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Erscheint wöchentl. 3mal: Dienstag, Donnerstag und Samstag und kostet in Altensteig SO ^ im Bezirk 90 außerhalb 1 «iL das Quartal.
Donnerstag den 5. Juni
Einrückungspreis der Ispalt. Zeile für Altensteig und nahe Umgebung bei lmal. Einrückung 8 ^ bei mehrmaliger je 6 auswärts je 8 >§.
1890.
Gestorben- Kaufmann Schneider, Kirchheim n. T.; Bäckermeister Friedr. Schiebt, Stuttgart; Sekondelieutenant o. Besserer-Tbalsingeu, Ulm; Amandus Stockmayer, Lichtenberg; Kaufmann Renz, Wangen i. A.; Kupferschmied Stengel, Lndwigsburg.
D Soziale Pläne.
Wer im praktischen Erwerbsleben stehend, die bereits geschaffenen oder erst geplanten sozialen Reformen in ihren moralischen Erfolgen nüchtern beurteilt, wird sich der Ucberzeugnng nicht verschließen können, daß ihre Einwirkung auf die sozialdemokratisch gesinnten Arbeiter- Massen nur eine geringe ist. Es überrascht daher einigermaßen, daß der bekannte sozialdemokratische Führer Liebknecht sich zu einem Berichterstatter des Pariser „Petit Journal" (das verbreitetste Blatt Frankreichs) etwa in folgender Weise geäußert haben soll: Die Sozialdemokratie sei nicht mehr revolutionär, sondern erwarte alles von der Zeit und ihrer Propaganda. Die soziale Politik des Kaisers bedeute einen ungeheuren Fortschritt; alles sei besser geworden, ein versöhnlicher Geist beherrsche alle Parteien. Die Lage der sozialdemokratischen Partei sei gut. Der Kaiser werde, wenn er so sortzufahren wüßte, einer der größten Fürsten in der Geschichte sein, die ihn als einen Reformator und Wohlthäter der Menschheit bezeichnen werde. Die Leute glauben an seine Ehrlichkeit und Entschlossenheit, seinen hohen Aufgaben sich ganz zu widmen.
Es ist anzunehmen, daß der Berichterstatter den wesentlichsten Punkt vergessen hat, nämlich die Versicherung, daß die Sozialdemokratie trotz alledem von ihrem Programm kein Jota auszugeben gedenke; denn Liebknecht steht viel zu weit nach links, als daß er den kaiserlichen Bestrebungen eine rückhaltslosc Anerkennung zollen sollte, wie sie in jenem kurzen, der „Post" entnommenen Auszuge seiner Aeußerungen enthalten ist.
Kaum kann man sich noch wundern, daß es findigen Berichterstattern mit der Durchführung sozialer Reformen nicht schnell genug geht und daß sie daher aus eigenen Phantasiemitteln den Ausbau des großen Werkes betreiben. So meldet der Londoner Korrespondent der Birminghamer „Post" seinem Blatte: „Der deutsche Kaiser ist, wie ich erfahre, im Begriff, das Gutachten englischer Vertreter von Gewerkvereinen über Fragen von durchgreifendem Interesse für die deutschen Arbeiterklassen einzuholen. Er wünscht, daß der Konferenz von Abgeordneten aller Gewerke in Deutschland, die er einzuberufen auf dem Punkte ist, mehrere englische Abgeordnete beiwohnen, deren Rat in betreff der Bildung und Leitung von Arbeiterverbänden nachgesucht werden soll. Die Idee des Kaisers ist — und er hat bereits Rundschreiben ausgesandt, worin dieselbe kurz ausgeführt wird — fähige Abgeordnete zu wählen, welche einen Arbciterrat bilden soll. Jedes Mitglied wird Se. Majestät mit Rat über Arbeiterfragen unterstützen und ihm behilflich sein, die Arbeiterklassen zu kontrollieren. Für diese Obliegenheiten wird jeder ein Jahresgehalt von 2000 Mark beziehen und den Titel „Arbeitsrat" erhalten."
In dieser Meldung wird unter einem Wust von Unwahrheiten und Unwahrscheinlichkeiten vielleicht ein Körnchen Wahrheit zu entdecken sein. Die Bildung von Arbeiterverbäudcn nach Art der englischen Gewerkvereine mit staatlicher Anerkennung kann nicht ohne Mitwirkung der gesetzgebenden Gewalten erfolgen. Wäre sie beabsichtigt, so hätte ohne Frage der dem Reichs
tag vorliegende Entwurf zur Abänderung der Gewerbeordnung davon Kenntnis gegeben, sei es in dcn Motiven,sei es in Form gesetzgeberischer Vorschläge. Aus dcn Debatten, die bei der erstmaligen Lesung des Entwurfs stattgefundeu haben, ist die starke Abneigu-g weiter Kreise des Reichstages gegen die Gewährung von weiteren Rechten an die Arbeiter hervorgegaugen. Insbesondere hat der Großindustrielle Freiherr v. Stumm mit aller Entschiedenheit die von Miguel vertretene Ansicht, daß man die Organisation der Arbeiter »ach Verbänden fördern solle, bekämpft. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, daß die Mehrheit des Reichstages nicht für die Schaffung von Gewerkvereinen sein würde.
Die „Lägt. Rundschau" meint, cs wäre ja möglich, daß der Kaiser trotzdem die Ansicht der deutschen Arbeiter zu hören wünschte und insofern mag ja der Nachricht vielleicht ein that- sächlicher Anhalt zu Grunde liegen. Indessen ist auch dies nicht sehr wahrscheinlich; daß die Arbeiter eine selbständige Vertretung sehr sehnlich wünschen, ist doch wohl zweifellos, ebenso wie es auch zweifellos ist, daß dieselbe der Sozialdemokratie als ein wichtiges Ziel erscheint. Der Gegenentwurf der Sozialdemokraten enthält ja eine vollständige Schematisierung der Einrichtung von Arbeitervertretungen. Immerhin ist die Nachricht so merkwürdig, daß sie wenigstens der Erwähnung wert erscheint.
Lauoesaalyricylea.
* In Langenbrand sind, dem „Enz- thäler" zufolge, am Montag zwei Häuser am Kapfenhardtcr Sträßchen abgebrannt.
"Stuttgart, 1. Juni. Gestern Nachmittag fand auf der K. Wilhelma ein Hofball statt, zu welchem über 300 Einladungen ergangen waren.
* Aus Neuffen wird dem „St.-Anz." berichtet, daß sich im Roggen das Insekt wieder eingestellt habe, welches im vorigen Jahre die Aehren abgefresseu, was man irrtümlich Mäusen zugeschrieben hatte. Schon sieht man an dem nun blühenden Frühroggen ganz wie von Mänscn ausgenagte Aehren. Nach eingehenden Beobachtungen, welche den ganzen Winter hindurch fortgesetzt wurden, kann folgender Verlauf der Entwicklung angegeben werden. Kurz vor der Ernte verlassen die roten Osüßigen Larven die Aehren, um im Boden zu verkriechen, und begeben sich daun nach dem Schnitte in die Stoppeln; dort überwintern sie ohne Schaden zu nehmen (selbst bei einer Kälte von — 11° Um). Anfangs Mai gehen die Larven in den Nymphenzustand über, die Flügclstumpfe wachsen an, die rote Farbe verwandelt sich in grau und schließlich in tief schwarz. Das ausgewachsene geflügelte Insekt, Milte bis Ende Mai, zeigt unter dem Mikroskope 7 bis 8 Fühlerglieder, welche der Form nach ziemlich gleich gebildet sind, nach der Spitze zu kleiner werdend. Der Kopf ist schmäler, als der von den bis jetzt bekannten, im Getreide vorkommeuden Blaseu- füßen.
* ll l m, 31. Mai. Die Urkunde, welche heute abend 6 Uhr unter dem Geläute aller Münster- glocken mit dem Schlußstein in den Münsterturm eingesetzt wird, lautet: „Im Jahre des Heils Eintausendachthundertneunzig, dem l 9. des neucrrichteten Deutschen Reiches, dem 26. der Regierung S. M. des Königs Karl, am 3l. Mai abends 6 Uhr ist der Schlußstein der Kreuzblume vom Hanptturmc dieses Münsters eingesetzt worden. 513 Jahre nach der Grundleg
ung war dies größte Gotteshaus in deutschen Landen vollendet. Ehre sei Gott in der Höhe." (Folgen die Unterschriften des Münsterbau- komites, des Gemeinderats und des Bürgerausschusses ec.)
* Ulm, 1. Juni. Sekondelieutenant Wilhelm v, Besserer-Thalfingen II. im Grenadier- Regiment König Karl Nr. 123, der sich — wie wir berichtet - am Samstag dcn 24. Mai abends beim Baden in der Donan durch Ausstößen mit dem Kopfe auf einen Stein verletzte und seither gelähmt im Garnisonlazaret lag, ist heute früh von seinen Leiden durch den Tod erlöst worden.
* Aus dem Zabergäu, 31. Mai. In einem Orte des Zabergäus wurde anläßlich der Farreuschau der dortige Eberhaltcr von dem Vorstand der Farrenschaubehörde um den Stand der Schweinezucht befragt, woraus dieser laut „Zaberbote" nachstehende klassische Antwort erteilte: „Mir hent 209 Bürger hier und do dürfet Se kecklich 100 Säu ei'trage!"
" VomLande, 2. Juni. In vielen Blättern macht ein Inserat die Runde, welches die Spitzmarke führt: „Eine Uhr umsonst!" Mit dieser Anzeige bietet eine Firma in Wien neun verschiedene Gegenstände für 4 Mk. 15 Pf. an und sichert dem Abnehmer obendrein „noch eine Uhr umsonst" zu. Die Bestellungen verstehen sich gegen Caffa oder Postnachnahme. Der Inhalt einer solchen Sendung, die noch 70 Pf. Porto, 40 Pf. Zollgebühren und 30 Pf. Bestellgeld kostet, ist ordinäre Schundware. Das Federmesser ist ans Blei, die Mccrschaumspitze eine reine Carricatur im Wert von höchstens 5 Pf., die Cravatte und Cra- vattennadel sind Dinger, welche kein Vagabund ans der Landstraße anzieht, und in ähnlichem „Wert" stehen alle übrigen „wertvollen Gegenstände." Hoffentlich genügt dieser Wink, um Unerfahrene vor Geschäftsverkehr mit der Wiener „Firma" zu warnen.
* (V crs ch i ed en es.) In Heilbronn gerieten zwei Brüder in Streit, wobei der eine dem andern zwei Stiche in die Wangen versetzte, welche die Ucberführnng des Verletzten in den Spital nötig machten. — In Bückingen fiel eine Backmulde von einem Stuhl herab und deckte ein ! Jahre altes Kind zu, welches alsbald im Mehl und Teig erstickte. — Jntzaiter- bach verunglückte ein 12jährigcr Knabe auf eine gräßliche Weise. Derselbe spielte in einer Sandgrube und wurde durch eine überhängende Wand verschüttet. Bis der Sand hinweggeräumt war, war der Knabe erstickt. — Am Freitag wurde in Stuttgart ein junger Mann von Feuerbach wegen Betrugs verhaftet. Derselbe hatte aus verschiedenen Läden Waren, namentlich Schuhe und Stiefel, ans schwindlerischem Wege entnommen und dabei mehrmals die Namen des Polizciinspektors Kern und Schutzmanns Oswald mißbraucht. Auch eines Diebstahls beschuldigt man ihn. — Ein 12jähriger Knabe von Stuttgart fand in der dortigen Ulauenkaserne eine scharfe Patrone und bearbeitete diese zu Hause mit Hammer und Nagel so lange, bis sie explodierte. Der Knabe wurde an Händen und Gesicht erheblich verletzt; an der einen Hand werden 4 Finger abgenommen werden müssen. — Samstag abend hatte sich ein 25 Jahre alter Schustergeielle aus Zell ans der Straße zwischen Kirchheim u. T. und Dettingen erschossen. Liebcsgram soll den jungen Menschen zum Selbstmord getrieben haben. — linier der Tanne bei der „Sonne" in Fried-