leidigung eines Beamten im Dienst eine Geldstrafe von 100 Mk., im Falle deren Unbeibring- lichkeii eine Haftstrafe von 8 Tagen gegen ihn ans. Auch wurde dem beleidigten Beamten die Befugnis zugesprochen, das Urteil (Ziff. 2) binnen 4 Wochen nach eingetretener Rechtskraft in dem „Karlsruher Tagblatt" zu veröffentlichen.
(Tüb. Ehr.)
* Litz elftesten, 9. Sept. Heute Morgen wurde von hiesigen Fischern ein seltener Fang gemacht. In der Nähe der Mainau gelang es ihnen einen im See daherschwimmenden Hirsch mittelst Wurfseiles einzufangen. Das Tier wurde mit dem Fischerboot nach der Mainau verbracht und einstweilen der Obhut des Herrn Hofgärtners Eberling übergeben.
* München, 10. Sept. Nach der „Augsb. Abendztg." gilt die Verlobung des rumänischen Thronfolgers mit einer bayerischen Prinzessin als sicher.
* Aschaffenburz, 8. Sept. Dieser Tage spielte sich hier eine aufregende Szene ab. Die Mutter eines Knaben ging vom Hause weg und schloß denselben in das im dritten Stocke befindliche Wohnzimmer ein. Der Knabe stieg an das Fenster, um den Zug der Hanauer Festgäste zu sehen. Dabei mager wohl dasUcbergewicht bekommen haben, denn er hing auf einmal, sich noch mit beiden Händen an dem Fenstergefims haltend, zwischen Himmel und Erde, wo er zum Glück alsbald bemerkt wurde. Herr Kaufmann Frank stellte sich sofort aus, daß er den Knaben im Fallen auffangen konnte, nachdem ein Hanauer Herr ihm seinen Ueberzieher zu diesem Behufe schnell geliehen hatte. Den Knaben verließen die Kräfte immer mehr, er ließ zuerst die eine Hand los und dann auch die andere, der Absturz folgte, aber es war Herrn Frank auch gelungen, den Knaben aufzufangen. Nur eine kleine Hautabschürfung hatte er davongetragen; jedoch war er durch die ausgestandene Angst ohnmächtig geworden. Herr Frank trug denselben in sein Zimmer und nachdem er ihn mit Wein gewaschen und erquickt hatte, erholte sich der Knabe, der sein Leben Herrn Frank zu verdanken hatte, alsbald wieder.
* Berlin, 9. Sept. Der „Reichsanzeiger" meldet: An Stelle des Geh. Regierungsrat Wermut ist vom 10. Septbr. ab Regierungsrat Kelch mit der Wahrnehmung des Amts eines Kaiserl. Kommissars für Helgoland beauftragt.
* Wie die „Allg. Ztg." hört, ist es richtig, daß in der kaiserl. Familie etwa für Anfang Februar nächsten Jahres einem erfreulichen Ereignisse entgegengesehen wird.
* Nach dem neuesten amtlichen Ausweis über das schwimmende Flottenmaterial der deutschen Marine beträgt gegenwärtig die Zahl der Panzerschiffe 12, Panzerfahrzeuge 15, Kreuzerfregatten 8, Kreuzerkorvetten 10, Kreuzer 4, Kanonenboote 3, Avisos 7, Schulschiffe 10 und Fahrzeuge zu anderen Zwecken 9, zusammen 78 Kriegsschiffe mit 533 Geschützen, einem Deplacement von 189,796 Tonnen, Maschinen Von 188,390 indizierten Vferdekräften und einem Besatzungs - Etat von 17,860 Köpfen. — Das Seeosfizierkorps besteht aus einem kommandierenden Admiral, einem Staatssekretär des Reichs-Marine-Amts, 10 Admiralen, 559 See- Offizieren, vierzig Offizieren der Marine-Infanterie, 57 Maschinen - Ingenieuren, 94 Ma- rine-Aerzten, 34 Feuerwerks- und Zeugoffizieren, 24 Torpedo-Offizieren, 72 Marine-Zahlmeistern und l2 pensionierten Offizieren, zusammen 904 Offiziere und Aerzte. Ferner befinden sich im aktiven Dienst: 593 Decksoffiziere, 150 Seekadetten und Kadetten, 2247 Unteroffiziere, 6 Stabshoboisten, 149 Hoboisten, 11,696 Gefreite und Gemeine, 123 Lazarethgehilfen, 141 Oeko- nomie-Handwerker, 11 Büchsenmacher und 500 Schiffsjungen «Unteroffiziere und Schiffsjungen, zusammen 15,617 Mann.
* Der Aufruf zur Gründung einer Moltke- sttftung auf den 26. Oktober d. I., an dem der Generalfeldmarschall sein 90. Lebensjahr vollendet, ergeht jetzt in den Blättern. Nach einer kurzen Erinnerung an die weltgeschichtlichen Thaten des großen Schlachtendenkers heißt cs in dem Ausruf: „Um dem Dankgefühle, welche alle beseelt, Ausdruck zu geben, was könnte geeigneter sein, als an den Tag, der ihn gebar, an die Stätte, an welcher seine Wiege stand, eine Stiftung zu knüpfen, die
seinen Namen trägt! Im Norden Deutschlands, in der Stadt Parchim, steht sein Geburtshaus; es anzukaufen, für eine würdige Erhaltung Sorge tragen, das erscheint uns als eine Pflicht der Pietät. Es dürste ferner dem nationalen Empfinden entsprechen, ein größeres Kapital zusammenzubringen und es dem gefeierten Feldherrn für wohlthätige Zwecke, die nach seiner Bestimmung mit der Geburtsstätte in Beziehung zu setzen sein würden, zur Verfügung zu stellen." In der Hoffnung, daß dieser Gedanke überall in deutschen Landen freudige Aufnahme finde, richtet der Aufruf an alle nationalgesinnten Männer ohne Unterschied der Parteistellung die Bitte, an allen Orten Sammlungen zu veranstalten und die Erträge dem Schatzmeister, Fabrikbesitzer Jordan zu Parchim, zugehen zu lassen. — Unterzeichnet sind Reichstagsabgeordnete fast aller Parteien, auch der freisinnigen und des Zentrums, und sonstige bekannte Namen vorwiegend aus Norddeutschland.
* Die „Allg. Ztg." fordert ein Dementi des Artikels der preuß. Jahrbücher (in letzter Nr. mitgeteilt) durch den „Rcichsanzeiger". Es liege auf der Hand, daß die Darstellung der „Preuß. Jahrbücher" nicht lediglich die Absicht haben könne, den Fürsten Bismarck zu befehden, sondern den weitergehcnden Zweck verfolge, jenen Kurs der auswärtigen Politik zu diskreditieren, der mit äußerster Vorsicht die Beziehungen zwischen den Höfen von Berlin und Petersburg zu pflegen und zu befestigen suchte, um einer Störung des Weltfriedens vorzubeugen; jenen Kurs, den Kaiser Wilhelm I. noch auf dem Sterbebette seinem Enkel aufs dringendste anempfohlen und den nun gewisse Politiker der englischen Freundschaft zulieb verlassen sehen möchten.
* Die Taktik der Sozialdemokratie beschäftigte am Montag abend wiederum eine in Lehmanns Salon in Berlin stattgehabts, sehr zahlreich besuchte Versammlung des sozialdemokr. Wahlvereins für den 6. Berliner Reichstagswahlkreis. Aus derselben teilen wir folgendes mit: Tapezier Wildberger erörtern das sozialdemokratische Programm. Er sagte unter Anderem: Das im Jahre 1875 aufgestellte Programm sei ein Kompromißprogramm gewesen. Der Satz in dem Programm: „Der Arbeiterklasse gegenüber seien alle andern Parteien eine einzige reaktionäre Masse", sei auf dem Gothaer Kongreß von verschiedenen Delegierten bekämpft worden, ganz besonders sei damals Liebknecht kur diesen Satz eingetreten. Damals sei Liebknecht noch der Meinung gewesen, daß in der heutigen Gesellschaft nichts zu erreichen sei. Heute habe Liebknecht seine Meinung geändert. Ja, wer bürge dafür, daß Liebknecht diese seine Meinung nicht noch einmal ändern werde ? Bebel behaupte: Ohne Anteilnahme am Parlamentarismus wäre das Sozialistengesetz nicht gefallen. Er bestreite das. Er sei nicht dafür, daß das auf dem Wpdener Kongreß gestrichene Wort „gesetzlich" wieder ins Programm ausgenommen werde. Gesetze seien veränderlich. Damit sei allerdings keineswegs gesagt, daß etwas Ungesetzliches begangen werden sollte. Er sei für eine Wahlbeteiligung, man dürfe aber den Arbeitern nicht Vorreden, daß durch den Parlamentarismus etwas zu erreichen >'ei. Es sei notwendig, den Massen die Ziele der Partei vor Augen zu führen. Der Autoritätsglauben müsse in der Partei mit aller Entschiedenheit bekämpft werden. (Beifall und Widerspruch.) Bedauerlich sei es, daß sofort eine förmliche Empörung entstehe, wenn jemand Bebel und Liebknecht kritisiere. (Beifall und heftiger Widerspruch.) Es gelte vor allen Dingen, d'e Massen über die Ziele an'znklären. Bebel selbst sage: es gebe in Berlin kaum 8000 Genossen, die genau die Ziele der Sozialdemokratie kennen. Auch der Satz: „Religion ist Privalsache" müsse aus dem Programm gestrichen werden. Es müsse direkt ausgesprochen werden, daß jeder Genosse aus der Landeskirche auszmreten habe. Der Redner schloß mit dem Bemerken, daß man die Wahl wohl als Heerschau betrachten möge, man dürfe aber über das, was auf diesem Wege zu erreichen sei, sich nicht selbst betrügen. (Lebhafter Beifall und Widerspruch.) — Zi- garrenarbeiter Steinbach: Er gebe zu, daß eine große Anzahl Arbeiter sich der Partei anschließen, weil sie mit den Verhältnissen unzufrieden seien, diese Genossen seien aber sehr bald für die Ziele der Partei zu gewinnen. Im übrigen sei er der Meinung, daß auch im sozialdemokr. Staate das Familienleben recht wohl bestehen und daß dis Frau dem Manne eine Heimstätte bereiten müsse. (Beifall und Widerspruch.) Tischler Mertens: Herr Dr. Wille habe die Arbeiter aufgefordert, sich der freireligiösen Gemeinde anzuschließen. Er sei der Meinung, daß dies eine eben solche religiöse Sekte sei, wie jede andere. (Beifall.) Der Gottesglaube werde bei überzeugten Sozialdemokraten von selbst fallen. Er sei daher der Ansicht, daß in dieser Beziehung keine Forderung gestellt werde, um nicht den Agitatoren in den kath. Gegenden dis Arbeit allzu schwer zu machen. (Beifall und Widerspruch.) Schlosser Birch: Jeder Sozialdemokrat sei selbstverständlich Atheist (Gottesleugner) und Republikaner. Er müsse dem Redner entgegentreten, der da wolle, daß im sozialdemokr. Staate die Frau noch dem Manne eine Heimstätte bereiten möge. Wenn die Frau noch hinterm Kochtopfe stehen müsse, dann sei sie ja im sozialdemokr Staate zur Sklaverei verdammt. Wer die sozialdemokr. Franenversammlungen besuche, der werde wissen, daß die Frauen anders darüber denken. Im übrigen sei er der Meinung, daß wenn selbst ^ der Reichstags- abgeordnet-n aus Sozialdemokraten bestehen würden, die sozialdemokr. Forderungen ebenfalls nicht berücksichtigt wer
den würden. (Beifall und Widerspruch.) Es wurde hierauf beschlossen, der vorgerückten Zeit wegen die Debatte bis zur nächsten Sitzung zu vertage». Arbeiter Günther regte hieraus unter großem Beiiall der Versammlung an, am l. Okt, zu illuminieren.
* Aus Berlin wird über einen Fall berichtet, der wieder einmal zeigt, wie dringend die endliche Lösung der Frage der Entschädigung unschuldig Verurteilter ist. Ein Kaufmann Gustav Lebram wurde vor einem Jahr aus die Aussage dreier Mädchen hin verurteilt, d'e ein ihnen für die Entdeckung des Schuldigen von einem Beamten in Aussicht gestelltes Geschenk von IV? Mk. veranlaßte, sich dahin zu vereinigen, den ihnen ganz unbekannten Manu für den Wüstling zu erklären, der sich au ihnen vergangen hatte. Ein Revisiousgesuch wurde verworfen, schon lag der Befehl zum Antritt der Strafe vor, als es endlich den Bemühungen des Unglücklichen gelang, eine erneute Untersuchung und insbesondere neue Zeugenvernehmungen zu veranlassen, deren Ergebnis so vernichtend für die Glaubwürdigkeit der Mädchen war, daß diese sich schließlich zum Geständnis ihrer bodenlosen Niedertracht herbeiließen. Der Staatsanwalt selbst beantragte in seinem Plai- doyer daraufhin die Freisprechung Lebrams. der nun allerdings seine bürgerliche Ehre wieder erhalten hat, aber durch dies Jahr qualvoller Seelenleiden körperlich ein gebrochener Mann ist; auch finanziell ist derselbe ruiniert, über sein vormals blühendes Geschäft ist im Laufe dieses Jahres der Konkurs eröffnet worden.
* Von der schlesisch - rnssischen Grenze wird der „Voss. Ztg." unter dem 4. September geschrieben: Dieser Tage sandte ein Herren- garderoben-Geschäft zu Kattowitz einen seiner Angestellten zwecks Entgegennahme von Aufträgen nach dem jenseits der Grenze gelegenen Bendzin. Als der junge Mann seine Heimreise antreten wollte, erklärte ihn ein Miliziant für verhaftet und schaffte ihn in die „Koza", wo ihm der Rock, in welchem sich 35 Rubel befanden, abgenommen wurde. In Hemdärmeln mußte der junge Reisende längere Zeit im Gefängnis zubringen. Endlich wurde ihm eröffnet, daß er seine Freiheit gegen eine Strafe von 800 Rubeln wieder erlangen könne. Nach längerem Widerspruch ließen jedoch die russischen Nachbarn mit sich handeln und ermäßigten die Strafe auf 6 Rubel. Als nun der Gefangene das geforderte Lösegeld seiner Rocktasche entnehmen wollte, waren die 35 Rubel spurlos verschwunden; die Nachfrage nach dem Verbleib des Geldes hatte selbstverständlich keinen Erfolg, da niemand etwas davon wissen wollte. Zum Glück fand sich ein Bekannter des jungen Kaufmanns, welcher die 6 Rubel bezahlte, worauf daun letzterer von zwei Soldaten mit geladenem Gewehr bis zum Grmzübergange geführt wurde.
Ausliilldifches.
* Wien, 11. Sept. Aus Lemberg wird gemeldet: Bei den russischen Manövern in Wolhynien entstanden Transportschwierigkeiten und es mußte Banernvorspann requiriert werden.
* Baron Albert Rothschild hat dem Ministerpräsidenten den Betrag von 30,00!) fl. mit der Bestimmung zur Verfügung gestellt, daß diese Summe zu Gunsten der durch die Ueberschwem- mnngs - Katastrophen Beschädigten verwendet werde.
* Serajewo, 10. Sept. Italien macht in Bosnien große Pferdeeinkänfe.
* Das „Journal de Fribourg" meldet, daß ein Soldat des Bataillons 23 (Berner Jura) bei dem gegenwärtig ftattstndenden Trnppenzu- sammenzng seinen Kameraden erschossen habe. Man fand beim Mörder noch mehrere scharfe Patronen. Das Verbrechen wurde während der Manöver in der Nähe Murtens begangen; sein Opfer ist wenige Minuten, nachdem es getroffen worden, gestorben. Der Mörder wurde nach Murten geführt.
* Sonntag Morgen bekam ein Italiener in Wipki ngen bei Zürich mit seiner Frau Streit; er packte sie und wollte sie in die Limmat werfen; die Frau riß ihn aber mit hinein und beide ertranken.
* Paris, 10. Sept. Anläßlich des dem- nächstigen Erlöschens der Handelsverträge wird ein neuer Gesetzentwurf, der das neue Zollregime festsetzt, bei dem Wiederzusammentritt der
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