* Rom, 9. Nov. Die Gruft der Gräfin Mirafiori, weiland morganatischen Gemahlin des Königs Viktor Emanucl, wurde erbrochen und in Brand gesteckt. Das Feuer wurde noch rechtzeitg entdeckt und gelöscht. Der Thäter entkam. Man vermutet einen Racheakt eines entlassenen Dieners.
* Auf der Börse in Paris herrscht gegenwärtig große Mutlosigkeit. Die Adendbörse am 2. Nov. glich nahezu einem „ürach." Nicht nur Spanier und Portugiesen purzelten übereinander, sondern auch die französische Rente. Von mittags 1 Uhr bis abends 10 Uhr wich die Rente um 1 Fr. Der Beschützer der jüngsten russischen Anleihe, der „Credit Foncier," hat gestern und heute in ungeahnte Tiefen steigen müssen. Uebrigens ist diese russische Anleihe von dem Tage ihrer Geburt an stetig gefallen; heule steht sie nun volle 15 Franken auf die Obligationen niedriger, als bei der Ausgabe. Was werden die Russen zu dieser Nichtachtung ihres bnndesgenössischen großen Pumpes sagen? Und was wird aus der bereits in Aussicht gestellten neuesten russischen Anleihe werden? Wahrscheinlich gar nichts. So tief hat der russische Credit hier wohl lange nicht gestanden, wie jetzt nach der in Champagnerströmen besiegelten Freundschaft.
* London, 10. Nov. Privatdcpeschen aus Rio de Janeiro lassen den Ausbruch einer Revolution sicher erwarten. Außer von der Provinz Rio Grande wird auch aus der Provinz Bahia eine Unabhängigkeitsbewegung gemeldet.
* London, 10. Nov. Bei dem Lordmayors - Bankett erklärte Lord Salisbury, das Ergebnis der irischen Politik sei befriedigend. Bezüglich der auswärtigen Angelegenheiten existiere gegenwärtig nicht das kleinste Wölkchen, das den Frieden bedrohe. Die Kriegssührung der Nationen scheine durch die industrielle Konkurrenz der erlöschenden Handelsverträge sich dem Handelskrieg zuzuwenden, wobei England zeitweilig isoliert stehe. Die amerikanischen Wahlen zeigen, daß dort die leichte Reaktion gegen den Schutzzoll vorüber sei. England halte an dem Freihandel fest.
* Petersburg, 9. Nov. Das dänische Königspaar wird nach der Rückkehr von Livadia dem deutschen Kaiserhofe einen Besuch abstatten.
* Petersburg, 10. Nov. Der Grasch- danin erhielt eine scharfe Verwarnung wegen mehrerer gegen den König von Rumänien gerichteter Angriffe. Der Graschdanin hatte das rumänische Volk aufgefordert, die Dynastie des Hohenzollern zu vertreiben.
* Dem „Standard" zufolge machte ein bei der politischen und finanziellen St. Petersburger Welt auf das Beste angeschriebener Russe nachstehende Eröffnungen. Der diesjährige Fehlbetrag wird bis Ende Okt. im russischen Finanzministerium auf 160 Millionen Rubel veranschlagt und dürfte bis Ende Dezember sicherlich 200 Millionen übersteigen, eine Summe,
welche die französische Anleihe gerade gedeckt hat. Der nächstjährige Fehlbetrag muß notgedrungen weit größer als in diesem Jahre sein, m welchem die Hungersnot erst begonnen hat, und es wird nichts Anderes mehr übrig bleiben, als seine Zuflucht zu einer neuen Anleihe zu nehmen. Die amtliche Welt von St. Petersburg ist über den Eindruck beunruhigt, welchen die Berichte von Hause auf den Zaren während seines Aufenthalts in Dänemark gemacht haben. Es wurde ihm gemeldet, daß nicht allein die Reservekornspeicher in den Dörfern, nein, daß auch die militärischen Getreidespeicher, welche von ihrem Ueberfluß dem Volk hätten abgeben sollen, leer ständen. Der Zar war über diese Mitteilung in hohem Grade ausgebracht, und den Bemerkungen nach zu schließen, welche bei der Gelegenheit von seinen Lippen fiel, ist Se. Majestät keineswegs sicher, ob sich nicht die Pulver- und sonstigen militärischen Magazine in dem gleichen Zustande, wie die Getreidespeicher befinden. Die riefe Niedergeschlagenheit und der Mißmut des Zaren erklären vielleicht allein schon, weshalb er durch Deutschland gereist ist, ohne mit Kaiser Wilhelm zusammenzukommen.
* Konstantinopel, 7. Nov. Vorgestern wurden hier 800 russische Juden, Männer, Frauen und Kinder, auf einem französischen Dampfer eingeschifft und über Marseille nach Buenos Ayrcs gebracht. Die Transportkosten bestreitet des Baron Hirsch Kolonisations-Komitee.
* Ungeheure Summen sind bei dm amerikanischen Slaatswahlen zu Bestechungszwe- Sen verwandt worden. In Ohio und Pennsylvania sind die Republikaner weit wohlhabender und konnten daher mehr Geld ausgeben, als ihre Gegner. In New Jork aber haben beide Parteien Geld und Flower, der Kandidat der Demokraten, ist ein reicher Mann. Ein hervorragender New Jorker Republikaner hat offen erklärt, der Staat New Jork sei für 1 000 000 Doll, von den Demokraten gekauft worden. Tammany Hall soll 200000 Doll, aufgetrieben haben, indem sie die demokratischen Beamren tüchtig bluten ließ. Die New Jorker Schnapshändler wurden gleichfalls um 300 Doll, bis 400 000 Doll, gebüßt. Die Agenten der Demokraten boten überall im Staat den Wählern je 5 Doll, an, wenn sie nicht stimmen wollten. In Troy sollen einem republikanischen Wahlinspektor 2000 Doll, angeboren worden sein, wenn er Wahlbetrug verüben wollte. Dies mögen ja Parteiübertrcib- ungen sein, aber es bleibt doch noch genug übrig, um die Demokratie der neuen Welt nicht sehr verlockend zu machen für Leute, die noch c:>vas auf Recht und Sittlichkeit halten.
Handel «ud Berkehr.
* Stuttg art, O.Novbr. (Landesproduktenbörse.) Die Börse ist gut besucht; infolge hoher Forderungen wenig Geschäft, mit Ausnahme von Gerste, wovon ca. 10000 Ztr. verkauft wurden. Wir notieren per 100 -rilogr.: Wet
zen, württ. Land 24.10, rufs. 26.25, Gerste, la. Nördlinger 19.50, bis 20, fränk. 19.40, bayerisch 19, bis 19.10, niederbayertsch 18.75, bis 20. Haber gewöhnlich 15.40, bis 15.70 prima 16, bis 16.25. Mehlpreise Pr. lOO Klogr. inkl. Sack bei Wagenladung: Suppengries: 40. Mehl Nr. 0: 39.50 bis 40.50, do. Nr. 1: 37.50 bis 38.50, do. Nr. 2: 35.50 bis 36.50, do. Nr. 3: 33.50 bis 34.50, do. Nr. 4: 30 bis 30.50. Kleie mit Sack 10.80. pr. 100 Kilo je nach Qualität.
* Stuttgart, 7. Novbr. (Kartoffel- und Krautmarkt.) Zufuhr: 100 Ztr. Kartoffeln. Preis 4 Mk. bis 5 Mk. pr. Ztr. — Zufuhr 3000 Stück Filderkraut. Preis 14 bis 15 Mk. pr 100 Stück.
* Stuttgart, 9. Nov. Güterbahnhof. Zufuhr 38 Waggons — 7600 Ztr. (9 österr., 1 bayer., 28 schweiz.) Mostobst. Preis per Waggon 900 Mk., per Ztr 4 Mk. 70 Pf. (schweiz. 790 bis 830 Mk.), und 4 Mk 10 bis 4 Mk. 40 Pfennig.
* Stuttgart, 9. Nov. (Hopfenmarkt.) Die heutige Zufuhr betrug 70 Ballen. Verkauf fest zu unveränderten Preisen. Wir notieren für Primaware 110—120 Mk., Mittel- Ware 60—100 Mk., geringe Ware 80—90 Mk.
* Rottenburg, S. Novbr. Der überaus rasche Abgang der heurigen Hopfen und die große Schwierigkeit, jetzt solche zu erlangen, hat die Preise abermals in die Höhe gebrückt. Es werden nun bis zu 130 Mk. per Ztr. bezahlt, netto das Doppelte des diesjährigen Anfangspreises.
* Aus der Vorbachgegend, 8. Nov- Nachdem der Handel in Braugerste einige Zeit stockte und auch im Preis bis auf unter 8 Mk. herabging, hat sich derselbe wieder befestigt, so daß diese Woche iv einem Orte der Gegend allein gegen 700 Ztr. zu 8 Mk. 65 Pf. von Brauern abgeführt wurden. In Haber ist der Handel auch belebt und wird mit 6 Mk. 80 Pf. bis 7 Mk. per Zentner bezahlt.
* Reutlingen, 7. Nov. Unser Markt, dem jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag die Alb ihren Holzreichtum zuführt, wies seit Jahren nicht Preise von ähnlicher Höhe auf wie in den letzten Wochen. Während in früheren Jahren schönes Buchenholz dem Raummeter nach zu 8Mk. seil geboten wurde, stellen sich heutzutage die Preise auf 12 — 13.50 Mk. Dieser Aufschlag trifft den ärmeren Teil der Bevölkerung um so empfindlicher, als derselbe vorzugsweise auf Holzfeuerung angewiesen ist, da in gewöhnlichen Wohnungen keine Einrichtungen für Kohlenfeuerung getroffen sind, die jedenfalls ungleich wohlfeiler zu stehen käme.
* Mit dem 1. Dezember soll auch auf den württ. Staatseisenbahnen die Unzulässigkeit der Viehbeförderuug an Sonn- und Feiertagen ein- treten; Hunde und Pferde sind von diesem Ver- bvle ausgenommen.
Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Altensteig.
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Elise erhob sich bewegt und umarmte ihren Vater.
„Lieber Vater," sagte sie, „du mußt Mama nicht zürnen! Mama fürchtet sich, dich leiden zu sehen! Aber wenn es entschieden sein wird, dann wirst du sehen, daß wir dir zur Seite stehen, über dich wachen und dir Acut einflößen."
„Mein armes Kind," antwortete Antoine, indem er ihren Knß zurückgab, „es scheint, deine Mutter wünscht es nicht!"
„Ich! Ich wünsche es nicht?" unterbrach Madame Berard; „Gott behüte, mein Lieber, ganz wie du willst. Ich will den lieben Gott bitten, daß er dir Heilung sende, da das dein einziger Wunsch ist. Unsere Ersparnisse werden zwar draufgehen, aber, was liegt daran, wenn du nur glücklich bist."
„Wie? was? Unsere Ersparnisse werden draufgehen?"
„Na, was denn anders? Glaubst du, daß diese Herren ihre Instrumente für nichts anwenden? Eine Operation kostet wenigstens tausend Frank."
„Bah, bah, bah, davon ist gar keine Rede!" machte Antoine, der sich schon ganz getröstet bei dem Gedanken fühlte, der Widerstand seiner Frau rühre nur von der Furcht vor einer Ausgabe her, die sie arm machen könnte. „Die Operation wird mich keinen Centime kosten. Herr Wranowitsch hat es mir gesagt! Er nimmt mich in seine MnUiin Hofpital und ich habe gar keine Auslagen zu machen.
Bei dem Worte „Hospital" sprach Madame Berard in Hellem Zorne auf.
„Ins Hospital!" schrie sie erregt, „du ins Hospital! Und du bildest drr wohl ein, ich würde das dulden? Bist du denn ohne Familie, von allen verlassen! Soll man sagen, ich hätte dich auf der Straße sielaffen und man hätte dich aufgelesen, um im Hospital für dich zu sorgen?"
„Aber nein, meine Liebe, aber nein!" beschwichtigte Antoine. „Kein Mensch wird so etwas glauben! Aber im Hospital ist man bei solchen Operationen besser aufgehoben, als selbst in seiner Familie.
„Antoine," sagte Adele, „nach dem Hospital zu gehen, wenn du eine Frau und eine Tochter um dich hast, die dich pflegen können, ist die größte Schande, die du Elise und mir anthun kannst. Ueberlege doch! Das Hospital! Siehst du, das würde gerade noch fehlen."
Sie erhob sich, außer sich vor Aufregung. Sie ging von einem Zimmer in das andere, und wiederholte in immer größerer Entrüstung: „Das Hospital! das Hospital!"
Schließlich sagte sie, nach der Uhr sehend:
„Halb zwei! Vorwärts, es ist Zeit! Wir haben noch zwei Tage Zeit, an alles zu denken. Du kannst über das, was ich gesagt, Nachdenken, Antoine, bedenke auch meine Unruhe und Besorgnisse und sage dir selbst, daß es nur die Sorge um dich, mein großes Und, ist, die mich so sprechen läßt!"
Sie rief der alten Dienerin.
„Madame Chevaine," sagte sie, „führen Sie den Herrn an seinen Platz."
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Als Antoine an diesem Abende zur gewöhnlichen Stunde zurnck- kehrte, brachte er reichliche Almosen mit. Wianowitsch hatte seinen Schülern von seiner Entdeckung erzählt und die meisten derselben hatten sich den interessanten Fall ansehen wollen und keiner verfehlte, bei dieser Gelegenheit ein Sitberstückchen in das Blechkästchen fallen zu lassen. Madame Berard zählte mehr als zwanzig Frank. Sie stieß einen schweren Seufzer aus.
(Fortsetzung folgt.)