Türkei, dem Frankreich Napoleons I. und III., der weltlichen Macht der Päpste und jetzt hängt es sich an Oesterreich-Ungarn. Diese Neigung, sich an sinkende Dinge zu lehnen, wird Polen neues Unglück bringen, denn die Stunde für Oesterreich-Ungarns kläglichen Zusammenbruch nähert sich. Das Kaiserreich wird bald ebenso wie Polen selbst geteilt werden, allein mit dem Unterschiede, daß während die Teilung Polens ein diplomatischer Akt war, mit welchem das polnische Volk nichts zu thun hatte, die Teilung Oesterreich-Ungarns unter dem Jauchzen der Hälfte der Völker, welche jetzt murrend und unzufrieden unter dem Szepter der Habsburger leben, vollzogen werden wird."

Laudesuachrichteu.

* Nagold, 12. Nov. Das anfangs Nov.

beginnende Tannenzapfenbrechen hat in Sulz- dorf dem Weber P. Proß, einem unbemittelten Mann und Vater von fünf Kindern, das Leben gekostet. Derselbe stürzte gestern von einer durch den Regen schlüpfrig gewordenen Tanne herab und gab, kaum nach Hause gebracht, den Geist auf. (N. Tagbl.)

* Am vorletzten Sonntag morgens 11 Uhr, wurde ein junger Handelsmann I. St. . . . von Dettcnsce in der Gegend von Gültlingen von einem dortigen Bürger überfallen und ihm 16 Wunden am Kopfe mittels eines Steines beigebracht, und hat es der Unglückliche den in­folge des Geschreis von Kindern herbeigeetlten Personen zu verdanken, daß der Attentäter seinen Zweck nicht ganz erreichte. Daß hier ein Rache­akt vorzuliegen scheint, kann daraus geschlossen werden, daß der Thäter erst kürzlich aus dem Zuchthause entlasten worden ist, woselbst er eine längere Strafe wegen Meineids bezüglich einer Schuldforderung des obigen Handelsmannes zu verbüßen hatte. Das Befinden des in Gült- lingen untergebrachteu schwer Verwundeten soll verhältnismäßig zufriedenstellend sein. Der Thäter ist verhaftet.

* Calw, 12. Novbr. Die Einweihung der neuen katholischen Kirche wird am 25. ds. durch den hochw. Weihbischof Dr. v. Reiser vorge- nommen werden.

* Freudenstadt, 10. Novbr. Hier fitzt ein 20jähriger Bursche wegen Verdachts des Meineids in Haft, der in der Untersuchung gegen einen der Brandstiftung Verdächtigen als Zeuge lediglich deshalb falsche eidliche Aussagen ge­macht haben soll, um letzteren (der ihm früher einmal seine Wirtschaft verwiesen hatte)hin­einzureiten".

* Glatten, OA. Freudcnstadt, 12. Nov. Letzte Nacht hat es hier schon wieder gebrannt. In dem Dachraum des Müllers Schillinger, in welchem große Mehl- und Fruchtvorräte gelagert waren, brach auf noch nicht ermittelte Weise Feuer aus, welches rasch um sich griff, so daß der ganze Dachstuhl in Hellen Flammen stand. Mit Beihilfe der Feuerwehren von Dornstetten und Aach gelang es, das Feuer auf den Dach­

stuhl zu beschränken; doch ist das ganze Ge­bäude durch Master sehr beschädigt. Die Mehl- und Fruchtvorräte find zum größten Teil ver­brannt und das Gerettete durch Wasser beschädigt.

* Stuttgart, 11. Nov. Der Königliche Sonderzug mußte wegen der Überschwemmungen in Oberitalien seine Fahrt in Bellinzona unter­brechen und wird statt des Weges Luino-Savona den Weg Mailand-Turin-Lyon-Nizza nehmen. Die Staatsgefchäfte, welche Gegenstände von größerer Wichtigkeit betreffen, werden Sr. Maj. dem König zur Erledigung nachgesandt, während die übrigen Angelegenheiten durch den Prinzen Wilhelm nach dem Vortrage der Minister im Namen des Königs erledigt werden.

* Stuttgart, 13. Nov. Ihre Majestäten der König und die Königin find gestern abend um 5 Uhr in erwünschtem Wohlsein in Nizza eingetroffen.

* (Verschiedenes.) Von der Rott­weiler Strafkammer wurde der Schultheiß Pfau von Betzweiler wegen zwei Verbrechender Privaturkundenfälschung und versuchten Betrugs zu 1 Jahr 8 Mon. Gefängnis und zum Ver­luste der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 3 Jahren verurteilt. Zwischen Eschenau und Bretzfeld (Weinsberg) wurde ein Bahn- zug von jungen Burschen mit Steinen und Erd­schollen bombadiert und ein Fenster eingeworfen. Untersuchung ist eingeleitet. In Ruders­berg hat eine Kuh ein Kalb geworfen, das nur 3 Beine hat. Der vordere rechte Fuß und die beiden Hinteren Füße find normal, während vom linken vorderen Fuß keine Spur vorhanden ist. Das Kalb befindet sich wohl und wird voraussichtlich bald an den Metzger verkauft werden. In einer Sägmühle bei Unter- grönningen machten sich Schulmädchen an einem Wellbaum zu schaffen, der in Bewegung geriet und die Kinder mit großer Gewalt weg­schleuderte; eines derselben wurde sofort getötet.

Deutsches Reich.

* Berlin, 12. Novbr. Kalnokys Stellung etwaigen Angriffen Andrassys gegenüber in der Delegation wird hier für völlig fest gehalten. Fürst Bismarck ist hier diplomatisch sehr beschäftigt, namentlich auch durch mündlichen Verkehr mit den fremdmächtlichen Vertretern. Die Abreise nach Friedrichsruh hat sich ver­zögert; auf wie lange, ist unbestimmt.

* Berlin, 12. Nov. Fürst Bismarck hatte mit den auswärtigen Botschaftern wiederholte Besprechungen. Die Lage gilt als ungemein zugespitzt, die Gefahr einer russischen Okku­pation Bulgariens ist nähergerückt. In Odessa finde» bedrohliche Anhäufungen von Truppen und Kriegsmaterial statt.

* Berlin. Der Maler H. unterhielt seit einigen Monaten mit der Witwe G. ein Liebes­verhältnis und versprach, dieselbe später zu heiraten. Vor einigen Wochen erfuhr jedoch die Witwe, daß ihr angeblicher Bräutigam be­reits verheiraret und auch schon Vater sei, wes­

halb ste das Verhältnis löste und sich weitere Besuche des H. verbat. Um sich wegen der verschmähten Liebe zu rächen, lauerte H. gestern der G. auf dem Flur des Hauses Alexander- straße Nr. 55, woselbst letztere beschäftigt ist, auf und goß ihr Salzsäure ins Gesicht, wodurch die G. so schwer verletzt wurde, daß ste bis jetzt noch nicht vernommen werden konnte. Nach dem ärztlichen Gutachten ist ein Auge der Seh­kraft beraubt. H. wurde zur Hast gebracht.

* Aus Bayern, 10. Novbr. Der seit 8. Sept. vermißte Bauer F. Mackel von Hoch­holz wurde gestern als Leiche auf einer Wiese bei seinem Haufe vergraben aufgefunden. Die Frau des Mackel, zur Rede gestellt, gab an, der eigene Stiefsohn habe seinen Vater erschossen und dann hätten ste gemeinschaftlich die Leiche vergraben. Die Frau wurde sofort in Haft genommen und gegen den Sohn, der unterdessen zum Militär eingeröckc ist, Haftbefehl erlassen.

* Aus der Oberpfalz wird gemeldet: Ein furchtbarer Sturm hat in der SLaatswald» ung betPlößberg gehaust. So viel bis jetzt ermittelt werden konnte, hat er 10000 Ster Holz geworfen.

* Darmstadt, 10. Novbr. Einen eigen­tümlichen Anblick gewährt augenblicklich ein Teil der Staatsstraßen im Großherzogtum Hessen, namentlich im Kreise Groß-Gerau. Um der in jener Gegend verheerend aufgetretenen Blut, laus, welche fast die ganze Apfelernte dieses Jahres vernichtet hat, zu steuern, wurde folgen­des Mittel angewandt. An allen die Staats­straßen säumenden Obstbäumen hat man die alte Rinde beseitigt und alsdann den Stamm bis hinauf zu den Aesten mit Kalkmilch be­strichen. Auf diese Art hofft man der schäd­lichen Schmarotzer Herr zu werden.

* Frankfurt a. M., 13. November. Die Franks. Ztg. meldet aus Marseille: Der Personenzug Nr. 42S zwischen Pcyptn und Si- steron wurde durch einen 300,000 Kubikmeter umfassenden Bergeinsturz am Mont Genävre verschüttet. Vier Personen wurden getötet, viele verwundet.

* Frankfurt a. M>, 12. Novbr. Die Franks. Ztg. meldet aus Tirnowa: Die Groß­mächte äußerten sich zustimmend zur Wahl des Prinzen Waldemar. Man hoffr, daß damit die Gefahr einer Okkupation Bulgariens durch Rußland beseitigt ist.

* Trier, 9. Nov. Der zweite Hauptge­winn der Berliner Kunstausstellungs-Lotterie im Werte von 20000 M. fiel in die Kollekte des Herrn A. Pannenburg dahier und gehört einem in unserer Stadt in dürftigen Verhält­nissen lebenden penstonierten Unterbeamten mit neun Kindern.

* Münster, 10. Nov. In der verflossenen Nacht wurde eine alleinstehende hochbejahrte Dame, die Witwe des Medizinalrats vr. Vezin Hierselbst, in ihrer Wohnung von zwei Strolchen, die von der Rückseite des Hauses durch ein Fenster eingedruugen waren, überfallen und ge-

KailSWUrst. (Nachdruck verboten.)

Eine Theaternovelle von Karl Glabisch.

(Fortsetzung und Schluß.)

Satan!" kceischt's heiser darauf.Wo kommt der Hund her? Der schwarze Hund Mouton!" und noch hat er die Mitte des Zimmers nicht erreicht, da fühlte er sich hinterrücks von zwei Fäusten gepackt, die ihre Eisennägel ins Fleisch seines Halses krallen, und an ihm vorn in die Höhe springt ein heulendes Tier Mouton, des Schauspielers Hund, dessen zottige Pranken ihm an der Gurgel fitzen, die seuchtkalte, fletschende Schnauze an seiner Wange, ehe er stch's versteht.

Einen Augenblick noch erwehrt er sich des Tieres, schleudert es von sich nun bäumt er und windet sich, der erstickenden Klammer um seinen Hals zu entschlüpfen, umsonst! Wie er den Kopf zurück­schlägt, grinst dicht über ihm hohnlächelnd ein verzerrtes, erdfahles Ge­sicht, mit stierfuukelnden Augen, schäumenden Lippen, die ihm ins An­tlitz zischen:

Du bist's! Ich kenne dich, Satan! Eins hast du gemordet! Mich noch nicht! Nun kommst du aber d'ran!"

Gräßlich ist nun der Kampf, welcher von Mensch und Tier, mit Verzweiflung und Raserei weiter gekämpft wird.

In einem Winkel geduckt, scheu und vor Angst zitternd beisammen, stehen eine Weile die erschrockenen Frauen, Mutter und Tochter. Dann fassen sie sich gewaltsam ein Herz, schlüpfen zwar in weitem Bogen um die Gruppe der Kämpfenden herum, eilends zur Thür hinaus die Treppe hinab, weinend und händeringend füllen ste das Haus, die Straße mit ihrem Zeterschreim:Hülfe! O Hülfe! Wer erbarmt sich!"

DteNachbarv.allerleiVolkdrängtstchherz«.Wasgiebt's? Was ist?"

Im Fluge erzählen die Frauen, da brechen sich durch den Haufen Neugieriger zwei Herren Bahn: es sind der Phystkus und der Anwalt.

Letzterem hatte, als er Wilborn so plötzlich vom Hause wegholen gesehen, eine schlimme Ahnung nicht mehr Ruhe gelassen; er mußte nach. Hier in der Straße begegnet er Treudies, den gleichfalls, ob zwar auch erst vor einer Stunde zurückgekehrt, die unruhige Sorge: wie mag sich während seiner Abwesenheit der Zustand der armen schwachen Kranken gestaltet haben, noch heute hertretbt.

Sie erreichten eilig beide das Haus; da hören ste, was vorgefallen, flüchtig; ein Wort schon genügt: wie der Blitz stürmen ste, die andern zurückdrängend, hinauf.

Das Schauspiel, das sich da oben ihnen, als ste die Zimmerthür aufriffen, plötzlich darstellt, lähmt für einen Augenblick ihre Fassung; fast taumeln sie entsetzt wieder zurück.

Da liegt blaß, schlaff, regungslos hingestrcckt am Boden, mit ent­stelltem Gesicht, zerschunden und bluttriefend, mit zerfetzten Kleidern, an denen noch immer der Hund bellend und winselnd zerrt, der Unglück­liche, und auf seinem Leib kauert eine grotesk-unheimliche Gestalt, glotz­äugig, mit Grinsen auf ihr Opfer unter sich, in dessen Kopfhaar die Fäuste sich etngewühlt, niederstarrend. Wer getraut sich, zu sagen, daß dieser Kannibale noch Hanswurst, unser Hanswurst sei?

Heiliger Gott!" schreit der Freund Wilborns zuerst entsetzt und stürzt vor, seines Begleiters Arm krampfhaft nach sich zerrend,sehe» Sie doch, er hat ihn gemordet, o gemordet."

Langsam richtet der Kauernde da sich auf wie er die Männer sich nahen steht, stößt er einen rauhen, tierisches Laut aus, unheimlicher