In dem Lande forderte ein schrecklicher Gast, die Cholera, zahlreiche Opfer.

In Portugal machte die Nachgiebigkeit der Regierung gegen die unverfrorenen Ansprüche der Engländer viel böses Blut. Die republi­kanische Presse griff den König fortgesetzt aufs heftigste an und erklärte ihn sogar für verrückt. Es ist nicht abzusehen, in welche Verwicklungen dieses unsinnige Gebühren die Regierung noch treibt.

In den Staaten an der unteren Donau brodelte und gährte es fast unaufhörlich wie in einem Hexenkessel für dessen Mischung von Ruß­land aus mit den verwerflichsten Mitteln ge­sorgt worden ist. Man wird mit der Annahme nicht fehl gehen, daß wenn je der für Europa so notwendige Friede gestört werden sollte, der zündende Funke für die verzehrende Kriegsflamme in jenem parteizerrissenen und durchivühlten Winkel aufspringt. Serbien führte mit Oe­sterreich-Ungarn längere Zeit einen hartnäckigen Zollkrieg, der ihm aber dem mächtigen Nachbar gegenüber so wenig Segen gebracht hat, daß es sich schließlich recht gern zu einem billigen Ver­gleiche entschloß. In Bulgarien haben un­geheure Heuschreckenschwärme großen Schaden gethan.

Die Vorgänge in Rußland gewähren kein erfreuliches Bild. Studentenrevolten, nihilistische Verschwörungen, Mordanschläge auf das Leben des Kaisers waren an der Tagesordnung und daneben machte sich die gehässigste Hetzerei gegen das deutsche Reich breit. Den Russen ist eben der Dreibund ein gewaltiger Dorn im Auge und noch mehr die innige Freundschaft zwischen Deutschland und Oesterreich, infolge deren es sich an der Realisierung seiner Gelüste nach dem fetten Bissen an der unteren Donau gehemmt sieht. Es hat deshalb auch bei dem Besuch des deutschen Kaisers in Peterhof nicht alles geklappt und ohne Zweifel hätte man dort den geheimen Groll noch mehr durchschimmern lassen, hätte nicht, das Gebot der Klugheit wenigstens äußer­lich ein freundliches Entgegenkommen verlangt. Welche Gesinnungen in Rußland gegen Deutsch­land die vorherrschenden sind, hat sich in ver­schiedener Weise genugsam gezeigt. ^

Lalldesuachrichtea.

* Alten steig, 31. Dez. Die Bürger­ausschuß-Wahl harte folgendes Ergebnis: Ge­wählt sind die Herren: Als Obmann: Luz Lorenz, Notgerber, mit 73 Stimmen; als Mitglieder: Ackermann Karl, Schlosser, mit 75, Schaible Louis, Uhrmacher, mit 72, Scholder Heinrich, Rotgerber, m t 67, Sailer Christian, z. Traube, mit 65, Lutz Karl, Notgelder, mit 64 Stimmen.

* Einen sehr schweren Berns haben bekannt­lich Briefträger und Postboten. Bei Sturm und Wind, in der glühenden Julihitze und den kältesten Wintertagen muffen sie ihrem Beruf nachgehen, der ihnen oft kaum Zeit zur Er­holung läßt. Möchten daher unsere geehrten

Leser dieser wackeren Männer am Neujahr mit klingender Anerkennung gedenken.

* Nagold, 28. Dez. In Folge der Maul-

uud Klauenseuche wurde der Hausierhandel mit Vieh im Bezirk verboten. Handelsleute, die ihren Viehhandel im Bezirk betreiben, suchten dieses Verbot dadurch zu umgehen, daß sie da und dort Niederlagen errichteten und daß sie ihre Kunden veranlaßten, daß sie das Vieh an diesen Niederlagestationen kauften und mit sich nach Hause nahmen. In diesem Vorgehen der Handels­leute wurde die Errichtung und Haltung von Wanderlagern erblickt. Da das Halten von Wanderlagern unter den Begriff des Hansier- gewerbes fällt, so wurde dasselbe ebenfalls verboten und damit auch den Viehhändlern die vermeintliche Hinterthüre verschlossen. Es wäre zu wünschen, daß der Hausierhandel mit Vieh, abgesehen von seinen vielen sonstigen Nachteilen, schon im Interesse der Verhinderung der Ver­breitung von Tierseuchen dauernd eingeschränkt werden könnte. (Schw. M.")

' Tübingen, 29. Dezbr. Die hiesigen bürgerlichen Kollegien haben einen Beschluß ge­faßt, dahin gehend, daß die städtischen Beamten in Zukunft eine Pension erhalten sollen. Das Pensionsstatut wird noch den Regierungsbehörden zur Genehmigung vorgelegt.

* Stuttgart, 27. Dezbr. (Bericht über die Rechtsflege.) Justizminister Dr. v. Faber hat einen Bericht an den König über die Ver­waltung der Rechtspflege in Württemberg im Jahre 1889 erscheinen lassen. Die einzelnen Daten über die Thätigkeit der verschiedenen Ge­richte übergehend, heben wir nach dem Berichte des Justizministers hervor, daß im Vergleich zu dem Vorjahre bzw. den letzten neun Jahren der Anfall an Zivilprozessen bei den Amts­gerichten und den Z vilkammern der Landgerichte in erheblichem Maß zugenommen hat, wogegen bei den Zivilsenaten des Oberlandesgerichts eine geringfügige Verminderung eingetreten ist. Die Zahl der bei den Amtsgerichten angefallenen Konkurssachen hat sich auch im Jahre 1889 wieder vermindert (eröffnet wurden 304 Kon­kursverfahren); zugleich ist auch die Zahl der Zwangs-Versteigerungen gegen die Vorjahre nicht unbedeutend zurückgegangen. Im Straffach hat die Zahl der bei den Amtsgerichten an- gesallenen Untersuchungen und der bei den Straf­kammern der Landgerichte in erster und zweiter Instanz anhängigen Hauptverfahren eine Ver­minderung, die Zahl der bei den Staatsanwalt­schaften der Landgerichte angcfallenen Straf­sachen, der schwurgerichtlichen Urteile und der Revisionen bei dem Strafsenat des Oberlandes­gerichts eine Steigerung erfahren; die Unter­schiede gegen die Ergebnisse des Vorjahres sind übrigens weder in der einen noch in der an­deren Richtung verhältnismäßig bedeutend. In der Organisation der Behörden für die streitige und nichtstreitige Rechtspflege ist keine Aende- rung eingctreten.

* Stuttgart, 30. Dez. Heute früh 3.35

In Frankreich zog sich der Boulangisten- schwindel fast durch das ganze Jahr hin. Als der nach England ausgekniffene Held, wo er seine werte Haut in Sicherheit gebracht hatte, begriff, daß seine Sache eine verlorene war, trat er mit einer ganzen Serie von Enthüllungen hervor und hat dadurch seinen ehemaligen Freunden und Gönnern nicht geringe Verlegenheiten bereitet. Die Ge­schichte gestattete aber einen tiefen Einblick in das heillose Getriebe, welches sich ungestraft in der Republik breitmachen darf. Das scharf­wedelnde Liebäugeln mit Rußland hat den Franzosen bis jetzt noch nicht viel Nutzen ge­bracht. Wenigstens ein Dutzendmal hieß es, das französisch-russische Bündnis sei abgeschlossen, aber jedesmal war es nur ein leeres Gerücht. In einige Verlegenheit brachte die Regierung der junge Prinz von Orleans, welcher seiner Militär­dienstpflicht trotz des Ausweisungs-Gesetzes mit Gewalt genügen wollte. Der junge Wagehals wurde verhaftet und nach ein paar Monaten über die Grenze geschoben.

Die Engländer bekamen mit dem kleinen Portugal einen ernsten Konflikt, weil dieses zu dem übermütigen und herrscksüchtigen Gebühren John Bulls nicht immer ja und Amen sagen wollte. Schließlich verglich man sich aber doch. In letzter Zeit gab es noch einen Parnellscän- dal. Dieser edle Parncll hatte mit Ehr- und Vertrauensbruch so fatale Stücklcin geliefert, daß ein Teil der irischen Partei ihn der Führer­schaft für unwürdig erklärte und namentlich Gladstone sich das fernere Arbeiten neben die­sem Genoffen verbat. Tie Folge war, daß die Partei sich spaltete und dadurch dem schon lange gehegten Wunsche Salisburys entsprach.

InItalien haben die finanziellen Schwie­rigkeiten und selbst der Krach in der Stadt Rom nicht vermocht, gegen die Verd enite aufzukom- rnen, welche der Premier Cr ispi sich durch sein unentwegtes Festhalten an dem Dreibund, der Friedensbürgschaft für Europa, erwarb. Der abcfsynische Handel wurde in für Italien günstiger Weise geschlichtet, während die Span­nung mit Frankreich, welches den Italien« ihr Bündnis mit Deutschland nicht verzeihen kann, noch heute anhält.

In Belgien machten die anarchistischen Wühlereien der Regierung das ganze Jahr viel zu schaffen. Dieses dichtbevölkerte Land mit seiner großartigen Industrie ist unbestreitbar dasjenige, wo die Umsturzpartei bis jetzt am meisten Boden gewann.

In-Holland ist der König Wllhelm III. mit Tod abgcgangcn, so daß die Krone auf die minderjährige Königin Wilhelmine überging un­ter der Regentschaft der Königin-Mutter. Emma. Infolge dessen wurde Adolf von Nassau Groß- herzog von Luxemburg.

In Spanien waren cs eine Anzahl Ge­nerale, welche sich gegen die bestehende Gewalt aufzulehnen versuchten. Als sie jedoch die Ent­schlossenheit des Kricgsministers sahen, zogen sie die bereits ausgestrcckten Hörner wieder zurück.

Der Iküchlling.

Historische Novelle von August Nord heim.

(Fortsetzung.)

Wenige Stunden später hatte das anscheinend seit Jahrhunderten nicht betretene Gelaß ein vollständig verändertes Ansehen. Kein Stäub­chen lag auf Boden und Geräten; im Kamin flackerte ein Feuer, Be­haglichkeit und Wärme verbreitend; Wachskerzen in silbernen Armleuchtern brannten auf dem mit sauberem Damasttuche bedeckten Tisch, und an demselben saß Graf Marley, in sorgfältig gereinigtem Anzug, das üppige blonde Haar zierlich gekräuselt, eifrig Speise und Trank zu­sprechend so wenig war cs den Feinden gelungen, die wohlverwahrten Geheimnisse des alten Baues zu ergründen!

VIII.

Nach der unliebsamen Unterbrechung durch die Truppen des Protektors spann sich das Leben in Schloß Eton in gewohnter ruhiger Weise fort. Wie sonst, saß der alte Herr, stunden-, tagelang in seine geliebten Bücher vergraben. Dann und wann gab er wohl Janes Bitten nach und begleitete sie an einem besonders freundlichen Herbsttage auf einem Ritt durch Wald und Feld.

Auch ihre Wanderungen ins Dorf zur Pflege und Hilfeleistung bei Kranken und Unbemittelten wurden nicht versäumt, obwohl sie seltener stattfanden. Meistens leistete sie ihrem Vater in der Bibliothek Gesellschaft; und mit verstohlener Bewunderung sprach die Dienerschaft von der unerschöpflichen Geduld, mit welcher das junge Mädchen die stete Genossin des Greises blieb, sie ahnten nicht, welches der Grund dieser zunehmenden Abgeschlossenheit sei.

Den müden Gliedern des alternden Mannes waren nämlich sehr

bald die Treppen und langgestreckten Gänge unbequem geworden, und so ruhte nach und nach die Pflege des edeln Gefangenen ausschließlich in den Händen des schönen Kindes. Ihre Ausgabe war es fortan, für die Bedürfnisse desselben zu sorgen, auf seiner Stirn die Falten des Grams und des Unmuts zu glätten, den gesunkenen Mut stets wieder neu zu beleben, Trost und immer neue Hoffnung in dem einsamen Herzen aufzurichten. Diese Pflicht, anfänglich mehr ein Gebot allgemeiner Menschenliebe, wurde bald eine Quelle reiner Freude, ungetrübten Glücks für sie; und ohne, daß sie es selbst bemerkte, richtete sich ihre tägliche Lebensweise ganz nach der ihres Pfleglings. Eine heimliche, liebliche Erregung bemächtigte sich ihrer, sobald die Stunde nahte, in welcher sie ihre unterirdische Wanderung antreten mußte; und in gleicher Wesie zählte der junge Mann die Stunden und Minuten bis zu dem Augen­blick, in dem das errötende Antlitz seiner guten Fee in dem finstern Thürrahmen erschien und die düstere Zelle mit dem Zauber ihres Lächelns verklärte. Auf diese Stunden hoffte er mit klopfenden Pulsen, sie waren die lichten Sterne seines trostlosen Lebens; aus ihnen erblühte langsam aber um so fester ein Band der Liebe, das, ihnen selbst noch unbewußt, die jugendlichen Herzen umschlang.

So standen die Dinge in Eton, als eines Tages eine im Mittlern Alter stehende, aber noch beträchtlich jünger aussehende Frau in Trauer­kleidern in Janes Zimmer trat. Wir erkennen in ihr die Wirtin jener Waldschenke, in welcher Sir Francis Clifton ein Verbrechen ver­hinderte, die Mutter jenes beklagenswerten kranken Knaben, dessen Pflege die freundliche junge Schloßherrin sich besonders angelegen sein ließ.

Nun, Frau Betty, was giebt es, was führt Euch her?" rief letztere der Eintretenden entgegen.Ist der arme Marlin wieder von einem seiner bösen Anfälle heimgesucht, oder hat die alte Mutter Morris einen Rückfall des schleichenden Fiebers gehabt?"