Sperlinge verfolgte, lebendig gefangen. Aus Reutlingen werden wieder zwei Fälle von Selbstmord berichtet. Vor einigen Tagen er­schoß sich der am 1. ds. auS der Lamparter-' scheu Fabrik entlassene Spinnmetster Scherzen­bach und ferner erhängte sich in einem Anfall von Schwermut die reiche junge Frau eines hoch­gestellten Beamten.

Deutsches Reich.

* Berlin, 12. Febr. Die Abendzeitungen bringen die autoristerte Erklärung des chinesi­schen Gesandten Hsü-Chtng-Chena, welche die Meldungen auswärtiger Blätter über die See» »Mächtigkeit der in Stettin gebauten Schiffe für perfide Unwahrheiten erklärt; die chinesische Regierung sei mit den in Stettin gebauten Schiffen höchst zufrieden und werde sich bet weiteren Be­stellungen in Deutschland durch unsaubere Prak­tiken nicht beeinflussen lassen.

* Für die Pforte wurden, wie man der Pol. Korr, aus Konstantinopel meldet, fünf Torpedo­boote in Deutschland angekauft. Eine in türki­schen und auch in diplomatischen Kreisen ver­breitete Version lautet dahin, daß sie für die deutsche Regierung bestimmt gewesen sein sollen und daß letztere, um die heimische Industrie zu fördern, den Verkauf an die Pforte gestattet haben soll.

* Ein erschütterndes Drama, herzbewegender als es die Phantasie eines Dichters schildern könnte, hat sich auf dem Dom-Kirchhofe inBerlin abgespielt. Dort fanden die Kirchhofwächter auf einem Grabe die Leiche einer etwa dreißig bis vierzig Jahre alten Frau lang ausgestreckt, mit furchtbar verzerrten Gesichtszügen liegen; die Hände hatten sich im Todeskampf tief ins Erdreich eingewühlt. Die Unglückliche hatte sich aus Liebesgram auf dem Grabe ihres Vaters mittels Cyankali vergiftet.

* (Eine saubere Dienstherrin.) Eine Dienst- Herrin, welche ihre eigenen Dienstmädchen be­stohlen hat, ist jedenfalls ein Unikum. Wegen dieses Vergehens angeklagt, stand die Ehefrau des Ingenieurs W. vor den Schranken der fünften Strafkammer des Berliner Landge­richts I. Zuvörderst ging aus der Beweisauf­nahme hervor, daß die Angeklagte schon seit langer Zeit mit ihren Dienstboten immerfort gewechselt hat. Manche Mädchen waren nicht länger als zwölf Stunden bei der Angeklagten, in den günstigsten Fällen dauerte der Dienst einige Wochen. Am 2. April vorigen Jahres war bei Frau W. die unverehelichte Luise F. zugezogeu, und schon am andern Morgen hatte sie den Dienst wieder verlassen. Den am Abend vorher mitgebrachten Retsckorb hatte die Louise F. bei Frau W. stehen lassen. Als sie denselben einige Tage später von dort abholte, vermißte sie daraus diverse Kleidungsstücke. Auf die bei der Polizeibehörde erstattete Anzeige machte Frau W. allerhand auffallende Einwände, welche den vernehmenden Kciminalkommiffär K.veranlaßten,

nach dem Verbleib der Vorgängerin der F. zu recherchieren. Vier derselben beklagten sich merk­würdigerweise ebenfalls über das Verschwinden einzelner Gegenstände beim Fortzugr aus dem Dienst der Angeklagten. Gelegentlich der bet derselben vorgenommeneu Haussuchung wurden auch verschiedene vvn den vermißten Sachen vor» gefunden. Jetzt trat bte überführte Angeklagte mit der Behauptung hervor, daß sie die betref­fenden Gegenstände teils gefunden, teils retiniert habe. Das Schöffengericht nahm nur Unter­schlagung an und verurteilte die Angeklagte zu einer Geldstrafe; auf die vou der Staatsanwalt­schaft eingelegte Berufung verurteilte jedoch die Strafkammer die Angeklagte wegen Diebstahls in drei Fällen zu 1 Woche Gefängnis.

* Ein Zusammenstoß zwischen einem Wilderer und einem Forkaufseher fand in einem Walde bei Klein-Ostheim statt. Der Wilderer griff den Forstanfseher an und gab ihm einen Schlag auf den Kopf. Der Forstaufseher feuerte auf den Wilderer und brachte demselben einen tätlichen Schuß bei. Der Getroffene wurde nach seiner Wohnung verbracht, woselbst er seinen Geist aufgab.

* (Ein rohes Weib.) Eine Fürt h e r Schuh­machersfrau, die mit ihrem Manne in Ehe­scheidung lebt, lauerte demselben auf und goß ihm ein Fläschchen Vitriol ins Gesicht; schwer verletzt mußte der Unglückliche ins Krankenhaus verschafft werden.

* Elberfeld, 13. Febr. Die Elberf. Z.

meldet, der unter Führung des Generalvertreters der deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft, Assessors Lukas, abgegangcne Dampfer habe in Gazi, südlich von Mombat, welches als Schlüssel des Kilimandjacogebiets anzusehen sei, die Flagge der deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft gehißt. Der Sultan von Sansibar habe jedoch Truppen abgesandt und die Flaggen wieder entfernen lassen. ,

* Münster, 10. Febr. Die RH.»Westf. Ztg. meldet: Am Sonntag ist der letz-e in der bekannten Bestechungsaffatre hier etngszogene Zahlmeister wieder auf freien Fuß gesetzt wor­den. Die bereits früher freigelaffemn zwei Zahl­meister haben ihre Dtenstgsschäfte wieder über­nommen. Da damit sämtliche in der Ange­legenheit seiner Zeit eingezogene Zahlmeister wie­der fretgelafsen und größtenteils in die inne­gehabten Dienststellen wieder eingerückt sind, so scheint die angestrengte Untersuchung belastende Thatsachen nicht ergeben zu haben.

Anstand.

* In Wiener diplomatischen Kreisen ver­lautet, daß der Fürst von Montenegro in Peters­burg durch seinen Finanzminister Matanovitsch eine Anleihe zu sechs Prozent, wahrscheinlich unter russischer Bürgschaft, für eine eigene Dampf­schifffahrt erhielt; dieselbe soll sich auf 350,000 Nabel belaufen.

* (Dreifacher Raub-Mord.) Als sich am

werden Aktien » 1000 M. ausgegeben. Sofort wurden 31.000 M. gezeichnet. Lobenswert ist dabei, daß obiges Kapital unverzinslich zur Verfügung gestellt wurde. Ein hiezu gewähltes Komite wird feine Thätigkeit sofort beginnen und vorerst sich mit Ankauf eines geeigneten Areals beschäftigten, so daß mit dem Bau schon im Frühjahr kann begonnen werden.

* Immer wieder werden Klagen laut über den Unfug mit den Napoleonsdor auf den Schran­nen und Märkten. Es dürfte daher angezeigt fein, durch Eingabe an die Kgl. Staaisregierung und den Bundesrat auf endliche Abhilfe dieses alten Mitzstandes zu dringen. Ein Mitglied der Ulmer Handelskammer hat kürzlich dazu die Anregung gegeben. Daselbst heißt es: »Von Handelsreisen, sowie seitens der ländlichen Be­völkerung wird darüber geklagt, daß sie beim Verkauf ihrer Waren und Produkte dadurch eine Schädigung erleiden, daß ihnen ausländische Goldmünzen, namentlich Zwanzigfrankenstücke und Souvereigns zu einem höheren als dem Bör­senkurse aufgenötigt werden. Da der Art. 13 des Münzgesetzes vom 9. Juli 1873 dem Bundes- rate die Befugnis vorbehält, den Wert zu be­stimmen, über welchen hinaus fremde Gold- und Stlbermünzen nicht in Zahlung angeboten und gegeben werden dürfen, sowie den Umlauf fremder Münzen gänzlich zu untersagen, so möchte nament­lich auch im Jniercffe der von geriebenen Händ­lern leicht zu überredenden und zu benachteiligen­den ländlichen Bevölkerung die Frage in Er­wägung zu ziehen sein, ob nicht auf Grund der dem Bundesrat zustehenden Befugnisse sofort Ab­hilfe zu gewähren sei."

* (Verschiedenes.) In Blaufelden hörte eine Schar Kinder den Klängen einer Dreh­orgel zu, als auf einmal 2 scheugewordeue Pferde daherrasten. In der Nähe der Kinder wurde der Wagen umgeworfen und traf 3 der Knaben so unglücklich, daß zwei davon in Lebensgefahr sich befinden, während der dritte sich rasch wieder erholte. In Werkers he im lebten zwei Brüder in heftiger Fehde. Die Frau des einen beseitigte Handwerkszeug ihres Mannes und suchte durch anony ne Briefe den Bruder desselben als den Dieb hinzustellen; die Sache ist der Staats anwaltschaft Hall übergeben worden, und dürfte der Frau teuer zu stehen kommen. »Ich möchte lieber bei Bären und Drachen wohnen, als bei einem bösen Weibe" mag ein Mann in der Nähe von Ell Wangen gedacht haben, dem seine bessere Ehehälfte in Händeln das Ohr wegbiß. In dem Haardtwalde bei Ncckarems waren Bauern aus Oßweil be­schäftigt, schwere Eichenstämme auf ihre Wagen zu laden. Bei dieser Arbeit brach an einer Winde die Kette, der schwere Stamm rollte ab­wärts über einen 23jährigen Dienstknecht hin, welcher dadurch innerlich bedeutend verletzt wurde und schon nach zwei Stunden starb. In Heilbronn wurde in der dortigen Knaben­schule ein Sperber, der eine Anzahl durch das offene Fenster in das Schulztmmer flüchtender

Besondere Kennzeichen. 0^^ °°rb°t-n.)

Kriminal-Novelle von Ludwig Habicht.

(Fortsetzung.)

Der Wirt des blauen Engels hatte sich stets seiner Menschenkennt­nis gerühmt und versichert, daß er sich in seinem Leben noch niemals getäuscht und jedem bei ihm cinfthrenden Fremden an der Nase angefthen habe, was er sei und wohin er xeiöre.

Ach, und jetzi hatte ihn se n Scharfblick so sehr im Stich gelassen, daß er einen Straßenräuber für einen wahrhaft vornehmen Mann ge­halten! Er grollte diesem Paul Pasko, so weit es sein gutes, Icich! bewegliches Herz nur immer zuließ, denn es war zu unverschämt von dem jungen Burschen, daß er selbst einen so erfahrenen Mann, wie Monsieur Picard nun doch einmal war, ganz unerhört getäuscht.

Mit der Erregba.keit eines echten Franzosen verurteilte er j tzt ebenso rückhaltlos diesen Paul Pasko, wie er ihn damals verteidigt und nun war er noch weit mehr von seiner Schuld überzeugt, als der Ban kier, trotzdem er ihn noch nicht wiedergesehen.

Es war kein Zoeifel, der Bankier hatte ja die Persönlichkeit des Straßen: äubcrs so genau beschrieben und sie stimmte so vollständig überein. Wo hatte er nur seine Augen gehabt, daß er n!Ll gleich ge­sehen, daß es mit diesem Paul Pasko nicht seine volle Richtigkeit hatte.

Der junge Mann war so stolz und bochfahrend ausgetreten, hatte in den wenigen Tagen seines Aufenthaltes im blauen Engel so ver­schwenderisch gelebt wie ein Fürst. Das allein hatte seinen Verdacht erregen müssen! Auch hatte er die Frage nach einem Paffe wie eine Beleidigung ausgenommen und damit den Oberkellner wirklich so eilige schüchtert, daß er nicht weiter danach zu fragen gewagt. Ein Fehler,

der ihm jetzt die höchste Unannehmlichkeit eintragen konnte, wie Monsieur Picard sich selbst gestand.

Es war nicht mehr zu ändern und vielleicht gelang es ihm, bet der Vernehmung über diesen heiklen Punkt geschickt hinwegzuschlüpfen. Darauf hin wollte der Wirt des blauen Engels im Termin vor allen Dingen sein Augenmerk richten und mit diesem Entschlüsse betrat er das Gerichtszimmer.

Wirklich ging auch der ihn vernehmende Rat über diesen Stand­punkt leicht hinweg; er machte zur großen Herzenserleichterung des Herrn Picard ihm weiter keinen Vorwurf, daß er den beiden Fremden nicht ihre Pässe abverlangt hatte und ließ sich nur von dem Wirt des blauen Engels die kleinsten Einzelheiten über Paul Pasko und seinen Begleiter erzählen.

Nachdem Monsieur Picard mit geläufiger Zunge und diesmal be- reitwilligst alles zum Besten gegeben hatte, was er wußte und mit seiner Erzählung zu Ende war, fragte der Gerichtsrat erwartungsvoll: »Und Sie getrauen sich, den Fremden, der Ihnen damals die Banknote gab, unbedingt witderzuerkennen?"

»Ich habe für Gesichter ein ganz vortreffliches Gedächtnis," ver­sicherte sogleich der geschmeidige Wirt.

Der Gerichtsrat befahl jetzt, den Gefangenen hereinzuführen und der kleine Franzose richtete sogleich seine scharfen blitzendeen Augen nach dir Thür. Kaum war der Angeklagte auf der Schwelle erschienen, rief Herr Picard mit gewohnter Lebhaftigkeit: »Ach, mein Gott, Monsieur PaSko, Sie sind es wirklich?!*

Der Ang redete richtete seine großen blauen Augen kühl und be­fremdend auf den kleinen Mann, daß jeder andere stutzig geworden wäre. Nur Herr Picard ließ sich dadurch nicht irre machen und fuhr eifrig