richshafen wurde probeweise ein gestiftetes prächtiges Brunnen-Bassin von schwarzem Marmor, gefertigt von Gebrüder Pfister dort, ausgestellt. Dasselbe trägt als Wasserspeier die Broncefigur „Nürnberg. Gänsemännle". — Gegen 900 Männer haben in Ebingen bereits die an den Reichstag gerichtete Petition um Einführung der 2jährigen Präsenzzeit bei der Infanterie unterzeichnet. — Der Wagner K. von Gerabronn ist seit einigen Tagen spurlos verschwunden.
* Gernsbach, 30. Mai. In der Nacht vom 28. zum 29. ds. ist die Holzstoff- und Pappefabrik Hirschau bei Obertsroth mir Ausnahme unbedeutender Baulichkeiten ein Raub der Flammen geworden. Das Feuer soll um 10 Uhr in dem Pappe-Trollcnraum ausgcbrocheu sein und hat sich mit rasender Schnelligkeit auf das ganze Fabrikgebäude verbreitet. Der Schaden an Vorräten und Fahrnissen betrügt etwa 300 000 Mk., an Gebäuden etwa 30000 Mk., das Gebäudefünftel und die Fahrnisse sind versichert.
* In Kirchardt, OA. Sinsheim, verkaufte ein junger, jedenfalls durstiger Landwirt an einen Bierbrauer ein Grundstück von ca. 24 Ar gegen die Verpflichtung des letzteren, ihm ein Jahr lang an jedem Wochentag 7, an jedem Sonn- und Feiertage 8 Glas Bier zu je Vio Liter zu verabreichen. Das macht im Jahr ungefähr 2620 Glas Bier.
* München, 3. Juni. Das Befinden v. Lutz' ist besorgniserregend. — Oberregierungsrat Freiherr v. Welser wurde zum Polizeidirektor von München ernannt.
* Der Rücktritt des bahr. Ministerpräsidenten v. Lutz ist besonders auch im Bundesrat lebhaft bedauert worden. Der neue Kultus- und Un- terrichtsiniiiisier Dr. von Müller hat sein Amt bereits gestern früh übernommen. Alle Blätter stimmen darin überein, daß nur ein Wechsel der Person, nicht des Systems eiugetreten sei.
* Bayreuth, 30. Mai. Eiue Meuterei im Eisenbahnwagen spielte sich heute vormittag zwischen Mainroth und Kulmbach ab. Der Gendarmeriewachtmeister Suttner von Kulmbach, in Begleitung eines Gendarmen, hatte zwei Sträflinge von einer Vernehmung zur Plassen- burg zurück zu transportieren. Dieselben waren zusammengefesselt; trotzdem überfielen sie im Eiscnbahnkoups ihre Begleiter und brachten ihnen lebensgefährliche Messerstiche bei; die Gendarmen machten von ihren Säbeln Gebrauch und es entstand ein förmliches Blutbad. Suttner hat schwere Wunden am Kopf, ist aber außer Gefahr; Gendarm Egenhöfer und ein Sträfling sind lebensgefährlich, der andere Sträfling leichter verletzt.
' Berlin, 29. Mai. In hiesigen Anwaltskreisen wird ein Entschädigungsprozeß vielfach besprochen, der, gegen einen hiesigen Rechtsanwalt angestrengt, jetzt in zweiter Instanz zu Ungunsten des Beklagten entschieden worden ist.
Vor etwa 3^Jahren erhielt der betreffende Anwalt von einem seiner Mandanten den Auftrag, im Grundbuche des königlichen Amtsgerichts I sich über die Hypothekenverhältuisse eines hiesigen Grundstücks zu informieren und speziell festzustellen, hinter welchen voreingctragenen Hypotheken ein von dem Besitzer erbetenes weiteres Darlehen in Höhe von 90,000 Mk. zu stehen komme. Der Rechtsanwalt ließ sich die Grundbuchakten vorlegen, machte sich Notizen daraus und erteilte seinem Mandanten die gewünschte Auskunft. Da diese über die Höhe der voreiu- getragenen Hypotheken günstig ausfiel, so erfolgte die Hingabe der 90,<>00 Mark gegen hypothekarische Eintragung. Gleich nach erfolgter Eintragung der Schuld stellte sich aber heraus, daß vor den 90,000 Mk. noch eine größere Hypothek fest eingetragen war, die der Rechtsanwalt übersehen hatte. Das Grundstück kam demnächst zur Subhastation und bei der Versteigerung desselben fielen die zuletzt eingetragenen 90,000 Mk. gänzlich aus. Der Gläubiger machte nunmehr den Rechtsanwalt für diese Summe verantwortlich und klagte dieselbe, da in Güte Zahlung nicht erfolgte, ein, indem er behauptete und unter Beweis stellte, daß er die 90.000 Mk. nicht hingegcben hätte, wenn er von der Voreintragung des vom Rechtsanwalt übersehenen Hypothekenpostens Kenntnis gehabt hätte. Das Kammergericht hat, dem „B. L." zufolge, denn auch ein grobes Versehen des Rechtsanwalts bei Durchsicht der Grundbuchakten für festgestellt erachtet und den Beklagten zur Tragung des Schadens in Höhe der eingetragenen Hypothek kostenpflichtig verurteilt. — Der verurteilte Anwalt, der glücklicherweise zu den „gutsituierten" zählt, wird gegen die verurteilende Entscheidung die Revision beim Reichsgericht beantragen.
'Berlin, 1. Juni. Der Erlaß über die neue Hoftracht ist veröffentlicht. Der Kaiser sagt darin: „Es ist Mein Wunsch, daß in dem Leben an Meinem Hose in Beziehung auf die Trachten die schönen Sitten und Gebräuche früherer Zeit wiederum zur Geltung gelangen." Es wird den bei Hofe verkehrenden Herren gestattet, bei den Hofgesellschaften Kniehosen und ausgeschnittene Schuhe (Eskarpins) anzu- legeu, ähnlich wie das bei anderen Höfen der Fall ist. Ferner ist die Anlegung eines Rockes nach älterem deutschem L-chnitt an Stelle des Fracks als wünschenswert angedeutet. Ein Zwang, diese Tracht zu tragen, wird nicht ausgesprochen.
* Die „Krcuzzeitung" meldet aus Paris: Es verlautet, Graf Herbert Bismarck habe sich mit Lady Edith Ward, Tochter der Lady Dud- ley, verlobt.
* Wie Bonner Blätter melden, wird ein Ehepaar von Bonn, das seine Hochzeitsreise nach der Schweiz angetreten hatte, seit dem 23. April vermißt. Dasselbe wollte nach 14 Tagen zurückkehren. Die letzte Nachricht, die den Angehörigen des jungen Paares von diesem zuge
gangen, ist in Luzern am 17. April zur Post gegeben; danach sollte die Rückreise nach Aachen, wo der junge Mann eine Buchhandlung besitzt, am 23. April angetreten werden. Seitdem fehlt jede weitere Spur von dem Paare; alle Nachforschungen sind bisher erfolglos geblieben.
* Aus Grünberg (Schlesien) wird gemeldet: In Kontopp vernichtete eine Feuersbrunst 27 Häuser, darunter das evangelische Pfarrhaus.
* K r o j a n k e. Großes Aufsehen erregt hier die Verhaftung des Postoerwalters Krüger wegen Unterschlagung von 4600 Mk. K. genoß bisher das unbeschränkte Vertrauen seiner Behörde. Er führte einen überaus soliden Lebenswandel und hatte sich die Achtung des Publikums in hohem Maße erworben. Wie man hört, soll K. durch unglückliche Spekulationen an der Börse um sein Vermögen gekommen sein.
* Hamburg, 1. Juni. Die „Hamburger Nachr." sprechen sich über die Unterredungen aus, die Fürst Bismarck Vertretern russischer und französischer Journale gestattet hat. Sie finden, der Fürst habe in seiner jetzigen Lage dem deutschen Reiche keinen größeren Dienst erweisen können, als daß er durch loyale, einleuchtende, autoritative Darstellungen den fremden Völkern Gelegenheit gegeben habe, sich von den Jrrtümern früher festgehaltener, dem Frieden gefährlicher Vorstellungen zu überzeugen. Dafür, daß dadurch zu Gunsten des Friedens gewirkt werde, lägen bereits wichtige Zustimmungen aus Frankreich und Rußland vor.
Allslälldisches.
* Wien, 1. Juni. Heute früh entgleiste der Schnellzug Eger-Wien aus bisher nicht genau konstatierter Ursache zwischen Tulln und Langen- lebarn mit Lokomotive, Tender und sämtlichen Wagen. Ein Gepäckwagen, in dem sich 160 Colli befanden, wurde buchstäblich in Stücke zertrümmert, ein Personenwagen arg beschädigt. Sämtliche 42 Passagiere blieben unverletzt, nur der Zugführer erlitt Verletzungen.
* Pest, 1. Juni. Krupp aus Essen hat dem Handelsminister einen Plan eingereicht, nach welchem die Donau mit dem Adriatischen Meer mittelst eines Kanals zu verbinden wäre.
* Paris, 31. Mai, Die eben eingetroffene Bricfpost aus Tonking bezeichnet die Lage in diesem Lande als eine unglückliche. In einzelnen Provinzen greifen Hungersnot und Räuberwesen um sich; überall werden Handelsschiffe von Piraten angehalten und ausgeraubt oder wird ihnen wenigstens Geld abgepreßt. ^Jn einer Provinz herrscht auch Cholera. Man zählt etwa 68 Todesfälle täglich. Die Piraten kommen bis in die großen Städte herein. Zahlreiche Uebersälle und Mordthaten werden gemeldet. Sämtliche disponible Truppen sind ausgerückt.
* Paris, 31. Mai. Graf Herbert Bismarck wollte bei seinem Hiersein in Versailles das Haus besuchen, in welchem 1870 seiuVater
Die Megekindex des Kommerzienrats. ^4^
Novelle von Carl H artm an n-P lo n.
(Fortsetzung.)
„Ja, mein werter Freund", fuhr er fort, „wenn ich nur nicht allzu oft Sie bitten werde, mit uns zu musizieren, ich bin in diesem Punkte sehr unbescheiden und unverfroren und namentlich, wenn Sie erst in der Nachbarschaft wohnen, wird mir gar leicht, weil ich es so rasch haben kann, die Lust anwandeln. Aber ich bitte Sie im voraus, Herr Willhöst, ungeniert meine Einladung abzulehnen, wenn Sie verhindert sind oder es Ihnen nicht paßt; mit gleichem Freimute werde ich Ihnen sagen lassen, wenn Sie sich einmal anmelden sollten und es uns nicht paßt: Kommen Sie lieber den nächsten Abend! Wir müssen uns da gegenseitig freie Hand lassen, so habe ich es immer mit Bentheim gehalten."
„Da ich ebenso leidenschaftlich musiziere, wie Sie, Herr Graf, werden Sie die Erfahrung machen, daß ich eine Einladung von Ihnen allem anderen vorziehen werde."
„Das sind ja prächtige Aussichten."
„Spielen auch Sic, Komtesse, gern Trios mit?"
„O, sehr gern", erwiderte Jsabella, „und ich habe ein doppeltes Vergnügen dabei, denn erstens gehört das Musizieren zu meiner liebsten Beschäftigung und zweitens kenne ich keine größere Freude, als den Papa heiter und glücklich zu sehen und er ist nie heiterer, als wenn er fein Violiucello im Arme hat. Aber warum, Herr Leutnant, haben Sie nur auf Hohenfels mit keiner Silbe verraten, daß Sie die Violine spielen?"
Ich trage nicht gern in einer so großen Gesellschaft etwas vor, es stört mich der Gedanke, daß die meisten der Anwesenden in der Regel
von klassischer Musik weder etwas verstehen noch dieselbe gern hören und ich spiele ungern die Kompositionen der Italiener oder die gewöhnliche Salonmusik. Aus diesem Grunde habe ich mich gar nicht der Gefahr erst ausgesetzt, zu einem Vortrage aufgefordert zu werden. Aber, Komtesse, Sie nannten mich soeben noch Herr Leutnant — ich bin es nicht mehr und mit Wehmut blicke ich auf die letzten Wochen zurück, die ich zu den schönsten meines Lebens zähle."
„Auch ich werde diese Zeit nie vergessen", sagte Jsabella in einem eigentümlichen, leise geflüsterten Tone, als wenn sie diese Worte zu sich selbst spräche.
Ein rascher Blick aus Heinrichs großen, feurigen Augen traf sie, eine Sekunde hielt sie denselben aus, dann senkte sie den ihrigen und, als wenn sie etwas gethan, was ihre eigene Mißbilligung gefunden, zogen sich für einen Augenblick ihre Augenbrauen zusammen.
In diesem Augenblick öffnete sich die Thür und die Gräfin Scheck trat ins Zimmer. Heinrich hatte sich bereits erhoben, um zu gehen. Er verbeugte sich und sagte: „Ich habe auch Ihnen, Frau Gräfin, einen freundlichen Gruß von dem Herrn Grafen und der Frau Gräfin Hohenfels zu überbringen."
Gräfin Ursula hatte ihn sofort beim Eintritt ins Zimmer erkannt und war, den Kopf im Nacken, näher getreten. Nachdem Heinrich seine Verbeugung gemacht und den Gruß angebracht hatte, führte sie ihr Lorgnon vor die kleinen grauen Augen uud sagte mit schnarrender Stimme: „Mit wem habe ich die Ehre?"
„Wie, Tante Ursula", rief Jsabella lachend aus, „erkennen Sie denn den Herrn Leutnant Willhöst wirklich nicht?"
„Ah, der Herr Leutnant — in der That! Ich bitte um Entschuldigung, daß ich Sie, den ich bisher nur in glänzender Uniform gesehen, in dieser — bürgerlichen Kleidung nicht gleich erkannte."