Die Lage in Westdeutschland
Gemeinschaftliche Verhandlungen der Parteien im Eisenkonslikt.
Berlin, 13. Nvv. Der Bermittlungsaktion des Düsseldorfer Regierungspräsidenten Bergmann ist bereits ein erfreulicher Erfolg beschicken worden. Sowohl die Vertreter der Arbeitgeber, wie diejenigen der Arbeitnehmer haben sich zn Verhandlungen mit dem Ziel der Beilegung des Eisenkon- Uiktes einverstanden erklärt. Regierungspräsident Berg- nann wird also nun die beiden Gruppen zu einer gcinein- chastlichen Konferenz laden und versuchen, eine Einigung über den neuen Tarif herbeizusühren. Nach Lage der Dinge gibt cs keinen anderen Weg, alS den der direkten Verhandlungen, um aus den Schwierigkeiten heransznkommen. Man darf sich wohl der Hoffnung hingebcn, daß es nunmehr gelingt, sofort zu einem Schlußergebnis zn kommen, so das! auf eine weitere Inanspruchnahme des Arbeitsgerichts verzichtet werden kann.
Die kommunistischen Treibereien im Ruhrgebiet
TU. Essen, 14. Nov. Die von den Kommunisten ausgegebenen Richtlinien beginnen sich in der Praris auszuwirken. Es deutet alles darauf hin, baß die von den Kommunisten beabsichtigte Verschärfung der Situation eintreten wird. Die geplante Aktion wendet sich vor allem gegen die Notstandsarbeiter unter der Behauptung, daß es sich bei diesen Notstandsarbeiten um Streikbrucharbeit durch Faschisten handele. Die Angehörigen des Noten Frontkämpferbundes werden aufgefordert, in Uniform Streikschutzkolonnen zusammenzn- stellen und Streikposten zu besetzen. Wo die Kräfte des Noten Frontkämpferbundes allein nicht ausreichen, sollen Ausgesperrte und Erwerbslose herangezogen werden. Die Maßnahmen sind vor allem auch für de» Fall geplant, daß die anscheinend von den Kommunisten in starkem Umfange befürchtete freiwillige Wiederaufnahme der Arbeit durchgeführt werden sollte. Für diesen Fall werden die Noten Frontkämpfer jetzt schon aufgefordert, geschlossen und uniformiert vor den Betrieben anzutreten und sog. Streikbrecherarbeit zu verhindern. Unabhängig davon ist auch die Aufforderung ergangen, daß schon jetzt vor den Betrieben demonstriert wird.
Zunahme der Arbeitslosigkeit im Reich
TU Berlin, 14. Nov. Amtlich wird mitgeteilt: In der Statistik der unterstützten Arbeitslosen tritt jetzt der Beginn der winterlichen Arbeitslosigkeit bereits deutlich in Erscheinung. In der Zeit vom 18. bis 31. Oktober ist die Zahl der Hauptunterstütznngsempfänger in der Arbeitslosenversicherung von rund 593 6VV auf 671 000 gestiegen, das ist um 77 400 oder um 13 Prozent. Die Zunahme ist bei den männlichen Hauptunterstütznngsempfängern mlt 16 v. H. beben, tend stärker als bei den weiblichen t4,3 v. H.), die in der Berichtszeit zum erstenmal seit Ende Juni eine Steigerung zu verzeichnen haben. Demgegenüber ist in der Krisenuntcr- stützung die Zahl der Hauptunterstütznngsempfänger nur unerheblich gestiegen lvon rund 89 700 auf 93 000 oder um 3,6 v. H.) Die Zunahme betrug hier bei den Männern 3,8 v. H., bei den Frauen 2,7 v. H.
Der 10. Jahrestag der Republik in Oesterreich
TU. Wien, 14. Nov. Anläßlich des 10jährigen Bestehens Der Republik Oesterreich empfing Bundesprüsident Hämisch das Präsidium des Nationalrates, sowie den Vorsitzenden des Bundcsrates. Bundeskanzler Dr. Seipel hielt hierbei
Die für einander find
Roman von Fr. Lehne
<23. Fortsetzung) (Nachdruck verboten)
Du hast nur spionieren wollen! Ja, der Baron ist schon fort; er hat nicht einmal nach Dir gefragt — damit Du es weißt —
Porzia tänzelte in ihren stets zn engen, hochhackigen Schuhen nach der Wand, an der ihre Laute mit einem schön bemalten Band hing, nahm sie herunter und fing an zu spielen und mit schmelzender Stimme zu singen: „Zu Deinen Füßen laß mich ruh'n und Dir in's Auge fchau'n —"
„Ach, Porzia, das hat doch Zeit bis heute abend — lachte Julia, „setzt sei aber so gut und rühre auch mal eine Sand — so wichtig ist Dein Geklimpere nicht —"
„Mein Gott, wo lernt nur Julia diese furchtbaren Manieren!" stöhnte Porzia, „man muß immer Angst haben, daß sie sich und uns bei andren dadurch blamiert —"
Lachend tippte Julia mit dem Finger ein paarmal auf ihre Stirn, sah Porzia dabei an und lief dann in die Küche.
Lukrezia, Porzia, Birgilia waren am Nachmittage in eifriger Tätigkeit — sie deckten den Tisch zum Abend. Das beste Tischtuch wurde aus dem Schrank genommen,' darauf legte Lukrezia einen Tischläufer ans Krepp-Papier, den sie mit großen, phantastischen Blumenranken bemalt hatte. Alle Blumenvasen wurden mit buntfarbigen Astern, die sie nach Tische schnell gekauft, gefüllt,' die Blumen wurden auch, mit Tannenzweigen vermischt, lose auf den Tisch verstreut.
„Na, willst Du nicht auch gleich in jede Teetasse eine Blume stecken?" meinte Julia ironisch, die sich davon überzeugen wollte, ob „man bis heute abend denn fertig mit Tischdecken sein würde!"
eine Ansprache, in der er ». a. ausführte: Was unsere Außenpolitik anlangt, dürfen wir nicht übersehen, daß es nicht leicht sein konnte, die auf die Großmachtstellung des früheren Kaiserreichs eingestellte Denkweise unserer Mitglieder in Einklang zu dein Umfang unseres neuen Staatsgebietes zu bringen, dessen Grenzen der Wille der Siegerstaaten einseitig ohne praktische Anerkennung deS Selbstbestimmungsrechtes der Völker bestimmt hat. Das Schicksal, das wir auch heute noch nicht den Weg aus einem so beengten Lebens- und Wirtschafts- ranm herausgefnnden haben, in dem die kulturellen und wirtschaftlichen Kräfte unseres Volkes nicht zur vollen Entfaltung gelangen können, teilen mir, wenn auch in einem gewissen Abstand, mit unseren Nachbarn. Ihrer weiteren Entwicklung dürfen unsere aufrichtigen Wünsche um so mehr gelten, als die Herstellung freundnachbarlichcr Beziehungen nach allen Seiten der Ausgang und Schlüsselpunkt für unsere ganze auswärtige Politik ist und bleiben soll.
Nach dem Vorbeimarsch der Bundeshccre auf dem Stephansplatz anläßlich der Feier der Republik kam cs beim Rückmarsch eines Bataillons Infanterie in die Kaserne zu st ü rmischen Sze n cu. In den Straßen, durch die das Bataillon zog, hatten sich viele Sozialdemokraten ausgestellt und empfingen die Truppen mit Pfeifen und lauten Pfuirufen. Die Sozialdemokraten versuchten mehrmals, den Marsch der Abteilung zu durchbrechen. Zwischen ihnen und den übrigen Zuschauern kam es zu Plänkeleien, denen die Sicherheitswachc durch die Verhaftung der Ruhestörer ein Ende machte.
Briand zur Reparalions- und Räuü uncjsfrage
Die erste Nummer der neu erschienenen französischen Wochenzeitschrift „Grignoire" veröffentlicht eine bemerkenswerte Unterredung mit Briand, worin er sich über seine Politik in den letzten beiden Jahren äußerte. Briand betonte, daß es im Vertrag von Versailles zivci Punkte gebe, die die französischen Beziehungen zn Deutschland schwierig gestalten. Deutschland habe daS Recht, in jedem Augenblick bezüglich seiner Reparationszahlungen zu verlangen, daß man aufs neue den genauen Stand seiner Einnahmequellen prüfe, die ihm eine Zahlung oder Nichtzahlung erlauben. Andererseits könne es behaupten, daß es nach der treuen Ausführung der Vertragsbedingungen als Gegenleistung die vorzeitige Räumung des NheiulandcS beanspruche. Er habe immer gewollt, und er wolle noch weiter diesen vorläufigen Zustand, wodurch alles jederzeit in Frage gestellt werden könne, durch etwas Endgültiges ersehen. Dieses Ziel habe er verfolgt und verfolge es weiter, überzeugt, daß eine Entspannung in den deutsch-französischen Beziehungen, die bald von einer Annäherung gefolgt würden, das einzige Mittel zur Anfrcchterhaltuug des Friedens, der Ruhe und, man könne sogar sagen, der Zivilisation sei.
Die russisch-amerikan. Handelsbeziehmiqen
Der amerikanische Sachverständige Dewey in Moskau.
Til Kowno, 14. Nov. Wie aus Moskau gemeldet wird, traf aM Dienstag abend der amerikanische Sachverständige
kn Polen, Dewey, in Moskau ein. Dewey wurde bereits an der Grenze von Vertretern der Sowjctregierung empfangen. Der Svwjetpresse erklärte er, daß es seine besondere Aufgabe sei, das russische Wirtschaftsleben in Moskau eingehend zu studieren. Am Mittwoch wird Dewey von Nykow Litwinow und dem Finanzkvmmissar Mi- kojan empfangen werden. Weiter wird die Regierung ihm zn Ehren ein Diner geben, an dem die Vertreter des diplomatischen Korps, der ausländischen Presse nnd der Sowjetbehörden teilnehmen werden. Von den vier Tagen, die er in Moskau zn verbringen beabsichtigt, werden die ersten beiden Tage ausschließlich politischen Besprechungen gewidmet sein. Ferner wird er einen Vortrag über die Entwicklung Ser russisch-amerikanischen Handelsbeziehungen halten. In Moskauer politischen Kreisen wird der Reise des amerikanischen Sachverständigen größte Bedeutung für die russisch- amerikanischen Handelsbeziehungen beigemessen.
Kleine politische Nachrichten
Valdwin zur Coolidge-Redc. Im Unterhaus befaßte sich Baldwiu mit der kttrzlichen Erklärung des Präs. Coolidge, daß zwischen Europa und den Vereinigten Staaten stets ein mangelndes gegenseitiges Verständnis bestanden habe. Er glaube, daß Präsident Coolidge hierin Recht habe, so bedauerlich didse Tatsache sei, so schwierig sei cs auf der anderen Seite, einen Grund dafür zu finden, warum es so sei.
Schiffskalastrophe im Atlantik
Der Untergang der „Vcstris".
Der englische 10 000-Tonnen-Dampfer „Vestris" ist auf der Fahrt Ncwyork-Rio de Janeiro 100 Meilen vor der Küste von Virginia bei schlverer See gesunken. Die Gründe sind bisher noch unbekannt. Nach den letzten Meldungen bestiege» die 350 Passagiere die Rettungsboote erst als sich das Schiff bereits auf die Seite legte. Von allen Seiten begaben sich Dampfer zur Unfallstelle. Das Marinedepartement in Washington gab dem Oberbefehlshaber der amerikanischen Marine den Befehl, alles aufzubieten, um dem sinkenden Schiff zu Hilfe zu eilen.
Der japanische Dampfer „Ohio Marn" erreichte als erster die Unfallstelle, ihm folgte der Dampfer ,Berlin", der sich 180 Meilen von der „Vestris" entfernt befand. Infolge schweren Seegangs gestaltete sich die Suche nach §en inzwi. scheu in den Rettungsbooten abgetriebenen Schiffbrüchigen sehr schwierig: nur einen Teil derselben vermochte man zu bergen. 156 Schiffbrüchige sind noch nicht gefunden. An der Unfallstclle wurden mehrere Tote gesichtet.
lieber die Ursache des Unterganges der „Vestris" liegen vorläufig nur geringe Anhaltspunkte vor. Die Sachverständigen in Newyork und London neigen zu der Ansicht, baß die Stahlplatten des Schiffes während des schweren Sturmes so stark beschädigt wurden, daß Wasser in größeren Mengen eindringcn konnte, als die Schiffspumpen wieder hinanszupumpcn vermochten. Die in Plymouth eingetrof- fenc „Mauretania" bestätigt, daß ein Sturm von geradezu ungeheurer Gemalt über dem Atlantik wütete, der zeitweilig eine Stärke von 100 Stundenmeilen erreichte.
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„Du verstehst das nicht! Es macht so Stimmung — widersprach Lukrezia überlegen.
„— aber so doch nicht! Dieses Kuhfutter, hätte ich beinahe gesagt! Stimmung —"
„Wage Du nicht, an mein Werk zu rühren!" brauste Lukrezia auf und stellte sich schützend vor den Tisch, als sie sah, daß Julia eine andere Anordnung treffen wollte, „gehe in die Küche, dort ist Dein Reich —"
„Der Baron sitzt neben mir! wünschte Birgilia. „Nein, es ivar ausgemacht, zwischen Porzia und mir —," widersprach Lukrezia.
„Na, dann setze Dich gegenüber — das ist besser, als dichte bei —," lachte Julia, „und mir räumt gnädigst ein Plätzchen bei der Frau Rat ein!"
„Nein, Julia, das geht nicht! Papa führt sie,' sie wird zwischen ihm und der Mama sitzen! Dein Platz ist neben Cäsar Napoleon —"
„Es ist sehr gütig, daß Ihr mich wenigstens noch hier duldet und nicht ganz und gar nach der Küche verbannt —"
„Eigentlich wäre dort der einzig für Dich passende
Platz-bei den Manieren eines Küchendragoners,
die Dir eigen —"
Julia lachte hellauf. Die Bosheiten der Schwestern trafen sie nicht. Doch sie mußte sich stets von neuem über deren überspannte gekünstelte Art ärgern, die so ganz ihrem natürlichen Empfinden widersprach.
Den ganzen Nachmittag übte Porzia auf ihrer Laute. Sie hatte das Haar wieder auf die Wickel gebracht, bis sie dann gegen sechs Uhr anfing, Toilette zu machen. Sie wählte lange, bis sie sich zu einem großblumigen Musselinkleid, das in Biedermeierart gearbeitet war, entschloß. In die Locken band sie ein rosa Band, und ein Band in gleicher Farbe mußte nun auch die geliebte Laute schmücken. Eigenmächtig entlehnte sie sich aus Julias Besitz eine Schnur blaßroter Korallen, ein Konfirmationsgeschenk an die Schwester.
Eine halbe Stunde wohl brauchte sie, ihre Nägel! zu polieren,' auf ihre weißen hübschen Hände war sie nicht wenig stolz. Und aus dem Parfümfläschchen Heliotrop, das Birgilia gehörte, goß sie reichlich auf ihr Taschentuch und ihr Kleid.
So, nun war sie fertig.
Träumerisch setzte sie sich ans Fenster, die Hände um das Knie geschlungen und starrte, ganz in ihre erwartungsvollen Gedanken vertieft, auf die regenfeuchte Straße.
Man aß das Abendbrot heute in der Küche,' Julick hatte der Einfachheit halber gleich einen Teller voll! Brot geschnitten.
„Porzia, willst Du denn nicht zum Essen kommen?" Birgilia steckte den Kopf zur Tür hinein,' dann zog sie schnuppern- das NäZchen kraus und trat herein, „das ist aber frech! Du bist bei meinem Parfüm gewesen —! Solche Unverschämtheit —!" zürnte sie.
„Mein Gott, Birgilia, Hab' Dich -och nicht so um das bißchen! Meins war gerade alle! Du darfst Dich dafür auch mal mit meiner Aokseife waschen —"
„Danke bestens! Ich verbitte es mir, an meine Sachen zu gehen! Du willst Dich wohl bei dem Baron in guten Geruch setzen?" ^ ^
„Sei doch nicht so geizig, Birgilia! Ich gebe es Dir morgen wieder —"
aber so gutes Parfüm wie das kannst Du Dir doch nicht kaufen —"
Birgilia war sehr ungehalten,' Porzia verteidigte sich, und wieder war ein lebhaftes Rededuell im Gange. Mittlerweile zündete Lukrezia im Eßzimmer alle Flammen der Gaskrone an und brannte dann Räucherkerzchen an, so daß ein weißer, leichter Dunst im Raum schwebte.
„Um GotteS willen, Lukrezia, wir haben doch nicht die Cholera, daß Du die ganze Bude hier so einstäim
kerst! Man kommt ja um '
(Fortsetzung folgt)-
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