AS 130.
Amts- Md Anzeigtblatt für deu Oberamtsdyirk Calw.
86 . ZahrMg.
M»nner4tag, Freitag und KamStag. FnserttonSpreiS lI Psg. pr» Zeile für Stadt u. Bezirkrorte; außer Bezirk IS Pfg.
Mittwoch, den 7. Zuni 1911.
r. t. b. Stadt -/ZLbrl. m. LrSgerl. Mk. 1.25. Postbezugspr. s. d". Orts. u. NachbarortSverk. VZiihrl. Mk. 1.S0, in, Fernverkehr ^.1.30. Bestelle, in Württ. so Pfg., in Bayern u. Reich 4» Pts-
Amtliche Vekanntniachrrirge«.
K. Oberami Calw.
Beklm»tmach«ug.
Durch oberamtlichen Beschluß vom heutigen Tage ist die Wahl des
Johann Georg Kübler, Bauern in Hüner- berg zum Anwalt daselbst, und die Wahl des
Samuel Roller, Bauern in Meistern zum Anwalt daselbst bestätigt worden.
Den 3. Juni 1911.
Regierungsrat Binder.
Tagesuenigkeiteu.
.. Calw 6.Juni. DerJungliberale Verein Calw hielt im „Waldhorn" seine Generalversammlung ab. Ans dem Geschäftsbericht geht hervor, daß der Verein auch im sechsten Jahre seines Bestehen« eine rührige Tätigkeit entfaltet hat. Vorträge dmch Mitglieder belebte« da» Vereinsleben. Die folgenden Wahle« ergaben insofern eine Aenderung, als der 1. Vorsitzende, Rechtsanwalt Jrion infolge Wegzugs von hier und der 2. Vorsitzende, Stadtpfleger Dreher wegen geschäftlicher Ueber- lastung bedauerlicherweise ihre Armier «ieder- zulegen sich veranlaßt sahen. Einstimmig wurden sodann zum 1. Vorsitzenden Gerichtssekretär Siber und zum 2. Vorsitzenden Handelsschuldirektor Fischer gewählt. Der bisherige Ausschuß wurde ebenfell« wieder gewählt und infolge Wegzugs zweier Mitglieder durch die Herren Staufs und Kümmerte ergänzt.
Stuttgart 6. Juni. (Pfingstverkehr.) Da» herrliche, sommerlich warme Pfingstwetter
hatte Tausende und Abertausende ins Freie gelockt, sodaß sich die Eisenbahuverwaltung vor die überaus schwierige Aufgabe gestellt sah, bei völlig unzureichenden Bahnhosverhältnisse« einen ganz außergewöhnlich starken Verkehr zu bewältigen. Der Andrang, der sich am Pfingstsonntag morgen auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof zeigte, dürfte seinesgleichen vorher nie gehabt haben. Die Bahnhofvorräume, die Wartesäle, alle Perrons waren von Menschen dicht gefüllt. Die Morgenzüge wurde« durchweg mit zwei Maschinen geführt und waren ungewöhnlich lang. Trotzdem zeigte sich, daß die Bahnverwaltung nicht in der Lage war, diese Masten rechtzeitig zu befördern, mehrfach mußten Nachzüge abgelasten werden und obwohl auch diese güterzugartige Länge aufwiesen, mußten Hunderte von Reisenden in den Gepäck- und Viehwagen Platz nehmen. Verspätungen von einer Stunde schon bei der Abfahrt von Stuttgart waren deshalb nicht vereinzelt. Auch in den späten Abendstunden machte es sich in unangenehmster Weise fühlbar, daß der Stuttgarter Bahnhof viel zu klein ist. Die Züge mußten, obwohl sie fast alle mit großer Verspätung hier ankame», teilweise eine halbe Stunde und noch länger warten, bis sie endlich in den Bahnhof eingelaffe« werden konnte». Daß trotz dieses Riesenverkehrs die Ordnung auf dem Bahnhof gut war, ist eine Folge der Perronsperre, ohne die die Bahnbeamten dem vielfach ungeduldig gewordenen und in lautem Schreien sich ergehende» Publikum gegenüber, ohnmächtig gewesen wäre. Die Bahnverwaltung wird in Zukunft bestrebt sein wüste«, deu Verkehr, namentlich den Touristenverkehr durch Extrazüge in den frühesten Morgenstunden zu erleichtern. Man muß im übrigen anerkennen, daß sie das Menschen
mögliche geleistet hat. Die Schwierigkeit ihrer Aufgabe könnte nicht drastischer illustriert werden, als durch die Tatsache, daß der Dienst in der Weichenstation unmittelbar vor dem Bahnhof von einem höheren Beamten geleitet wurde.
Stuttgart 6. Juni. (Württ. Volksschullehrer tag.) Die Hauptversammlung des württembergischen Volksschullehrervereins wurde am gestrigen Montag mit einer Sitzung des Gesamtvorstandes eröffnet. Am Nachmittag fand die Vertreterversammlung statt. Die sehr zahlreich besuchte Hauptversammlung wurde heute vormittag durch den Vorsitzenden Landtagsabgcordn. Löchner mit einer freundlichen Begrüßungsansprache eröffnet. Als Vertreter der Regierung wohnten Reg.«Direktor vr. v. Hieb er und Regierungsrat vr. Retnöhl deu Verhandlungen an. Schulrat vr. Salzmann begrüßte die Erschienenen im Namen des evangelischen Ortsschulrats, Kautsch.Berlin im Auftrag des Ausschusses deS deutschen Lehrervereins. Vorsitzender Löchner teilte das Ergebnis der Beratungen der Plenarversammlung mit und äußerte folgende Wünsche: Abschaffung des LeichenfingenS, Heranziehung von VolkSschullehreru zur Besprechung des neuen Spruch- und Liederbuchs, Reduzierung des den Lehrern zugewiesenen religiösen Memorierstoffes, Verwendung älterer Volksschullehrer bei der Schulaufsicht, schnellere Besetzung der Rektorate, Gleichstellung der Lehrer mit den Beamten in rechtlicher, dienst- und penflonsrechtlicher Beziehung und einheitlicher Ausbau des gesamten Volksschulunterrichts. Anschließend daran gelangte folgende Resolutton zur Annahme: „Die Hauptversammlung des württembergischen Volksschullehrervereins gibt ihrer Freude und Genugtuung darüber Ausdruck, daß die K. Staatsregierung, unterstützt von einer schulfreund- ltchen Landtagsmehrheit, in den letzte« Jahren eine zwar gemäßigte, aber doch zielbewußte und umfassende Reformtätigkeit auf fast allen Gebieten des Volksschulwesens entfaltet und dabei großen Teils
Ne Stimme -es Gewissens.
Roman von Arthur Zapp.
(Fortsetzung.)
Frau Trenman«, die sich im Hintergrund hielt und dem sich in wenigen Minuten abspielende» Vorgang mit wachsender Aufregung gefolgt war, schrie laut auf. Auch Herr Treumaun konnte sich eines Schreckensrufes nicht erwehren. Der Oberinspektor, an dessen Seite sich der Kriminalschutzmann gestellt hatte, stand wie vom Donner gerührt. Bleich, entsetzt starrte er die beiden Beamten au. Mit ungeheurer Willensanstrengung faßte er sich endlich.
„Adieu, lieber Treumaun!" wandte er sich mit einem resignierten Lächeln an seinen Freund. „Sie sehen wohl, daß ich mich der Gewalt füge« muß. Aber ich hoffe, schon in wenigen Tage» wieder bei Ihnen zu sein."
Der Administrator nickte verwirrt, ohne dem Freund zum Abschied die Hand zu reiche». Herr Brunow seufzte, reckte sich entschlossen und schritt de« Beamte» voraus dem Ausgang zu.
In der Stadt angelangt, wurde der Inhaftierte sogleich in da» Gerichtsgebäude geführt. In einem Vorzimmer mußte er warten, bi« der Kriminalkommistar dem Untersuchungsrichter seine« Rapport abgestattet hatte. Dann wurde er in da» Bureau geführt. Ein einfacher Mann erhob sich bei seinem Eintritt.
„Kennen Sie den Mann?" fragte der Untersuchungsrichter de« Eintretenden.
Der Oberinspektor sah den ihm gegenüberstehenden, bäuerisch gekleideten Mann prüfend an.
„Ich erinnere mich nicht", antwortete er.
Es war der Stellmacher aus Wegernfelde.
„Und Sie?" forschte der Justizbeamte. „Sehen Sie sich de« Herr«
einmal genau an! Ist es derselbe, der Ihnen in der Nacht de» zwölften Mai den Auftrag gab, eine« Arzt nach Wolfshage» zu schicken?"
Der gewiegte Kriminalist hatte es wohl bemerkt, daß der vorgeführte Arrestant leicht zusammenschrak.
Der Stellmacher zuckte mit den Achseln. „Das kan» ich nicht so genau sagen. Ich habe ja den Man«, wie gesagt, nicht so genau in Augenschein genommen."
Der Untersuchungsrichter «ahm den runden, grünen Filzhut, de« der Kriminalbeamte zugleich mit der Joppe ins Zimmer gebracht hatte und forderte den Arrestanten auf, ihn aufzusetzen und seinen Rockkragen hochzuschlage».
„Nun?"
Der Stellmacher nickte.
„Ja so — so sah er aus."
„Geben Sie zu", wandte sich der Justizbeamte wieder an den Oberinspektor, „geben Sie zu, diese« Mann hier in der Nacht des zwölften Mai auf der Chaustee in der Nähe von Neumühl angeredet und unter gleichzeitiger Ueberreichung eine» Taler« gebeten zu habe«, den Doktor Schirmer nach Wolfshagen zu dem erkrankten Rittergutsbesitzer Saleck herauszuschicken?"
Der Gefragte gab keine Antwort. Unschlüssig stand er da, offenbar mit sehr peinlichen Empfindungen kämpfend, denn seine Gefichtszüge waren verzerrt, feine Augen flackerten ruhelos und wichen verlegen de« auf ihn gerichteten Blicken seines Inquirenten geflissentlich au».
„Nun, warum antworten Sie mir nicht?" fragte der Richter.
Eine glühende Röte schoß in da» Gesicht de» Verhafteten.
»Ich — ich muß Sie bitten", stieß er erregt hervor, „mir zu — zunächst zu erklären, wa» da» alle» bedeuten soll!"
Der Justizbeamte hatte aufmerksam da» Menenspiel de» dem Arrestanten gegenüberstehendrn Stellmacher» betrachtet.