gefunden worden. Als des Vatermordes verdächtig wurde der 23jährige Sohn des L., sowie dessen Braut, die gestern Hochzeit feiern wollten, verhaftet und geschlossen in dasAmts- gcrichtsgefängnis nach Eisfeld transportiert. Die verruchte That wurde durch den Hofhund, der seit dem Verschwinden seines Herrn vorgestern zum ersten Male wieder von der Kette gelöst war und eifrig und ängstlich nach seinem ehemaligen Herrn suchte, entdeckt, indem das treue Tier den Leichnam in der Grube aufstöberte.
* Ein aufregender Zwischenfall spielte sich dieser Tage auf der Bahnlinie von Jena nach W e i m a r ab. Ein Reisender wurde von einem Herrn, der allerlei" „Modelieder" , wie „Fischerin du kleine" und „Siehst de wohl' da kimmt er" pfiff, um Feuer angesprochen; merkwürdigerweise verlangte er, dem seine Cigarre brannte, nach einigen Minuten abermals Feuer. „Sie haben ja welches", sagte der Paffagier, den er allgeredet hatte. „Gleichviel", rief der Herr, „wenn Sie mir kein Feuer geben, gebe ich welches!" Gleichzeitig zog er einen Revolver aus der Tasche und legte auf den Passagier an. Natürlich entstand eine gewaltige Aufregung unter den Insassen des Coupes, man schrie, warnte und drohte, die Notleine zu ziehen. „Den ersten, welcher sich an der Notleine vergreift, schieße ich über den Haufen!" schrie aber der gefährliche Reisende, und er sah nicht aus, als ob er spaße. Trotzdem gelang es einer Dame, das Notsignal zu geben; der Zug hielt zwischen Jena und Großschwabhausen auf freiem Felde still, und drei Schaffner überwältigten den sich verzweifelt wehrenden Menschen, der nun in ein besonders Coupe gebracht und sorgfältig überwacht wurde. In Weimar, wohin man sogleich telegraphiert hatte, nahm die Polizei den gefährlichen Reisenden in Empfang. Befragt, wozu er die Waffe führe, erklärte er, er habe sich erschießen wollen, doch verweigerte er über Namen und Stand jegliche Auskunft. Gegenwärtig befindet er sich im Krankeuhausc, wo er, da man an seiner Zurechnungsfähigkeit billig zweifelt, auf seinen geistigen Zustand geprüft werden soll.
* Berlin, 1. August. Das „Tageblatt" will wissen, eine Bankgruppe, an deren Spitze die Diskonto-Gesellschaft stehe, verfolge den Plan der Veranstaltung einer Weltausstellung in Berlin im Jahre 1896 und habe bereits Terrain im Westen der Stadt erworben. Die Nachricht bedarf sehr der Bestätigung.
* Berlin, 1. August. Professor Olshausen fand den Zustand der Kronprinzessin von Griechenland bedenklich. Er äußerte sein Befremden über die Behandlung der hohen Wöchnerin nach der Geburt.
* Berlin, 1. Aug. Das Sozialistengesetz geht am 30. September zu Ende; ein Aufruf der sozialdemokratischen Fraktion begrüßt die nachfolgende Zeit als „Neue Aera" und benützt diesen Wechsel des geltenden Rechtes nicht un
geschickt zur Verheimlichung des im sozialdemokratischen Lager ausgebrochenen Haders. Auf den 12. Oktober und die folgenden Tage wird nach Halle, wo auch die Vorberatung über den „Weltfeiertag" stattgefunden hatte, ein Parteitag einberufen, der so ziemlich über alles und jedes Beschluß fassen soll, was als Grundlage einer Partei überhaupt in Betracht kommen kann.
* Berlin, 1. August. Geheimrat Hinzpeter hat einen Kommentar zu der Schäffle'schen Broschüre über „die Bekämpfung der Sozialdemokratie ohne Ausnahmegesetz" ausgearbeitet. Das Manuskript wurde dem Kaiser nach Wilhelmshaven gesandt.
* Die auf Befehl des Kaisers angestellte Untersuchung der Verhältnisse der Weber des Eulengebirges ist soeben beendet worden. Danach beträgt, wie der „Köln. Ztg." gemeldet wird, im Hauptbezirke Reichenau der durchschnittliche Wochenlohn des Webers 4 bis 7 Mk.
* Wilhelmshaven, 1. Aug. Der Kaiser trat heute Mittag an Bord der Jacht „Hohen- zollern" die Reise nach Ostende an; das Manövergeschwader dampfte vorauf, die Korvette Irene folgte.
Ausländisches.
* Wien, 1. Aug. Gerüchtweise verlautet: Der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand werde sich mit der ältesten Tochter des Prinzen Leopold von Bayern (Elisabeth, geb. 8. Jan. 1874) verloben.
* In Ischl fand die Vermählung der Erzherzogin Marie Valerie, der einzigen Tochter des Kaiserpaares, mit dem Erzherzog Johann Salvator statt. Der Kaiser Franz Joseph bezeichnet diese Verbindung als „die letzte Freude seines Lebens".
* Zürich, 1. Aug. Die „Neue Züricher Zeitung" bringt aus der Feder eines mit ostafrikanischen Verhältnissen wohlvertrauten und an der dortigen Unternehmung beteiligten Mannes einen Leitartikel über die Entstehungsgeschichte des deutsch-englischen Vertrages über Ostafrika, der in Deutschland Aufsehen erregen dürfte. Hervorzuheben ist folgende Stelle: „Plötzlich aber, nachdem nämlich anfänglich zögernde Unterhandlungen stattgefunden, trat eine Wendung ein, denn die Königin von England, in Verbindung und wohl auf Anregung der Kaiserin Friedrich, hatte sich dieser Sache bemächtigt. Man wendete sich an den Enkel und das Ergebnis ist dieses jetzt vorliegende Abkommen. Die Sache kam so überrumpelnd, daß selbst Herr v. Caprivi Widerstand erhob und Krauel ganz geschlagen war über die plötzliche Vernichtung seines Werkes. Der Reichskanzler soll in dieser Zeit die Frage vielfach erwogen haben, seine Entlassung einzureichen; man war sich aber unklar darüber, ob er hierzu Neigung verspürte aus Widerstand gegen das Abkommen oder aus Mißbilligung über die Nordlandsreise des Kaisers. Jedenfalls wirkte wohl beides in gleicher Weise zusammen. Im
ganzen Auswärtigen Amte gab es wohl niemanden, ausgenommen vielleicht den neuen Staatssekretär v. Marschall, der mit diesem Abkommen zufrieden gewesen wäre." Der Verfasser des sehr interessanten Artikels bezeichnet die auf dem aufrichtigen Wunsche eines engeren Familienzusammenhanges beruhende dynastische Politik als die letzte Ursache des deutsch - englischen Abkommens.
* Rom, 1. August. Einem Gerücht zufolge soll eine Zusammenkunft zwischen Crispi und Salisbury bevorstehen.
* Paris, 31. Juli. Die Kammer gewährte einen Kredit von 200000 Fr. für die Familien der bei dem Grubenunglück in Saint Etienne umgekommenen Grubenarbeiter. Die Zahl der Toten beläuft sich auf 109, die der Verwundeten, auf deren Rettung zu hoffen ist, nur auf ein Drittel der Gesamtzahl, 37. Der Ober-Ingenieur Chasson sucht die Ursache des Unglücks in der Erhitzung der Kohle. Heute nachmittag fand unter Beteiligung einer großen Volksmenge die Beerdigung der Verunglückten statt.
* Paris, I.Aug. „Soleil" schreibt, Prinz Ferdinand von Koburg wolle Absichten realisieren, durch welche ein Krieg zwischen Rußland und Oesterreich herbeigesührt werde. Wenn Oesterreich ohne Unterstützung bleibe, sei es verloren, werde es unterstützt, so werde daraus ein europäischer Krieg entstehen.
* Paris, 1. August. Frankreich und England verlangen von Argentinien gemeinsam 12 Millionen Mark Schadenersatz für Zerstörung und Plünderung des Eigentums ihrer All- gehörigen.
* Paris, 2. Aug. Im heutigen Ministerrat Unterzeichnete Präsident Carnot ein Dekret, wodurch er den anläßlich von Ausständen Verurteilten gänzlichen oder teilweisen Straferlaß gewährt. 14 Verurteilten wird die ganze Strafe nachgesehen, 22 genießen teilweise Strafnachsicht.
"Paris, 2. Aug. Der „Jntransigeant" versichert, General Billot sei an Stelle Saussiers als Oberbefehlshaber in einem etwaigen Kriegsfall bezeichnet.
" Das Abkommen Frankreichs mit England betreffs der afrikanischen Besitzungen ist in allen wesentlichen Punkten festgestellt, so daß der definitive Abschluß binnen wenigen Tagen bevorsteht. Die wesentlichste Errungenschaft Frankreichs hiebei ist die Anerkennung des 1885 mit der Hovas - Regierung geschlossenen Vertrags, durch welchen Madagaskar unter die Suzeränität Frankreichs gestellt " wird. Dieser Vertrag hatte bis jetzt fast keine Wirkung erlangen können, weil die von englischen Agenten und Missionaren beeinflußte franzosen- seindliche Partei die Ausführung desselben in jeder Weise hinderte und bekämpfte. Der zweite Punkt ist, daß England seine Besitzungen zwischen Liberia und Kamerun nicht über den Benue ausdehnt.
* Ostende, 2. August. Die Kaiseryacht
Die Pflegekinder des Kommerzienrats.
Novelle von Carl Hartmann-Plön.
(Fortsetzung.)
„Da ist der Pavillon", fuhr Katharina fort, „es stehen Bänke vor dem Eingänge — ich fühle mich matt und angegriffen, lassen Sie uns einen Augenblick auf einer derselben Platz nehmen."
Brodersen führte Katharina nach dem Pavillon und nachdem beide auf einer der Bänke vor demselben Platz genommen hatten, wagte es der sonst so bescheidene und schüchterne junge Mann seinen Arm um Katharinas Taille zu legen und das junge Mädchen erst leise und dann immer fester an sich zu ziehen. Sie ließ es geschehen und widerstrebte nicht. Plötzlich schlang sie beide Arme um seinen Nacken, ihre Lippen hatten sich gefunden — eine lange Pause trat ein. „Es ist geschehen", sagte Katharina, nachdem sie sich der Umarmung entwunden, ihre Hand ihm aber lassend, die er mit der seinen umspannt hielt, „ich habe erreicht, wonach mein Herz lechzte, einen Wonneaugenblick der Liebe zu genießen, bevor ich für immer — — Doch hören Sie meine Beichte, Sie siird der einzige Mensch auf dieser Erde, dem ich einen vollen Blick in meine Seele gestatte, weil ich Sie liebe! Doch versprechen Sie mir vorher, alles, was ich Ihnen sagen werde, mit Ruhe hinzunehmen, sich in das Unvermeidliche fügen zu wollen, unweigerlich das zu thun, was ich von Ihnen fordere."
„Alles will ich thun", erwiderte Brodersen, „nur das eine nicht, von meiner Liebe zu lassen!"
„Hören Sie mich nur erst! Wenn ich Ihnen mein ganzes Herz ausgeschütlet habe, wenn ich Ihnen jede Falte meines Innern gezeigt, dann stelle ich zum zweiten Male die Forderung und dann werden Sie gehorchen!"
„Ich bin von niederer Herkunft", fuhr Katharina nach einer kleinen Pause fort, „durch Zufall kam ich in das Haus eines reichen Mannes, ich wurde wie eine Prinzessin erzogen, kein Wunsch, den mir die Eitelkeit eingab, ward mir abgeschlagen; namentlich nach dem Tode der Frau Kommerzienrätin durfte ich mich wie eine Fürstin kleiden, mich mit Brillanten schmücken, nichts war meinem Pflegevater zu teuer, er gab mit vollen Händen."
„Was Wunder", fuhr Katharina fort, „daß sich, durch solche Fülle, solchen Ueberfluß verwöhnt, in mir der Gedanke ausbildete, ein anderes Dasein, ein rieben, das mir Entbehrungen auferlegt hätte, nicht mehr führen zu können und daß sich in mir der Wunsch erhob, an ein Ziel zu gelangen, welches mich befähigte, meine Eitelkeit, mein Hoffart und Prunksucht in vollem Maße zu befriedigen! Ja, das sind die Eigenschaften, die sich in meinem Charakter eingenistet haben, die ihn durchziehen und vergiften und die ich zu schwach bin, aus ihm wieder zu entfernen! Ich habe mir diese Schwäche nie verhehlt, ich kenne mich selbst zu gut, und weiß, wie sie mein ganzes Innere durchdringt; ich fühle es, daß wenn ich in ärmlichere Verhältnisse hinabsteigen müßte, meine Seele Schaden leiden, daß ich schlechter werden würde — nur auf der Höhe des Reichtums bleibe ich, was ich bin! Ich habe auch nie versucht, diese Schwächen zu besiegen, ich glaubte es nicht nötig zu haben, denn ich halte Aussicht, daß Glanz und Luxus mir verbleiben würden. Das ganze Hans nahm an, daß mein Pflegebruder mir die Hand bieten würde, ich selbst nahm es auch an, ich hätte sie auch genommen, obgleich ich ihn nicht liebte, mein Herz kannte noch keine andere Liebe als den Reichtum. Ich wollte die Herrin eines reichen Hauses werden, wollte glänzen und prunken — mit dem übrigen hätte ich mich schon abgefunden. Was nun? Heinrich hatte die Gräfin Waldsee kennen gelernt und sich in sie verliebt. Sollte ich darum alle Hoffnung aufgeben? Ich mußte einen anderen Aus-