Periode werde wohl kaum Gelegenheit finden, sich mit der Berfaffungsreviston zu beschäftigen. Ueber die Wünsche bezüglich der Zusammensetzung dieses hohen Hauses sei schon allerlei verlautet. Einmal höre man, die Advokaten sollten hinaus, dann die Schultheißen, jetzt sei das Schlagwort, die Privilegierten müßten hinaus. Redner kommt sodann auf den Vorschlag Landauers zu sprechen, die Höchstbesteuerten müßten in diesem Hause vertreten sein. Wenn er sich die Leute ansehe, die heutzutage das meiste Geld haben, so könne er nicht glauben, daß dieselben dazu beitragen werden, die Atmosphäre dieses Hauses zu reinigen. (Heiterkeit.) Becher ist für den Mehrheitsantrag. Alle deutschen Staaten hätten jetzt zeitgemäßere Verfassungen wie wir. Im Lande habe man nach den Verheißungen verschiedener Thronreden mehr erwartet, als die Vorlage gewährt habe. Redner steht in der Vorlage namentlich eine Verschiebung des Machtverhältutsses zwischen den drei gleichwertigen Faktoren der Gesetzgebung zu Gunsten der Regierung. Minister v. Hölder ist sich bewußt, daß die Vorlage abgelehnt werden wird. Die Initiative des Gesetzes sei vom anderen Hause ausgegangen. Bei dem Mangel von Berichterstattern im andern Hause liege die Gefahr nahe, daß dort die Gesetzentwürfe immer in beschränkter Weise erledigt werden, das werde eine Stockung in der Gesetzgebung herbeiführen. Die Regierung war sich darüber klar, daß es sich bei der Vorlage nur um ein Notgesetz handle und damit die allgemeine Verfassungsrevifion nicht präjudiziert werde. Die von Becher vorgebrachten Befürchtungen seien grundlos. Was die Verfassungsrevifion anbelangt, so bestehe bezüglich des Umfangs derselben eine Meinungsverschiedenheit zwischen der Kammer und der Regierung nicht, auch sei es keineswegs die Absicht der Regierung die Revision aä salsnäss zrasoas zu vertagen. Allerdings habe nicht die Absicht Vorgelegen, jene Verfafsungsvorlage noch diesem Landtage vorzulegen. Seither sei das Dringende der Sache durchaus nicht hervorgehoben worden und die Regierung hatte auch andere sachliche Gründe, anderen Gesetzen den Vorrang vor der Verfassungsrevifion einzuräumen, die nach der Thronrede auch keineswegs für diesen Landtag in Aussicht genommen war. Der Minister zählt sodann die verschiedenen Ges. - Entw. auf, um welche die Kammer gebeten habe, und die auch bereits eingebracht, teils in Vorbereitung sind. Die gesetzgeberische Thätig- keit der Regierung sei also keine kleine gewesen. Die Regierung werde auch zur rechten Zeit an die Verfassungsreform herantreten: bestimmte Anhaltspunkte über den Inhalt der Vorlage des Verfafsungsrevistonsgesetzes zu geben, ist der Minister nicht in der Lage. Das Zweikammersystem sei jedenfalls beizubehalten, ebenso der bisherige Wahlmodus bei den Wahlen der Bezirke und Städte, für die Privilegierten müßten andere Elemente in die Kammer hinein. Im Wege allgemeiner Befriedigung werde sich
ein gutes Resultat bei dem Verfassungswerk herbeiführen lasten. Schwarz. Die Forderung nach einer Berfaffungsreform sei schon seit 40 Jahren aufgetreten. Für den Mehrheits-Antrag ist Redner und kritistrt den Antrag der Deutschen Partei, dabei verschiedene Ausfälle gegen dieselbe machend. Es sei dies die höchste Zeit, daß wir eine Verfassung bekommen, die dem Zeitgeiste entspricht. Schluß der Sitzung.
Laudesuachrichten.
* Altensteig, 19 Febr. (Einges.) In diesem Sommer werden es 25 Jahre, daß die hiesige freiwillige Feuerwehr gegründet wurde. Dieses Institut ist gewiß eines der segensreichsten und darum erfreut es sich auch der reichen Fürsorge und wärmsten Pflege des Staats, wie der Staatsbürger. Auch die hiesige Feuerwehr darf sich rühmen, gegen andere nicht zurücksteheu zu müssen und so darf st' sich gewiß auch berechtigt halten, im kommenden Sommer ihr 25jähciges Jubiläum zu feiern. Namentlich besitzt das Korps in seiner Kapelle einen tüchtigen Teil und letztere giebt sich unverdrossen Mühe im Neuetn- studieren verschiedener wertvoller Nummern. Es wird deshalb ein hiesiges und auswärtiges Publikum auf den heutigen Inseratenteil des Blattes aufmerksam gemacht und dabei bemerkt, daß das Programm 12 vollständig neue Nummern enthält und der Reinertrag des Konzerts in die Feuerwehrkaste fli ßt zur Deckung der sich ergebenden Kosten beim 25jähc!gen Jubiläum. (Anm. d. Red. Die viele Mühe, die sich die städtische Kapelle durch Einübung der Programm stücke gegeben hat und der uneigennützige Zweck läßt sicher hoffen, daß alle Kreise der dies. Einwohnerschaft sich recht zahlreich an dem Konzerte beteiligen und dies umsoeher, als dadurch das lobenswerte Streben der Kapelle anerkannt und sie zu fernerer eifriger Wd- mung für die edle Masica angelpornt würde.)
* Alten steig, 10. Febr. (7. Verzeichnis der Beiträge zum Eisenbahnbau.) Transport 97368 M. Dr. Schlemmer, Frankfurt a. M. 600 M., Hermann Zickmann, Budapest 100 M., Gemeinde Berneck 400 M., Stefan Graf und Sohn z. Waldhorn dort 2Ö0 M., Michael Kemps, Gerber dort 60 M., Löwenwirt Seeger dort 20 M., Joh. Weil, Gemeinderat dort 10 M., Stadtschultheiß Girrbach dort 5 M., Stadtpfleger Steimle dort 5 M., Lina Eitle, Kaufm. Witwe dort 5 M., Karl Weik dort 5 M., Stefan Klumpp dort 5 M., Friedrich Klumpp, Schreiner dort 5 M., Johannes Hähr, Schmied dort 5 M., Michael Huß dort 5 M., Gemeinderat Großhans dort 5 M., Joh. Gg. Frey dort 5 M., Fr. Waidelich, Gemdr., Fünfbronn 5 M., Fr. Bäßler, Säger, Neumnhle 10 M., Joh. Gg. Mohrhardt, Egenhausen 20 M. Zusammen 98,843 M.
* Bor einigen Tagen wurde mehreren Holz- arbüiern, die in einem Walde bei Besenfeld beschäftigt waren, durch den Hund eines Fuhrmanns eine fette Hirschkuh zugelrieben, die das
zur Tagesordnung Sberzugehen und gegen die Kgl. Staatsregierung dteErwartuvg auszusprechen, daß dem nächsten Landtag ein Gesetzentwurf vorgelegt werde, durch welche die mehrfach zugesagte Verbesserung des Kap. 9 der Verfassung durchgeführt und insbesondere die Zusammensetzung der Abgeordne. tenkammer im Sinne freier Volswahl unter Ausschluß aller Vorrechte der Geburt und des Standes geändert wird. Berichterstatter Probst ist für den Mehrheitsantrag, dabei ausführend, daß der gegenwärtige Moment ein sehr günstiger sei zur Durchführung einer durchgreifenden Ber- faffungsrevifion. Beide Kammern würden sich jetzt sehr wohl über die Zusammensetzung der Ständeversammlung einigen können. Redner tritt sodann für das Zweikammersystem gegenüber dem Einkammersystem ein und wacht einen Vorschlag hinstchtlich der Zusammensetzung der beiden Häuser. Die erste Kammer soll bestehen aus den Prinzen, den Häuptern der ehemal. reichsunmittelbareu fürstlichen und gräflichen Häusern, aus 6 Mitgliedern der Ritterschaft, aus 2 Superintendenten, dem Landesbischof oder besten Stellvertreter, dem Vertreter der Universität und der Städte Stuttgart und Ulm, sowie aus 12 vom Könige ernannten Mitgliedern. In der zweiten Kammer sollten sitzen die Abgeord neten der Oberamtsbezirke und außerdem zwei Abgeordnete für Stuttgart; ferner je fünf Mitglieder der Kreisveriretung gewählt auf Grund des Listenskrutiniums, vielleicht noch die Vertreter einiger aufstrebenden Städte. In der ersten Kammer müßte das Recht der Stimmübertragung wegfallen und die zweite Kammer müßte bei Beratung des Etats den Vorrang behalten. Wenn wir nicht imstande sind, diese Reformen durchzuführe», so könnte die Wstsnz- fähigkeit unseres Constitutionalismus überhaupt in Frage kommen. Landauer als Berichterstatter der Minorität begründet den Minderheitsantrag. Das Bedürfnis der ersten Kammer nach Verstärkung sei unbestreitbar. Grundsätzlich ist auch Redner mit dem Drängen nach Verfassungsre- vifion einverstanden. Was die Zusammensetzung der zweiten Kammer anbelangt, so solle man auch Vertreter der Höchstbesteuerten in dieselbe wählen. Redner steht in der Annahme der Vor» läge nur ein die allgemeine Berfafsungsreviston förderndes Entgegenkommen gegen die erste Kammer. Götz tritt für den Antrag der deutschen Partei ein, welcher der Regierung den Weg zeige, wie sie die Revision der Verfassung anfafscn solle. Als Notgesetz, d. h. wenn wir die be» stimmte Zusicherung haben, daß dem nächsten Landtag eine Berfaffungs-Revistonsvorlage vor- gelegt wird, kann Redner der Vorlage wohl zustimmen. Tritt sodann für den Antrag der deutschen Partei gegenüber demjenigen der Linken ein und meint, wir würden uns ein Verdienst um unser Volk erwerben, wenn wir die Ver- fastungSrevifion, die der Geist der Zeit fordere, durchführen, v. Schad steht auf Seite der Minderheit der Kommission, sich im Sinne Landauers aussprechend. Die nächste Landtags-
Mesondere Kennzeichen.
Kriminal-Novelle von Ludwig Habicht.
(Fortsetzung.)
Aber konnte überhaupt Paskos Schuld noch irgend wie bezweifelt werden? Durch nichts hatte er die Aussagen der beiden Belastungszeugen zu entkräften vermocht. Ja, er hatte nicht einmal den Nachweis eines Alibi zu führen gesucht und bei einem der Verhöre sogar zuge standen, daß er sich zu jener Zeit in Ungarn aufgehalten habe.
Ueber die Handschrift auf der Banknote waren freilich die Meinungen der Sachverständigen geteilt. Der eine hatte darin eine große Ähnlichkeit mit der Handschrift Paul Paskos gefunden, der andere bestritt dies in seinem Gutachten und erklärte sie grundverschieden. Das war jedoch kein wesentlicher Punkt. Der Angeklagte konnte ja absichtlich den Namen auf die Banknote so flüchtig hingekritzelt haben, um seine Handschrift zu entstellen; entscheidend blieb immer, daß er von beiden Zeugen mit größter Bestimmtheit wieder erkannt worden. Bon dem einen als der Räuber der Banknote, von dem andern als derjenige, der das Papier in Zahlung gegeben.
Der Angeklagte hatte mcht einmal za behaupten gewagt, daß er die Banknote von einem andern erhalten und diesen zu nennen vermocht und doch hätte er durch eine solche Angabe allein und den Nachweis ihrer Wahrheit seiner Sache eine günstige Wendung geben können. Seine ganze Verteidigung dagegen hatte sich darauf beschränkt, alles abzuleugnen und die schlagendsten Beweise mit der beständigen Redensart zu wider, legen: „Ich bin dennoch unschuldig!"
Diese unglückliche Verteidigungsart konnte unmöglich die Meinung der Richter für ih« günstig stimmen. Wie auch seine Persönlichkeit einen
beinahe bestechenden Eindruck machte und die vornehme Haltung, das edle, schöne Antlitz mit einem gewöhnlichen Straßenränder nichts gemein zu haben schien, die Art und Weise, wie er jede Beteiligung an dem Ueberfall des Bankiers ableugnete, zerstörte wieder das günstige Bor« urteil, das seine Erscheinung geweckt.
Hätte er offen und ehrlich seine Schuld bekannt, gewiß würden dann die Richter seine Thai milder beurteilt und sie für eine jugendliche Verirrung angesehen haben, zu der ihn vielleicht weniger die Raubgier, als ein toller Uebermut aufgestachelt; aber dieser Verstecktheit gegenüber war eine Schonung unmöglich. Der Angeklagte Paul Pasko wurde beinahe einstimmig wegen verübten Straßenraubes zu zwölf Jahren schweren Kerkers verurteilt. Als der junge Mann das harte litt-!! vernahm, verlor er doch seine Fassung. In seinem blaffen, schönen Antlitz zuckte ein wilder, verzweifelter Schmerz auf; er wollte sprechen, aber kein Ton kam über die bebenden Lippen. Wie gebrochen sank er auf die Bank zurück, bedeckte das Gesicht mit beiden Händen und verharrte so lange Zeit.
Erst durch den Gerichtsdiener wurde er aus seinem Hinbrüten aufgeschreckt; langsam erhob er das Hauvt, er mußte geweint haben, denn seine Augen waren noch feucht; aber jetzt suchte er schon mit gewaltiger SeelenWstrengung seine ruhige Haltung wiederzugewinnen und mit einem eigentümlich bittern Lächeln murmelte er: „Gott sei dank! es ist nur Paul Pasko, der zu dieser entehrenden Strafe verurteilt wurde," und mit einer edlen Ruhe, die doch auf die R chter nicht ohne Eindruck blieb, wunderte er ins Gefängnis zurück.
Bankier Hartenberg hatte sein Ziel erreicht und, seltsam genug, darin nicht die Befriedigung gesunden, die er gesucht. Wohl war ihm die Hartnäckigkeit des Angeklagten, der selbst den schlagendsten Beweisen gegenüber auf seinem LeugnnngSsystem bestand, widerwärtig und dennoch