so unschuldigem Gesichte zu blasen beginnen. Man möge sich in Deutschland nicht täuschen, der Grundgedanke der ganzen französischen Politik ist und bleibt die Revanche, und dennoch wird es kaum einen Augenblick geben, in welchem ein Konflikt mit Deutschland den Franzosen unangenehmer sein möchte, als der jetzige, wo nicht nur die Organisation der Truppen und die schlimmen finanziellen Verhältnisse, sondern auch die ganze Bewaffnungsfrage der Armee in einer schweren Krisis steht. Inzwischen scheint man sich hier auf alle Eventualitäten vorbereiten zu wollen, das beweisen die nach der deutschen Grenze beschlossenen größeren Truppenverschiebungen. Außer den im Herbst gemeldeten Ueberführungen einer Anzahl von Cavallerie- Regimentern aus d m Innern Frankreichs nach der deutschen Grenze, ist heute schon die Verstärkung der Garnisonen unmittelbar an der Grenze verfügt n orden. Außer einem Infanterie-Regiment nach Pont-ä. Mousson sollen auch nach Luneville und Epinale Verstärkungen gezogen und in Noncy eine volle Infanterie- Division vereinigt werden. Ferner soll der Divisionsstab aus Besan^on nach Belfort verlegt werden. Man nimmt deshalb hier mit Bestimmtheit an, daß die deutsche Regierung die ihr zuwachsende Vermehrung der Armee nach der Westgrenze verlegen werde, um diesen französischen Drohungen zu begegnen.* — Diese Darstellung dürfte den thatsächlichen Verhältnissen wohl ziemlich nahe kommen; sie ist geeignet, dem unbegründeten Optimismus, der überall nur Frieden und Ruhe sehen will, entgegengehalten zu werden.
* Berlin, 31. Dez. Das Centrum beabsichtigt, wie man hört, in der Militär-Kommission des Reichstages zur zweiten Lesung einen Antrag einzubriugen, welcher die von der Regierung verlangte Erhöhung der Friedenspräsenzziffer im vollen Umfange für drei Jahre bewilligt.
* Berlin, 31. Dez. Eine gestern abend hier stattgefundene Versammlung von 3(00 Personen, um gegen die Haltung der Majorität des Reichstages in der Armeebndgetfrage zu protestieren, verlief überaus stürmisch. Sie beschloß die Zustimmung znr Militärvorlnge der Regierung und genehmigte eine diesbezügliche Adresse an den Reichskanzler.
* Berlin, 1. Jan. Bei dem heutigen Neujahrsempfang hielt der Kronprinz an den Kaiser folgende Ansprache: „Allerdurchlauchtig- ster, großmächtigster Kaiser, allergnädigster Kaiser, König und Kriegsherr! Mit Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät begeht heute das Heer die Erinnerung an den Tag, da Allerhöchstdies. vor achtzig Jahren durch König Friedrich Wilhelm III. in die Reihen der preußischen Armee ausgenommen wurden. — Wiederholt schon durfte Ich, w'e im gegenwärtigen Augenblicke, mit Vertretern des Heeres vor unfern Kriegsherrn treten und ihm dafür danken, daß Er uns in gewaltigen Kämpfen zu herrlichen Siegen geführt hatte; bei der Heu
tigen Feier aber blicken Eure Majestät auf sechszehn vom Frieden reich gesegneie Jahre zurück, welche vor allem der ungestörten Entwicklung und der K äftigung des nach hartem Kampfe wieder aufgerichteten Reiches gewidmet waren. — Solche friedliche Arbeit konnte indeß nur gedeihen weil gleichzeitig Eurer Majestät sachkundige und rastlose Leitung die Schlagfertigkeit des Heeres zu der Vollkommenheit förderte, deren jeder deutsche Soldat sich mit Stolz bewußt ist. Der preußische Grundsatz, daß es keinen Unterschied giebt zwischen Volk und Heer, weil beide eins und zu des Vaterlandes Verteidigung jederzeit bweit sind, ist durch Eurer Majestät Fürsorge Gemeingut der ganzen Nation geworden. In dieser Wehrhaftigkeit unseres gesamten Volkes liegt die gewichtigste Bürgschaft für die Wahrung unseres Friedens. So möge es mir heute wie vordem gestattet sein auszusprechen daß unser wehrhaftes, einiges Volk in dankbarer Liebe und opferwilliger Treue seinem Kaiser und Kriegsherrn vertraut, mit freudiger Zuversicht auf Ihn als den Wahrer des Friedens blickt und den einmütigen Wunsch hegt, daß Gottes Segen in Fülle auch ferner auf Eurer Majestät ruhen möge.* Der K äser dankte in sehr herzlichen und warmen Worten, gedachte seines Vaters, der vor 80 Jahren in schwerer Zeit ihn in die Armee habe eintreten lassen in der Hoffnung, daß er bessere Zeiten erleben werde; die Vorsehung habe sie ihn erleben lassen im vollsten Maße und besonders durch die Erfolge, die er mit der Armee gehabt habe; er danke allen Anwesenden als den Vertretern der Armee und damit der Armee, auch den nicht mehr aktiven Offizieren, die aber an den Erfolgen mitgewirkt. Der Kaiser umarmte hierauf den Kronprinzen, ging alsdann auf den Feldmarschall Grafen Moltke zu, umarmte auch diesen in der herzlichsten Weise und dankte demselben für seine unvergleichlichen Dienste, Schließlich sprach der Kaiser die Hoffnung aus, die Anwesenden am l. Januar 1888 wieder zu sehen.
* Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht das Uebereinkommen zwischen Deutschland und England betreffend das Sultanat Sansibar und die Abgrenzung der deutschen und englischen Interessensphären in Ostafrika.
* Die Reichsbehörden haben bekanntlich seit einigen Jahren alle von ihnen ansgegebenen Druckschriften in deutschen Lettern erscheinen und alle früher mit lateinischen Buchstaben gedruckten nach und nach dahin umändern lassen. Die preußischen Staatsbehörden scheinen jetzt dasselbe Verfahren eiuschlagen zu wollen. Den Anfang macht damit das Königl. Statistische Bureau, in welchem die statistische Correspondenz und die nichtperiodische Zeitschrift, welche bisher mit lateinischem Drucke erschienen, vom 1. Jan.
887 mit deutschen Buchstaben zur Ausgabe gelangen sollen.
* Köln, 29. Dez. Gestern kam ein Reisen-
„Anf derselben stehen die Rainen mehrerer Herren, die der Volkspartei augehören. Von den angesehensten Persönlichkeiten der Stadt, die gerade anwesend und erreichbar waren fehlt keine einzige." In einem zweiten heißt es: „Die Mehrzahl der Unterzeichner (weitaus) sind Katholiken, darunter Stockultramontane." Ein anderes Begleitschreiben schließt: Es ist in der That betrübend, daß in einer solchen Situation, in welcher gleichsam das Vaterland ruft, die widerspenstigen Parteien im Reichstage ihre Pflichten vergessen zu haben scheinen." In einer Landgemeinde haben die bürgerlichen Kollegien, der Militär- und Veteranenverein unterschrieben. Die Absendung der Petitionen an den Reichstag wird am Mittwoch den 5. Januar, abends, erfolgen, und werden alle eingegangenen Petitionen, welche bis zu diesem Tage mittags in Stuttgart unter der Adresse Eduard Elben Anlaufen, noch befördert werden und wird dringend um Einhaltung dieses Termins gebeten. Da jedoch nach den bisherigen Erfahrungen nicht zu erwarten ist, daß eine Entscheidung im Reichstage vor der zweiten Woche des Januars erfolgen wird, so wird am Samstag den 8. Jan. eine zweite und letzte Sendung abgehen, womit alle Petitionen, welche bis zu diesem Tage mittags Anlaufen, nach Berlin befördert werden.
* In Strümpfelbach hat sich eine ergötzliche Familiengeschichte abgespielt: Die Tochter eines früheren Gemeinderats wollte mit ihrem Bräutigam nach Amerika answandern, weil ihre Eltern die Heirat nicht zugeben wollten. Der Bräutigam hatte für beide accordiert, und sie reiften mit ihren: Kinde ab. Als sie in Mannheim waren, fällt es den Eltern der Braut ein, ihre Tochter durch einen Landjäger zurückholen zu lassen. Das Ueberfahrtsgeld war natürlich verloren. Zu Hanse angekommen, versuchte das Mädchen mehrmals, sich das Leben zu nehmen, woran es jedoch verhindert wurde. Envlich gaben ihr die Eltern das Reisegeld wieder, so daß sie ihrem Bräutigam auf einem anderen Schiffe nachreisen konnte.
* Berlin, 31. Dez. Der „K. Ztg.* geht aus Paris von befreundeter, mit den höchsten französischen Kreisen in Verbindung stehender Seite eine Mitteilung zu, in der es u. A. beißt: „Die einsichtsvolleren Kreise in Frankreich fühlen insünctiv, daß sie erkannt sind, und daß Deutschland nicht warten kann und wird, bis die Bewaffnung der französischen Armee auf gleichen Fuß mit der des deutschen Heeres gebracht, bis es Frankreichs langer vergeblicher Liebesmühe einmal gelungen sein wird, sich Verbündete nach seiner Neigung zu erwerben, genug, bis es den Augenblick gefunden zu haben glaubt, der ihm de: gelegenste erscheint, mit Deutsche land den Revanchekrieg unter den günstigsten Vorbedingungen und Aussichten anbinden zu können. Nur diesem Bewußtsein entspringen meiner Beobachtung nach die Friedensschalmeien, welche offiziöse und offizielle Organe jetzt mit
Are Ansiedler am Winneöago-See.
Eine Erzählung aus dem Westen Amerikas von F. Slaacke.
-Fortjeßm g.)
„Ich habe Dich ja eben nur um einige Tausende gebeten", versetzte Charles etwas gereizt. „Die Wahrheit ist: Infolge mehrerer Unfälle und Täuschungen in Geldsachen bin ich gerade jetzt in Verlegenheit und weiß nicht, wie ich einige meiner Versprechungen halten soll, hoffe aber, du wirst mir deine Hilfe nicht verweigern, Richard!"
„Ich verspreche noch gar nichts, sondern will erst sehen", ent- gegnete dieser „Doch, Charles", fragte er nach einer Pause, „wie viel wird denn die Gesellschaft heute kosten?"
„O, nur eine Kleinigkeit, einige Hundert Dollar", lautete die Antwort.
„Und du glaubst, daß Hunderte in dieser Weise gut angelegt sind, während du Tausende gebrauchst, um deine Schulden zu bezahlen", forschte Richard.
„Du weißt ja, lieber Bruder", erwiderte Charles etwas kleinlaut, „um den Kredit aufrecht zu erhalten, muß man von Zeit zu Zeit einigen Aufwand machen."
„Nein", versetzte Richard, „ich wußte nicht, daß das Wegwerfen von Hunderten den Kredit eines Mannes zu Tausenden erhöht, namentlich bei solchen Menschen, deren Meinung ihm von Nutzen sein kann. Jetzt aber gehe zu deinen Gästen, Charles", fügte er, sich erhebend, hinzu, „du hast dich ihnen schon lange entzogen. Ich möchte mich ohnehin noch mit einigen Bekannten, die ich hier getroffen, unterhalten."
Beide Brüder trennten sich jetzt und verloren sich bald in der bunten Menge, die scheinbar zwecklos in dem großen Gesellschaftszimmer hin und her wogte, als aber nach einer Weile eine Reihe von Gemächern, die bis dahin geschlossen, geöffnet wurde und der willkommene Anblick
von mit den mannigfaltigsten Delikatessen bedeckten Tischen sich darbot, bewies bald das lautere Geplauder der Gäste und der fröhliche Klang der Gläser, daß der Schluß des Festes die allgemeine Zufriedenstellung hervorgernfen.
Zum besseren Verständnis unserer Geschichte ist es indes notwendig, daß wir den freundlichen Leser einige Jahre in die Vergangenheit der beiden Brüder znrückführen.
Ungefähr zwanzig Jahre vor dem Zeitpunkt, mit dem unsere Geschichte beginnt, sahen Richard und Charles Hayward sich durch die Früchte ihres Fleißes als Feldarbeiter und Hausierer in den Stand gesetzt, in einem Dörfchen in New-Hamsphire Auen kleinen Laden zu eröffnen.
Der Geschäftsanfang der beiden Brüder war, wie es bei Hunderten der Fall ist, ein sehr bescheidener. Obgleich sehr verschieden in ihren Charakteren, so vertrugen sie sich doch sehr gut, denn in dem Zweck ihrer Arbeit waren sie sich ja vollkommen einig: sie wollten wohlhabend werden!
Durch ein stilles Einverständnis teilten sie sich nach ihren Neigungen und Fähigkeiten in die Aufgaben des Geschäftes; der stille, berechnende Richard beschränkte sich auf den Laden, führte die Bücher und verrichtete die eigentlichen Kopfarbeiten des Unternehmens, während Charles durch größere Lebhaftigkeit, durch sein rasches, angenehmes Wesen sich besser dazu eignete, Einkäufe zu machen, Kunden heranzuholen oder den Tausch der Waren abzuschließen, überhaupt den Vertreter der jungen Firma zu machen.
Wenn die Brüder dann am Abend ihre beiderseitigen Tagesgeschäfte besprachen und ihren Verdienst zusammenrechneten, was gewöhnlich in ihren niedern Ladenräumen geschah, wo sie auf der einen Seite von Fäßchen mit Nägeln, Stößen von Stockfischen, Feldgeräten und sonstigen Waren, die ein amerikanischer Dorf-Kramladen aufweisen muß.
i