und vollends zwischen den Konfessionen ein Ende habe. Papst Clemens XIV. hat den Orden krast apostolischer Vollmacht im Jahre 1773 für alle Zeiten aufgehoben; fromme, ihrer Kirche treu ergebene Katholiken, die, wie ein Möhler, als Vorkämpfer der katholischen Sache von der römischen Kirche gefeiert worden, sind eins in dem Urteil, daß für die Religiosität, die Sitt­lichkeit und den Frieden der Völker die schäd­lichsten Wirkungen und die nachteiligsten Folgen von dem Wirken dieses Ordens ausgehen. Alles dies ist einem großen Teil unserer katholischen und evangelischen Mitbürger ganz wohl bekannt, aber es gilt ihnen Alles nichts gegen das große Schlagwort: Keine Ausnahmegesetze! Nieder mit den Ausnahmegesetzen! Freilich, daß Aus­nahmezustände auch Ausnahmegesetze erfordern, ja gebieterisch verlangen, wissen auch unsere Ultramontanen so gut wie unsere Demokraten und Freisinnigen. Daß für einen meuchlings Angegriffenen und Ueberfallenen die Notwehr als Ausnahmegesetz zu Recht besteht, daß bei einer Viehseuche die Freiheit des Verkehrs in Kauf und Verkauf aufgehoben und ein Aus- nahmgesetz erlassen wird, daß im Krieg die ge­wöhnlichen Formen des Handels bei Seite ge­setzt und im Interesse der Soldaten in der Re­quisition ein Ausnahmegesetz aufgestellt wird, das findet Jedermann in der Ordnung, obgleich dies lauter Ausnahmegesetze sind, aber daß einem außergewöhnlichen Angriff einer weitver­zweigten Gesellschaft, die einem auswärtigen Oberen gehorcht, und zwar blindlings gehorcht, und der ungeheure Geldmittel zur Durchführung ihrer Pläne zu Gebot stehen, ein Staat im Interesse seiner Bürger und zum Zweck der Sicherung seines Friedens Ausnahmegesetze zur Abwehr entgegenstellt, das finden gar manche Nachbeter eines Schlagwortes nicht begreiflich. Hoffen wir, daß die große Einmütigkeit von Katholiken und Evangelischen, die im Frieden mit einander leben möchten und zu diesem Zweck den Machenschaften der Ultramontanen entgegen­treten, es fertig bringt, daß die weitverbreitete Eingenommenheit gegen ein tief berechtigtes Ausnahmegesetz überwunden und unser Volk davor bewahrt bleibt, daß es in einem und dem­selben Jahr seinen ersten Reichskanzler gehen und die Jesuiten kommen sehen muß. Wie der Merkur" weiter mitteilt, sind nunmehr gegen die Aufhebung des Jesuitengesetzcs bei der Stutt­garter Sammclstelle 305 Petitionen mit 32,231 Unterschriften eingegangcn.

' Ulm, 7. Dez. In den stürmischen Tageu der letzten Woche wurde von Münsterbaumeister v. Beyer eine interessante Untersuchung vorge- nommen. Derselbe begab sich lautU. Zig." auf die oberste Kranzgalerie der Turmpyramide, um an der Wasserwaage zu beobachten, ob der starke Turm irgend welche Wirkung auf die Pyramiden ausüben könnte. Die genauesten Beobachtungen hatten das Ergebnis, daß die Wasserwaage völlig ruhig blieb, die Pyramide also auch in ihrer höchsten Spitze selbst im

stärksten Sturm, der droben gewaltig tobte, keinerlei Erschütterung erleidet.

* (Verschiedenes.) Die Einwohnerzahl der Stadt Tuttlingen beträgt ca. 10 200. Zunahme über 1500. In Wagnersberg wurde aus einem Stalle ein Ochse im Werte von etwa 350 Mk. gestohlen. Der Dieb konnte noch rechtzeitig verhaftet werden. In Ulm haben die bürgerlichen Kollegien den Gehalt des künftigen Oberbürgermeisters auf 7000 Mt. festgesetzt. Dazu kommen 1500 Mk. Micizins- entschädigung und 2500 Mk. auf allerlei Ge­bühren. Ein seit anfangs vorigen Monats im Ulm er Feldartillerieregiment dienender Rekrut namens Thierer aus Beimerstetlen, der einzige Sohn sehr vermöglicher Eltern schnitt sich mit einem Rasiermesser ein Ohr ab, zweifel­los, um auf diese Weise vom Militär wegzu­kommen. Der Selbstverstümmler wird nicht nur seinen Zweck nicht erreichen, sondern auch noch Strafe zu gewärtigen haben. In der Augenklinik inTüb i n g e u stürzte sich ein Mann, der eine Operation glücklich Überstunden hatte, in einem Anfall von Geistesstörung zum Fenster hinaus, und erlitt dabei so schwere Verletzungen, daß er noch am gleichen Tage starb. In Stuttgart ist am Montag Bahnwärter Seyther auf Posten Nr. 18, Abteilung Waib­lingen von einem Güterzug überfahren und ge­tötet worden.

° In Haßlach wurden drei Kinder eines Bahnwärters beim Ueberschreiten des Geleises, nachdem ein Güterzug passiert war, von dem herkommenden Gegenzug ergriffen. Die beiden Knaben wurden in Stücke zerrissen, dem Mäd­chen beide Beine abgefahren.

* Aus Augsburg, 5. Dez., schreibt man derFrkf. Ztg.": Der Militärcxzeß, von dem ich telegraphisch berichtete, war noch ernster, als es erst den Anschein hatte. Es handelt sich nicht um einen zufälligen nächtlichen Zusammen­stoß, vielmehr um einen geplanten Racheakt. Von den 5 Infanteristen waren 3 erst vor Kurzem aus der Festung Oberhaus entlassen worden. Sie gedachten mit 2 Kameraden nächt­licher Weile dem Sergeanten, der ihre Bestraf­ung verursacht hatte, aufzulauern und sein Teil zu geben. Aber sie versahen sich in der Person ihres Opfers, überfielen einen anderen Ser­geanten und machten diesen nieder. Der Be­dauernswerte liegt im Lazareth bedenklich dar­nieder. Die 5 Frevler sind gefangen gesetzt und sehen einer schweren Strafe entgegen.

' Man schreibt aus Schweidnitz, 2. Dez. Am Sonntag ist der Gutsbesitzer Rteger aus Glogau, hiesigen Kreises, dem Kaiser vorgestellt worden und hat ihm ein Heilmittel gegen Diphreritis demonstrien, das swon außerordent­liche Erfolge aufzuweisen haben soll. Die Schles. Ztg." berichtet, daß Rieger in Berlin unter Ueberwachung des Geheimrats Koch sein Mittel bei Diphteritiskranken anwende. Von den Erfolgen soll cs abhängcn, ob dieses Heil-

mnngen in der Vorlage enthalten seien. Aber den freien Kassen sollten auch die bisherigen Befugnisse noch verkümmert werden. Er bean­tragte die Einsetzung einer Kommission von 28 Mitgliedern. Äbg. Hitze begrüßte die Vorlage im ganzen mit Befriedigung; die Einzelheiten würden in der Kommission zu erledigen sein. Abg. Möller schließt sich dem an. Abg. Wisser befürwortet einige Verbesserungen der Vorlage. Abg. Frhr. v. Manteuffel spricht besonders seine Befriedigung darüber aus, daß die Innungen in dieser Vorlage zu ihrem Rechte kommen. Nach kurzer weiterer Debatte wurde die Vorlage einer Kommission von 28 Mitgliedern überwiesen.

Laudesmchrichtea.

* Das Alters- und Jnvaliden-Versicherungs- Gesetz macht den Aemtern, die mit der Voll­ziehung betraut sind, schwere Arbeit. Als be­sonders lästig wird die Bestimmung empfunden, daß nur vorübergehend beschäftigte Personen, als Putzerinnen, Näherinnen, Wäscherinnen u. dcrgl. Personen, die oft nur einen halben oder ganzen Tag beschäftigt sind und der Arbeits­herr, der solche am Montag oder Dienstag be­schäftigt, den Versicherungsbetrag von 20 Pfg. für dieselben bezahlen und die Marken in die Quittungskarte bet einer Strafe von 10 Mk. für den Unterlassungsfall einkleben muß. Die Hälfte von 10 Pfg. des Versicherungsbetrags kann man allerdings abziehen, aber das Auf­kleben der Marke für eine nur vorübergehend Beschäftigte, die einem sonst gar nicht bekannt ist, wird oft genug vergessen werden.

* An der Kgl. Universität Tübingen be­finden sich im laufenden Winterhalbjahr 1250 Studierende, worunter 906 Württemberger und 344 Nichtwürttemberger.

* Stuttgart, 8. Dez. Die Volkszählung ergab mit den Vororten Berg, Gablenberg und Häslach 139,659 Personen. 1885 waren es 125,906.

* Zur Jesuiten frage schreibt der Schw. M." in seinem gestrigen Mittagsblatt: Was es um die Macht von Schlagwörteru im politischen Leben ist, kann man in diesen Tagen, da es sich um die Frage der Aufhebung des Ausnahmegesetzes betreffend die Niederlassung des Jesuitenordens innerhalb des deutschen Reichs handelt, an dem da und dort laut werdenden Rufe merken:Nieder mit den Aus­nahmegesetzen!" In den breitesten Kreisen unse­res Volkes ist man sich völlig klar darüber, daß das Gesetz im Jahr 1872 im wohlver- stano.nen Interesse unseres Volkes als ein Ge­setz der Abwehr erlassen worden ist. Denn die Geschichte der letzten 3 Jahrhunderte bezeugt cs auf allen Blättern, daß der Jesuitenorden, nue er zum Zweck der Ausrottung der Ketzer ins Leben gerufen wurde, so bis heute sich die Ver­nichtung des Protestantismus zu seinem Ziel gesetzt hat. Verschiedene Päpste haben es aus­gesprochen, daß wo die Jesuiten ihren Fuß hin­setzen, der Friede zwischen Staat und Kirche

An diesem Feuer", fuhr er fo^t, da? in einem Kaminloch auf­geschichtete trockene Scheitholz anzündend, daß es in heller Flamme auf- loderte,mögt Ihr eure durchnäßten a leider trocknen. Speise und Trank, Oel für Euer Lämpchen und, wenn Ihr wollt, Bücher jeder Art, werden Euch gebracht; allein auf Gesellschaft dürft Ihr nicht rechnen, selbst nicht auf die unsrige. Ein halbes Stündchen vielleicht kann der Bringer Eurer Vorräte dann und wann mit Euch plaudern, wenn alles ruhig ist; allein eine längere Abwesenheit, ein längeres Ver­schwinden könnte leicht bemerkt werden und Verdacht erregen. Und nun, ehe ich Euch verlasse, muß ich Euch ein anderes Geheimnis entdecken.

Bei diesen Worten öffnete er eine der Thüren. Eine enge Wendel­treppe wurde sichtbar.

Am Fuße dieser Stufen", sprach er, dabei erklärend,werdet Ihr einen Brunnen finden, dessen Wasser Euch zum Reinigen dienen kann, daneben eine Fallrhür, durch welche Ihr allnächtlich die Ueberrcste Eures Mahles und was sonst Eure Anwesenheit verraten könnte, ent­fernen müßt. Allein niemals, merkt es Euch wohl, niemals laßt Euch beikommen, in diesem Brunnen zu baden und zu tauchen; es wäre sicherer Tod, wenn Ihr seine Bauart nicht kennt."

Und nun laßt mich wissen, wer mein Gast ist, und gebt mir Euer Ehrenwort als Soldat und Edelmann, diesen Raum nur auf einem Wege, den ich vorher gezeigt haben werde, zu verlassen.

Ihr würdet unser aller Leben aufs Spiel setzen, wolltet Ihr versuchen, auf eigene Faust in den weitverzweigten Gängen umher­zuwandern."

Mein Name ist Marley", antwortete der Kavalier rasch,Mar- maduke Marley, Baronct von Tothgrave; bis gestern Kapitän im Reiter­regiment meines Freundes und Blutsverwandten Sir Robert Danley.

Armer Junge! Dich traf die tötliche Kugel, und wie viele deiner Tapfern werden nie mehr das Sonnenlicht erblicken."

Von Schmerz übermannt, rang er die Hände und wandte sein Gesicht ab. Doch suchte er sich gleich wieder mit gewaltsamer An­strengung zu bemetstern.

Nennt mich nicht unmännlich und schwach, edler Graf", bat er. Er war von Jugend auf mein Freund, wir haben glückliche Tage zu­sammen verlebt, sein Tod traf mich schwer, und ich bin erschöpft, geistig und körperlich, durch Hunger, Aufregung und Strapazen aller Art. Ver­zeiht mir, es wird vorübergehen'!"

Der Graf nahm von dem Standbrett zwei Gläser und füllte sie mit dem Inhalt der mitgebrachten Flasche.

Ich trinke auf Euer Wohl, Kapitän Marley", sagte er feierlich, und auf baldige Befreiung! Legt Euch nieder, der Schlaf wird Eure Kräfte wiederbringen und beim Erwachen wird Euch Euer Geschick in minder düsteren Farben erscheinen. Ich gehe jetzt, schließt die Thür hinter mir ab und öffnet sie nur, wenn Ihr Janes oder meine Stimme hört. Keinen Dank, junger Freund, keinen Dank! Lebt wohl und Gott sei mit Euch! Auf Wiedersehen!"

Dann war der Alte verschwunden und der Kavalier allein.

V.

Ungefähr anderthalb Meilen vom Schlöffe entfernt, an einer Neben­landstraße, lag im Walde versteckt ein ländliches Wirtshaus. Eine große Eiche breitete ihre Zweige schützend über das niedrige Moosdach und einen Teil des vor dem Hause sich ausdehnenden weiten Rasengrundes, in dessen Mitte sich ein mit Bändern und kunstlos geschnittenen Papicr- blumen reich geschmückter Maibaum erhob.

(Fortsetzung folgt.)

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