über den beiden Capoimisren am Augsburger- thor abhebcn und das bloßgelegte Maucrwerk mit einem bombenfesten Portlandzementgnß versehen.
* München, 23. Juni. Nach einer ziemlich genauen Berechnung wird die zukünftige bayerische Kammer zusammengesetzt sein ans 75 Illtramontanen, 73 Liberalen, 3 Konservativen, 3 Abgeordneten der Richtung Rittler- Bucher, 1 Regierungsmann, 2 Demokraten, 1 Sozialisten, ungewiß (Würzburg). Fällt der demokratische Kandidat in Ansbach-Schwabach ans und erringen die Liberalen Würzbnrg, so ändert sich das Verhältnis zu Gunsten der Liberalen um 2. Keine der beiden Parteien wird allein über die Majorität verfügen; den Ansschlag geben die 7 den konservativen Schattierungen zugefallenen Mandate.
* Spediteur Joseph Kraus in Augsburg, welcher im Jahre 1884 wegen betrügerischen Bankerutts und großen Betrügereien von ca. 70 000 Mrk. flüchtete und steckbrieflich verfolgt wurde, hat sich nunmehr, nachdem er das ganze Geld, ca. 40 000 Mk., das er mitnahm, durchgebracht hat, dem Gericht freiwillig gestellt.
^ Berlin, 23. Juni. Die ,Posch enthält einen bedeutsamen Leitartikel, welcher dem Papst den Rat gibt, von dein Streben nach Wiedererlangung eines weltlichen Besitzes abznsehen.
* Berlin, 25. Juni. Von den im Hoch- vcrratsprozeß verurteilten Elsaß-Lothringern haben Köchlin und Blech vergeblich eine Kaution von 50,000 bezw. 100,000 M. für ihre vorläufige Freilassung angeboten. Die Verurteilten verbüßen ihre Strafe in Magdeburg.
— Der „Reichsanzeiger" publiziert einen kaiserlichen Erlaß, betr. Aufnahme einer Reichsanleihe in der Höhe von 258004 970 Mrk. zu 3Vz pCt. Der Betrag soll folgende Verwendung finden: Zollanschluß Hamburg 3 Millionen, Zollanschluß Bremen 4 Millionen, Nordostsee- Kanal 13 Millionen, Deckung der Vorschüsse ans dem Reichs-Festnngsbanfonds 45 732 485 Mark und für Zwecke des Reichsheeres und zur Vervollständigung des Eisenbahnnetzes im Interesse der Landesverteidigung 172 272 485 Mark. Die Tilgung erfolgt durch die im Reichsetat dazu bestimmten Mittel. Dem Reiche bleibt das Recht, binnen einer gesetzlich festzustellenden Frist zu kündigen.
* Leipzig, 23. Juni. Am 4. Juli beginnt der Landesverratsprozeß wider Klein und Genossen. Angeklagt sind Handelsagent Tobias Klein-Straßburg, Fabrikant Martin Grebert- Schiltigheim, Wirt Friedrich Erhart-Straßburg, Verteidiger sind Justizrat Romberg in Leipzig und die Anwälte Scharlach und Schott von Schottenstein aus Straßburg.
* Göttin gen, 24. Juni. Das Schwurgericht verurteilte am Montag den 35jährigen Ackermann Beulke aus Sudershausen wegen eines vor 9 Jahren verübten Mordes zum Tode. Beulke hatte im August 1878 die Dienstmagd Olms vergewaltigt und erdrosselt; er wurde
damals auch verhaftet, ungenügender Beweise halber aber freigesprochen. Von Gewissensbissen gepeinigt hat er in diesem Jahre die That eingestanden und hat alle erzählten Einzelheiten derselben bis zur Verhandlung aufrecht erhalten.
* Gandersheim. Die hiesige Staatsanwaltschaft veröffentlicht über einen Menschenraub folgendes: Gegen den fahrenden Schauspieler Blum, welcher flüchtig ist, ist die Untersuchungshaft wegen Menschenraubes verhängt. Der Geraubte ist der 4 Jahre alte Knabe Wassermann ans Gittelde. Der zur Zeit nicht näher zu beschreibende Blum reist zu Wagen. Er ist zuletzt in der Umgegend von Wernigerode mit dem Kinde bemerkt und soll von dort nach Norden oder nach Osten weiter gereist sein. Er gehört anscheinend einer fahrenden Bande an.
" Ans Elberfeld, 24. Juni, wird berichtet: Der damals erfolglos gewesene erste Verteidiger des vielgenannten, wegen Mordes seiner Ehefrau in Elberfeld zum Tode verurteilten und zu Zuchthaus begnadigten Ziethen, Rechtsanwalt Grammes in Köln, der von der Unschuld des Ziethen stets überzeugt war, auch für die Umwandlung der Todesstrafe in Zuchthaus, soweit es ihm möglich war, gewirkt hatte und, nachdem dies erreicht war, dem Vater des Verurteilten die Weisung gegeben hatte, den Aufenthalt des jetzt verhafteten Wilhelm zu erforschen und denselben unausgesetzt beobachten zu lassen, ist von dem noch im Zuchthaus zurückbehaltenen Ziethen auch für das Wiederaufnahmeverfahren zum Rechtsbeistand bestellt worden und betreibt die Angelegenheit aufs eifrigste.
* Danzig, 25. Juni. Mit einer großen Anzahl der aus Rußland ansgewiesenen und nach Westpreußen gehörigen deutschen Familien wird amtlich verhandelt, um ihnen gegen einen bestimmten Pachtzins Land ans dem zu Ansiede- lungszwecken angekauften Gütern einznräumen.
" Ungefähr dreißig deutsche Generalstabs- Offiziere trafen inStraßbnrg ein; sie haben den Auftrag, im Laufe des Juli die ganze reichsländische Grenze zu inspizieren.
* M ülhause n. Die Mode, die Söhne in französischen Lehranstalten erziehen zu lassen, scheint hier in Abnahme zu sein. Eine Haupt- ursache ist die, daß manche Eltern an ihren Söhnen, die im Auslande erzogen waren, bittere Erfahrungen gemacht haben, indem dieselben die Berechtigung zum Einjährig-Freiwilligendienst nicht erhielten und sich gezwungen sahen, eine zweijährige oder gar dreijährige Dienstzeit durchzumachen.
Ausländisches.
* Wien, 24. Juni. Die für morgen angekündigte Hieherkunft des Königs Milan wird günstig gedeutet.
* Wien, 25. Juni. Der König von Serbien ist heute nachmittag lUZ Uhr hier angekommen. Der König trug die österreichische Oberstuniform und fuhr nach der Vorstellung der Anwesenden nach der Hofburg zum Kaiser.
" Wien, 25. Juli. Die Königin Natalie von Serbien wies alle Briefe Milans uner- öffnet zurück. Sie reist nächster Tage nach Petersburg, um sich bei dem Zarenpaar Rats zu erholen wegen der Forderung Milans auf Scheidung.
* Paris, 23. Juni. Die Deputierten Drey- fuß und Weckersheimer legten der Deputiertenkammer folgenden Gesetzentwurf vor: „Jeder in Frankreich wohnende Ausländer, der Mitglied eines im Auslande gegründeten, gegen das Gebiet oder die Interessen Frankreichs gerichteten Vereins ist, wird mit 3 Monaten bis 2 Jahren Gefängnis und 50 bis 1000 Franken Geldbuße bestraft werden; nach Verbüßung der Strafe wird er ausgewiesen, im Wiederbetretungsfalle in Festungshaft genommen werden.
' Wie verlautet hat die Pulverfabrik zu Angou- leme, welche als eine der Hanptherstellungs- stätten für den Melinit-Sprengstoff genannt wurde, in jüngster Zeit Befehl erhalten, mit der weiteren Anfertigung von Melinit aufzuhören. Die französische Presse leugnet zwar den Mißerfolg dieser neuen Erfindung, und Sicheres ist über den Stand der Frage überhaupt nicht zu erfahren. Man will jedoch aus der Einstellung der Melinit-Anfertigung in der Pulverfabrik zu Angonleme in ausländischen Kreisen darauf schließen, daß mit dem Melinit überhaupt gebrochen wäre.
' Paris, 24. Juni. Den „Döbats" wird aus Berlin telegraphiert, dem Vernehmen nach bemühe sich die französische Regierung, die Freilassung der in dem Leipziger Prozeß Verurteilten zu erwirken. - Gestern rottete sich auf dem Boulevard S. Michel unter Führung von hundert Studenten eine Menge Gesindel zusammen, welches Boulanger hoch leben ließ und ans ihn gedichtete Lieder sang. Als der Skandal zu groß wurde, intervenierte die Polizei und verhaftete drei Schreier.
' Im Pariser Gemeiuderat setzte Lyon- Alemand den Antrag ans Entfernung deutscher Arbeiter aus dem Dienst der Seineprüfektur durch. Seine Absicht war, diejenigen deutschen Arbeiter zu treffen, die bei der Straßenreinigung und der Kanalisation angestellt sind. Der — einstimmig angenommene Antrag geht dahin, daß die Verwaltung fernerhin nicht mehr „Deutsche, die Angehörige des Deutschen Reichs sind", anstellen soll; dagegen steht es ihr frei, Dentsch-Oesterreicher oder Deutsch-Schweizer zu beschäftigen. Es ist das ein ganz nichtswürdiger Beschluß; abgesehen von seiner Gehässigkeit schadet er der Pariser Gemeinde selbst am allermeisten, denn es handelt sich bei diesen Opfern der chauvinistischen Verfolgungswut des Pariser Stadtrats um fleißige Arbeiter, welche um wenig Geld die niedersten Dienste versahen, wie jeder weiß, der einmal in Paris in den Vierteln Billette, Belleville, Buttes Chaumont u. s. w. sich umgesehen hat. Die Leute werden wohl auch, wenn sie ausgctrieben werden, ihr Brot im deutschen Vaterland verdienen, aber
Kaus und Wett.
Novelle von Gustav Höcker.
(Fortsetzung.)
Das waren die Gedanken, welche den alten Hofrat in der letzten Zeit unausgesetzt beschäftigten und Reue und Sorge nagten an ihm mit gleichemHeftigkeit. Da war nichts mehr aut zu machen. Für jene lang bewahrten Jrrtümer gab es keine Sühne, der Fehler war gemacht und in das Blut seiner Kinder übergegangen, das '.eiche Einkommen enes a.beitsreichen Lebens war zwecklos geopfert und der alte Mann stand — das fühlte er wohl — zu nahe seinem irdischen Ziele, um an der Lage, die seine falsch angewendete väterliche Zärtlichkeit geschaffen, auch nur das Geringste ändern zu können.
Vor seinen Töchtern mußte er ti.s verbergen, was in ihm vorging, und unter seinen zahlreichen Freunden gab es keinen, dem er sich anvertrauen konnte, — es wäre einer Bitte um Hilfe gleichgekommen. Mehr noch als seine erschütterte Gesundheit beugten ihn diese trostlosen Betrachtungen beugte ihn die verzweifelnde Reue nieder.
Alle seine Bekannten erschrocken über die Veränderung, die mit ihm rorging. Sonst straff und ausrecht in seiner Haltung, schlich er jetzt gebückt durch die Straßen; ehemals ein anregender und lebhafter Gesell schafter, brütete er jetzt schweigend ver sich hin; weder die großen Fragen des Tages, an denen er früher stets regen Anteil genommen, noch die Angelegenheiten seiner nächsten Freunde vermochten auch nur vorübergehend sein Interesse zu erwecken; ja so tief war er in sich versunken, so gänzlich von der Außenwelt abgekehrt, daß er für dieselbe gar kein Gedächtnis mehr hatte. Er konnte sich auf die Vorfälle des vergangenen Tages nicht mehr besinnen, und viele Leute, mit denen er lange in persönlicher
Berührung gestanden hatte kannte er nicht mehr, wenn sie ihn auf der Straße grüßten.
Niemand wohl empfand diese traurige Veränderung, die so rasch über den Hofrat gekommen war, schmerzlicher als Ewald Klaußen. Wenn er seinen alten Gönner, seinem väterlichen Freunde zuweilen begegnete und ehrerbietig seine Mütze zog, schnitt ihm der befremdete Blick, welcher ihn aus den umflorten Augen des gebeugten Mannes traf, tief in die Seele. Als er ihn einst anzureden und nach seinem Befinden zu fragen wogte, ging aus der Unsicherheit der Antwort deutlich hervor, daß der alte Herr nicht wußte, wohin er den Fragenden thun sollte, und als im Weitergehen Klaußen noch einen betrübten Blick aus den alten Hofrat zurückwarf, hatte dieser sich ebenfalls nach ihm umgewandt und sah ihm sinnend nach, wie einer Erscheinung, die ihn dunkel an einen alten Traum gemahnte. Ewald kannte diese Symptome nur zu gut, wenn er auch ihre eigentliche Ursache nicht ahnte. Genau so war sein Vater, der Schwäche des Alters erliegend, dem sichern Grabe zugeschlichen; genau so hatte auch dieser die Verbindung mit der Außenwelt verloren, genau so hatte sich allmählich der Zusammenhalt des inneren Lebens mit den versagenden Sinnen gelockert, bis die Seele, der letzteren nicht mehr bedürfend, zu ihrem Schöpfer zurückkehrte.
Daher traf es Ewald nicht unerwartet, als sich eines Morgens I ie Kunde verbreitete, der alte Hofrat sei in der vergangenen Nacht gestorben.
Ein mitleidiger Lungenschlag hatte den Qualen seines umdüsterten Gemüts ein Ende gemacht . . . Im Laufe des Flages kam Frau Rup- finger zu Meister Lindemann und bestellte den Sarg.
Ewald war nicht wenig betroffen, als ihn der Meister kurz und bündig beauftragte, hinüber zu gehen und das Maß dazu zu nehmen.
„Sie haben wohl vergessen, Meister," wandte er ein, „daß mir das Haus verboten ist."
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