vier Augen, die ihr auch in seinem Privat- komptoir gewährt wurde. Dort nahm sie unn ihr -- goldenes Gebiß ans dem Munde nnd bot cs dem Wirt als Pfandobjekt. Beschämt und gerührt zugleich ob solcher Opferfreudigkeit ließ der Restaurateur das Ehepaar ziehen, das ihm denn auch anderen Tags die schuldige Zeche prompt eiusendete.

" Berlin, 13. Sept. DieNordd.Allg.Ztg." hört, der Reichskanzler erwarte von der Kissinger Kur einen Erfolg; vor der Hand mache sich eine ermattende Wirkung der Bäder geltend, so daß der Kanzler genötigt gewesen sei, die Einladungen zu den Festlichkeiten abzulehuen, welche in Königs­berg und Stettin anläßlich der Manöver von den Provmziallandtagen und städtischen Ver­waltungen veranstaltet wurden.

* Stettin, 13. Sept. Der Kaiser nnd die Kaiserin wurden gestern bei ihrem Eintreffen von der nach vielen Tausenden zählenden Be­völkerung, welche die prachtvoll geschmückten Straßen vom Bahnhof bis znm Schloß erfüllte mit unbeschreiblichem Enthusiasmus begrüßt.

* Dortmund, 8. Sept. Ein eigentüm­liches Verbrechen wurde hier gestern abend ver­übt : Als ein Arbeiter, ein junger Mann, eine Straße des nördlichen Stadtteils passierte, sprang plötzlich aus dem Dunkeln ein Mann auf ihn zu, umarmte ihn heftig und that, als wolle er ihn küffen, biß ihm aber mit einem Ruck die Unterlippe ab. Ehe der Gebissene eigentlich recht wußte, was ihm geschehen, war der Atten­täter verschwunden. Dem Gebissenen wurde die Lippe, so gut es eben augiug, wieder angeflickt.

' Aus dem Münsterlande, 9. Sept. Der Müller Karl Walzer aus Donaueschingen, welcher zeitweilig in Münster beschäftigt, in einem Wirtshause freche Ichmähreden gegen den deutschen Kaiser, die kaiserliche Familie, den Reichskanzler und den Grasen Moltke ausge­stoßen hatte, wurde von der Strafkammer in Münster zu 1 Jahr 8 Monaten Gefängnis ver­urteilt.

Aus Lübeck, 9.Sept., wird der Fr. Ztg. geschrieben: Der Steindruckereibesitzer Lammert Okels Schmidt, der in heutiger Sitzung der Strafkammer des Landgerichts wegen Beamten­beleidigung zu einem Monat Gefängnis ver­urteilt war, machte nach Verlesung des Urteils im Gerichtssaale einen Selbstmordversuch, indem er sich mit einem Messer einen Schnitt in die Pulsader des linken Armes beibrachte. Der amtierende Gerichtsschreiber sprang herzu und hielt dem Blutüberströmten so lange die Hände fest, bis ärztliche Hilfe zur Stelle war.

Hamburg, 12. Sept. In Montevideo tobte ein furchtbarer Orkau. Der brasilianische DampferRio Alsa" sank mit zweihundert Personen, die umkamen. Der Dampfer-Kata­strophe scheint eine Meuterei vorausgegangen zu sein.

* (Fürchterliches Familiendrama.) Aus Güst­row, 4. Sept. wird geschrieben: Gestern nach­mittag spielte sich au der Nebel nahe der so­

genannten Seufzerbrücke eine schreckliche Szene, der Schlußakt eines langen, häuslichen Zwie­spalts, ab. Der Arbeiter Katsch, welcher als heftig und dem Trnnke ergeben bezeichnet wird, lebte mit seiner Ehefrau,' die als unordentlich galt, in häuslichem Unfrieden, und gar oft sollen sich heftige Szenen, iu denen die Frau Schläge erhielt, abgespielt haben. Einer der schlimmsten Austritte entwickelte sich jedoch gestern Mittag, denn die Frau Katsch hatte in voller Eile das Hans mit zwei Kindern verlassen, um sich mit ihnen in die Nebel zu stürzen. Der Mann, nichts Gutes ahnend, eilte seiner Frau nach, konnte es aber nicht mehr verhindern, daß die­selbe in die Nebel sprang, an der Stelle, wo das Wasser strudelförmig in die Röhre zum Filterbassin tritt. Nach kurzer Zeit kam die Frau nach oben, und nun stürzte sich der Ar­beiter Katsch in das Wasser, dieselbe heraus- znholen. Es gelang ihm auch, sie zu erfassen. Schon war er dem Ufer nahe, die Frau auf den Schultern tragend, als er zusammenbrach und die Wasser der Nebel über Beide zusam- meuschlugen unter dem Jammergeschrei der zwei am Ufer stehenden Kinder. Nach kurzer Zeit gelang es der Polizei, die Leichen heranszu- fischen. 4 unversorgte Kinder, davon 3 noch schulpflichtig, sind plötzlich zu Waisen geworden.

* Metz, 12. Sept. Gestern abend wurde am Französischen Thor der Gefreite Wedder- hans vom 130. Infanterie-Regiment von einem Soldaten des ebenfalls hier stehenden 98. Re­giments Namens Schlewingh erstochen. Beide begegneten sich, keiner wollte dem anderen aus- weichen, als Schlewingh plötzlich sein Seiten­gewehr zog nnd seinem Gegner nach dem Halse schlug oder stach. Leider traf und durchschiffst er die große Halsschlagader, so daß der Tod des Wedderhans binnen Kurzem eintrat. Der Thäter wurde verhaftet.

Ausländisches.

- Wien, 12. Septbr. Aus Sofia wird gemeldet: Nach Aufhebung des Belagerungs­zustandes erschienen gestern die ersten Oppo­sitionsblätter. Karaweloff's Organ sagt: Das Hierherkommen des Koburgers sei gesetz­widrig; derselbe sei kein vom Volkswillen er­hobener Fürst, sondern Fürst von Stambuloff's Gnaden. Er thäte gut, Bulgarien zu verlassen.

* In Wien erregte dieser Tage ein elegant gekleideter Herr im Volksgarten dadurch ein nicht gewöhnliches Aufsehen, daß er barfuß ein- herwandelte. Anfangs hielt man denselben für einen Irrsinnigen; später jedoch stellte es sich heraus, daß er sich in einem etwas abseits liegen­den Gebüsche auf eine Bank gesetzt, sich daselbst die Schuhe, die ihn wohl drücken mochten, ans­gezogen und ein kurzes Schläfchen gemacht habe. Als er erwachte waren die Schuhe durch einen unbekannten Gauner gestohlen. Der bloß- füßige Herr ging aus dem Volksgarten hinaus bis zur Bellaria und bestieg dortselbst einen Wagen, der ihn nach Hause brachte.

* Bei den Wahlen in Böhmen haben die Deutschen alle ihre Sitze wiedergewonnen. Sogar der schwer bedrohte Bezirk Bergreichenstein, wo Fürst Schwarzenberg großen Einfluß hat, blieb den Deutschen erhalten. Ueberall wurden die Kandidaten des Prager Zentral-Komites ge­wählt; mir in Eger-Asch siegte ein selbständiger Kandidat, Landwirt Walter, gegen den Kandi­daten des Wahl-Komites, aber auch Walter acceptierte die Abstiuenzpolitik.

Der Ausfall der Wahlen iu Böhmen wird von der czechischen Presse zu Drohungen aller Art benützt. Das beste aber ist, daß sie den Mini­ster von Gautsch für den unerwarteten Ans­gang verantwortlich macht. DiePolitik" meint: Wenn sich die Dinge in der bisherigen Weise entwickeln, so kann man in Wien von Böhmen ans noch ganz merkwürdige Neberraschunqen erleben."

" Paris, 13. Sept. LautTemps" hat die Pforte des Fürsten Bismarcks Vorschlag an­genommen und sich den russischen Vorschlägen in Bezug auf Bulgarien vollständig angeschlossen.

* Paris, 11. Sept. Kriegsnffnister Ferron hat bei dem militärischen Bankett inCastelnaudary folgende Rede gehalten:Ich bringe auf das 17. Armeekorps und seine tapferen und erfahrenen Führer einen Toast aus. Wir Militärs, welche wissen, mit welcher genauen Sorgfalt die Wei­sungen zur Mobilmachung von 1878 und 1879, an denen man seither wenig geändert hat, ab­gefaßt wurden nnd mit welchem Eifer sie von den militärischen Führern eiustudiert wurden, haben gute Gründe gehabt, auf das Gelingen des Mobilmachungsversuchs zu vertrauen. Aber unser Vertrauen, man muß es sagen, wurde weder vom Parlament noch von der Nation geteilt. Es herrschte ein allgemeiner Zweifel und dieser Zweifel war für uns eine Ursache der Schwäche. So lange ich Minister bin, werde ich nichts allster Acht lassen, was dazu beitragen kann, daß man im In- und Auslands den Zweifel an der militärischen Macht Frank­reichs aufgebe. Ich nahm deshalb mit Freuden den von meinem Vorgänger betreffs des Mobil- machungsversnchs eingereichteu Gesetzentwurf an. Ich mußte ihn indes verändern, denn eine ein­fache Zusammenberufung der Einheiten des Armeekorps wäre nicht beweisend gewesen und die Einberufung der Territorialarmee würde uns nichts gelehrt haben, aber einen sehr ernsten Schaden den wirtschaftlichen Interessen der Region zugefügt haben. Der von Ihnen nun gemachte Versuch gestattet uns folgende, sehr tröstende Feststellungen: zuerst den patriotischen Eifer aller bürgerlichen Behörden, um eine große Pflicht zu erfüllen, einen Eifer, dem ich meine Huldigung darbringe, dann die Opferwilligkeit unserer schönen, so lebhaften und einsichtsvollen Bevölkerung des Südens, von der man alles verlangen kann, wenn es sich um die geheiligten Interessen des Vaterlandes handelt, ferner die große Geschicklichkeit unserer Eisenbahndirektoren und des unter ihren Befehlen stehenden Personals.

Are KerrgolLsmMe.

Eine Volksgeschichte aus Schwaben von August Bntscher.

(Fortsetzung.)

Da kamen die beiden, Vater und Sohn, eben von der Dorfseite und schritten gerade auf den Hügel zu, auf dem die Zechbrüder kam­pieren. Sie standen oben, ehe man ihrer recht ansichtig geworden. Der Müller saß mit geöffnetem Munde, und Hans ahmte ihn gehorsam nach, Frieder sah mit fragenden Augen nach ihnen, und Marie grub ihre wie im Fieber brennenden Blicke in Xavers ernstes Gesicht, in dem ein stuulmer Vorwurf deutlich zu lesen stand. Ein seltsames Beben ging durch des Mädchens Gestalt, als der Eindruck, den sie erwartet hatte, ein ganz ander er war.

Wollt wohl Abschied nehmend" stotterte endlich der Müller und langte nach dem echten Kirschn asser.

Vielleicht!" sagte der Alle leichthin und ließ sich mit seinem Sohne den anderen gegenüber nieder.Muß aber vorher die verspro­chene Geschichte erzählen, die schenk' ich Euch nicht."

Ja, ja, eine Geschichte," sagte der Mehlhans, der ganz gern Geschichten hörte.

Ohne weitere Einstitung begann der Bildermann, nachdem er aus dem ihm zugeschobenen Glast getrunken hatte und seine dürren Finger, nie dies seine Gewohnheit war, hatte knacken lassen:Ich Hab jetzt schon so oft davon gerede, daß cs endlich an der Zeit ist, daß ich sie an­fange, sintemalen der H.rrgtttsmüller meint, es geht ans Abschied­nehmen. Es sind schon übe. die fünfzig Jahre her, daß das Ding passiert ist, die Zeit-n waren armselig und betrüb: und die Gegenden da außen unruhiger und voll verwegener Gesellen, Strolche und Räuber. Die Franzosenkriegr waren vorbei, da kann man sich denken, daß es überall

schlimm aussah. lind doch konnte man 'N jenen Zeitläuften auch seine guten Geschäfte machen, wenn man das Zeug dazu hatte. In selbiger Zeit also kam auch ein junger Kraxenmann aus dem Krainerland und wollte sein Glück da außen machen. Er streifte das Oberland ab nach allen Seiten und ist oft auch in dieser Gegend gewesen, am meisten aber weiter oben, wo dis großen und reicheren Ortschaften waren, aber auch die großen Wälder und das ärgste Gesindel, das die Leute all' nur brandschatzte und den roten Hahn auf viele Dächer setzte. Er hat laut genug gekräht und oft, das kann ich euch sagen. Der größte Hallunke und Mordbrenner zur selbigen Zeit war im Oberlande der schwarze Vere". Von dem haben alle schon gehört, denn es steht in vielen Büchern von ihm geschrieben, und daß ihn Anno 1819 im Turm für die armen Sünder in Biberach der Blitz erschlagen hat, weiß jedes Kind. Ich will meine Geschichte nicht zu lang machen, denn dem Herr­gottsmüller wird sie sonst zu langweilig, er gähnt jetzt schon. Der Kraxenmann, von dem ich sagte, kam in den Wuldschenken und auch sonstwie mit allerlei Leuten zusammen, die zur Bande gehörten oder es im stillen mit ihr hielten. Zuerst wußte er nicht recht, wie er daran war mit den Leuten, die oftRotwälsch" redeten, und machte allerlei Geschäfte mit ihnen. Er verschacherte an die Leute die tausenderlei Sachen, die in einer Kraxe stecken, und bekam dafür allerlei Gold- und Sffberzeug, Schmuck und anderes, das die Leute nicht gut absetzen konnten. Er zahlte annehmbar dafür und vertauschte in anderer Herren Länder zu gutem Preis die eingehandelten Dinge. So bekam der junge Kraxenmann nach und nach einige tausend Gu.den zusammen und das war in den damaligen Zeiten ein Heidengeld. Daß der schwarze Vere in dem sog.Storchenhänschen" seinen Unterschlupf genommen hat, weiß jedermann, und daß nicht gar weit davon ein Waldwirtshaus stand, in dem ganz zweifelhafte Leute verkehrten, wußte der junge