* London, 3. Juni. Während einer Hebung des britischen Mittelmeergeschwaders stieß der „Orion" auf das Panzerschiff „Tsmsraire" und riß in der Breite von zwanzig Fuß dessen Panzerbekleidung ab, worauf sich die wasserdichten Räume mit Wasser füllten.
* Petersburg, 1. Juni. Die hiesige Polizei fahndet auf Nihilisten und entdeckte einen neuen Attentatsplan gegen den Zaren.
* Sofia, 1. Juni. Die in dem Panitza- Prozeß Verurteilten werden beim Kassationshofe Berufung einlegen.
* Belgrad, 3. Juni. Nächst dem Amselfelde sollen neuerdings furchtbare Christen- masakrcs stattgefunden haben, alles flüchtet nach den Städten.
* Newyork, 31. Mai. Eine entsetzliche Brand-Katastrophe hat in Fortworth (Texas) anläßlich eines daselbst abgehaltenen Sängerfestes mehr als dreißig Menschenleben zum Opfer gefordert. Das Fest fand in dem Ausstellungsgebäude statt, welches bis auf den letzten Platz vom Publikum besetzt war. Eben produzierten sich die Säuger auf der für sie errichteten hohen Estrade, als plötzlich Feuerrufe ertönten und man zu gleicher Zeit von der Decke herab Funken und dann einzelne brennende Holzteile fallen sah. Einige Sekunden späterstanden auch schon die Guirlanden, die Fahnen und Draperien, mit welchen das Sänger-Podium geschmückt war, in Hellen Flammen. Nun entstand sowohl unter den Zuhörern als auch unter den Sängern eine furchtbare Panik. Einige der letzteren sprangen von der Estrade herab ins Publikum, dadurch natürlich den Schrecken und die Verwirrung vergrößernd, andere sprangen durch die Fenster auf die Straße hinunter, wo sie mit gebrochenen Gliedern liegen blieben. Die Panik im Saale aber wurde mit jedem Augenblicke ärger, denn schon waren durch die herabfallenden brennenden Gegenstände die Kleider mehrerer Damen in Flammen gesetzt. Unter furchtbarem Wehgeschrei versuchten die Unglücklichen, sich die brennenden Stoffe vom Leibe zu reißen — es war unmöglich, denn sie konnten bei dem entsetzlichen Gedränge ihre Hände nicht gebrauchen. So kam es, daß die Flammen sich immer weiterverbreiteten und gewiß wären Hunderte elend verbrannt, hätte man nicht glücklicherweise von außen mit Beilen Löcher in die Bretterwände geschlagen und so mehrere Ausgänge geschaffen. Immerhin war die Ernte des Todes noch eine nur zu reiche. Außer den lebendig Verbrannten sind auch mehrere der Sänger, die auf die Straße gesprungen waren, bereits gestorben und mehr als 50 haben so schwere Verletzungen erhalten, daß eine Wiedergenesung absolut ausgeschlossen ist. Unter den Geretteten ist der Sohn des Präsidenten Harrison. Die Ent- stehungsursache des Feuers ist nicht bekannt.
* New-Jork, 1. Juni. Alabama ist mit einem ernsten Rassenkriege bedroht infolge einer in Six Meile eben stattgehabten Ruhestörung, indem einige farbige Frauen einige weiße Damen,
welche bei ihnen vorbekgrngeu, vom Trottoir verdrängten. Die Gatten und andere männliche Freunde der beleidigten Frauen gerieten in solche Wut, daß sie die Negerinnen verfolgten und in der Straße auspeitschten. Dies empörte natürlich die Neger, welche sich zusammenscharen und bewaffnen. Die Weißen bewaffnen sich ebenfalls und es wird ernstes Blutvergießen besorgt.
Handel nad Berkehr.
* Stuttgart, 2. Juni. (Landesproduktenbörse.) Die heutige Börse ist schwach besucht. Verkauf schleppend. Wir notieren per 100 Kilogramm : Weizen serb. 21 Mk. 50 Pf., fränk. 22 Mk., Rumänier 21 Mk. 80 Pf., ruff. azima 22 Mk. 10 Pf. bis 22 Mk. 20 Pf., nieder- bayr. 22 Mk. 30 Pf., Ungar. 22 Mk. 40 Pf., Haber 18 Mk. 25 Pf., Ackerbohnen 16 Mk. bis 16 Mk. 75 Pf. — Mehlpreise per 100 Kilogramm inkl. Sack bei Wagenladung: Suppengries 33 Mk. 50 Pf. bis 34 M., Mehl Nr. 0: 34 Mk. bis 34 Mk. 50 Pf., Nr. 1: 32 Mk. bis 32 Mk. 50 Pf., Nr. 2: 30 Mk. 50 Pf. bis 31 Mk., Nr. 3: 28 Mk. 50 Pf. bis 29 Mk. 50 Pf., Nr. 4: 25 Mk. bis 25 Mk. 50 Pf., Kleie mit Sack 9 Mk. per 100 Kilo je nach Qualität.
Vermischtes.
* Ueber den Einfluß des Schnürens auf die inneren Organe, zumal auf die Leber, ist von ärztlicher Seite schon vielfach — vergeblich — geschrieben und gepredigt worden. Professor Rud. Virchow in Berlin machte nun vor wenigen Tagen gelegentlich einer Vorlesung über die Krankheiten der Leber neuerdings auf die schädlichen Folgen des Schnürens aufmerksam. So ist es möglich, die Leber aus der Zeit des Ancien-Regime, der Orleans, der Napoleons rc. zu unterscheiden. Durch das starke Schnüren verschwinden ganze Leberteile, andere wachsen in abnormer Weise, Veränderungen, welche bei der hervorragenden Bedeutung dieses Organs verhängnisvolle Folgen haben können.
* (Empfindlich.) Mieterin: „Ich muß leider die Wohnung, die mir sonst sehr gut gefällt, wieder ausgeben, da mein Mann, seit wir hier wohnen, gar nimmer zn Haus bleibt!"
— Hausfrau: „Wieso denn, fühlt er sich denn nicht heimisch?" — Mieterin: „Das schon, aber im Wirtshaus nebenan wird so oft angczapft
— das kann mein Mann nicht hören!"
Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Wensteig.
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gewohnt hatte. Die Besitzerin des Hauses verweigerte jedoch die Erlaubnis.
* Paris, 31. Mai. Die völlige Kriegsbereitschaft der französischen Ostgrenze wird von dem journalistischen Reisestab, welcher dem Präsidenten Carnot auf seinem jüngsten Ausfluge nach dem Süden folgte und über die geringsten Zwischenfälle wie über die bedeutsamsten Kundgebungen mit gleicher Gewissenhaftigkeit referiert, voller Genugthuung und in beredter Darstellung gepriesen. Da Carnot zuletzt in Belfort Station machte und von dort direkt nach Paris zurückkehrte, so mangelte es den Reiseberichterstattern nicht an Gelegenheit, mit eigenen Augen zu sehen, zu prüfen und sich ein Urteil zu bilden. Dasselbe fällt für die Tüchtigkeit der französischen Kriegsverwaltung sehr schmeichelhaft aus. Man ersieht aus den bezüglichen Schilderungen, daß ihre Verfasser nicht ungern in der Gegend verweilten, „wo man immer an das „notwendige Uebel", an den Krieg denkt, der zwischen heut und morgen ausbrechen kann, wo man auf der Hut und voll höchster und ernstester Umsicht ist." Dieser örtliche Stimmungscharakter ließe sich noch bis in die geringfügigsten Einzelheiten der Empfangsvorkehrungen verfolgen. So erfahren die Leser, daß das Beiriebspersonal und Material der Obstbahn-Gesellschaft stets gerüstet zum Empfang und zur Ausführung der etwaigen Mobilmachunas-Ordre dasteht, daß die Beamten nach deutschem Vorbilde militärisch diszipliniert sind, daß Lokomotiven und Wagen auf den höchsten Grad technischer Leistungsfähigkeit geprüft sind. Ueber die Verhältnisse der Belforter Garnison erfährt man, daß die dort untergebrachtcn 800 Mann lauter Elitetruppen sind, die in Bewegung und Waffenhandhabung von dem Gros des Heeres sich auf das vorteilhafteste unterscheiden. In der Modelle, welcher Carnot einen Besuch abgestattet hat, „findet sich keine Spur unnützer Anhäufung von Kriegswerkzengen, aber man erkennt, daß alles für einen sofortigen Kampf bereit ist." Die Kasematten sind zur Aufnahme von 3000 Mann und 2-000 HanptVieh eingerichtet, im weiteren Umkreise ziehen sich die Forts, um den Eindruck zu vervollständigen, „daß Lelsort uneinnehmbar ist."
'London, 2. Juni. „Times" meldet aus Sansibar: Nach den hier eingelaufenen Nachrichten hat Peters auf dem Durchmärsche durch Uganda dem vertriebenen christl. König Mwanga gegen seinen Gegner Karema und die Araber znm Siege verholfen und ihn wieder zum unbeschränkten Herrscher Ugandas gemacht, wofür Peters bedeutende Zugeständnisse, Monopole für Deutschland, erhielt.
" London, 2. Juni. Die Deutschen Londons beabsichtigen, dem Fürsten Bismarck anläßlich feines bevorstehenden Besuches in England einen außerordentlichen Willkommen zu bereiten. Die Festlichkeit wird wahrscheinlich die Gestalt eines Banketts annehmen, welchem ein großer Empfang folgen wird.
Sie hatte das Wort „bürgerlich" ganz besonders betont, fragte auch nicht weiter, wie es den Verwandten auf Hohenfels erginge, sondern wandte sich an den Grafen und sagte: „Du hast wohl nichts dagegen, lieber Detlef, daß ich den Wagen bestellen lasse, ich möchte der Frau v. Rechlitz eine Krankenvisite machen."
„Selbstverständlich nicht, mein liebes Herz."
Und mit den Worten: „Dann werde ich mich auf den Weg machen", drehte sie sich um und ohne Heinrich eines Blickes zu würdigen oder auch nur leise mit dem Kopfe zu nicken, rauschte sie aus dem Zimmer wieder hinaus.
Der Graf und Jsabella konnten sich eines leichten Lächelns nicht erwehren und ersterer sagte, sich nun auch erhebend: „Sie haben ja, Herr Willhöft, meine liebwerte Schwester auf Hohenfels kennen gelernt, sie hat sehr schätzenswerte Eigenschaften; sollten Ihnen aber von diesen Eigenschaften einige nicht sympathisch sein, so übersehen Sie dieselben gütigst und lassen Sie sich dadurch nicht verleiten, unser Haus zu meiden. Beim Triospiele ist sie überhaupt selten zugegen, sie behauptet, die Musik in so unmittelbarer Nähe greife ihre Nerven an, in Wahrheit aber hat sie nicht im mindesten irgend ein Verständnis für klassische Musik, hört sie ans diesem Grunde auch gar nicht gern und zieht das Gedudel einer Drehorgel allem übrigen vor."
„Ich werde mich bemühen", sagte Heinrich, „die Gunst der Frau Gräfin mir zu erwerben."
„Wird Ihnen vielleicht dennoch nicht gelingen und hoffentlich werden Sie dieses Unglück mit Würde tragen. — Ich darf mir also schon recht bald einmal erlauben, Herr Willhöft, Sie und Ihre Geige einzuladen s"
„Ich werde zu jeder Zeit Ihrem Rufe folgen."
„Vortrefflich! Er soll nicht lange auf sich warten lassen."
Jsabella hatte sich ebenfalls erhoben.
Heiiirich machte seine Abschiedsverbengung, zuerst vor der jungen Gräfin, dann vor dem Grafen, der ihm die Hand reichte und darauf entfernte er sich, von Waldsee bis zur Thür begleitet.
„Das ist wirklich ein äußerst liebenswürdiger junger Mann", sagte der Graf, als er wieder neben seiner Tochter Platz nahm, „ich erinnere mich nicht, daß mir je ein Mensch beim ersten Begegnen einen so sympathischen Eindruck gemacht hätte."
„Den machte er auch auf mich, als ich ihn auf Hohenfels zuerst sah", versetzte Jsabella unbefangen.
„So? Also auch aus dich hat Herr Willhöft einen so günstigen Eindruck gemacht, der bei näherer Bekanntschaft nicht abgeschwächt wurde?"
„Man gelangt, wenn man ihn näher kennen lernt, zu der Ueberzeugung, daß er ein edler Charakter ist, den man hochschätzen muß."
„Ah", dachte der Graf, „wenn man einen jungen Manu von so hervorragend hübschem Aeußern hochschätzt, so wird man ihn auch vielleicht lieben können." Laut sagte er: „Ich hoffe, uns werden durch ihn noch einige genußreiche Stunden zu teil, ich kann nicht sagen, wie sehr ich mich freue, mein Cello wieder hervorholen zu können, ich will doch gleich einmal Nachsehen, ob auch die Saiten noch alle gut sind."
Er stand auf und ging langsam in sein Zimmer. Nach dem Cello zu sehen war nur ein Vorwand, er fühlre sich erschöpft und empfand das Bedürfnis, einen Augenblick allein zu sein. Er hatte die Nacht nicht geschlafen und als er das Bett verlieb, da war es ihm klar, daß er mit diesem Leben abschließen müsse, weil jede Aussicht verschwunden, aus den drückenden Verhältnissen erlöst zu werden. (Forts, folgt.)