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Nr. 269
Donnerstag, den 15. November 1928
102. Jahrgang
Die Panzerkreuzer-Krise beseitigt?
Keine Mehrheit für den Sozialdemokratischen Antrag aus Baueinstellung
Heute Panzerkreuzer-Aussprache im Reichstag.
TU. Berlin, 15. Nov. Im Acltestenrat des Reichstages einigte man sich am Mittwochvormittag darüber, daß am heutigen Donnerstag im Reichstag zunächst die Aussprache über den Weiterbau des Panzerkreuzers beginnen soll. Dafür find zunächst zwei SitzungStage in Aussicht genommen. Am SamStag sollen kleinere Vorlagen anderer Art erledigt werden. Ueber den Zeitpunkt, an dem die außenpolitisch« Aussprache stattsinden soll, wurde noch kein Beschluß gefaßt.
Die Haltung der Sozialdemokratie.
Die sozialdemokratische Reichstagssrak- tion hielt am Mittwochabend eine Sitzung ab, in der nach einem Referat des Reichskanzlers Müller beschlossen wnrde, Laß alle Mitglieder der Fraktion einschließlich der Kabinetts Mitglieder dem Antrag auf Einstellung des Panzurkreuzerbaus zuznstimmen haben.
Ueber die Gründe» die die sozialdemokratische Reichstagsfraktion veranlaßten. für die Abstimmung über den Panzer- krenzerantrag Fraktionszwang auch für alle im Kabinett fitzenden sozialdemokratischen Minister zu beschließen, teilt der »Vorwärts" folgendes mit: Die sozialdemokratische Neichs- tagsfraktio» habe sich der Auffassung, daß sich der Kabinettschef, her nach -er Verfassung die Richtlinien der Politik zu bestimmen habe, nicht in öffentlicher Abstimmung gegen andere Kabinettsmitglieder stellen dürfe, nicht anschlteßen können. Diese Auffassung sei von Reichskanzler Müller den Fraktionen vorgetragen worden. Aus der kurzen Aussprache -er Fraktion sei hervorgegangen, daß sie «ine Trennung des Parteivorsitzenden — möge er jetzt auch Reichskanzler sein — von der Fraktion für unmöglich halte, nicht nur im Interesse der Partei, sondern auch in seinem eigenen Interesse. Müllers Fernbleiben von der Abstimmung hätte bedeutet, daß er sich selbst als Parteisührer geopfert hätte, um Schwierigkeiten im Kabinett zu vermeiden, Dieses Opfer wolle die Fraktion nicht bringen, weil sie Müller auch in Zukunft als Vorsitzenden behalten wolle. Ein anderer Gesichtspunkt sei aber für die Fraktion entscheidend gewesen. Die Massen der Partei hätten
durch ihr Fernbleiben vom kommunistischen Volksbegehren ein bewundernswertes Beispiel von Geschlossenheit und Disziplin gegeben. Dieses Beispiel solle sein Gegenstück finden in der vollkommenen Geschlossenheit und Disziplin der sozialdemokratischen Reichstagsfrak^ion. Die Sozialdemokratie kämpfe nicht gegen die Wehrmacht an sich, sie vertrete aber den Standpunkt, daß die Volksvertretung ihre Souveränität nicht preisgeben dürfe gegenüber militärischen Stellen, die gegen Vernunftgründc ihn Prestige stellen.
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Das Reichskabinett wird sich heute Vormittag mit der Frage einer Zustimmung der sozialdemokratischen Ka- binettsmitglieder zu dem gegen den Panzerkreuzerbau gerichteten sozialdemokratischen Antrag beschäftigen. Diese Tatsache auch bestimmend für denZentrums fraktions- beschlutz gewesen, sich am Mittwoch ohne Beschlußfassung zu vertagen, um erst die Entscheidung -es Kabinetts abzuwarten. Außerdem wird gemeldet, daß der Reichspräsident heute vormittag den Reichskanzler zum Vortrag über die politische Lage empfängt.
In parlamentarische« Kreise« rechnet man mit de, Ablehnung des sozialdemokratischen Antrages. Diese Anschauung wird namentlich -nrch die Gewißheit genährt, daß hie Dentschnationalen, wie nunmehr feststcht, gegen den Antrag stimmen.
Rach dem »Börsenknrier" werden sich die demokraiische« Minister Koch Süll Dietrich bei der Abstimmung der Stimme enthalte«.
Ein Antrag der Wirtschaftspakte; z«r Panzerkrenzerfrage.
Die RvichstagSfraktlon der Wirtschaftspartei hat am Mittwoch spät abends einen Antrag zur Panzerkreuzerfrage eingebracht, in dem die Reichsregierung ersucht wird, ein aus lange Sicht abgestelltes Marinebauprogramm vorzulegen, das alle Deutschland im Versailler Vertrag gelassenen Rechte für eine absolut moderne Ausrüstung der Marine umfasse. Die Weiterarbeit am Ersatzbau ^ solle solange ausgesetzt werden, blS stchergestellt sei, daß die hinter der Regierung stehenden Parteien der Fertigstellung des Panzerkreuzers und einer gesetzlichen Regelung -es Gesamt- Ersatzhau-ProgrammS zustimmten.
Der Stand der Reparationsfrage
Die Vorverhandlungen im entscheidenden Stadium
Doppelbesprechnnge« in Paris.
In Pariser diplomatischen Kreisen fleht man in den gestrigen Doppelbesprechnnge« über die Re- parationssrage am Quai d'Orsay, wo «ine Fühlungnahme zwischen dem französischen Außenminister Briand und dem deutschen Botschafter, Herrn von Hlisch, stattsand, sowie im Kabinett des Ministerpräsidenten, der eine Unterhaltung mit dem englischen Botschafter hatte, den Beginn einer entscheidenden Phase der Vorverhandlungen. In Fi- nanzkreisen unterstreicht man dabei den innige» Zu- sammcnhang zwischen Rheinlandräumung, Neparationsregelung und internattona-' ler Schuldenfragr. Was die letztere anbelangt, so wird erklärt, daß die Verhandlungen über die Ratifizierung der Kriegsschuldenabkommen Frankreichs mit England »nd den Vereinigten Staaten schon ziemlich weit vorgeschritten selcn.
ES ist anzunehmen, daß hierüber bereits die heutige Regierungserklärung mehr Klarheit bringen wird. Man verhehlt sich allerdings nicht, daß trotz der Sympathien zwischen Poincare und "arler Gilbert und der sreundschastlichen Be. ziehnngen zwischen Briand und Chamberlain «. Dr. Strese- mann die Regelung der Reparations- und Schuldenfrage noch ans recht erhebliche Schwierigkeiten stoßen wird.
Der Reparalionsagenl beim Reichsaußenminister
LU. Berli «,1V. Nov. Wie die T-U. erfährt, Hai Reich«, anßenwlnister Dr. Stress mann im Saufe des gestrigen Tage« de« Reparationßagcnten Parker Gilbert empfange«
«nd mit ihm de« angenblickliche« Stand der Reparations- frage in alle« Einzelheiten dnrchgesproche«.
In Berliner politischen Kreisen beurteilt man den Stand -er Reparationsfrage einstweilen noch sehr zurückhaltend, zumal noch nicht feststeht, ob die neue französische Regierung mit derselben gebundenen Marschroute an die Bestellung der -Sachverständigen für eine erstmalige Reparationskonserenz herangeht, wie sie für daS frühere Kabinett Poincare galt. Gerade die Tatsache, daß Poincare das Finanzministerium an Cheron abgegeben hat, muß hierbei erheblich in Rechnung gestellt werden. Da sich bezüglich der Bestellung der Sachverständigen außer Frankreich kein Staat festgelegt hat, so kann vielleicht damit gerechnet werben, daß dies durch daS neue Kabinett Poincare ebenfalls nicht geschieht. Der schroffe Standpunkt Belgiens ist in diesem Zusammenhang um so weniger entscheidend, als die gute Lösung der deutsch-rumänischen Verhandlungen, die Aussicht Belgiens auf eine Belgien günstige Lösung der Noten-Streltsrage erheblich herabgemindert hat. Ueber den Zeitpunkt der bevorstehenden Konferenz gehen die Mutmaßungen noch aus- einander. Immerhin glaubt man in unterrichteten diplomatischen Kreisen, daß vielleicht doch schon der Dezember in Frage kommt, ohne daß man Wert daraus legt, die Konferenz unter allen Umständen in Berlin abznhalten. AlS Tagungsort kommt auch noch Parts und Rom in Frage. Entscheidend wird die Haltung des amerikani- scheu Beobachters sein, da bei der Eigenart der inter- nationalen finanzwirtschaftlichen Lage das Zeugnis Amerikas über die Leistungsfähigkeit Deutschlands die wichtigste Unter, läge bilden dürfte. Infolgedessen wird auch daran gedacht, dem amerikanischen Beobachter als unparteiischen Sachverständig«! den Vorsitz in der Sachverständigenkommission an- znbieten.
Tages-Spiegel
Die Krise «m den Ban des Panzerkreuzers kann als beseitig« gelte«, da aller Voraussicht nach der sozialdemokratische Antrag keine Mehrheit im Reichstag finden dürste.
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Der Reichstag hat di« Entschließungen vom «or-west-eutschen Arbeitökamps dem sozialpolitischen Ausschuß überwiesen. Hont« beginnt die Anssprache über de« Panzerkrcnzerba«.
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I« -er Reparationssrage fanden gestern in Paris wichtige Besprechungen statt. Ministerpräsident Poincare «erhandelte mit dem dentfche» und dem englische« Botschafter in Päris.
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Das englische Unterhans lehnte nach Schluß der Aussprache über die Thronrede de« Mißtranensantrag der Liberale« gegen das Kabinett Baldwin ab.
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Der französische Senat hat als deutliches BcrtranrrMeichen für Poincare de« Senator Eaillanx ans der Finanzkorn- missto« hinansgewählt.
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Nach den letzte« Nachrichten find beim Untergang des Ozeandampfers »VestriS" SS Passagiere «nd 45 Mann der Besatzung «ms Lebe« gekomme«.
Weilers Ausdehnung des Arbeitskampfes in Westdeutschland
Die Düsseldorfer Berhan»l««ge« bisher ergebnislos.
TU. Düsseldorf, IS. Nov. Die Verhandlungen des Düsseldorfer Regiernngsprässdente« mit de« Arbeitgebern der Nordwestgrnppe «nd den Gewerkschaften, die Mittwoch- nachmiteag stattfande«, habe« z« einem Ergebnis, das eine brauchbare Grundlage für ein gemeinsames Verhandeln bilde« könnte, nicht geführt. Die Verhandlungen werden fortgesetzt «erde«.
Amtlich wird mitgeteilt: Rach Abschluß der Plenarver- handlunge« deS Reichstages über den Arbeitskampf in der rheinisch-westfälischen Eisenindustrie hat sich der Reichsarbeitsminister Wissell z« seiner persönliche« Unterrichtung in das Kampfgebiet begebe«. Wege« der weitere« Verhandlungen des Reichstages wird er bereits am Freitag früh wieder in Berlin sei«.
Keine Arbeitslosenunterstützung für die Ansgespcrrte«.
Der Spruchsenat des Relchsversicherungsamts hat die Frage, ob den von dem Eisenkonflikt im Ruhrgebiet betroffenen Arbeitslosen Unterstützung gezahlt werden soll oder nicht, in ablehnendem Sinne entschieden. Der Spruchsenat hat sich auf den Reichtsstandpunkt gestellt, daß unter den gegebenen Verhältnissen die Zahlung von Unterstützungen nicht in Frage kommen könne.
AnSfperrnngen auch im Hagener «nd Schwelmer Eisenbezirk
TU Esse«, 18. Nov. Nach Informationen des Westdeutschen Handelsdienstes haben die am Mittwoch in Hagen abgehaltenen Lohnverhandlungen zwischen dem Arbeitgeberverband des Hagener und Schwelmer EtsenbezirkS und den Metallarbeiter-Gewerkschaften zu keinem Ergebnis geführt, sodatz jetzt von Arbeitgeberselte di« GesamtkUndlgnng für sämtliche Belegschaften am 15. November ansgesprochcn werden dürft«. Es kommen schätzungsweise 85-40 000 Metallarbeiter in Betracht.
Abschluß der Aussperrungsdebcille im Reichstag
Berlin, 16. No». Die Anssperrungsdebatte, die gestern im Reichstag zu Ende ging, vermochte das Haus nicht mehr zu fesseln. Die Redner hielten sich kaum noch an das eigentliche Thema, sondern ergingen sich In allgemein wirtschaftlichen Betrachtungen. Ein« Red« des früheren Neichswirt- schaftsministerS Robert Schmidt, den die Sozialdemokraten noch an daS Rednerpult sandten, war aus große soziale Kon trastwirknngen abgestellt, die vor dem Plenum des Reichstages einigermatz«n deplaziert wirkten. Das Zentrum stellte sich noch während der Beratungen mit einem Antrag zn Gunsten -eS Mittelstandes ein» der von der Wirtschastspar- tei durch einen Zusatz ergänzt wurde. Sämtliche Anträge wurden dem Sozialpolitischen Ausschuß überwiesen. Ein Mißtranensantrag, den die Kommunisten gegen die Kesamt- regiernng eingebracht hatten, wnrde abgelehnt.
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