselbe wäre wie sein Hundswutmittel. Der Versuch an einem zehnjährigen Kinde sei bisher erfolgreich gewesen.
* Paris, 24. Mai. Die neue Entdeckung Pasteurs macht von sich reden. Der Gelehrte impfte vor einiger Zeit zwei von tollen Hunden gebissene Kinder, die gleichzeitig an Epilepsie litten. Der Ausbruch der Tollwut wurde verhütet, aber gleichzeitig wurde auch festgestellt, daß die Epilepsie nicht mehr auftrat. Daraufhin nahm Pasteur neuerdings bei einem an
häufigen epileptischen Krämpfen leidenden Kinde seine Tollwuttmpfung vor, die abermals das günstige Ergebnis gehabt haben soll, daß die Epilepsie verschwand. Pasteur selbst erklärt, daß die Sache noch nicht spruchreif sei und daß er weitere Versuche vornehmen wolle, ehe er über diese Entdeckung der Akademie der Medizin Mitteilung machen werde. Das Publikum ist neuerdings gegen Entdeckungen dieser Art etwas gleichgiltiger und skeptischer geworden.
* Ein blutiges Eifersuchtsdrama fand in Paris zwischen zwei Damen der höheren Gesellschaft statt. Eine wurde von der anderen mit dem Ehemann der letzteren überrascht und durch Revolverschüsse und Dolchstiche getötet. Die Getötete ist die Frau eines hohen Beamten in der Provinz.
. Endlich wieder einmal ein Lebenszeichen von der eingeschlagenen russisch-französischen Freundschaft: Herr Fery d'Esclands, der im Aufträge einer Anzahl Franzosen dem Zaren eine prachtvolle Stammtafel des russischen Herrenhauses überreicht hat, erzählt jetzt seine Reiseeindrücke. Eine sehr wichtige Aeußerung des Zaren, die Frankreich sehr günstig ist, will er nur Herrn Carnot Mitteilen, der ihn empfangen wird. Beim Frühstück, zu dem der Zar die französischen Gäste einlud, fragte er den jungen Lieutenant Fery d'Esclands, der seinen Vater begleitete: „Was werden Sie sich noch ansehen?" „Sire", erwiderte der Lieutenant, „ich habe Ew. Majestät gesehen, meine Reise ist zu Ende." Der Zar antwortete: „Nein, durchstreifen Sie Rußland. Ein französischer Offizier muß seine Abwesenheit bei uns benutzen, um mit seinen russischen Kameraden Bekanntschaft zu machen." In allen Standorten gab es Feste, man spielte die Marseillaise -und warf vor Freude den französischen Lieutenant nach russischer Art in die Luft. „Das Heer", fährt der Alte fort, „wünscht den Krieg mit Deutschland, glaubt aber nicht recht an ihn weil Rußland viel zu stark ist. General Gurko sagt mir: Ich bin eine Faust auf der Brust Deutschlands. Ein Befehl und ich stoße sie ein- Schließlich erwähnt Herr Fery d'Esclands, daß man in Rußland etwas verstimmt sei, weil Frankreich nichts für die Opfer der russischen Hungersnot gethan habe, und er hofft, die vorbereitete Festvorstellung in der Pariser Großen Oper werde diese Scharte auswetzen. Dazu ist es allerdings die höchste Zeit.
* Brüssel, 20. Mai. Ein Ingenieur aus Löwen hat eine Methode entdeckt, vermittelst deren geschmiedetes Eisen, Kupfer und Bronze im Wasserbade sofort durch Elektriciiät geschmolzen werden können.
* London, 30. Mai. Nach einer Meldung der „Commercial Gazette" ans Montreal sind die diesjährigen Ernteaussichten die günstigsten der letzten zehn Jahre. In ganz Kanada herrscht schönes warmes Wetter.
'London, 24. Mai. „Times" meldet aus Kalkutta, 23. Mai, daß die Cholera stark epidemisch im Kaschmirthale aufgetreten ist. In Srinagar fanden gestern 296 Erkrankungen und 146 Todesfälle statt.
* Christianig, 23. Mai. Das Storthtng beschloß mit 68 gegen 44 Stimmen die Abschaffung des Eides auf die Verfassung, den jeder Wahlberechtigte vor der ersten Teilnahme an den Storthingwahlen bisher leisten maßte.
'Petersburg, 22. Mai. Der Kaiser und die Kaiserin von Rußland, der Großfürst Thronfolger, der Großfürst Michael Alexandro- witsch und die Großfürstinnen Xenia und Olga
Der Jets des Verfluchten. (Nachdruck verboten.)
(Historische Erzählung von W. Grothe.)
«.Fortsetzung.)
Er setzte sich zitternd auf einen Sessel. Der Sohn verstand diese Furcht nicht und fragte ihn deshalb, ob ihn seine Wunden schmerzten.
„Pah, die Risse! Was wollen die sagen! In acht Tagen wäre alles heil," versetzte Iwan. „Ich wollte, ich könnte sie heilen. Jury, sterben ist entsetzlich."
„Wir werden nicht sterben."
Der Alte schüttelte das Haupt.
„Und wenn es denn gestorben sein muß," fuhr der Sohn fort, „so sei es mit Würde."
Der Vater machte eine unwillige Bewegung und flüsterte vor sich hin: „Aus! aus!" Dann zeigte er auf den Tisch und die Flaschen. — Jury schenkte einen Becher voll Wein ein und brachte ihn dem Vater. Dieser leerte ihn.
„Ich begreife dich nicht, Vater," ließ sich der Sohn vernehmen, „ist das derselbe Held, der so oft dem Tode, der Feldschlacht entgegengesehen hat?"
„Das ist etwas anderes, Jury. Da ist Kampf, da ist Hoffnung! hier starrt der hohläugige Tod. — Ob das Beil, wenn es den Hals durchschneidet, nicht entsetzliche Schmerzen bereitet? Mein Blut gefriert bei dem Gedanken." Er schauderte.
„Vater, fasse dich. Gib unseren Feinden nicht Gelegenheit zum Triumph über uns, wenn wir von dem Leben scheiden müssen."
„Ihnen einen Triumph über mich gönnen!" rief der Alte und sprang in die Höhe. „Nein, das wird niemals geschehen. Ich werde sie noch verhöhnen, wenn mein Haupt schon gefallen sein wird. Ha, du wirst sehen, daß ich da der Alte bin; aber dir gegenüber —! Ich bin
Soldat, den der Tod oft umflammt hat, aber zu sterben habe ich nicht gelernt. Ich habe tausend Leichen gesehen, ich habe die Achseln gezuckt. Jetzt sehe ich sie wieder, so kalt, so starr, so bewegungslos."
Ein Schauder schüttelte ihn.
„Gib mir Wein!" kreischte dann seine kraftlose Stimme. „Gib mir Wein!"
Der Sohn kam dem Befehle des Vaters nach, dessen Anblick ihn mit Mitleiden erfüllte, wie er so jämmerlich in Furcht fast verging und dem Tode nicht entgegenzublicken wagte. Er reichte ihm Wein und suchte seinen Mut auf jede Weise zu beleben; aber er vermochte es nicht. So verging Stunde auf Stunde.
Das Frührot schimmerte schon durch das Fenster, als das letzte Glas der vier Flaschen geleert war und Iwan Chowauskys Augenlider zufielen. Jury glaubte, daß er schliefe, und streckte sich auf das Lager, um zu schlummern, als der Vater wieder auffuhr und mit entsetzten Blicken um sich schaute. Sogleich sprang Jury in die Höhe.
„Ich kann nicht schlafen," stöhnte der Alte. „Sie scheuchen den Schlaf von mir."
„Wer, mein Vater?" fragte der Sohn.
„Ich habe ihrer seit Jahren nicht gedacht; aber jetzt kommen sie herbei."
„Du hast geträumt. Die Aufregung schafft Bilder, welche nicht da sind."
Mit hervorquellenden Augen schaute Iwan Chowansky um sich. Dann versetzte er: „Du hast recht — ich wollte, es wäre Morgen; die Nacht wäre vorüber."
Der Sohn zeigte auf das Fenster. „Es tagt bereits, lieber Vater."
Dieser schritt, auf Jurys Arm gestützt, zum Fenster und beide schauten hinaus. Ein bleiches Licht, welches sich von Augenblick zu Augenblick rötete, erhellte die Gegend. Der Turm, wo sie sich