* Stuttgart, 3. März. Im Bürger­museum fand gestern eine Versammlung statt, in der Dekan Dr. Köstlin von Blaufelden ge­gen die Zulassung von Männerorden in Würt­temberg sprach. Man nahm zum Schluß die Erklärung an, daß nach den wiederholten Er­klärungen über die ablehnende Haltung des K. Staatsministeriums gegenüber der Zulassung von Männerorden eine weitere Agitation über­flüssig erscheine.

* Urach, 29. Febr. Auf ergangene Ein­ladung hielt gestern nachm, imWilden Mann" Dr. Welker aus Ulm einen auch von auswärts sehr stark besuchten Vortrag, wobei er sich über das Thema verbreitete:Was kann und muß bei der gegenwärtigen Lage der Landwirtschaft und des Kleinhandwerks zur Hebung derselben für den Bauern- und Handwerkerstand ge­schehen?" In hinreißender, mit viel Humor gewürzter Rede schilderte er die mancherlei Auswüchse, welche die dermaligen unbefriedigen­den Zustände hervorgerufen haben und die Lage beider Stände immer nachteiliger beeinflussen, wozu in erster Linie auch die neuen Handels­verträge zu rechnen seien. Mit eindringlichen Worten mahnte er zu innigem Zusammenschluß und thatkräftiger Selbsthilfe, besonders auch durch Gründung von Darlehenskaffen und Orts­gruppen des Landesvercins, wodurch gegen wucherische Aussaugung, die Macht des Groß­kapitals, die namentlich im Börsentreiben schlimme Früchte zeitige, sowie gegen den sozialdemokra­tischen Ansturm ein wirksames Bollwerk auf­gerichtet werde. Diese Vereinigung werde im stände sein, bei Wahlen zum Land- und Reichs­tag mehr als seither die Wünsche und For­derungen zum erfolgreichen Ausdruck zu bringen zum Wohl des Vaterlandes, dessen beste Stütze ein zufriedener und arbeitsamer Mittelstand sei. Reicher Beifall und allseitige Zustimmung be­lohnten den gewandten Redner für seine über­zeugungsvollen Ausführungen.

* Vom Lande, 29. Febr. Nach der neuesten ökonomischen Statistik besitzt Württem­berg an Aeckern und Gartenländereien 879,34 > du, wovon 57,278.5, also 6,5 Proz. in die Brache kommen. An den Ackerländereien nimmt der Donaukreis mit 311,919 da, der Jagstkreis mit 215,908 ka, der Schwarzwaldkreis 189,549 kg, und der Neckarkreis mit 161,978 Kg, teil; an dem noch in Brache kommenden Teil nimmt der Jagstkreis mit 23,311 da, der Donaukreis mit 20,694 Kg, der Schwarzwaldkreis mit 11,874 Kg und der Neckarkreis mit 1,400 Kg teil. An Wiesenfläche besitzt Württemberg nach der neuesten Aufstellung 288,707 Ka, wovon 39,368 Kg nur einmähdig sind. Die einmäh- digen Wiesen sind am stärksten im Donaukreis mit 24 kg (auf 100 kg zweimähdige), am schwächster im Jagstkreis mit 9,37 Kg (auf 100 Ka zweimähdige) vertreten. An Weiden besitzt Württemberg zurzeit 62,050 Kg; unter diesen befinden sich sog.weiche" Weiden, das heißt solche, welche wenigstens eine Kuhweide

auf den Hektar ergeben, nur 1904 Kg. Die letzteren entfallen namentlich auf die oberschwä­bischen Bezirke Wangen, Leutkirch und Ell- wangen. An Weinbergen besitzt Württemberg 18,299.4 Kg. Die auf württembergischem Staats­gebiet liegende Gesamtwaldfläche beträgt nach den neuesten Aufzeichnungen 605,773 Kg oder 31 Prozent von dem ganzen Flächenraum Würt­tembergs.

' (Verschiedenes.) In Mössingen ist das Wohnhaus des Bauern Stotz nebst Scheuer vollständig abgebrannt. Eine Frau in Heidenheim hatte am Sonntag Glück. Sie füllte nemlich im Ofen Coaks nach und hörte dabei etwas klingen. Als sie nachsuchte, fand sie zu ihrem Erstaunen 2 Zwanzigmark­stücke. Am Samstag sind auf der Liederkranz- Redoute in Stuttgart 3000 Flaschen Cham­pagner getrunken worden. In Degerloch stürzte ein Zimmermann infolge eines Fehltritts in dem dunklen Hausöhrn so unglücklich die Treppe hinab, daß der Tod alsbald eintrat.

In Stuttgart sollen wieder verschiedene Brauereien zu einer Aktiengesellschaft verwandelt werden. Die Bachner'sche Brauerei ist erst um die Summe von 800 000 Mk. an eine Aktien­gesellschaft übergegangen. Ein Soldat des 3. württ. Jnf.-Reg. in Ludwigsburg hat sich 3 Finger der linken Hand mit dem Seiten­gewehr abgehauen; derselbe ist seit letzten Sonn­tag von der Compagnie unerlaubt abwesend und hat sich nun aus Furcht vor Strafe verstümmelt.

In Stuttgart ist eine Möbel- und Par­kettbodenfabrik infolge schlechten Geschäftsganges in Zahlungsstockung geraten, hat aber unter der Hand mit ihren Gläubigern arrangiert. Ein Schwenninger Fuhrmann kam unter seinen mit Stroh beladenen Wagen; er wurde eine Strecke weit geschleift und trug schwere Verletzungen davon, so daß an seinem Auf­kommen gezweifelt wird. Ebendaselbst hat sich! Metzger R. von Peterzell erhängt. In! Stuttgart spielte ein 3jähriger Knabe mit! Bohnen, wobei er eine solchem die Nase brachte. ^ Die Bohne kam von da in die Luftröhre und das Kind erlitt nach wenigen Minuten den Erstickungstod.

* Berlin, 1. März. Der Kaiser beab­sichtigt, wie dieMg. Reichs-Korr." wissen will, auf seiner diesjährigen Nordlandsreise auch die Insel Island aufzusuchen. In seiner Begleitung würden sich auch diesmal der Gesandte Graf zu Eulenburg, Vremierlieutenant v. Hülsen und Dr. Güßfeldt befinden.

^ Berlin, 1. März. Eine von 2000 Per­sonen besuchte anarchistische Versammlung er­klärte in einer Resolution, daß die Berliner Arbeiter nicht so wahnsinnig wären, sich als Versuchsobjekte für kleinkaltbrige Gewehre her­zugeben." An einer Schuhmacherversammlung beteiligten sich gestern mehrere Redner, die für den Anarchismus eine Lanze brachen.

* Berlin, 1. März. Der Gewährung von

Diäten an die Reichstagsabgeordneten soll die jetzige Regierung ebenso ablehnend wie die frühere gegenübsrstehen.

* Berlin, 2. März. Die Berliner Neuesten Nachrichten wurden gestern konfisziert wegen Abdrucks des Times-Artikels über die letzte Kaiserrede.

* Berlin, 2. März. DieKreuzztg." rechnet Liebknecht ein jährliches Einkommen aus der sozialdemokratischen Bewegung von 910000 Mark nach.

* Dem Reichstag ist der Gesetzentwurf wegen strengerer Bestrafung gewisser Arten von Ün- sittlichkeit und wegen Bewahrung des Geheim­nisses bei Gerichtsverhandlungen, die unter Aus­schluß der Oeffentlichkeit stattfinden, zugegangen. Nicht bloß die Verbreitung unsittlicher Schriften re., sondern auch schon der Besitz derselben zwecks Verbreitung werden hart bestraft, ebenso die Ankündigung und Auslegung. Das Zuhälter- tum und die Kuppelei erhalten strenge Strafen, die Wohnungsvermietung an Dirnen aber nicht, wenn solche nach polizeilicher Vorschrift erfolgt ist. Die Begründung sagt, daß der Prozeß Hetntze den Gesetzentwurf veranlaßt habe, weil den dabei zu Tage getretenen Mißständen mit der jetzigen Fassung der Gesetzparagraphen nicht deizukommen gewesen sei.

* Die Straßenunruhen in B e r l i n, die nun­mehr anscheinend ihr Ende gefunden haben, weisen aufs Neue auf die Thatsache hin, daß während man in den großen Städten über Mangel an Arbeit und Notstand klagt, das Land rings umher vergeblich nach Arbeitskräften ruft. Dieselben Leute, die in Berlin um Brot und Arbeit schreien, können Beides eine Meile vor den Thoren reichlich finden. Aber dann müßten sie fort aus der Stadt und das wollen sie eben nicht, weder die Arbeitslosen noch natür­lich die Arbeitsscheuen. Mit Recht sagt die Post": Die zur Zeit hier herrschende Arbeits­losigkeit ist die unvermeidliche Kehrseite des un­gesunden übermäßigen Zudranges von Arbeits­kräften in die Reichshauptstadt. Abgesehen von den gewichtigen prinzipiellen Gründen, hieße, jetzt hier künstliche Arbeitsgelegenheit zu schaffen, nichts Anderes als den Gesundungsprozeß hin­dern oder wenigstens verlangsamen. Sicher ist derselbe für den Einzelnen, welcher davon be­troffen wird hart. Das trifft aber bei allen Rückschlägen zu, welche die naturgemäße Folge von wirtschaftlicher Hypertrophie sind. Hierbei müssen aber, um wieder zu dauernd gesunden Zuständen zu kommen, die Härten der Ueber- gangszeit in Kauf genommen werden. Dringen­der aber wird die Frage, wie der Wiederkehr ungesunder Zustände in der Folge vorzubeugen ist." Bemerkenswert erscheint, daß auch die Nat.-Ztg." die Inangriffnahme besonderer städtischer Bauten deshalb verwirft, weil sie den Rückstrom der Arbeiter in die Provinz ver­hindern würde.

* Berlin. Bet dem Magistrat sind aus Anlaß der pöbelhaften Exzesse der letzten Tage

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Wahrheit gemäß sagen magst, daß mein Unwohlsein vom heutigen Abend mich verlassen hat, und ich mich der Ruhe erfreue." Sie reichte ihm die Hand.

Gute Nacht, liebes Fräulein! Der Himmel möge über Sie wachen!"

Amen!" setzte Christine hinzu.Und höre: du brauchst Fräu­leins Ausgehe-Stiefelchen nun nicht mehr mit in deine Behausung hinüber zu nehmen; kannst sie jeden Abend hier putzen, wie früher, ohne Furcht, die Arbeit am andern Morgen abermals thun zu müssen. . . Nun gute Nacht!"

Friedrich erwiderte den Nachtgruß seiner redlichen Mutter mit einem innigen Kusse, und diese begab sich mit ihrer jungen Herrin, welche dem wackeren Gärtner noch einmal mit freundlichem Lächeln zuwinkte, nach deren Zimmer.

, Ich habe dem Berichte Friedrichs, meine Anwesenheit in der Ka­pelle betreffend, nur wenig hinzuzufügen.

Nachdem ich auf dem Korridor im Schlosse Friedrichs Botschaft gelesen, die Antwort auf ein Blatt Papier aus meinem Notizbuche ge­schrieben und seinem Burschen übergeben, kehrte ich in den Saal zurück, wo eben eine Pause im Konzert eingetreten war, sagte meinen Verwandten, daß eine wichtige Nachricht hinsichtlich der entwichenen Gefangenen mich sofort nach der Stadt zurückrufe, bat den reichsgräflichen Haushof­meister, mich nach dem Konzert bei Seiner Erlaucht zu entschuldigen, warf mich in den ersten besten Wagen, dessen ich habhaft wurde, um mich von dem Kutscher gegen ein gutes Trinkgeld nach dem Seethore zurückfahren zu lassen.

Ich ahnte nicht, daß mein Vorgeben gegen den Onkel und die Tante der Wahrheit so nahe gekommen! In der Kapelle nahm ich glücklicherweise meinen Platz auf den oberen Stufen der alten Treppe,

wo ich, in tiefer Dunkelheit verborgen, ein Zeuge des zwischen Johanna und Theodor stattfindenden Austrittes wurde mit welchen Gefühlen, werden meine Leser sich selbst sagen können. Wiederholt mußte ich fürchten, ^ von dem morschen Holzwerk meine Anwesenheit zu früh verraten zu sehen. ZuLZ

Als ich nach Johannas und Friedrichs Entfernung die Schulter des in tiefer Ohnmacht liegenden Verwundeten vorsichtig entblößt hatte, fand ich meine zu Johanna geäußerte Vermutung bestätigt. Ich stillte das Blut und verband die Wunde so gut wie möglich und eilte dann, .HD Hilfe herbeizuholen. Ich wußte, daß Theodors Zustand an keine Flucht denken lasse. Z

Der Nachtwächter und mein nicht wenig erstaunter getreuer Burg- » wart waren bald in Bewegung gebracht. Durch sie ließ ich den noch ^ immer bewußtlosen Verwundeten ohne Aufsehen in die städtische Kranken- anstatt schaffen, während ich in der Kapelle die zu dem unterirdischen Gange führende Oeffnung bewachte, die von hier aus nicht verschlossen ^ werden konnte.

So hatte die vielerzählte, aber von mir und anderen nicht geglaubte -rr rLIZ Sage, daß unter den Kellern des Gerichtstnrmes noch Räume und Gänge aus früherer Zeit vorhanden seien, ihre Bestätigung gefunden. * ;

Nach der Rückkehr jener beiden von der Krankenanstalt ließ ich den Nachtwächter in der Kapelle zurück und begab mich mit Melzer in den Gerichtsturm, wo wir sofort mit der Nachforschung in Theodors Zelle begannen. Hier zeigte uns eine aufgeklappte Steinfläche den Ein­gang in den unterirdischen Gang. Diesen verfolgten wir in seinen viel­fachen Windungen bis zur Kapelle, ohne Elisabeth Werner vorzufindeu.

(Fortsetzung folgt.)

(Lesefrucht:) Jeder Mensch darf j über die Thorheiten der An­deren lachen, wenn er es auch über die seinigen thut. Sonst hat er ^ dazu das Recht verwirkt.