erhöhuug. Herr Kommerzienrat Hornschuh bewilligte lOproz. Lohnerhöhung bei gleichzeitiger Reduktion der Arbeitszeit um 1 Stunde. Als dies die in der Filiale zu Brand beschäftigten Arbeiter vernahmen, stellten sie den gleichen Antrag. Diese hatten aber die Rechnung ohne ihre Frauen gemacht. Als nämlich den Frauen die Forderung bekannt wurde, sandten sie eine Deputation zu Herrn Hornschuh und baten, er möge die verlangte Arbeitsverkürzuug nicht gewähren, denn ihre Männer weilten ohnehin lange genug im Wirtshause. Der Fabrikbesitzer gewährte darauf hin lediglich eine lOproz. Lohnerhöhung, von welcher die Hälfte ausbezahlt, die andere aber zur Ansammlung eines Bau- fvnds für Arbeiterwohnungen verwendet wird.
* M üuchen, 26. April. Die Gesamtgarnison ist am 1. Mai in den Kasernen kon- signiert.
* M ainz, 24. April. Gestern nachmittag ging in der Richtung nach Mommenheim, Lörzweiler, Marxheim rc. ein furchtbarer Hagelschlag nieder; es fielen Eisstücke in der Größe von Taubeneiern zur Erde. Zum Glück hielt der Hagelschlag nicht lange an, doch sind die Verheerungen, die das Unwetter augerichtet hat, sowohl in den Feldern als auch an den Obstbäumen und Weinbergen sehr bedeutend.
* Chemnitz, 25. April. Das Landgericht verurteilte den sozialistischen Reichstagsabgeordneten Schippel wegen Vergehens der Verbreitung erdichteter Thatsachen zur Verächtlichmachung obrigkeitlicher Anordnungen zu neun Monaten Gefängnis.
* Zwei Geheimagenten der Pariser Kriminalpolizei weilen, wie mau der „Saale-Z." mitteilt, seit 8 Tagen in Berlin. Dieselben fahnden auf den „Bankier" Siegmund Beranger, welcher in Paris ein Wechselhaus errichtete und mit 500,000 Fr. Depots das Weite suchte. Viele kleine Rentiers und Beamte sind durch den frechen Gauner zu Grunde gerichtet worden. Derselbe führt übrigens noch andere Namen, z. B. Neuenburg-Philippsohn und Wen- speare, und bis jetzt hat sich noch nicht ermitteln lassen, wer er eigentlich ist. Vermutlich handelt es sich um einen flüchtigen Sträfling.
' Aus Thüringen, 22. April. Die Lohnbewegung hat sogar die Waschfrauen nicht unberührt gelassen; eine Geraer Zeitung bringt folgende Anzeige: „Aufgepaßt! Die Geraer Waschfrauen, untereinander einig, waschen nicht mehr für 1 Mk., sondern für 1,50 Mk. den Tag. Die Geraer Waschfrauen."
* Aachen, 24. April. Der Verein Aachener Tuchfabrikanten beschloß unter Festsetzung einer Konventionalstrafe, jeden am 1. Mai ohne genügenden Grund von der Arbeit fortbleibenden Arbeiter 2 Monate laug nicht zu beschäftigen.
* In eine Geldstrafe in dem ungeheueren Betrage von 200000 Mk. wurde die Spritsabrik in Hamburg, welche an einer großen Zollunterschlagung in Bcuthen in Schlesien beteiligt ist, verurteilt.
* Die „Hamburger Nachrichten" betonen nach der Frankfurter Zeitung in einem Leitartikel, anläßlich der Grundsteinlegung des Kaiser- Wilhelm-Denkmals in Bremen sei des Mitschöpfers der Einheit Deutschlands mit keinem Worte erwähnt worden. Wenn schon der Kaiser keine Gelegenheit gehabt, des treuen Gehilfen seines Großvaters zu gedenken, so hätten die bremischen Festredner des Fürsten Bismarck sich erinnern müssen.
* Straß bürg, 24. April. Der Kaiser nahm die Parade der Straßburger und Kehler Garnisonen bei Kronenburg ab. Der Groß- herzog von Baden führte die Truppen vor. Abends war Tafel bei dem Statthalter, später Ständchen des Gesangvereins. Tausende von Fremden und Einheimischen bewegten sich in den Straßen und begrüßten den Kaiser enthusiastisch.
* Saarbrücken. Auf dem Militärfriedhof im Ehrenthal ist auf dem Grabe der dort bestatteten Katharina Wrißgerber, bekannt unter dem Namen „Schulzenkathrin", ein einfaches, würdiges Denkmal gesetzt worden. Die Schulzenkathrin hat sich am 2. und 6. August 1870 in den Kämpfen bei Saarbrücken und Spichern im dichtesten Kugelregen der verwundeten Krieger angenommen und sich auch später um deren Pflege hochverdient gemacht; als wohlverdiente Auszeichnung erhielt sie damals die Verdienstdenkmünze.
Ausländisches.
* Wien, 25. April. Infolge allgemein verbreiteter unheimlicher Gerüchte wurden sämtliche hiesige Brücken gründlich untersucht. Dieselben werden nachts militärisch bewacht.
* Wien, 25. April. Unter den hiesigen ca. 3000 Gasarbeitern verbreitet sich eine Streikbewegung. Dieselben fordern achtstündige Arbeitszeit und 50°/« Lohnerhöhung, beschlossen jedoch, die Arbeit noch nicht einzu- stellcn. Auch die Gehilfen der Fleischselcher, Hufschmiede und Wagenschmiede beabsichtigen zu -streiken.
* Wien, 26. April. Die Androhung der Verhängung des Standrechtes macht großen Eindruck; man erhofft davon die Aufrechterhaltung der Ruhe.
* Die österreichische, speziell die Wiener Sozialdemokratie ist fest entschlossen, den 1. Mai durch gänzliches Ruhenlassen der Arbeit zu feiern In Wien hat sich bereits ein Komitee gebildet, welches schon jetzt für die eventuellen „Opfer der Maibewegung" mit Geldsammlungen beginnt, damit diese gleich nach ihrer „Maßregelung" unterstützt werden können. In sehr vielen Fabriken und Werkstätten ist eine solche Sammlung privatim übrigens schon seit längerer Zeit im Zuge. In dem Aufruf, welcher zu Geldspenden auffordert, heißt es: „Die Gegner sollen sehen, daß wir für alle Fälle gerüstet sind, und daß sie uns mit solchen, kleinlicher Rachsucht entsprungenen Maßregeln nichts anthun können!"
zession zur Anlage und zum Betriebe der Ketten- schleppschifffahrt auf dem Neckar von Heilbronn nach Lausten erhalten.
* Der Stuttgarter Pferdemarkt hat die zum Teil mit schönem Material eingetroffenen Händler nicht recht befriedigt. Es wurde eine im Verhältnis zu der Beifuhr nur geringe Anzahl von Pferden verkauft. Auch die Pferde- markt Lose fanden einen schlechten Absatz. Man ihut eben gegenwärtig im allgemeinen mit Veranstaltungen von Lotterien zu viel und dann ist auch der Preis für die Lose, welcher zu den geringen Gewinn-Chancen und dem Wert der Gcwinnste in keinem Verhältnis steht, entschieden zu hoch.
* Aspcrg, 23. April. Auf dem hiengen Friedhofe wird gegenwärtig die Ausgrabung der Gebeine der in den Jahren 1870/71 auf Hohenaspcrg verstorbenen und hier beerdigten französischen Soldaten vorgenommen. Die Totengebcine, die seither in 50 Einzelgräber ruhten, werden nun in einem von der französischen Regierung gekauften gemeinsamen Grabe Aufnahme finden. Der alte Denkstein wird auch die neue Ruhestätte zieren. „Dem Andenken der in den Jahren 1870/71 gefallenen französischen Soldaten von ihren Landsleuten gewidmet. L. I. L. Hebr. 11. 16." Die Unkosten für die neue Anlage werden wie seither von der französischen Regierung bestritten.
* (Verschiedenes.) In Gunningen hat der Lehrling des Wagners Finsterle dessen lljähr. Sohn 3 Finger durch Unvorsichtigkeit abgehaucn. — Der Sitz des Forstamts Bibe- rach soll dem Vernehmen nach vom 23. April 1891 ab nach Ulm verlegt werden. — Im Hasen berger Walde wurde ein Mann mit durchschnittenem Halse gefunden. Selbstmord ist zweifellos. — Der Jagdschutzverein hat im letzten Jahr an Prämien 980 Mk. an 15 Forstbedienstete und 122 Landjäger ausbezahlt, welche zusammen über 200 Jagdfrevel zur Anzeige und Bestrafung gebracht hatten. Für besonders regen Eifer und mutvolles Verhalten sind 12 Ehrendiplome erteilt worden. — Die Tübinger Wirte lagen mit den Bäckern in den Haaren. Die Wirte haben es aber durch ihr festes Zusammenhalten dahin gebracht, daß die Bäcker nachgeben mußten, und so gabs nach einem 14tägigen Preisaufschlag wieder die alten Brotpreise. — Schreinermeister Röcken in Urach, der schon letzten Winter 2 Kinder vom Tode des Ertrinkens rettete, hat jetzt einen älteren Mann, der infolge Häusl. Zwist sich in einen tiefen Brunnen gestürzt hatte, mit eigener Lebensgefahr gerettet. — In Oberndorf wurde einem 5jähr. Knaben von einem beladenen Kieswagen der Schädel zerdrückt.
* Zur Geschichte der Lohnbewegung liefert folgende Thatsache einen hübschen Beitrag: Die Arbeiter der Forchheimer Weberei forderten jüngst Abkürzung ihrer von 6 Uhr morgens bis 7 Uhr abends währenden Arbeitszeit und Lohn
te Pflegekinder des Kommerzienrats.
Novelle von Carl Hartmann-Plön.
(Fortsetzung.)
„Ich will es mir merken und versuchen, es auch zu meinem Lieblingslied zu machen."
„Glaube es mir Heinrich," sagte sie und blickte ihm mit komisch lächelndem Gesicht von unten auf in die Augen, „ich lüge nicht, aber es ist wahrhaftig das erste Mal in meinem Leben, daß mich ein Offizier umarmt."
„Wer weiß, Tante! Als du bei dem General, dem Grafen Scheck, Kammerzofe warst, da kann es doch wohl vorgekommen sein, daß einer seiner Adjutanten —"
„Gott im Himmel!" Ich sollte bei dem General Kammerzofe gewesen sein? Nein, gewiß und wahrhaftig, ich war es nur bei seiner Frau!"
Der Kommerzienrat und Heinrich mußten laut lachen. Tante Sophie nahm nun ihren Neffen bei der Hand, wie einen kleinen Knaben und führte ihn die Treppe hinauf bis in das Wohnzimmer. Hier angelangt, sagte sie:
„Du bist gewiß die halbe Nacht hindurch gefahren und hast Hunger und Durst. Aber ich habe dir auch ein schönes Frühstück bereitet. Weißt du, was du bekommst? Deine Lieblingsgerichte. Zuerst Austern, der Onkel hat eine ganze Tonne voll kommen lassen, und du kannst dich, wenn du willst, sogar darin krank essen, und dann Eutenragout. Zu den Austern trinkst du Rheinwein und nachher — nun, ich will es nur gleich verraten, der Bruder hat eine Flasche Sekt spendiert und kalt stellen lassen — den heimkehrenden Sohn des Hauses muß man ein wenig verziehen."
Heinrich umarmte noch einmal die kleine kugelrunde Frau und sagte: „Du bist doch die beste aller Tanten, die der liebe Gott geschaffen hat."
„Und du der beste aller Neffen, die er in die Welt gesetzt. Siehst du, ich kann gerade so schön schmeicheln, wie du! Aber nun laß dich erst einmal ordentlich betrachten. Wirklich herrlich siehst du aus, der Kriegsgott in eigener Person! Es ist nur gut, daß ich schon so alt bin, Heinrich, sonst könnte ich mich in dich sterblich verlieben und wenn du dann sagtest: „Danke schön, gehen Sie ein Haus weiter," dann würde ich die Heldin eines herzbrechenden Romans werden! Wenn ich in Katharinas Jahren wäre, ich könnte —"
„Aber wo ist denn Katharina?" unterbrach sie sich. „Hat sie es denn noch nicht gehört, daß der Heinrich da ist? Da will ich doch gleich —" In diesem Augenblicke öffnete sich die Thür und Katharina trab über die Schwelle. Auf ihrer Stirn lag ein leichter Schatten und nicht wie sonst, wenn Heinrich nach längerer Abwesenheit nach Hause zurückgekehrt war. flog sie ihm lebhaft entgegen und ließ sich von ihm umarmen und küssen, sondern gemessenen Schrittes näherte sie sich ihm, machte allerdings jetzt ein freundliches Gesicht, streckte ihm aber nur die Hand entgegen und als der Pflegebruder Miene machte, sie, wie er früher gethan, an sich zu ziehen, entzog sie ihm rasch ihre Rechte, schlug beide Hände zusammen, sah ihn mit einem Blicke, der nicht ganz frei von Spott war, von oben bis unten au und rief in einem sonderbaren Tone: Nun kann man doch einen königlich preußischen Husarenoffizier sich einmal ganz in der Nähe betrachten."
Heinrich erstaunte zwar über diesen ungewohnten Empfang, er that aber nichts, um ihn herzlicher zu gestalten, es war ihm ganz lieb, er wußte selbst nicht warum, daß er in diesem Augenblicke nicht nötig hatte, zärtlicher zu sein.