* P e st, 22. April. Am 1. Mai wird die gesamte Polizeimacht aufgeboten und die ganze Garnison in den Kasernen konsigniert. Der Corpskommandant erteilte die strikte Weisung, bei etwaigen Ruhestörungen sofort mit größter Strenge vorzugehen.
* Zürich. Das Sechseläuten, sein jährliches Frnhlingsfest, feierte Zürich am vorletzten Montag durch einen kostümierten Kinderumzug während der Vormittagsstunden bei herrlichstem Sonnenschein und durch die üblichen Mittagessen in den Zunfthäusern. Abends 6 Uhr wnrde der kolossale Reisighaufen in den Stadthausanlagen am See und auf einer langen Stange, aus dessen Mitte herausragend, nicht wie sonst üblich, der Winter, sondern diesmal die Influenza, eine scheußliche, weibliche Figur mit der Bazillenbüchse in der Linken und einer Geißel in der Rechien, verbrannt. Auch die Umzüge der Zünfte nachts waren belebt.
* Rom, 24. April. Der „Esercito" sagt, die Kundgebung durch das italienische Geschwader in Toulon sei in den Grenzen eisiger offizieller Höflichkeit geblieben.
* Paris, 25. April. Der „Figaro" veröffentlicht einen Brief des Prinzen Napoleon an den Präsidenten Carnot, in welchem in scharfen Ausdrücken gegen den Besuch des Geburtshauses Napoleons auf Corstca Einspruch erhoben wird.
* Paris, 26. April. Die hiesige Garnison wird für den !. Mai um 8 Reiterregimenter und die gesamte Gensdarmerie der Vororte verstärkt werden.
- Paris. Exkönig Milan von Serbien, der zur Zeit in Paris weilt, giebt seiner Umgebung Anlaß zu lebhafter Besorgnis hinsichtlich seines geistigen Zustandes. Die Exzentrizitäten des Exköniges werden geradezu zum Skandal. Letzthin abends hat sich Milan in Gegenwart zweier Damen auf offener Straße vor dem Duvalschen Restaurant derartig betragen, daß sogar die Polizei hat einschreiten müssen. Nur seinem Range hatte er es zu verdanken, daß er wieder freigelassen wurde.
* Brussel, 25. April. Aus dem hiesigen geheimen Archiv wurden die Pläne der Maasbefestigung gestohlen und an Frankreich ausgeliefert. — Ein bei Gelegenheit des Aktendiebstahls an Frankreich ausgeliefertes Dokument betrifft einen Geheimbericht über Belgiens Haltung im Falle eines deutsch-französischen Krieges.
* Brüssel, 26. April. Die Zahl der aus dem Mwisterial-Archiv entwendeten Schriftstücke beträgt 29.
* Aus Amsterdam wird gemeldet: In Enschede plünderten streikende Tncharbeiter die Läden. Beim Einschreiten des Militärs wurden viele Personen verwundet; 60 Verhaftungen wurden vorgenommen.
* London, 26. April. Einer Times- Meldung aus Sansibar vom 25. ds. zufolge brach Emin Pascha mit 5 deutschen Offizieren, einer starken Abteilung von nubischen Soldaten
und etwa 600 Lastträgern von Bagamoyo nach dem Innern auf.
* Die Londoner jüdische Gemeinde hat soeben eine Einladung der Berliner Synagoge zur Abhaltung einer internationalen Judenkonferenz erhalten. Dieselbe soll in London stattfinden und die Ursachen erörtern, welche in den verschiedenen europäischen Ländern eine antisemitische Bewegung erzeugt haben.
* Stanley wird bald nach seiner Ankunft in England englischer Bürger werden und die Nationalität wieder annehmen, die er vor 35 Jahren mit der amerikanischen vertauschte. Sobald er naturalisiert ist, wird ihm die Königin einen hohen Titel verleihen und er wird alsdann nach Afrika zurückkehren als Gouverneur der von der Britisch-Ostafrikanischen Gesellschaft erworbenen Gebiete.
* Für den Empfang unseres Kaisers in Rußland werden in Petersburg bereits große Vorkehrungen getroffen. In hohen Kreisen wird geglaubt, er werde von der Kaiserin Viktoria Augusta begleitet sein. Man hört, daß der Zar und die Zarina der Ankunft ihrer Gäste, welche wahrscheinlich im Juni stattfindet, mit großem Vergnügen entgegensehen. Das kaiserliche Paar wird in Peterhof wohnen und wird zu seinen Ehren eine Reihe glänzender Festlichkeiten gegeben werden.
* Den Deutschamerikanern wird von der Chicagoer Sparbank ein schönes Zeugnis erteilt. „Von allen Nationalitäten", sagt sie, „nehmen die Deutschen in unserer Kundschaft den ersten Rang ein." Es ist dies ein neuer Beleg für den altbekannten Satz: wer sparen will, der kommt bei der etwas besseren Bezahlung und den außer der Kleidung nicht teureren Lebensbedürfnissen als in Deutschland drüben zu etwas, wer aber nicht spart — und an Versuchungen zum Geldausgeben fehlts nicht — bleibt in Amerika ein ebenso armer Schlucker, wie hier.
* Deutsche Berichte aus Sansibar konstatieren einen höchst eigentümlichen Zwischenfall. Der englische Generalkonsul machte amtlich bekannt, Emin Pascha habe den großen Araberchef Tippo-Tip (Stanleys vielgenannten Bundesgenossen) bei dem englischen Konsulatsgericht verklagt; darüber große antideutsche Aufregung unter den Arabern Ostafrikas, so daß Emin Pascha öffentlich erklären mußte, dies sei eine „Lüge des englischen Konsulats", er habe niemals Differenzen mit Tippo-Tip gehabt, sondern der „Engländer Stanley habe denselben verklagt."
* So traurig der Witwenstand an sich ist, in Indien wird er zu einem Unglück. Noch immer rasiert mau der armen Hindu-Wittib den Kopf völlig glatt, und manche dunkle Venus, die dadurch ihres Hauptschmuckes beraubt und auf Lebenszeit entstellt wird, möchte die frühere Zeit zurückwünschen, als infolge mißverstandener Beda-Verse die Frau auf des toten Gatten Scheiterhaufen mitverbrannt ward.
Die Uuthat schreit auch derartig zum Himmel, daß die Barbiere selbst stutzig geworden sind. Ihrer 400 versammelten sich am vorigen Montag in Bombay und verpfüchteicn sich unter Strafe der Kastenacht, künftig alle Witwen ungeschoren zu lasten. Schon lange laste ein Fluch auf ihrem Gewerbe; aus ehedem zufriedenen und glücklichen Menschen seien sie arm und verachtet geworden, weil sie die L>ünde begangen, unschuldige Witwen ihres besten Schmuckes zu berauben.
Haus- und Landwirtschaftliches.
* Gegen die Wetterseite belegene, durch Anschlag des Regens feucht gewordene Mauer- Wände zu schützen. Man überstreiche die Mauersteinwand in trockener Jahreszeit mit dünnem Seifenwasser von harter Seife; es füllen sich die feinen Poren der Steine und des Kalkwurfes damit und die rückständige harte Seife verstopft dieselbe nach Verdunstung des Masters, außerdem bildet sich mit dem Kalk unlösliche, regenfeste Kalkseife. Die mit diesem Mittel zu erreichende Ersparnis im Vergleich zu anderen Schutzmitteln ist sehr groß.
Handel und Verkehr.
* Aus dem Oberamt Horb, 25. April. In den Freih. v. Raßler'schen Waldungen wurde dieses Frühjahr aus dem Langholz 117 bis 120°/<> erlöst, während beim Brennholz im Durchschnitt ein Uebererlös von 25°/, über den Anschlag zu verzeichnen war.
* Vom Oberland, 20. April. Die Holzpreise, die noch vor einigen Monaten in die Höhe gegangen sind und die Revierpreise überstiegen, sind in den letzten Wochen sehr gesunken, da durch die Verheerungen, welche der Sturm in den Waldungen verursachte, sehr viel Holz zum Verkauf gebracht werden mußte; in den Thurn und Taxis'schen Waldungen wurde vorige Woche sogar ein Raumm. tannenes Scheiterholz für IM. 80Pf. abgegeben. Durch die anhaltende trockene kalte Witterung sinken auch die Viehpreise; nur Fettvieh wird gesucht.
Vermischtes.
* (Aus Dankbarkeit.) „Aber, lieber Freund, wie kamst du denn auf einmal zu dieser Familie ? Du warst ja noch vor kurzem ledig?" — Ja, ja — ich war Junggeselle und hatte ein Zimmer bei meiner gegenwärtigen Frau gemietet, die eine sehr arme Witwe war und nichts als sieben Kinder hatte. Plötzlich erkrankte sie lebensgefährlich und da sich sonst niemand um sie kümmerte, nahm ich mich der Verlassenen an und verpflegte sie und ihre Kinder bis zur Genesung mit allem Notwendigen. Aus Dankbarkeit har sie mich dann geheiratet."
* (Wirksame Drohung.) Junge Frau: „Ich verbitte mir entschieden deine Tändeleien mit der Köchin; ich sage dir ein für alle Male, wenn du das nicht läßt, werde ich in Zukunft selber kochen!"
Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Mensteig.
„Das Vergnügen wirst du nicht lange genießen, Käthe," erwiderte er, „denn ich ziehe nachher sogleich die Uniform aus. Aber mit dir," fuhr er fort, „ist irgend eine Veränderung vorgegangen, ich weiß nur nicht, worin sie besteht. Jü, glaube, du bist größer geworden."
„Findest du?" sagte sie in demselben seltsamen, etwas schroff klingenden Tone und fügte sogleich hinzu: „Mir kommt es so vor, als wenn du — kleiner geworden wärest."
„Gott bewahre!" rief der Kommerzienrat, „was sollte er wohl! Heinrich ist mir noch nie so lang und schlank erschienen, wie in diesem bunten Rocke!"
„Diese bunten Lappen, mit allem, was daran hängt, machen jeden kleiner," versetzte sie so bestimmt, als wäre es eine unumstößliche Thatsache.
„Da bist du aber im Irrtum", entgegnete der Kommerzienrat.
„Aber, Katharinchen, was ist nur mit dir? Ist dir irgend etwas Unangenehmes - widerfahren? Du machst ein Gesicht — Himmel, du kommst gewiß aus der Küche, das Ragout ist doch nicht verbrannt?"
Tante Sophie sprach dies und wollte sogleich zur Thür hinauseilen.
„Ich war nicht in der Küche, sondern auf meinem Zimmer," sagte Katharina.
Das junge Mädchen fühlte selbst, daß ihr Wesen auffällig erscheinen mußte. Waren vorhin durch einen plötzlichen Gedanken festbegründete Hoffnungen auf eine glänzende Zukunft in ihr wankend geworden, so durfte doch niemand ahnen, daß sie solche je gehegt. Sie änderte daher ihr Benehmen und rief, indem sie dabei laut und ungezwungen wie sonst lachte: „Nein, nein, Heinrich, in dieser Maskerade flößt du mir zu großen Respekt ein, daß ich fast verlegen werde; ich mag überhaupt keine Uniformen und es ist mir gerade, als wenn nicht du, sondern ein anderer in der deinen steckte."
Sie reichte ihm noch einmal die Hand und, einen Knix machend, fuhr sie fort: „Aber ich will versuchen, den Respekt und die Ehrfurcht zu überwinden."
Die Magd wurde in der Thür, die zum Nebenzimmer führte, sichtbar und sagte: „Wenn es den Herrschaften gefällig ist, das Essen ist fertig."
Man setzte sich gleich darauf zu Tische und der durch Tante Sophie eingeführte humoristische Ton belebte bald in alter Weise die Unterhaltung. Katharina war fast ausgelassen, lachte viel und veran- laßte Heinrich durch immer neue Fragen zunächst von den Manövern und dann von seinem Aufenthalte in Hamburg so viel wie möglich zu erzählen. Daß er während seiner Einberufungszeit größtenteils auf dem Gute des Grafen Hohenfels einguartiert gewesen sei, erwähnte er zwar und schilderte auch das vornehme Leben daselbst und berichtete von einigen glänzenden Festen, die der Graf den Offizieren gegeben, berührte aber mit keinem Worte, daß letzterer mit dem Grafen Waldsee sehr nahe verwandt und daß dessen Tochter und dessen Schwester, die Gräfin Scheck, dort zum Besuche gewesen waren und er dieselben kennen gelernt habe.
Nachdem die Austern verzehrt und Tante Sophie und Katharina hinausgegangen waren, um das Enteuragout anzurichten, sagte Heinrich:
„Hast du dich erkundigt, Onkel, ob die Villa der Generalin von Rauscher noch zu kaufen ist?"
„Damit ist es nichts — ich ging sogleich nach Empfang deines Briefes zu der Exzellenz, aber sie sagte mir, sie habe den Plan nach Berlin überzusiedeln wieder aufgegeben und wolle in dieser Stadt bleiben."
(Fortsetzung folgt.)