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langjährigen Wünschen des württembergischen Volks- schullehrervereinS Rechnung getragen hat. Eie anerkennt insbesondere, daß der Entwurf des Lehrer- besoldungsgesetzeS wenigstens für die große Mehrheit der Lehrerschaft eine namhafte Aufbesserung bringt, wenn er auch die erwartete gehaltliche Gleichstellung mit den mittleren Beamten noch nicht herbeiführt und daß durch den Entwurf des LehrergesetzeS die Rechtsverhältnisse der Volksschullehrer denen der Beamten noch mehr genähert werden. Sie hofft zuversichtlich, daß die Gehaltsvorlage entsprechend den gemeinsamen Wünschen der vier Lehrervereine verbessert wird und daß für die Unterlehrer eine andere rechtliche Stellung als nach dem Lehrergesetzentwurf für sämtliche Lehrer an den Volksschulen die Anwendung des Beamtengesetzes unter Beseitigung aller Ausnahmebestimmungen erreicht wird. Sie wünscht, daß die begonnene Schulreform stetig und kraftvoll unter Mitwirkung von Vertretern der Lehrerschaft fortgesetzt und dabei namentlich auch eine zeitgemäße Organisation des gesamten Schulwesens auf der Grundlage der Einheitsschule herbeigeführt wird." Anschließend hieran fanden Vorträae statt. Hauptlehrer Schweizer-Maulbronn sprach über die soziale Stellung des Lehrers, bezüglich der württembergischen Verhältnisse führte der Redner aus, daß die Lehrerschaft zur Zeit der ungeschmälerten Ausübung ihres Staats- und Gemeindcbürgerrechtes sich erfreue. Die gesetzlich geordneten dienstrecht- ltchen Verhältnisse der württembergischen Lehrer find denen der Staatsbeamten schon weitgehend angenähert. Von der unmittelbar bevorstehenden Weiterbildung des Lehrerrechts wird die Aufnahme der Lehrer ins Beamtengesetz erhofft. Der vollzogenen Trennung des Mesnerdienstes vom Schulamt sollte die Aufhebung des Zwanges zur Ueber- nahme des Organisten- und Kantorendienst Nachfolgen. Eine annähernde Gleichstellung mit den auf Anfangsstellen verwendeten Staatsdienern der Ge- haltSabteilung II, Klasse 10, könne nicht befriedigen, es muß die Gleichstellung mit den mittleren Beamten in den Borrückuvgsstellen der Abteilung III verlangt werden. Durch das soziale Emporsteigen des 'Lehrerstandes wird ein Grundübel unseres Volksschulwesens beseitigt, eine größere Leistungsfähigkeit der Volksschule ermöglicht und eine intensivere Pflege der Volkskultur angebahnt, lieber »die Fortbildung des Lehrers" berichtete Mittelschullehrer H a u ß m a n n - Stuttgart. Die in den meisten deutschen Staaten noch immer nicht befriedigende soziale Lage der Volksschullehrer erkläre sich aus der geschichtlichen Entwicklung der Schule und des Lehrerstandes, vor allem aus den früheren und teilweise noch jetzt bald mehr bald weniger stark fortdauernden Mängeln der Vorbildung, den AuSfichts- und BesoldungSverhältnissen der Lehrer, aus der Unsicherheit ihrer rechtlichen Verhältnisse oder aus den ungünstigen Ausnahmestellungen in rechtlicher und militärdienstlicher Beziehung, aus dem Mangel einer genügenden Karriere, aus der Verbindung des Schulamtes mit kirchlichen Nebenämtern und aus der weitverbreiteten Geringschätzung der theoretischen und praktischen Pädagogik. Soweit auf dem Wege
der Gesetzgebung durch Aenderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die soziale Lage des württ. Lehrerstandes gehoben werden kann, ist für diesen zu fordern: Die Anwendung des allgemeinen Beamtenrechts auf die Volksschullehrer, Aufhebung des Zwangs zur Uebernahme von Küchendiensten. Konsequente Durchfübrung der fachmännischen Schulaufsicht, sowie Herbeiführung einer möglichsten Uebereinstimmung des Bildungsgangs der Volksschullehrer mit demjenigen anderer gebildeten Stände. Zur Fortbildung des Lehrers hatte der Vortragende verschiedene Leitsätze aus. gearbeitet. Nach einer längeren Diskussion erklärte der Vorsitzende Löchner nach einem kurzen Schlußwort die Versammlung für geschlossen. Hierauf fand im Konzertsaal der Liederhalle ein Festmahl statt.
Stuttgart 6. Juni. (Ein alter Bösewicht.) Einen Rekord in den Vorstrafen stellt der Hauflerer Rudolf Hirsch auf. Sein Strafregister weist 868 Strafe» wegen aller möglichen Vergehen und Uebertretuvgen aus. Kürzlich stand er wieder vor Gericht. Ms ihm nämlich in einer Wirtschaft die Abgabe von Getränken verweigert wurde, schlug er im Aerger eine Scheibe hinein. Wegen dieser Heldentat erhielt er vom Schöffengericht eine Woche Gefängnis zudiktiert. Er hat es somit auf 269 Strafen gebracht.
Stuttgart 6. Juni. (Frachtermäßigung.) Für Schafherden, die in den Monaten März und April von der- Winterweide im Elsaß und in der Pfalz nach Württemberg zurückkehrten und infolge der Maßregel« gegen die Maulund Klauenseuche mit der Eisenbahn nach Stationen der Württemberg. Staatseisenbahnen befördert wurden, wird auf den Reichseisenbahnen eine 30 °/oige Frachtermäßigung wie auf den württ-badischen und bayerischen Staatseisenbahnen (linksrheinisches Netz) im Wege der Rückvergütung gewährt.
Stuttgart 6. Juni. (Maul- und Klauenseuche.) Erlösche» ist die Maulund Klauenseuche in Kochertürn und Neuenstadl OA. Neckarsulm, sowie in Gültliugen und Schön- bron« OA. Nagold.
Nebringe» OA. Herrenberg 6. Juni. (Tödlicher U «fall.) Am hiesige» Bahnhof ist beim Ausladen der Volontär Gottlieb Lindner von Lichtenberg in Bayer», z. Z. auf der K. Hofdomäne Sindlingen, durch plötzliche« Anziehen der Pferde vom Wagen gefallen und unter die Räder gekommen. Er wurde schwer verletzt und starb kurze Zeit darauf.
Tübingen 6. Juni. (Diebstahl.) I» einem hiesigen Restaurant hatte der Piccolo am Samstag mittag ein Portemonnaie mit 96 Mark Inhalt gesunden und e» am Buffet abgegeben. Nach Feststellung des Inhalts wurde
es in einer Schublade aufbewahrt. Abends öffnete ein dort au» der Stelle getretener Kellner, als gerade niemand am Buffet war, die Schublade und entnahm dem Portemonnaie 40 Die Kellnerin, die es zufällig beobachtete, teilte es sofort der Herrschaft mit, worauf dem Kellner da« gestohlene Geld wieder abgenommen werde» konnte. Der Kellner machte sich darauf schleunigst davon.
Vom Filstale 6. Juni. (Hochwasser.) Am letzte« Samstag entlud sich über dem Oberamt Göppingen ei» schwere» Gewitter, das mit heftigem Hagelschlag verbunden war. Der Hagel richtete in den Gärten und den Feldern bedeutenden Schade» an. Auch wurde» mehrfach Fensterscheiben zertrümmert. Infolge de« wolkenbruchartigen Regens schwoll die Fils rasch an. Am stärkste» war das Gewitter in Ottenbach, Kitze» und Krummwälden. Da» Wasser trat dort überall über die Ufer und richtete große Verheerungen an. In Krummwälden wurde der Kirchhof überschwemmt, Kreuze wurde» umgerissen und Gräber ausgespült. In der Kirche stand da« Wasser 1'/-- Meter hoch. I» Großeislingen drang da« Wasser ebenfalls in die Kirche ein; ein Holzlager wurde weggespült, Fabriken unter Wasser gesetzt, die Straßenbeschotterung wurde herauSgerissr» und die Keller mit Wasser gefüllt. Vielfach kam Kleinvieh im Hochwasser um und trieb neben allerlei Hausgeräten, Bäume» und zubereitetem Holz filsabwärts. Der Schade» ist sehr bedeutend. Wäre die Katastrophe bei Nacht eingetreten, so hätte sie auch Menschenleben fordern können. — I» Wäschenbeuren schlug der Blitz in da« Anwesen de« Bauern Bernhard Käser, das in kurzer Zeit bis auf den Grund niederbrannte.
Gmünd 6. Juni. Der 18jährige Sohn de« Bäckermeisters Bieser in Barlholomä kam in der Dunkelheit beim Läute« der Abendglocke in der dortige» Kirche zu Fall und mußte, da er da» Glockenseil um sich geschlungen hatte, und der Unfall von niemand bemerkt wurde, ersticken. Erst nach V- Stunde wurde der Unglückliche vermißt, doch hatten die Wiederbelebungsversuche keinen Erfolg.
Gmünd 6. Juni. Einiges Aufsehen erregte hier Samstag abend die Beschlagnahme von Waren (Gläser» rc ) eines hiesigen Kaufhauses. Diese wurden unter polizeilicher Aufsicht in der Zeit zwischen 7 «ud 10 Uhr au« den Geschäftsräumen in die Schmalzgrube verbracht, wo sie bis zur gerichtliche» Entscheidung de« Faller verbleiben werden. Diese» Vorgehen ist darauf zurückzuführe«, daß hiesige Geschäftsleute durch den Anwalt des Verband» Württ. Handelsund Gewerbevereine, Sitz in Göppingen, Anzeige
„Erkennen sie die Stimme?" fragte er ihn jetzt.
Der Gefragte kraule sich nachdenklich, verlegen im Haar.
„Ja, Herr, beschwöre» kann ich« nicht," erwiderte er.
„Nun, daun schließe» Sie einmal die Augen!" gebot der Untersuchungsrichter und sich an de« Verhafteten wendend : „Widerhole» Sie, was Sie soeben gesprochen haben!"
Der Oberinspektor machte eine auffahrende, lebhaft protestierende Bewegung; über seine GefichtSzüge lief ein ärgerliche» Zucken; seine Augen drückten den tiefsten Unwillen an».
„Ich darf wohl zunächst ersuchen," rief er mit vor Aufregung bebender Stimme, „mir Aufklärung zu geben. Ich bin verhaftet worden und weiß nicht warum. Ich werde wie ein Verbrecher behandelt, ohne daß mir erklärt rzird, wessen ich beschuldigt bin. Ich verweigere jede weitere Aeußerung, bevor mir nicht gesagt wird, war da» alle» zu bedeuten hat."
Der Untersuchungsrichter sah dem Sprechende« schweigend scharf beobachtend, in da» erhitzte, zornige Gesicht. Dann drehte er sich wieder zu dem Stellmacher herum.
„Nun?"
Der aber zuckte nur wieder unsicher und verlegen mit den Schuften».
„Mein Gott, e» ist all so lange her —" meinte er ausweichend.
„Na schön! Dann gehe« Sie mal in da» Vorzimmer!" gebot der Richter, „und warten Sie da bis auf Wettere»."
Als sich die Tür hinter dem Davongehenden geschloffen hatte, kehrte der Untersuchungsrichter »ach seinem Stuhl hinter dem großen, grünbezogenen Tisch zurück.
„Sie sind verdächtig", sagte er mit erhobener, starker Stimme, sich vorbeugend und seine Blicke fest, forschend auf dem Antlitz de» ihm Gegenüberstehende» ruhen lassend — „Sie find verdächtig, Ihren früheren Prinzipal, den Rittergutsbesitzer Saleck am Abend de» zwölften Mai ermordet zu haben."
Der Oberinspektor fuhr zurück. Er wurde i« ersten Augenblick
totenblaß, aber schon im nächste« Moment ergoß sich wieder eine flammende Röte in sei» Gesicht.
„Ermordet?" stieß er, am ganzen Körper vor ungestümer Erregung zitternd, hervor, „ich soll Herrn Saleck ermordet haben? Aber das ist ja Wahnsinn! Da» kan» Ihr Ernst nicht sei«. Da» ist — ich weise mit aller Entschiedenheit und mit aller Empörnng die unwürdige, schmachvolle Beschuldigung zurück."
Der Untersuchungsrichter ließ nicht eine» Blick von dem ihm Gegenüberstehenden. Der entrüstete Protest; die sichere, selbstbewußte Haltung, die der Verhaftete jetzt anuahm, der Ausdruck seiner in tiefster Indignation zuckenden Miene blieb nicht ohne Eindruck auf ihn.
„Ich bedaure", entgegnet« er ruhig, „ich kann die Beschuldigung nicht eher zurückziehen, als bis Sie die Momente, die Sie belasten, in glaubwürdiger Weise entkräftet haben werden. Sie können sich denken, daß eine so schwere Bezichtigung nicht ohne Weiteres, nicht ohne die schwerwiegendsten Gründe gegen einen unbescholtenen und gutbeleumuudeten Mann, wie Sie e« find, erhoben wird."
Der Sprechende deutete auf einen der vor dem Tisch stehende« Stühle.
„Setzen Sie sich! Wir werden noch lange zu verhandeln habe». Wenn Sie sich völlig schuldlos fühlen, ist e« in Ihrem eigenen Interesse, mir auf meine Frage« offen und ohne Rückhalt zu antworten. Sie hatten Herrn Saleck zum Duell gefordert?"
»Ja."
„Erzähle« Sie mir, welche Veranlassung Sie zu Ihrer Fordernug gehabt haben?"
Der Arrestant berichtete über den Vorgang fast genau so, wie Fra« Saleck e» bei ihrer Vernehmung getan hatte.
„Sie sollten sich am Morgen", fuhr der Untersuchungsrichter fort, „als Ihr Gegner nicht auf dem Rendezvousplatz erschien, sehr merkwürdig, fast teilnahmlo» benommen haben, gewissermaßen als wenn Sie schon gewußt hätte», daß da» Duell nicht stattfinden würde." (Forts, folgt.)