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I Erscheint wöchentl. 3mal: Dienstag, Donners 1°. 2. I lag und Sanisiait und kostet in Altensteig 90 ^ I im Bezirk 85 außerhalb I ^ das Quarta!.

Dienstag den 4. Januar

> Eimückungspreis der ispalt Zeile für Altensteig und nahe Umgebung bei Imal. Einrückung 8 ^ 1887.

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Auf

Aus den Tannen"

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Rückblick.

(Fortsetzung stat. Schluß.)

Blicken wir nach Süddeutschland, so haben wir zunächst aus Elsaß-Lothringen die hocher­freuliche Thatsache zu konstatieren, daß das Protestlertum und das Schüren nach Wieder­vereinigung der Reichslande mit Frankreich im Absterben begriffen ist. Die Kommunal­wahlen in Straßburg und Metz, bei welchen die Protestler entscheidende Niederlagen erlitten, und die freiwillige Begeisterung der altelsüssischen Bevölkerung für den deutschen Kaiser bieten da­für den besten Beweis.

In Baden wurde das Jubiläum der Universität Heidelberg in Anwesenheit des Groß­herzogs und des deutschen Kronprinzen in groß­artiger Weise gefeiert. Der Erbgroßherzog ist von seiner langen und schweren Krankheit wieder vollständig genesen.

In Württemberg mußte der leider ziemlich kranke von seinem Volke hochverehrte König diesen Spätherbst wieder das milde Klima von Nizza, von wo er am 26. Mai nach seinem letzten Winteraufenthalt znrückgekehrt war, auf­suchen.

Alach mehrjähriger Trauer um seine verst. Gemahlin Marie, geb. Prinzessin von Waldeck, verlobte sich am 12. Januar der Thronfolger Prinz Wilhelm mit der Prinzessin Charlotte von Schaumburg-Lippe, mit der er sich am 8. April vermählte und am 13. April seinen festlichen Einzug in Stuttgart hielt. Der württ. Landtag genehmigte im Frühjahr das sogen. Feldbereinigungsgesetz bei der enormen Güter­zersplitterung in Württemberg ebenso notwendig als nützlich verwarf eine Vorlage betreffend die Vermehrung der Mitglieder der Kammer der Standesherren und genehmigte in den letzten Wochen das Gesetz über die Verwaltung des Kirchenvermögens beider christlichen Konfessionen.

Bayern hat ein aufregungsreiches und schweres Jahr hinter sich. Das fortwährende Kontrahieren von Anleihen durch den König, mehr noch dessen Versuche, für politische gegen den Bestand des deutschen Reiches gerichtete Konzessionen von französischen Thronprätendenten Geld zu bekommen, ließen erkennen, daß der Geisteszustand des Königs nicht mehr in Ord­nung sei nnd nim entwickelte sich die tragische Katastrophe, die mit dem freiwilligen Tode des irrsinnigen Königs im Starnberger See am Samstag vor Pfingsten ihren Höhepunkt fand. Prinzregent Luitpold und kurz vor ihm sein äff ^ ''(Sohn Prinz Ludwig haben dem deutschen Kafferyäuse offizielle Besuche abgestattet und sind in ihrer treuen Freundschaft zu den Hohen- zollern, soweit dies überhaupt möglich war, so sehr bestärkt und gefestigt von Berlin zurückge­kehrt, daß alle Hoffnungen vorhanden sind, Bayern einmal als Keil in das deutsche Reich einzutreiben.

Oe st erreich-Umgarn nimmt den alten Krebsschaden, die Zwietracht seiner vielsprachi­gen Volksstämme auch in das neue Jahr hin­über. Besonders heftig ist der Kampf zwischen den Deutschen und Czechen in Böhmen, und das Versöhnungsmittisterittm des Grafen Taaffe

hat es glücklich soweit gebracht, daß die deut­schen Abgeordneten Böhmens miteinander sich wei­gern, ferner an den Beratungen des Landtags teil­zunehmen, wo nur Gewaltthaten gegen die deutsche Bevölkerung beschlossen oder sanktioniert werden, und daß jetzt auch die deutschen Mit­glieder des österr. Reichsrats einen gleichen Massenaustritt in ernstliche Erwägung ziehen. Auch in der ungarischen Reichshälfte gab es ziemlich heftige innere Gährungen betreffs des gemeinsamen Militärs, welche in Pest sogar zu Krawallen führten. Es fehlte nicht viel, so hätte die harmlose Totenfeier auf dem Ofener Friedhof für die im Jahre 1848 gefallenen österr. Offiziere unabsehbare Folgen gehabt. Kaiser Franz Josef setzte aber dem ungarischen Ministerpräsidenten unter 4 Augen den Kopf zurecht und gab ihm in Form eines veröffent­lichten Handschreibens ein Pflästerchen mit, Tisza selbst goß Oel auf das unruhige Parlaments­und Zeitungsgewässer und die Ereignisse in Bulgarien thaten ein klebriges, um die Ungarn wieder sehr heeresfreundlich zu machen. Als die Delegationen beider Reichshälften in Pest eröffnet wurden, da beeilten sich die beiden Prä­sidenten, dem Reichskriegsminister im Voraus das größte Entgegenkommen für dessen Forder­ungen zu versprechen, und die Delegationen haben auch dieses Versprechen ohne viele Worte und mit noch weniger Abstrichen eingelöst. Die Reden Kalnokys in diesen Delegationen wirkten auf ganz Europa wie ein frischer Lustzug nach banger langer Schwüle. Der österr.-nngar. Minister des Auswärtigen reinigte zunächst seine und die deutsche Regierung von dem Verdachte, als hätten sie etwas von dem Vorhaben der bulgarisch-russischen Verschwörer zum Voraus gewußt, und ries weiterhin der rnss. Regierung und namentlich ihrem berüchtigten Kanlbars einbis hierher und nicht weiter zu", so daß der ingrimmige Unwillen Europas doch wenig­stens eine Genngthuung bekam, der freilich die Hauptsache, nemlich die Strafe für die Grnew- Kaulbars'schen Ruchlosigkeiten noch fehlt.

In Frankreich war am 28. Dez. 1885 Grevy von der National-Versammlnng zu Ver­sailles mit großer Mehrheit auf weitere 7 Jahre als Präsident der Republik wieder gewählt worden. Gleich in den ersten Tagen des neuen Jahres aber begann die Deputiertenkammer den bekannten heftigen Sturm gegen das Ka- binet Jules Ferry wegen dessen Polikik in Ton- ! king und mehr noch aus dem Grund, weil das ^ Kabinet eine Annäherung an Deutschland ge- > sucht und gefunden hatte. Am 11. Januar ! trat das Kabinet Freycinet vor die Deputierten- kammcr mir einem sehr beifällig aufgenoninrenen Programm; nahezu 1! Monate blieb es am Ruder und machte dann dem Kabinet Goblet Platz, das sich dem Luxus eines Programms einfach versagte. Am 14. Januar erteilte Grevy eine allgemeine Amnestie für alle seit 1870 verurteilten polit. Verbrecher. Ende Januar brachen in Decazeville ernste Arbeiterunruhen ans, wobei ein Bergwerksingenieur ermordet wurde. Der ausgebrochene Strike dauerte bis tief in den Sommer hinein nnd wurde von den Gemeindeverwaltungen mehrerer größerer Städte mit Geldmitteln unterstützt, endigten aber schließ­lich mit einer totalen Niederlage der Sinken­den, nachdem dieselben völlig mittellos geworden waren. Im Juni wurde einegroße Staats­aktion" durch Ausweisung der Prinzen in Scene gesetzt wofür sich der Herzog von Aumale durch eine großartige Schenkung an das In­stitut äs IRsllos in wahrhaft nobler Weise

rächte. Nach Ausbruch der bulgarischen Krisis stellte das Kabinet seine Liebeswerbungen um die russische Freundschaft an, stieß aber den russischen Zaren durch die Abberufung des bis­herigen Botschafters so sehr an den Kopf, daß auch der russische Botschafter Mohrenheim mehrere Monate von Paris fernbleibcn mußte und erst vor einigen Wochen dorthin zurückkehrte. Der eigentliche Macher der französischen Politik war und ist der auch ins Ministerium Goblet ein­getretene Kriegsminister Boulanger; er war es, der das Repetiergewehr in der französ. Armee einführte und dadurch auch die deutsche Regier­ung zu der gleichen Maßregel zwang. Durch seine gewaltigen Anstrengungen, die Armee immer noch mehr zu verstärken, (er fordert neuerdings 350 Millionen Kredit) hat er wesentlich mit dazu beigetragen, daß wir Deutsche ebenfalls unser Heer verstärken müssen. Das neue Ministerium Goblet hat keine Aussicht auf lange Lebensdauer und der neue Botschafter in Berlin, Herbette, Ist nicht im Stande das berechtigte Mißtrauen Deutschlands gegen die Absichten der Franzosen zu zerstreuen. Die Spionen- riecherei der letzteren und ihr Krieg gegen alle deutsche Industrie-Produkte zeigen, wessen wir uns vor unseren westlichen Nachharn zu ver­sehen hätten, wenn sie uns im Kriege besiegen würden. (Schluß folgt.)

Lavdesuachrichten.

* Altensteig, 3. Jan. Die gemeinsame Christbaumfeier des Kriegervereins und Lieder­kranzes, welche am Neujahrstage abends im Gasthof zum grünen Baum abgehalten wurde, erfreute sich wieder einer zahlreichen Teilnahme. Für eine gute Unterhaltung wurde durch die Produktionen des Liederkranzes, durch Klavier­stücke und komische Vorträge gesorgt, die sämt­lich beifällig ausgenommen wurden und da es auch der Gastgeber an guter Bewirtung nicht fehlen ließ, so sehen die Teilnehmer auf einen angenehmen Abend zurück. Durch unvor­sichtiges Handhaben seiner Waffe hat sich ein noch junger Bursche in Bern eck in der Neu­jahrsnacht durch die eine Hand geschossen.

* Altensteig, 3. Jan. Gestern Sonntag abend hielt der Viehversicherungs-Verein seine jährl. Plenarversammlung im Gafthos zum Löwen" ab. Aus dem vorgetragenen Rechen­schaftsbericht ist zu entnehmen, daß der Verein 90 Mitglieder zählt, welche 221 Stück Vieh im Wert von ca. 50000 M. versichert haben. Der Verein vereinnahmte 759 M. und veraus­gabte für 8 Entschädigungsfälle 457 M. ,40V der eingezahlten Prämie konnten zurückerstattet werden. Der Verein wird von den meisten Vieh­besitzern als eine große Wohlthat empfunden und sind es nur noch wenige, welche sich ihm sernh alten.

* Stuttgart, 1. Jan. (Einges.) Die Bewegung der Sammlung von Petitionen an den Reichstag wegen Annahme der Militärvor­lage im Ganzen nnd möglichst rasch, welche vor den Christsesttagen von dem konservativen Verein in Württemberg eröffnet worden ist, nimmt, nachdem die großen Verkehrsstörungen beseitigt und die Festzeit vorüber, tagtäglich eine größere Ausdehnung an. Von allen Landesteilen wird um Zusendung gedruckter Exemplare der Petition gebeten, von welchen bereits verschiedene mit zahlreichen Unterschriften versehen wieder zurück- gckommen sind. Interessant sind die Begleit­schreiben schon deswegen, weil sie Auskunft über die im Volke herrschende Stimmung geben. In einem solchen ans einer Oberamtsstadt heißt es: