Versammlung soll im Reichstagsgebäude statt­finden.

* Berlin, 12. April. Professor Beyschlag sagt in der neuesten Nummer derDeutsch­evangelischen Blätter", daß die protestantische Kirche zur Ueberwindang der Sozialdemokratie die berufenste sei, aber durch eine 300jährige Bevormundung durch den Staat habe sie die Fühlung mit dem Volk verloren, sei die volks­tümliche Fortbildung gehemmt.

* Berlin. Ein Wettschießen zwischen ame­rikanischen und deutschen Schützen soll an den Tagen des 10. deutschen Bundesschießens nach einer beim Schießausschuß eingegaugeuen An­regung hierselbst stattfinden. Die Amerikaner sollen aus ihren Reihen 15 der besten Schützen auswählen, ebensoviel soll der Schießausschuß aus der Zahl der deutschen Schützen bestimmen. Mit der Errichtung der Baulichkeiten für das 10. deutsche Bundesschießen soll nunmehr unver­züglich vorgegangen werden. Für die Plakate hat eine Skizze einstimmige Annahme gefunden, welche Prof. Döpler entworfen hat. Vom Schützeurat der Brünner bürgerlichen Schützen­gesellschaft ist eine neue Ehrengabe angemeldet. Tirol und Vorarlberg wollen eine gemeinsame Ehrengabe stiften.

* Berlin. Ein Mediziner von Weltruf, Prof. Ernst Leyden, feierte am Sonntag unter großer Teilnahme der ärztlichen Welt sein 25jähriges Prosessorjubiläum. Was Leyden seinen Ruhm als Arzt eingetragen hat, das sind die Grundsätze ärztlicher Behandlung, welche er in der modernen Medizin zur Geltung zu bringen versucht. Er hält nicht viel auf Mix turcn, Pillen, Arzneien und Rezepte, er be- scheidet sich darin, daß die Wissenschaft leider wenige innere Krankheiten des Organismus durch ein spezifisch wirkendes Heilmittel zu be­einflussen vermag, und er strebt deshalb immer danach, die Kräfte des Patienten zu erhalten, welche diesen befähigen sollen, das tückische Lei­den zu überwältigen. Diesen Zweck erreicht er, indem er die Ernährung des Kranken zur Haupt­sache der Behandlung macht. Leyden verfolgt dieses Prinzip so weit, daß er diejenigen Kranken, welche nicht essen wollen, oder vor- gebeu, nicht essen zu können, auf irgend eine Weise füttern läßt. An die zweite Stelle der ärztlichen Behandlung stellt Leyden die psychische Beeinflussung der Kranken, er verschafft dem Körper und Geist Ruhe, flößt dem Verstimmten Mut ein, spricht dem Verzweifelnden Hoffnung zu und tröstet den in Schmerzen sich aufreiben­den Patienten.

* Nachdem die Nachwahlen zum Reichstage beendet sind, hat sich folgende Zusammen­setzung desselben durch die Wahlen von 1890 ergeben: Konservative 72, Reichspartei 19, Na­tionalliberale 43, Deutschfreisinnige 67, Volks­partei 10, Zentrum 107, Polen 16, Welfen 11, Sozialdemokraten 35, Antisemiten 5, Däne 1, Elsässer 10, Wild 1. In den Nachwahlen haben die Freisinnigen 2, das Zentrum 1 Man­

dat verloren; die Konservativen, Nationallibe­ralen und Antisemiten je 1 Mandat gewonnen; die übrigen 6 Nachwahlen haben am Bestand der Parteien nichts geändert.

* DasMilitärwochenblatt" bringt einen kurzen Aufsatz, welcher die Hoffnung auf Ein­führung der zweijährigen Präsenzzeit gründlich enttäuscht. In dem Artikel heißt es u. A.: Abgesehen von der wirtschaftlichen Seite eine 2jährige Dienstzeit würde sich bekanntlich viel kostspieliger gestalten als die 3jährige möchten wir die heutigen Zeitverhältnisse für die denkbar ungünstigsten halten, um an den Bestimmungen der Wehrpflicht zu rütteln. Die Folgen der Einführung einer so hoch entwickelten Waffe, wie unser neues Jnfanteriegewehr in Verbindung mit einem fast rauchlosen Pulver, sind zunächst nur theoretisch zu erörtern. Eins steht indes schon heute unbestritten fest, daß die Handhabung dieser Waffe, wenn anders sie ihre ! große Aufgabe erfüllen soll, ganz bedeutend ge- ! steigerte Anforderungen au die Einzelausbildung ^ des Soldaten stellt. Nicht das Schießen allein, auch das Entfernungsschätzen, die Wahl der Ziele, Stellung des Visiers, die Feuerart, die Benutzung des Geländes, alles dies sind Um­stände, die ja auch bisher eine bedeutsame Rolle spielten, deren Bedeutung sich aber insofern steigert, als einer größeren Treffsicherheit gegen­über auch auf größere und schnellere Verluste

zu rechnen ist, mithin die Gelegenheiten weit häufiger werden, in denen der Mann, seiner Führer beraubt, sich selbst überlassen ist, oder selbst die Führung von Kameraden übernehmen muß. In dem blutigen Ringen des Jnfanterie- kampfes gipfelt die Gefechtsthätigkeit auch der j nächsten Kriege. Die höchsten Anforderungen i

werden an diese Waffe gestellt und eine Aus­bildung wird erforderlich, welche für die große Masse unseres Ersatzes nur durch Gewöhnung zu erreichen ist. Unter diesen Umständen eine Verkürzung der Dienstzeit einzuführen, wäre ein Wagnis, für welches niemand die Verant- i wortung übernehmen dürfte. Im Uebrigen !

können wir es auf das Bestimmteste aussprechen, daß eine derartige Absicht der Negierung auch nicht im Entferntesten vorliegt."

* Liebknecht sandte an die Florentiner So­zialisten einen Dankbricf, in dem er sagt, die deutsche Sozialdemokratie könne nicht zerschmettert werden und sei stark und pfltchtgetreu genug, um der Zukunft furchtlos entgegenzugehen.

* Friedrichsruh, 6. April. DenH.N." wird geschrieben: In Friedrichsruh ist es seit dem Eintreffen des Fürsten Bismarck recht lebendig geworden. Täglich treffen viele Fremde hier ein, um den Fürsten zu sehen; mancher muß aber die Reise zwei- und mehrmal wieder­holen, bis er seinen Zweck erreicht hat. Anderen glückt es besser. So trafen gestern mit dem Zuge von Hamburg mittags viele Bismarck- Verehrer, darunter eine Menge Damen, ein, und gleich darauf kam der Fürst, welcher kurz vor­her nach seiner Sägerei gegangen war, von dort

* (Petition an den Landtag.) Der Allgemeine deutsche Franenverein in Leipzig hat an unsere Kammer der Abgeordneten die Bitte gerichtet, den Frauen den Zutritt zu dem ärzt­lichen und Wissenschaft!. Lehrberuf durch Frei- gebuug und Förderung der dahingehenden Studien zu ermöglichen.

* Abtsgmünd, 12. April. Der Besitzer des Loses Nr. 17,716, auf welches bei der Lot­terie des Caunstatter Brunnenvereins der erste Gewinn mit 25,000 Mk. gefallen ist, ist der im 75. Lebensjahr stehende Wegknecht Jo­hannes Holl von hier, ein fleißiger, sparsamer Mann, der seither in ärmlichen Verhältnissen lebte.

* (Verschiedenes.) Bei dem Brandunglück in Empfingen sind 10 Häuser in Asche gelegt worden. In Brei t e u ho lz fingen die Kleider eines 8jähr. Knaben auf bis jetzt un­aufgeklärte Weise plötzlich Feuer, wodurch der­selbe so bedeutende Brandwunden erhielt, daß er nach einigen Stunden seinem qualvollen Leiden erlag. In der Wohnung des Zieglers Sch. in Echterdiugen explodierte die Stehlampe. Die Frau, welche eben mit Nähen beschäftigt war, wurde mit Erdöl übergossen und stand sofort in Flammen. Die Feuerwehr in Mar­bach überreichte dem langjährigen nun zurück- getrcrcucn Steigerhauptmann Flaschner Lauben- gaier aus Anlaß seiner silbernen Hochzeit einen Regulator. In Schmiden wurde ein auf freiem Felde sitzender Strohhaufen mit gegen 500 Bund von mutwilliger Hand in Brand gesetzt.

* München. Am Karfreitag wurden im königl. Hofbräuhause 142 Hektoliter Bier ver­zapft. Ein solches Quantum dürfte noch kaum an einem Tage vertilgt worden sein. Die meisten Wirte in den Vorstädten haben bedeutend verminderten Bierkonsum; bei manchen Wirten ist der Konsum um 2 Hektoliter zurückgegangen. Die Fabrikarbeiter und auch die Maurer trinken immer roch hauptsächlich Weißbier und Wein, in einer größeren Werkstätte trinken die Arbeiter Milch. Verschiedene Fabriken wollen Bier von auswärts beziehen, und sind schon Verträge mit Augsburger Brauereien abgeschlossen.

* Berlin, 10. April. Eine Massentrauung von 28 Paaren fand am 2. Osterfeiertag nachmittags in der Dankeskirche statt. Der Geistliche, Pastor Baumann, hatte die Feier zu einem vollständigen Traugottesdienst mit Orgel­spiel, gedruckten Liedern und festlicher Aufstellung der 28 Paare im Altarraum gestaltet.

* Berlin, 11. April. Graf Herbert Bis­marck nimmt seinen Wohnsitz in Friedrichsruh. Der erbetene und bewilligte Urlaub erstreckt sich vorläufig ans ein Jahr.

* Berlin, 11. April. Das provisorische Comita für die Errichtung eines Nationaldenk­mals für den Fürsten Bismarck ist auf den 14. April zu einer konstituierenden Versammlung von dem Präsidenten v. Levctzow berufen. Die

Are Pflegekinder des Kommerzienrats. N; ^

Novelle von Carl H artman ri-Plön.

Rasch, Martin, wir wollen uns beeilen, die Guirlande über der Thür zu befestigen, der Herr Kommerzienrat ist schon nach dem Bahn­hof gefahren, der Zug wird sogleich kommen, wir müssen damit fertig sein, ehe der Wagen zurückkehrt. Bitte, steigen Sie auf den Stuhl, meine Arme sind zu kurz, um da hinauf zu reichen, ich habe es schon versucht."

Und dies lange Gewinde haben das Fräulein in der kurzen Zeit mit eigenen Händen gebunden? Das Telegramm kam ja erst um halb 10 Uhr. Warum haben Sie cs nicht durch den Gärtner machen lassen, wie neulich den großen Kranz um den Geburtstagstisch der Frau Tante?"

Die Frist war zu kurz, ich konnte es nicht darauf ankommen lassen, ob der Gärtner so eilig meinen Auftrag hätte ausführen können; da schnitt ich mir selbst den Buchsbaum, die Georginen und die Astern und bin denn auch gottlob noch rechtzeitig fertig geworden. Außerdem hat eine so kleine Aufmerksamkeit doch nur den halben Wert, wenn man sie durch eine fremde Hand erweisen läßt."

Der junge Herr wird sich gewiß sehr darüber freuen," sagte Martin, auf den Stuhl steigend.

Das hoffe ich, wenigstens soll es ihm ein Zeichen sein, wie groß unsere Freud: ist, daß er endlich nach langer Abwesenheit ins heimat­liche Haus zurückkchrt!"

Hier ist die Mitte, bei dieser roten Georgine," fuhr das junge Mädchen fort und reichte Martin die Guirlande hin.

Während letzterer dieselbe befestigte, sagte er, die breiten Lippen zu einem Lächeln verziehend:Jemand ist hier im Hause, der sich noch ganz besonders freut."

Worauf denn?"

Nun, daß der junge Herr wiedcrkommt."

Gewiß, der Herr Kommerzienrat."

Der wohl, aber den meine ich nicht."

Die Tante ebenfalls."

Die Tante meine ich auch nicht."

So meinen Sie sich wohl selbst, Alterchen?"

Na, ob! Aber wer sich ganz besonders freut, sind glaube ich Sie, Fräulein Katharina."

Das Gesicht des jungen Mädchens errötete leicht, sie wandte das­selbe ab, sagte aber doch in einem gleichgültigen Tone:Warum denn ich mehr, als Onkel und die Tante, Martin?"

Es sind nun einmal so meine Gedanken, Fräulein Katharina. Es kann ja doch eigentlich gar nicht anders kommen, als daß der Heinrich und Sie ein Paar werden!"

Was Sie sagen, Martin!"

Nun ja, Sie sind doch wie Bruder und Schwester mit einander aufgewachsen und haben sich immer herzlich lieb gehabt."

Das haben sich in der Regel Bruder und Schwester, aber eine geschwisterliche Liebe"

Kann in diesem Falle eine andere werden und es will mir nicht aus dem Sinne, daß sie es schon längst gewesen ist. Also, was fehlt noch?"

Heinrichs Wille und der meine!"

Na, ich denke, der Heinrich wird schon wollen und wenn der Hein­rich will, so werden auch Sie wollen."

Lassen Sie uns dies Thema nicht weiter erörtern, Vater Martin."

Sie nennen mich bisweilen Vater Martin, ich höre es jedesmal gern, wenn Sie es thun; bin ich doch schon einmal zwei Tage lang Ihr