gezogen als nötig war, um ihnen dann neue Gebisse aufzudrängen.
* Aus Lahr in Baden wird geschrieben: Unsere Stadt, die dem Fürsten Bismarck in den 70er Jahren eine von einem reichen Bürger ererbte, in einem schönen Park gelegene Villa als Sommerfitz anbot, will ihm jetzt in dem Parke dieses Landhauses ein Denkmal errichten. Die nötigen Mittel sind bereits aufgebracht. Prof. Donndorf wird eine Büste aus Tiroler Marmor Herstellen, die etwa 90 Centimeter hoch auf einem Sandsteinsockel ihren Platz finden soll. Die Kosten betragen etwa 2400 Mk. Da die Stadt nur 10,000 Einwohner zählt, kann man aus dieser Summe auf fast allgemeine Beteiligung der Bevölkerung schließen.
* Frankenthal, 7. Nov. Der wegen Sittlichkeits - Verbrechen angeklagte, ehemalige Hauptlehrer der hiesigen Taubstummenanstalt, Kadner, wurde für 7 weitere Fälle insgesamt zu 12V, Jahr Zuchthaus verurteilt und der Lehrer der Anstalt, Henrich, wegen 2 weiteren Fällen insgesamt zu 2V» Jahr Gefängnis.
* Berlin. Zur Verbesserung der Krankenpflege auf dem Lande hat in diesen Tagen in Berlin eine Konferenz stattgefunden, die den Zweck verfolgt, die Sanitätskolonnen der Kriegervereine und die Vereine für innere Mission der Krankenpflege auf dem Lande dienstbar zu machen. In vielen Landorten seien ausgediente Lazarettgehilfen ; viele Geistliche sind bereits als Samariter ausgebildet. Alle diese Kräfte sollen jetzt organisiert werden, um in Unglücksfällen und dann in Krankheitsfällen überhaupt den Mitmenschen auf dem Lande dienstbar zu werden. Dann will man auch an die Ausbildung barmherziger Schwestern aus der Landbevölkerung für diese Herangehen.
* Berlin, 7. Nov. Dem verhafteten Bankier Wolfs war, wie der „Frkf.G.-Anz." wissen will, nahegelegt worden, Selbstmord auszuführen. Seine eigene Familie erwartete seinen Tod. Der Sachwalter Wolff's erklärte diesem, er könne 10 Jahre Zuchthaus bekommen. Auf seinem Tisch fand Wolfs einen Revolver und Gift. Er zog aber vor, weiterzuleben.
* Berlin, 7. Nov. Der Bankier Leipziger, der mit dem verhafteten Kommerzienrat Wolfs sogen. Wechselreiterei betrieben hat, ist nach der „Nat. Ztg." ebenfalls festgenommen worden. Eine Durchsuchung seines Geschäfts hat ergeben, daß nur noch wenige Depots vorhanden find.
' Berlin, 8. Nov. Dem Krach der Firma Wolfs und Htrschfeld ist alsbald ein neuer gefolgt: Die Inhaber des Bankgeschäfts Unter den Linden „Berliner Wechselbank Hermann Friedläuder und Sommerfeld", die Brüder Felix und Sigmund Sommerfeld haben sich in ihrem Büreau durch Schüsse in die Schläfe uudOeff- nen der Pulsadern das Leben genommen. Ein dritter Teilhaber, Hermann Friedländer, wohnt zur Zeit in Mentone und soll geisteskrank sein. Nach den bis jetzt vorliegenden Zeitungsangaben
liegt ein innerer Zusammenhang dieser neuen Katastrophe mit der Wolff'schen insofern vor, als eine Anzahl Kapitalisten, die den Sommer- feld's Depots anvertraut hatten, ängstlich geworden, bei der Firma erschienen und Vorzeigung oder Rückgabe der Depots verlangten. Die Sommerfeld versuchten erst Ausflüchte und wandten sich um Hilfe an Freunde. Der Schwiegervater des einen der Brüder, Bankier Pinkus soll bereit gewesen sein, mit 1200000 Mark auszuhelfen; allein einzelne Depotgläubiger hatten sich schon an den Staatsanwalt gewendet, und erschien die Kriminalpolizei, um die Bank zu visitieren. Nach einer Version erfolgte der gemeinsame Selbstmord der Brüder in dem Augenblick als die Kriminalbeamten erschienen. Friedländer und Sommerfeld sind Hofbankiers des Herzogs von Sachsen-Koburg-Gotha.
* Das „N. Tgbl." läßt sich schreiben: Die unheilvolle Reihe der Bankfallimente in Berlin kann noch nicht als beendigt gelten. Eine Panik hat sich des Publikums bemächtigt, Entsetzen lähmt die Börsen, die Geldzentren der Großstädte. Der Ansturm auf die Kassen, die Abholung der bei den Banquiers hinterlegten Werte wird fortgesetzt; das mißtrauisch gewordene Publikum verzichtet lieber auf Zinsen als in der stäten Unsicherheit um den meist sauer erworbenen Besitz zu leben. Das Schlimme ist, daß unter diesem plötzlichen Zurückziehen des Kapitals auch die darauf nicht vorbereiteten ehrlichen Bankfirmen zu leiden haben, daß eine Anzahl von Insolvenz-Erklärungen ganz unvermeidlich ist, wenn nicht schleunigst sich Konsortien bilden zur gemeinsamen Hilfe. Die großen Häuser wahren dadurch ihr eigenstes Interesse; auch sie beginnen zu merken, daß ihr Kredit nicht mehr io unantastbar feststeht wie bisher. „Sicher ist nur die Reichsbank oder das eigene Aufbewahren des Geldes!" Diese Losung hört man jetzt überall ausgeben. Die gewerbliche und industrielle Unternehmung ist gehemmt. Wie ungeheure Summen sind in ganz kurzer Zeit zerstoben, die Millionen gleichsam in den Boden gesunken! Ueberall klagen Geschädigte. So legt der Brand eines einzigen Hauses ganze Straßen in Asche. Der Zündstoff war seit langem zusammengehäuft, überladen noch durch das Wiedererwachen des Gründungsfiebers im vergangenen Jahre. Jetzt kommt die Reaktion, verschärft durch die Mißernte, durch das Nahen des Winters.
* Berlin, 9. Nov. Nach dem preußischen „Staats-Anz." verlieh der König von Preußen dem kommandierenden General des 13. Armeekorps Generallieutenant v. Wölckern den Kronenorden 1. Klaffe.
* Berlin, 10. Nov. Es heißt, die kaiserliche Familie residiere den ganzen Winter in Potsdam und käme nur zu größeren Festlichkeiten nach Berlin.
* Berlin, 10. Nov. Der Voranschlag des Reichshaushalts steht in Einnahmen und Ausgaben mit 1216 Millionen im Gleichgewicht.
Die fortdauernden Ausgaben betragen 956 Millionen, von den einmaligen Ausgaben entfallen 70 Millionen auf das Ordinarium und 160 Millionen auf das Extra-Ordinarium.
* Beamte des preuß. Ministeriums des Innern haben sich nach Hamburg begeben, um dort eine Frage zu studieren, die durch den letzten kais. Erlaß in den Vordergrund der öffentlichen Erörterung gestellt worden ist. Es handelt sich um jene öffentlichen Häuser, deren Wiedereinführung in Berlin nach mehr als 30- jähriger Unterbrechung beschlossene Sache sein soll. Hand in Hand damit soll dem Vernehmen nach die Unterdrückung der zahlreichen öffentlichen Balllokale der Reichshauptstadt gehen. Auch soll den Wiener Cafes, in denen bisher die Angehörigen der sogen. Halbwelt verkehrten, die Nachtkonzession entzogen werden. Die Sittenpolizei soll ganz nach englischem Muster umgestaltet werden. Da der erste Teil dieser Maßregeln nur auf dem Wege einer Aender- ung der Reichsgesetzgebung durchgeführt werden könnte, so wiro sich der Reichstag, vielleicht noch während seiner laufenden Tagung, mit dieser Frage zu beschäftigen haben.
* Gtogau. Gegen das feige Denunziantentum erläßt der erste Staatsanwalt am hiesigen Landgericht eine sehr zeitgemäße amtliche Erklärung. Die große Anzahl von Denunziationen, welche ohne bezw. mit falscher Unterschrift bei der Staatsanwaltschaft etngehen und deren Verfasser in den meisten Fällen nur rein persönliche und oft recht unlautere Zwecke verfolgen, soll nach jener Bekanntmachung nur dann zu weiteren Maßnahmen anregen, wenn durch anderweit ermittelte Umstände der Inhalt der Anzeigen unterstützt wird. „Wer zu feig ist," heißt es am Schluffe jener Bekanntmachung wörtlich, „um für seine Behauptung mit seinem Namen einzutreten, begründet den Verdacht der Unglaubwürdigkeit und hat eine Berücksichtigung seiner Anzeige nicht za beanspruchen."
* Gcispolsheim (Elsaß), 6. Nov. Ein schreckliches Vorkommnis, man nimmt an ein Raubmord, bildet den Gegenstand aller Gespräche. Der Ackerer Busch, genannt Diemer, aus Enzheim kam gestern abend hierher, um beim Notar einen gekauften Hof auszuzahlen. In einer hiesigen Wirtschaft traf er einen Bekannten, mit dem er sich bis nach 11 Uhr unterhielt, worauf er den Heimweg antrat. Etwa 50 Schritte von der Wirtschaft fand man ihn heute morgen bewußtlos in seinem Blute, daneben einen dicken Hebel. Der gelöste Kaufbrief lag auf dem Wege; das Geldtäschchen fehlte. Am Aufkommen des schrecklich Zugerichteten wird gezweifelt. Allgemeiner Annahme nach lieg: ein Raubmord vor.
Ausländisches.
" Bern. Wegen des Brandes in Meiringen ist die Witwe Katharina Brügger, deren unverantwortliche Fahrlässigkeit denselben herbeigeführt hat, verhaftet worden.
Der Wttnbe.
Novelle von Alp ho ns e de Launay.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Deine Mama und Elise hatten braune Haare und ich habe nur die Empfindung dieser Farbennüancen. Deine Augen sind blau, wie die Farbe des Himmels! Aber ich weiß nichts mehr, es ist so lange her, daß ich den Himmel gesehen. Dein Mund, sagt mir deine Mama, ist wie eine Rosenknospe! Ach! Welche Freude, wenn ich alles das kennen werde und mir sagen kanu: Diese blonden Haare, diese blauen Augen, diese Purpurlippen gehören mir, das ist ineine kleine Lina, mein liebes herziges Kind! Adele, mein Lieb, du bist niemals des Anblicks deiner Kinder beraubt gewesen, du bist an ihre Züge gewöhnt und du kannst nicht wissen, welch wunderbares Ereignis es für einen Unglücklichen, wie ich es war, sein muß, plötzlich all diese Schönheiten wahrzunehmen. In höchstens vierzehn Tagen, vielleicht schon in acht, werde ich erwachen, aus meinem Grabe schreiten und mich zum Lichte wenden! Linchen, mein Goldkind, dann wirst du deinem bösen Papa nicht mehr vorwerfen, daß er dich in deinem neuen Kleidchen nicht ansehen will!"
Alle diese Freudenergüsse des armen Antoine wurden von Madame Berard mit traurigem Schweigen ausgenommen. Antoine wollte ihre Stimme hören; auch sie sollte in Dank und Lobpreisung einstimmen.
„Meine liebe Adele, sprich doch!" bat er. „Sage mir doch, daß du auch glücklich bist! Das große Ereignis hat dich, wie es scheint, ganz überwältigt! Ich hoffe doch nicht, daß du Zweifel hegst? Unser Arzt ist berühmt, er hat schon staunenswerte Kuren gemacht! Seine ausführlichen Angaben müssen dich doch vollständig beruhigt haben."
„Mein Lieber," antwortete zögernd Madame Berard. „ich kenne .hn nicht und ich gestehe dir, daß ich nur geringes Vertrauen in seine
Versprechungen habe. Er hat dich zufällig getroffen, dein Fall schien ihm sonderbar oder interessant und er wird nun an dir Proben anstellen. Die Aerzte lauern interessanten Operationen ebenso auf, wie ein Maler einem schönen Modelle!"
„Oho!" rief Antoine.
„O! ja, so ist es," fuhr Adele fort, „und ich bin eben beunruhigt, daß du schon an nichts anderes, als an einen Erfolg denkst, der für mich nichts weniger als sicher ist, und deine heutige Freude gibt mir einen Maßstab für deinen Schmerz, wenn die Operation fehlschlägt! Glaubst du, ich nähme schöne Versprechungen für bare Münze? Ach, mein Freund, es wäre das klügste, du würdest dein Unglück in Ergebung tragen! Ich beklage dich gewiß von ganzem Herzen, ich gäbe gerne zehn Jahre meines Lebens hin, um dir die Freuden zu bereiten, die du soeben geschildert hast.
„Aber," fuhr Adele fort, „dich den Händen der Operateure auszuliefern, die dich größere Schmerzen fühlen lassen und dich schließlich doch nicht heilen werden, die nur deine Gesundheit untergraben und dir neuen und den schwersten Kummer zufügen werden, nein, siehst du, das bringt mich ganz aus dem Häuschen. Bei uns sind die Aerzte auch nicht dümmer als die anderen und du weißt, alle haben dich für unheilbar erklärt. — Gott, wenn ich daran denke, wie du dich wieder unnütz schinden lassen willst!" schloß sie händeringend.
„Arme Adele," hob Antoine traurig an, „du vergällst mir mein ganzes Glück! Ich war soeben noch so zufrieden! Nun schüttest du einen ganzen Eimer eiskalten Wassers auf meine Begeisterung. Hättest du jemals in meiner Seele gelesen seit dem Tage, an welchem ich vernichtet wurde, du würdest besser den glühenden Eifer verstehen, mit welchem ich mich an diese Hoffnung festklammere Md du würdest mich noch ermutigen zu größerer Hoffnung!"