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Von der ödere« Nagold.

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Aktensteig, Samstag dm 20. Aeöruar

Hlr. 21.

D Die Beendigung des Kulturkampfes.

Mit der dem preuß. Abgcordnetenhause zugegangenen kirchenpolitischen Volage schließt ein fünfzehnjähriger Konflikt ab, der die eigen­tümliche und den Kern der Sache nicht recht betreffende Bezeichnung »Kulturkampf* führte. Durch denselben ist die Zentrumspartet im Reichs­und preußischen Landtage nicht etwa entstanden, wohl aber zu der hcutigen Bedeutung und Stärke gelangt, die sie in vielen Fällen zur ausschlag­gebenden Partei machen.

In dem Kampfe zwischen dem Staatsge- danken und der katholischen Kirche find alle Parteien, mit Ausnahme des Zentrums, kampfes- müde geworden; eine jede hat es bestritten, den Konflikt begonnen zu haben, und auch der Reichs­kanzler hat erst kürzlich abgelehnt, der Urheber des Kulturkampfes zu sein.

Fast sieben Jahre find verstrichen, seitdem der eigentliche Kulrurkampfmiuister Dr. Falk vom Amte zurücktrat. Von da ab ist der Staat in seiner Gesetzgebung Schritt um Schritt zu- rückgcgangen. Die neue Vorlage macht den Friedensschluß, wenn auch das Berliner Organ der Zentrumspartei, die .Germania', so thut, als seien die in dem Entwurf enthaltenen Zu- geständniffe an die Kirche noch ungenügend.

Die erste Vorlage handelt von der Vor­bildung und Anstellung der Geistlichen. Die Bestimmungen über Anzeigepflicht der Bischöfe und Einspruchsrecht des Staates bleiben unbe­rührt. Nur bezüglich der Vorbildung der Geist, lichen treten Aenderungen ein. Zunächst soll die Ablegung einer wissenschaftlichen Staats­prüfung nicht mehr gefordert werden. Diese Aenderung ist jedoch geringfügig; denn nach dem Gesetze vom 31. Mai 1882 wurde dieses Examen (das sogen. »Kulturkampf* - Examen) schon den- jerigen Studierenden der Theologie erlaffen, welche während ihres Studiums Vorlesungen aus dem Gebiete der Philosophie, Geschichte und deutschen Litteratur »mit Fleiß* gihört hatten. Ferner also wird als Vorbedingung für die pricstcrliche Karriere nur noch gefordert: Abi turtentenprüfung auf einem deutschen Gymnasium und ein mindestens dreijähriges theologisches Studium auf einer deutschen Staats-Universität.

Es wird ferner wieder zugegeben, daß seitens der kirchlichen Oberen Gymnasialkonvikte errichtet werden, die unter staatlicher Oberaufsicht stehen. Darin dürfen also Knaben, die sich dem theo­logischen Berufe weihen, während ihrer Gym- uafkalzeit ausgenommen werden.

Die zweite Vorlage betrifft die kirchlichen Zuchtmittcl und den kirchlichen Gerichtshof. Als »Kirchendiener* im Sinne des Gesetzes sollen fortan nur noch Geistliche gelten, nicht aber Küster und untergeordnete Kirchenbeamte. Auch wird die gesetzliche Vorschrift eingeschränkt, ter- zufolge der Entfernung aus dem Amte ein ord­nungsmäßiges prozessualisches Verfahren vorher- zugchen hatte; ein solches Verfahren wird in Zukunft nur verlangt, wenn mit der Amtscnt- laffung der Verlust oder die Verminderung des Einkommens verbunden ist. Auch nur im letz­teren Falle soll gegen kirchliche Disziplinarstrafen die Berufung an den Staat zustehen. Die Be­rufung an den Staat im öffentlichen Interesse, welches bisher den Ober Präsidenten der preu- Nche» Provinzen zustand, kommt dadurch in Wegfall.

Der 1873 eingesetzte Gerichtshof für kirch­liche Angelegenheiten, der übrigens seit mehreren Jahre» schon nicht mehr funktionierte, wird auf­gehoben. An dessen Stelle tritt als Berufst« stanz für kirchliche Disziplinarstrafen das Staats- rnmifieri'um, und, wenn es sich um die Ent»

laffung eines Kirchenvorstehers oder Gemeinde­vorstehers handelt, der Kultusminister.

Dies ist im großen und ganze» der In­halt der Vorlage. Dieselbe geht sonderbarer­weise zuerst an das Herrenhaus zur Beratung. Dort existiert keine Zentrumspartei und dennoch wird man sie dort unverändert annehmen. Tie ersten Beratungen der Vorlage werden daher mit jener Ruhe und Vornehmheit vor sich gehen, welche die Verhandlungen der ersten Kammer auszeichnen. Mit dem Stempel des Herren­hauses versehen und nachdem sich schon die öffent­liche Meinung, meist im zustimmeuden Sinne, kundgegeben hat, werden dann die Beratungen im Abgeordnetevhause darüber statifinden. Da wird es dann nicht so ruhig zugehen; da wer­den die Redner des Zentrums triumphieren, aber zugleich erklären, daß noch zu wenig ge­boten sei; da wird die Opposition schadenfroh darauf Hinweisen, daß der bekannte Ausspruch des Fürsten Bismarck: »Nach Kanossa gehen wir nicht* sich als nicht stichhaltig erwiesen habe, kurzum da werden wir noch einmal eine Kulturkampfdebatte im großen Stile, hoffent­lich die letzte, anzuhören bekommen.

Tagespolitik.

In der Arbeiter schutzkommisstou des Reichs­tages brachte der Abg. H tze folgenden Antrag, betreffend die Kinderarbeit, ein: 1) Kinder un­ter 12 Jahren dürfen innerhalb der elterlichen Wohnung gegen Lohn nicht beschäftigt werden. Schulpflichtige Kinder unter 14 Jahren dürfen außerhalb der elterlichen Wohnung höchstens 3 Stunden täglich beschäftigt werden. Die Schulbehörde bestimmt diese Tagesstunden. 2) Die Bestimmung der Gewerbeordnung, betreffend die Fabrikbeschästigung der Kinder, ist folgender­maßen abzufofscn: Kinder unter 12, schulpflichtige Kinder unter 14 Jahren dürfen in Fabriken nicht beschäftigt werden.

Dem Bundesrat ist ein Nachtragsetat zu- gegangcn für Bedürfnisse dringender Art, welche bet Aufstellung des inzwischen erledigten Reichs- haushalrsetats nicht haben berücksichtigt werden können. Es sind dies Forderungen sür die Er­richtung eines sechsten Zivilsenats bei dem Reichs­gericht mit 58 560 M., Erwerbung eines Grund­stücks sür ein Dievstgebävde des Patentamts mit 640600 M., Ausbau des vom Auswärti­gen Amt benutzten Gebäudes, Wilhelmsplatz 2, sür dos Reichsversicherungsamt mit 78000 M.

Aus dem Rcichshausholts-Etat ist noch hervorzuheben, daß die an die Einzelstaaten zu überweisenden Beträge um rund 53 Millionen gewachsen und dem gegenüber die Matrikrilar- beitrüge nur um 16 Millionen gegen das Vor­jahr gestiegen sind, so daß dos Gesamt-Resultat der Berechnung aus Matrikularbeiträgen und Ueberweisungen für die Einzclstaaten sich um 37 Mill. Mark günstiger als im vorigen Etat gestaltet.

Die schleswig-holsteinische Regierung hat den Befehl erhalten, sämiliche Deutsch-Ame­rikaner aus Schleswig-Holstein auszuweisen, die vor Entritt des militärpflichtigen Alters nach den Vereinigten Staaten ausgewandert, dort Bürgerrechte erworben und später zurück- gekehrt find.

Die Polenadrefse, in welcher die Führer der galizischen Polen den Rednern der Oppo- fition im deutschen Reichstage anläßlich der von ihnen in der Polendebatte bewahrten Haltung, ihren Dank und ihre Glückwünsche ausdrücken, soll entgegen den von den Mitgliedern der Pvlen- fraktion iw österreichischen Reichsrate dagegen erhobenen Warnungen dennoch abgesendet wor­den sein. Es he'ßt, jene Warnungen seien zu

1886.

spät gekommen. Infolgedessen soll unter den Mitgliedern der polnischen Partei des Reichs­rates große Verstimmung Platz gegriffen haben.

Aus polnischer Quelle wird gemeldet, daß sämtliche Gouverneure von Ru ist sch-Polen beauftragt sind, allen Ausländern, besonders den Deutschen und den österreichischen Staats­angehörigen aus Galizien, die Gesuche«« Natura» lisation abzulehnen und längstens einen sechs» monatlichen Aufenthalt zu gestatten, nach Ab­lauf dieser Zeit find dieselben gehalten, um Aufent­halts-Verlängerung behördlich einzuschreiten.

Deutscher Reichstag.

Am Samstag beriet der Reichstag de« Antrag Rintelen, welcher Wahlbeeinfluffungeu seitens der Arbeitgeber mit mindestens drei Mo­naten Gefängnis bestraft wissen will. Als Be­fürworter des Antrages trat der Abg. Windt- horst auf, als Gegner v. Puttkammer-Plauth namens der Deutschkonservativeu, Graf Behr namens der Freikonservativen und Meyer-Jena für die Nattonalltberalen, die denselben für sozialgefährlich, juristisch unvollkommen und in bezug auf die Wahlbeeinfluffung wirkungslos erklärten. Er benachteilige die Arbeitgeber, würde etu Denunziantentum Hervorbringen und jedes Autoritätsverhäitnis zwischen Meister und Gesellen zerstören. Die Abgeordneten Träger und Munckel (deutschfr), Heine und v. Vollmar (Soz. - Dem.) und Lenzman» (Wilder) erklärte« einen derartigen Gesctzesparagraphen im Interesse der Wahlsreiheit sür empfehlenswert, wenn er auch redaktiousbedürftig sei. Nachdem noch die Abgg. v. Köller und v. Helldorf (kons.) sich gegen den Antrag ausgesprochen hatten, wurde derselbe an eine besondere Kommission verwiesen.

Im Reichstage standen am Montage nur untergeordnete Gegenstände auf der Tagesord­nung und kovvken das Interesse der wenigen Auwesknden nicht fesseln. (Dem preußische« Landtage war die neue kirchenpolitische Vorlage zugegangen, die dem Kulturkampf ein Ende zu machen bestimmt ist, und dieser Umstand nahm alle Aufmerksamkeit für sich in Anspruch.) Die beiden kleinen Vorlagen, betr. die Zustellung des Arrestbefehls an auswärtige Schuldner und die Unpfändbarkeit rollenden EisenbahnwaierialS wurden an eine Kommisston von 14 Mitglieder« verwiesen, das Militär-Unfallverficherungsgesetz in dritter Lesung angenommen.

Württembergischer Landtag.

(Kammer der Abgeordneten

16. Febr. (139. Sitzung-) Der Präsident widmet dem Abg. Ruf ehrende Worte des Nach­rufs, worauf sich die Mitglieder des hohen Hauses, um das Andenken des Verstorbenen zu ehre», von den Sitzen erheben. Es ist eine Vorlage betr. Vorarbeiten des Proftkts einer Bahnstrecke Tuttlingen-Sigmaringeii eingclaufen, ebenso verschiedene Petitionen.; Beratung des Verfaffungsgefttzes betr. Abänderung des § 132 der Verfaffunpsmkunde. Diese Aenderung hat dm Zweck die lebenslänglichen und erblichen Mit­glieder der ersten Kammer um je 3 zu vermehren. Die Komm. Mehrheit beantragt in die Beratung des Gesetzentwurfes nicht einzutreten. Vo« 21 Mitgliedern der deutschen Partei ist folgender Antrag eingebracht: über den Gesetzentwurf zur Tagesordnung überzugchen und die Regierung zu ersuchen, dem nächsten Landtag den Entwurf eines Verfassungsgesktzes vorzulegen, wodurch eine zeitgemäße Verbesserung der Bestimmungen des Kap. S der Verfaffungsurkunde, insbesondere hinsichtlich der Zusammensetzung der Stände» Versammlung hcrbeigeführt wird. Die Linke hat folgenden Antrag gestellt: über die Vorlage