1"70 71 dahingegangen. Er kommandierte das 74. Arnieekorps, leitete nach der Schlacht von Wörth die Belagernng von Straßburg, zog dann nach Einnahme der Festung anfangs Oktober über die Vogesen (Gefecht bei Nonpatelize) in die Gegend der Franche Comte und Burgund, wo er die aus Mobilgarden und Franctireurs zusammengesetzte Armee der Generale Cambriels und Cremer und die von Garibaldi ans Italien herbeigeführten Freischaren zu bekämpfen hatte Schlacht (bei Nuits, Gefechte bei Dijon) und hatte schließlich im Jahre 1871 den Einfall der Bourbakischen Armee aufznhalten. Noch heute sind in lebhafter Erinnerung die Tage vom 12.15. Januar 1871, in denen General v. Werder die an Zahl weit überlegene fran­zösische Ostarmee an der Limine,- bei Mömpel- gard und Belfort, blutig znrückschlug. Er wurde dafür von dem Kaiser mit der ehrend­sten Anerkennung ausgezeichnet. Nachher be­teiligte er sich an der Verfolgung der Franzosen, die Ende Januar mehr als 100000 Mann stark ans schweizerisches Gebiet übertreten mußten. Das Generalstabswerk schließt seinen Bericht über diese Schlacht mit den Worten:45 000 Mann mit 146 Geschützen hatten der dreifach überlegenen französischen Ostarmee gegenüber gestanden. Die Ausdauer der unter General Werder an der-Lifaine vereinigten Truppen hatten alle Gefahr für die Belagerung von Belfort und die rückwärtigen Verbindungen der deutschen Armee beseitigt." Nach dem Frieden behielt der General noch 8 Jahre den Ober­befehl über das 14. (bad.) Armeekorps. Man erinnert sich, daß ihm bald nach dem Kriege ein kostbarer Ehrendegen überreicht wurde, für den auch aus Württemberg viele Beiträge ge­flossen sind. Werder war Inhaber der höchsten Orden, u. a. des Schwarzen Adler-Ordens, des Großkrenzes, des Eisernen Kreuzes; an württem- bergischen Orden besaß er das Großkreuz des Krönen-Ordens und das Großkrenz des Militär- Verdienft-Ordens. Er war Chef des 4. Rhein. Jnf.-Regiments Nr. 30; einem Fort bei Straß- bnrg verlieh der Kaiser den Namen Fort Werder; er wurde zum Ehrenbürger von verschiedenen deutschen Städten ernannt, und beim Ausscheiden ans dem aktiven Dienst im Jahre 1879 wurde er in den Grafenstand erhoben. Ein glückliches, an Verdiensten, Ehren und Erfolgen reiches Soldatenleben ist mit dem Hingang Graf Wer­ders beschlossen.

* Berlin, 14. Sept. Eine größere Zahl russischer Aerzte ist im Aufträge der Regierung hier eingetrofsen, um die allgemeine Hygieine Berlins kennen zu lernen.

* Berlin, 15. Sepi. Der Kaiser wohnte, wie derNationalzeitung" telegraphiert wird, dem heutigen Rennen des Pasewalker Reiter­vereins nicht bei. Am Schlüsse des gestrigen Diners der Civilbehörden, nach der Vorstellung im Cercle der Kaiserin, wurde der Kaiser plötz­lich unwohl. Es war ein leichter Ohnmachts­anfall, hervorgernfen durch die drückende Hitze.

Der Kaiser entfernte sich, auf den Leibjäger gestützt. Leibarzt Professor Dr. Leuthold leistete Beistand. Heute befindet sich der Kaiser wieder wohl, doch ist der Besuch des Rennplatzes we­gen des sehr warmen Wetters ausgeschlossen.

* Ein Freund desBerl. T." hat in Helsing­forts den französischen Hetzapostel Döroulsde gesprochen. Ans die Frage desselben:Wann gibt es Krieg?" antwortete Döroulöde:Meine persönliche Ueberzengnng ist, daß der Krieg ans­brechen wird, und zwar recht bald. Jedenfalls," fuhr er fort,werden Sie sehen, daß vor oder innerhalb des Jahres 1889 große Umwälzungen oder bedeutende Regulierungen der Staaten Europas stattfinden werden. Es gibt ein Mittel, einem großen Revanchekrieg vorznbengen, näm­lich, daß Deutschland zu uns sagt: Elsaß und Lothringen können wir nicht herausgeben; nehmt aber statt dessen einen Teil von Belgien! wir wollen zusammen alle Schranken niederbrechen. Das wäre die Politik zweier Räuber. Das Frankreich, welches wir von unseren Vätern er­halten haben, müssen wir unfern Kindern znrück- liefern; wir sind es uns selbst, ihnen und der Geschichte schuldig da haben Sie den Grund­gedanken der Ligue patriotes. Ein Land, welches solches nicht thut, verurteilt sich selbst zum Untergange." Nachdem noch von Bon- langer, dem Mobilisierungsversuch und den Territorialsoldaten gesprochen worden, äußerte er zuletzt:Die Liga verfolgt das folgende Ziel: Revision des Frankfurter Vertrages und die Herausgabe (nicht Rückeroberung) von Elsaß- Lothringen an Frankreich; als Mittel hierzu dienen: Propaganda und Entwickelung der patrio­tischen und militärischen Erziehung durch Bücher, Lieder, Schützenvereine und Turnübungen. Die patriotische Liga zählt ca. 200000 in ganz Frankreich zerstreute Mitglieder. Der von ihr ausgeübte Druck auf die öffentliche Meinung ist bereits bedeutend, namentlich in Paris." Zu dem Herausgeber einer anderen Zeitung, Helsing-Dagblad, äußerte er unter anderem: Es gibt Leute, die da sagen, wir könnten statt Elsaß-Lothringen ein Stück von Belgien nehmen. Aus diesen Vorschlag erwidere ich stets: was glaubt Ihr, daß eine Mutter, deren Sohn man getötet, sagen würde, wenn man ihr als Ersatz drei Sklaven anbieten würde? Wir müssen diese Provinzen haben. Erst dann kann von Frieden die Rede sein. Und wenn man mir den Vorwurf macht, daß ich zu heftig zuwege gehe, so antworte ich, wie ich es einem Minister gethan, welcher nach meiner Rede an der Statue für Henry Martin mich bat, ich möchte mich doch mäßigen:Ja, Herr Minister, Sie haben gut reden. Bedenken Sie aber, ich bin der Heizer der Maschine und Sie sind der Befehls­haber des Schiffs. Sie bitten mich, Kohlen zu sparen, und doch wollen Sie vorwärts. Wie räumt sich das?"

' In Falk cnst ein im Voigtlande hat sich ein entsetzliches Familiendrama abgespielt. Der 29jährige Sticker Schädlich aus Falkenstein kam

zu seinem Schwiegervater, dem Materialien­händler Vogel, und verlangte, seine (Schädlich's) Frau, Vogels Tochter, soll wieder zu ihm zu­rückkehren. Da Vogel das ablehnte, erschoß Schädlich zunächst ihn, dann seine Frau und zuletzt sich selbst.

* Ans der Rheinpfalz, 14. Septbr. Dem Taglöhner Schneider von Stambach, der schon seit Jahren infolge der Strapazen im Kriege 1870/71 schwer zu leiden hatte, ist eine Mitteilung des Reichsschatzamtes Berlin zugekommen, wonach der Kaiser dem Schneider vom 1. Juni l. I. an eine fortlaufende Unter­stützung von 25 M. monatlich bewilligt hat.

* Erfurt, 12. Sept. Binnen kurzer Zeit sind aus der hiesigen königl. Gewehrfabrik 1000 Arbeiter entlassen worden, ein Zeichen, daß die Herstellung der neuen Magazingewehre ihr Ende erreicht hat. Ein Teil der entlassenen Arbeiter ist nach Suhl übersiedelt, wo für Büchsenmacher und Gewehrarbeiter ausreichende Beschäftigung vorhanden ist. Mit dem 20. d. M. hört in der hiesigen Gewehrfabrik auch die seit länger als einem Jahre eingeführte Nachtschicht auf.

* Stettin, 14. Sept. Privatnachrichten zufolge läßt das Befinden des Kaisers nichts zu wünschen übrig. Die begeisterte Stimmung der dortigen Bevölkerung und die Ueberfülle ihrer herzlichen Huldigungen machten auf das Kaiserpaar ersichtlich den erhebendsten Eindruck.

Ausländisches.

* Wien, 14. September. Der österreichische Minister des Auswärtigen, Graf Kalnoky, reist heute abend zum Besuche des deutschen Reichs­kanzlers, Fürsten Bismarck nach Friedrichsruh.

* Paris, 14. Septbr. Morgen soll ein Manifest" des Grafen von Paris erscheinen, in welchem derselbe darlegt, was seine Mo­narchie bringen würde. Wie es heißt, soll über­morgen auch ein Manifest des Prinzen Victor Napoleon erscheinen.

- Paris, 15. Sept. Konservative Blätter veröffentlichen das ausführliche Manifest des Grafen von Paris. Dasselbe erklärt, die Mo­narchie wolle nur aus dem allgemeinen Stimm­recht hervorgehen und werde dasselbe nicht be­seitigen, sondern nur dem Senat gleiches Recht mit der Kammer geben. Das Heer werde einen dauernden Führer bekommen. Den Dorfgemein­den bleibe das Recht der Schulzenwahl. Cassa- gnac beanstandet nur den letzteren Punkt. Im fiebrigen sei das Programm auch das kaiser­liche und vereinige alle Konservativen. Dieses Manifest sei der schwerste Schlag, der die Re­publik bis jetzt getroffen habe.

^ Paris, 15. Septbr. Der Schluß der Mobilmachung wurde durch ein Festessen in Villefranche gefeiert, bei welchem General Ärsart die erzielten Erfolge hervorhob und mit folgen­den Worten schloß:Wir sind bereit und warten." Cales, Bürgermeister von Villefranche, erwiderte hierauf:Ich trinke auf das Wohl des französischen Heeres, die höchste Hoffnung

Die Kerrgotlsmüyle.

Eine Volksgeschichte aus Schwaben von August Butscher.

(Fortsetzung.)

Aber Vater, droben im Glaskasten liegt ja" fiel hier Marie l it bebender Stimme in großer Anfreguna ein- als der Müller sie wütend unterbrach mit den Worten:Willst du still sein, einfältiges Ding? Was gehen uns die Fasel-, iea des alten Narren an!"

Aber diese Faseleien schienen doch einen merkwürdigen Eindruck auf ihn zu machen, er war kreidebleich und seine blutunterlaufenen Augen blickten ins Leere, als ob sie ein Gespenst sähen. Und denZitterer" harte er derart, daß er nicht einmal mehr sein echtes Kirschwasser an die bläulichen Lippm burä te, die unhö.bar murmelten:Stehen denn die Toten auf?"

Die anderen fühlten jetzt echt gut, daß es mit der Geschickre des Alten eine besondere Bewandtn s habe, und lauscht-n auf die weiteren Worte des Alt n, der jetzt wie ein Richter dasaß, aber seinen Faden ruhig weiterzwirnte.

Er fuhr fort:Der junge Sündensohn war auf einmal merk­würdig stille geworden und schien in seinem pfiffigen Kopfe allerlei Berechnung»n zu machen. Nach einer Weile flattierte er sogar den Neben! uhler aus alle Weise. Er erbot sich, ihn durch den großen Wald zu begleiten bis fist zu dem Orte, wohin der Kroxenmann wegen seiner Bestellung mußte. Aber dieser witterre trotz seines Rausches Unrat und blieb, da ihn seine Füße auch nicht mehr sonderlich trugen, sitzen. Zu­letzt kamen die beiden auch noch ans Kirschwasser, das so echt war als das Eurige, Herigottsmüller, und nach einigen Stunden sanken ihre Köpfe auf den Tisch und sie verschliefen die Nacht in der qualmigen Stube. Beim Frührot erwachten die beiden mit wüsten Köpfen und

erinnerten sich kaum mehr des Geschehenen oder Geredeten, od:r thaten wenigstens so. Der Kraxenmann packte am, nahm Abschied und sagte: .Auf Wiedersehen" und wanderte rasch fürbaß in den dämmerischen Wald.

Lautlos horchten die Anwesenden den Worten des Bildermannes, der ruhig weiter erzählte:Der andere hatte einen anderen Weg ein­geschlagen. Als der Kraxenmann gegen Mittag seine Kraxe abstellte und ein kleines Schläfchen machte, empfing er plötzlich einen so furcht­baren Hieb über den Kopf, daß er vom Schlafe fast in den Tod hinübertaumelte. Wohl riß er noch die Augen auf, die schreckhaft ge­starrt haben mögen, denn der elende Bube und Meuchler erschrack bis in die Seele, aber dann verließ den meuchlings Ueberfallenen das Be­wußtsein, und es war ihm nur, wie wenn ihm träume, als ob er ta­stende Hände an sich fühlte. Als der Raubmörder aber die schweren Ringe von seinen Fingern zog, erwachte noch einmal seine kräftige Natur. Er packte den elenden Buben an seiner Samtweste und ritz ihm Weste und Hemd von der Brust, an der er ein großes schwarzes Muttermal erblickre." .

O Gott, o Gott!" stöhnte Marie. Aller Blicke richteten sich wie auf Verabredung auf den Müller.

Der Alte aber, der nur zuweilen einen lodernden Blick nach fir­nem Opfer hinübersandte, fuhr in nur wenig verschärfter Betonung fort: Aber der Angreifer war oben und auf alles gefaßt. Er hatte ein Stilet zwischen den Zähnen wie die Seeräuber, wenn sie ein Schiff entern und stieß es dem armen Opfer blitzschnell in die Sette, gerade wie der junge Erlenhofec meinem Xaver. Jetzt war der Kampf zu Ende. Der zusammenbrechende Tabuletkrämer blieb in seinem Blute liegen, und der Mordbube ging mit seinem Gelde und seinen Kostbar­keiten davon. Als der Schwerverletzte aufwachte"