pfieng Minder v. Mittnacht auch eins Depu- tation, die wegen des Bahnprojekts Schiltach« Schramberg erschienen war und sprach sich im allgemeinen nicht ungünstig bezüglich dieser Bahn aus. In Schiltach, Halbmetl und Wolfach galten die Hochrufe beiden Ministern. Ein entzückendes Bild bot die im Sonnenschein daliegende Gegend, durch welche das Dampfroß eilte, dar und man ließ sich die Freude daran nicht stören durch den Gedanken, daß diese Bahn eigentlich heidenmäßig viel Geld, M. 500000 per Kilometer, gekostet. Die von Württemberg gebaute Strecke, welche 25.84 Kilomtr. beträgt, verschlang nämlich 13 Millionen. In der Bahnhofrestauration in Hausach bot die badische Regierung den Festgästen ein Frühstück an, bei welchem Minister von Mittnacht ein jubelnd aufgenommenes Hoch auf Se. K. H. den Großherzog von Baden ausbrachte. Dann gings wieder zurück nach Freudenstadt, wo um 3 Uhr im Schwarzwaldhotel das Festessen eingenommen ward. Den ersten Toast brachte hier Minister Ellstädter auf S. M. den König von Württemberg aus. Nachdem die brausenden Hochrufe verklungen waren, erhob sich Minister v. Mitt- nacht und hielt eine launige Rede, in welcher er die Kinzigthalbahn und alle, die zu ihrer Ausführung beigetragen, feierte. Oberbaurat Leibbrand ließ die beiden Minister leben, Hart- raufst die Bauleute der Bahn, wofür Direktor von Morlok dankte. Das letzte Hoch, ausgebracht vom Reichstagsabg. Sander (Lahr) galt Württemberg und Baden. Mittlerweile war es 6 Uhr geworden und die Festversammlung mußte sich trennen: die badischen Festgäste dampften tu der Richtung nach Hausach ab, die württ. nach Stuttgart. Am Nachmittag hatte die Schuljugend freie Fahrt auf der neuen Bahn, die ohne Zweifel im nächsten Sommer das Ziel vieler Touristen sein wird.
* Tübingen, 3. Nov. Nach dem Vorbilde in den Städten Stuttgart, Ludwigsburg, Heilbronn, Ulm «. s. w. ist man zur Zeit auch am hiesigen Platze mit der Bildung einer freiwilligen Krankenträgerkolonne beschäftigt, welche im Falle einer Mobilmachung sowohl, als auch bet Eisenbahn- und Brand - Unglücksfällen rc. zur außerordentlichen Hilfeleistung herangczogeu werden soll. Sämtliche Gerätschaften und Uni- formstücke für diese Kolonne liefert der württ. Sanitätsverein. Bereits hat sich eine größere Anzahl Herren zum Beitritt gemeldet.
* (Für das Max Schneckenburger-Denkmal) find bei dem Komite lt. veröffentlichter Liste (8.) im Ganzen bis jetzt 8937 M. 66 Pf. cingegangen.
* (Verschiedenes.) In Böttingen bei Münstngen wurde die in einem Kasten der Sakristei ausbewahrte Opferbüchse ihres Inhalts von 27 M. beraubt und die Büchse zertrümmert; eine andere ist samt dem geringen Inhalt mitgenommen worden. — In Ha «erz (Lcutkirch) beschäftigte sich ein Bräutigam am Vorabend seiner Hochzeit mit Patronenmachen, war aber so unvorsichtig, ein glühendes Zündholz auf den
mit Pulverkörnern besäten Tisch zu werfen. Eine erfolgende Explosion des ganzen Pulvervorrats verbrannte ihm jämmerlich das Gesicht. Dis Hochzeit mußte verschoben und das Hochzeitsmal ohne den Bräutigam abgehalten werden. — In Untertürkheim wurde ein Handwerks- bursche ergriffen, nachdem er in einem Hause mehrere Kleidungsstücke sowie ein Paar Pistolen entwendet hatte. Bei der Verhaftung und Vorführung zeigte es sich, daß der erst 20jährige Bursche zu den Stromern der schlimmsten Sorte gehörte. Nur mit Mühe gelang es, den Dieb in Gewahrsam zu bringen. —- Emem Pful- linger Metzger passierte ein eigenartiger Unfall. Derselbe kaufte in Undingen eine Kuh und gab dem von ihm bestellten Fuhrmann den gemessenen Befehl, derselbe soll die Kuh per Wagen nach Pfullingen befördern. Dieselbe wurde denn auch auf einen Leiterwagen verbracht und ehe sich noch das Fuhrwerk in Bewegung gesetzt hatte, war sie auf demselben erstickt.
Deutsches Reich.
* Berlin, 3. Nov. Die dem neuen Marineetat beigegebene Denkschrift legt die Notwendigkeit erweiterter Beschaffung von Torpedobooten und größerer gepanzerter Kanonenboote zum Schutze der Flußmündungen dar. Für die Elbe würden 6, für die anderen Küstenplätze 4 Kanonenboote, jedes zu 3Vs Mill. Mark, notwendig sein. Für die nächsten 5 Jahre seien jährlich 15 Offiziere und 300 Mann mehr einzustellen. Die zukünftig zur Erhaltung des Bestandes der Kriegsschiffe nötige Summe wird jährlich nicht unter 10 Mill. betragen.
* Berlin, 4. Nov. Die teilweise Besetzung Bulgariens durch die Russen ohne Widerspruch der Mächte steht unmittelbar bevor, falls die Regentschaft nicht durch Eintritt russenfreundlicher Mitglieder einen anderen politischen Karakter erhält. Der Rücktritt Stambuloffs und Mut- kuroffs ist wahrscheinlich.
* Wie der »Franks. Zig." »aus guter Quelle" berichtet wird, ist das neue Repetiergewehr eines Soldaten der 7. Kompagnie des in Wesel gar- nisonierende» 57. Infanterie - Regiments seit mehreren Tagen verschwunden und bis jetzt nicht wiedergefundsn worden. Der unerklärliche Vorfall erregte das größte Aufsehen.
* Berlin, 4. Nov. Der Besuch des bayerischen Pcinzregenten am hiesigen Hofe wird Anfang Dezember erwartet.
* Berlin. Der in jüngster Zeit öfters laut gewordenen Ford:rung, den Jesuiten die Rückkehr in das deutsche Reich zu gestatten, wurde in diesen Tagen eine offiziöse Antwort zu teil, welche wenig ermutigend für die Jesu!» ren lautet. Anknüpfend an die Nachricht, daß zwei Mitglieder der freiherrlichen Familie v. Schorlemer in den Orden eingetreten sind, führte ein offiziöser Artikel der K. Z q. aus, es sei bemerkenswert, daß gerade Angehörige vornehmer katholischer Familien Mitglieder des Ordens der Gesellschaft Jesu werden. Es befinden sich
zurzeit in dem Jesuitenorden: Prinz Wlas.dislaw Radziwill, ein Bruder des Fürsten Ferdinand und des Ostrower Vikars Edmund, sodann eiu Freiherr v. Brenken aus der Nähe von Paderborn, ein Paul, ein Maximilian und ein Anton v. Haza-Nadlitz und ein Graf Hoensbroech, dessen Bruder sein in Holland belogenes Schloß Blymbeck den Jesuiten zur Verfügung gestellt hat. Bei der Ausnahmestellung, die der Jesuitenorden in der katholischen Kirche etnnimmt, müsse es Verwunderung erregen, daß gerade aus den Kreisen des Adels so viele Mitglieder gewonnen werden. In ausgesprochen katholischen Ländern sei dies nicht der Fall; die Franzosen und Italiener vergäßen auch als die treuesten Angehörigen der katholischen Kirche ihre Nationalität nicht, und der Adel dieser Länder halte sich mit Recht von einem Orden zurück, dessen Ziele selbstsüchtige mch internationale seien. Einen Grund für die erwähnte Erscheinung werde man darin finden, daß die vornehmen katholischen Familien ihre Söhne in Jssuitengymnasten unterrichten lassen. In der Erziehungsanstalt zu Feldkirch in Oesterreich, die feit dem 1. Okt. 1856 sich vollständig unter der Leitung des Jesuiten-Ocdens befindet, wären im Jahre 1885 bei 381 Zöglingen 238 aus dem deutschen Reiche gewesen, darunter Söhne des Fürsten Blücher, der Grafen Chamars, Praschma, Strachwitz, Matuschka, Henkel, Droste, Galen, der Freiherren v. Fürstenberg und v. Los. Eine andere Reihe deutscher Adeliger lasse ihre Kinder in den französischen und belgischen Jesuiten-Anstälten erziehen. Daß hier die Erzishungsart nicht bloß dazu benützt werde, um die Zöglinge für das praktische Leben mit jesuitischen Grundsätzen zu durchtränken, sondern auch um empfängliche Gemüter ganz für den Orden zu gewinnen, sei sine Folge, welche sich die fanatischen oder verblendeten Väter nicht immer klar machten. Es sei indes Anlaß, zu glauben, daß der Staat diesen Dingen eine größere Aufmerksamkeit schenken und von der Erwägung ausgehen werde, daß, wenn reichszesetzlich dem Orden der Gesellschaft Jesu wegen seiner gefährlichen Ziele und Mittel der Aufenthalt und infolgedessen auch die Wirksamkeit im deutschen Reiche untersagt sei, das Gesetz nicht dadurch umgangen werden dürfe, daß die deutsche Jugend in jesuitischen Anstalten außerhalb des Reiches erzogen werde; wolle aber jemand im Gegensätze zu dem Geiste des Gesetzes sein Kind einer Jesuiten-Anstalt überlassen, so müsse er die Folgen, welche daraus für die reichs- bü gerliche Stellung desselben entspringen könnten, ganz und voll ziehen. Jesuitenzögling und deutscher Reichsangehörtger seien zwei einander widerstrebende Begriffe. Diese offiziöse Auslassung enthält, wie gesagt, wenig Ermutigendes für die Hoffnungen der Jesuiten.
* Gernsbach, 3. Novbr. Die drei Auffinder der Leiche der Gräfin Arnim haben sich dahin geeinigt, daß der Alois Heitzler 4400 M. und Leopold Merkel sowohl wie Valentin Merkel je 2800 M. erhält. Das Geld wurde ihnen
tl 11 ä 1U111l ^ (Nachdruck verboten.)
Eine Theaternovelle von Karl Glabisch.
(Fortsetzung.)
Frühzeitig schon an dem verhängnisvollen Tage erschien er wieder; er sah Wilborn zum Ausgehen gerüstet mitten im Zimmer.
»Nun?" fragte er hastig.
»Was?" war die Gegenfrage.
»Das Geld."
»Ja so, ja, du stehst, ich bin gerade im Begriff — an diesem Morgen bekomme ich's erst, ich gehe eben danach. Wann ist der letzte Termin?
Eine erschrockene Blässe fuhr über Horns Gesicht.
»Punke Zwölf. Erbarm dich!" stammelte er. »Bis dahin muß ich gezahlt haben, wenn ich kein Schurke und —"
»Bah, bah, ängstige dich nicht", unterbrach jmer lachend. »Bis dahin ist noch lange Zeit, und das Geld ist da, cs ist nur zu holen."
»Wenn aber —" seufzte Horn angstvoll, doch der Arglistige ließ ihn nicht weiter zu Worte kommen.
»Sei du Punkt halb Zwölf bei mir", redete er ihm beschwichtigend, voll Zuversicht ein, »ich bin ein Hundsfott, wenn dann die gewünschte Summe nicht bei mir parat liegt. Hab' doch keine Sorge."
Wieder ging Horn und kam auf die Minute, halb Zwölf, wie verabredet.
Das Geld war da, längst, es war eine Lüge von Wilborn gewesen, wie er am Morgen gesagt, daß er es erst schaffen müsse, seit Tagen schon lag die bewußte Summe in Papier, wohl abgezählt, in einem Fach seines Schreibtisches — ja also, das Geld war da, nur er
nicht. Gegen elf Uhr hatte Wilborn seiner Wirtin gesagt, er gehe weg, ^s sei nur ein kurzer Gang, den er thun müsse, er werde darum bald zurück sein; inzwischen, wenn Herr Horn käme, den er erwarte, so möchte sie ihn ruhig ins Zimmer lasten, er sollte den Moment warten u. s. w.
»Dann, nachdem er so die Wirtin instruiert, war er scheinbar gegangen, heimlich jedoch, als sie den Rücken gewandt, wieder umgekehrt, hatte den Schreibtisch geöffnet — das Fach mit dem Geld, wußte er, sei Horn bekannt — dies Fach ein wenig herausgezogen und also, nach getroffener Vorbereitung, sich lauschend ins Fenster gestellt. Nicht lange brauchte er zu warten, da sah er den Eilfertigen hastig über die Straße Herkommen, rasch sprang er ins Schlafgemach, dessen nach innen zu also chm recht verhangene Glasthür er schloß, um so in gesicherter Position alles beobachten zu können. Indem er den Thürvorhang ein wenig beiseite schob, konnte er vollständig sein Wohnzimmer übersehen, ohne doch selbst gesehen zu werden.
Horn trat ein, nach der gehörten Meldung, die ihm schon draußen die Wirtin gemacht, sichtlich bestürzt. Die Frau hatte ihm nur eben einen Stuhl zum Sitzen zugeschoben, dann verließ sie das Zimmer wieder. Horn blieb. Er sah nach der Uhr und fetzte sich. Aber nicht lange, dann sprang er auf ans Fenster. Wieder zog er die Uhr aus öer Tasche. Wieder setzte er sich. Er hatte sein Gesicht dem Lauscher zugekehrt, er sah blaß und verstört aus. Bald murmelte er etwas wie: »Verwünscht! Unerträglich! Er kommt nicht!" zwischen den Zähnen, schnellte abermals auf. zog abermals die Uhr, rannte hin und wieder, blieb stehen, lief zum Fenster, warf sich aufs Sopha, erhob sich >— immer die Uhr in Händen und von Sekunde zu Sekunde, wie, der Zeiger an Wilborns Wanduhr, die dieser selbst scharf im Auge hatte, vorrückte, wuchs seine Ungeduld und steigerte sich erkennbar zu Höllenqualen.