wehr die Kuh, indem er ihr den Leib aufschnitt und den Peitschenstiel, der nicht weniger als 73 om lang war, glücklich wieder herausbeförderte.
»(Verschiedenes.) In Stuttgart wurde der Taglöhner Bailer wegen Versuchs, einen Verhafteten, den Zimmermaun Waizmann aus Baltimore, zu befreien, zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt, Waizmann erhielt wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt 8 Monate. — In Ulm gerieten beim Nachhausegehen von der Schule mehrere Volksschüler mit einander in Streit, im Verlauf desselben zog ein IMHriges Bürschchen sein Messer und versetzte seinem Gegner einige Stiche hinter das linke Ohr und auf die Wange. Der Thät.r wurde dem Gerichte übergeben. — Vor mehreren Tagen kam in Blaubeuren ein mit 144 Ztr. Obst beladener Wagen der Ungar. Westbahn an. Das Obst wurde ausgeladen, gefaßt und ohne daß die Käufer die Aepfel versuchten, nach Laichingen gebracht «nd gemostet. Dort fiel es auf, daß Kinder, denen man von diesem Obst schenkte, nach dem Probebtß die Köpfe schüttelten und die Aepfel wegwarfen und der Most hatte einen so widerwärtigen Beigeschmack und Geruch, daß er als ungenießbar von allen Seiten dem Verkäufer heimgeschlagen wurde. Proben des Getränkes, zur Untersuchung hier und nach Ulm gebracht, zeigten Beimischung von Karbolsäure, die stch ohne Zweifel beim Verladen in dem nicht gereinigten Wagen befand. Der Besteller des Obstes hat nun gegen die Bahnverwaltung Klage angestreugt. — In Hirrlingen O.A. Rottenburg, soll letzten Mittwoch ein etwa 26 Jahre alter Mann, Namens Kurz, beim Sammeln von Samen-Tannenzapfen heruntergestürzt sein und mehrere schwere Beinbrüche erlitten haben, so daß alsbald der Tod eintrat.
Deutsches Reich.
* Die Zivilliste des Prinzen Albrecht als Regenten von Braunschweig beläuft stch auf etwa 840000 Mark, wovon 150000 Mark für das Hoftheater zu verwenden find.
* Von der preußisch-waldeckischen Grenze erhält die Hess. Morgenztg. nachfolgende Schilderung eines von zwei Unholden angerichteten Blutbades, die schier an das Unglaubliche grenzt: »Auf der Landstraße zwischen Bredelar und Marsberg (Kreis Brilon) spielten sich am Tage des Viehmarktes in letzterer Stadt grauenhafte Szenen ab. Zwei Burschen, gebürtig aus Rosebeck, welche jetzt in Bredelar in Dienst stehen, überfielen und mißhandelten aufs grausamste die vom Markte mit ihren Heerden Heimkehrenden, aber auch alle, welche den Weg dahergezogen kamen. Am Wege im Walde versteckt lauerten ste, und als sie zwei ihre Heerden führende Schäfer erblickten, schlichen sie hinterrücks heran «nd stürzten stch dann, der eine mit einem schweren Totschläger, der andere mit einer Pflugschippe bewaffnet, auf die Ahnungslosen und schlugen sie zu Boden. Dann rannten ste weiter; wer ihnen entgegenkam, wurde
niedergeschmettert und aufs unmenschlichste mißhandelt. Greise, junge Männer, Frauen und Kinder erlitten dasselbe Schicksal; niemand wurde verschont. Die Kerle schienen von Mordmanie befallen zu sein; ste geberdeten stch wie rasende Bestien. Die Angegriffenen fanden gar nicht Zeit und Besinnung, stch zur Wehre zu setzen. Der Ueberfall geschah zu plötzlich, zu überraschend, und die Waffen der Unmenschen sausten zu schrecklich und wuchtig auf die Köpfe und Gliedmaßen der Unglücklichen hernieder. Nur zwei Schäfer versuchten Widerstand; ste wollten, wie es in der Bibel heißt, »ihr Leben lasten für ihre Schafe»; ste wurden jedoch überwältigt. Ttnigen gelang es. sich vor dem Schlimmsten durch die Flucht zu retten. Die ihrer Hüter beraubten Schafe zerstreuten stch auf die Felder. Alle die Opfer der Bestialität hatten mit den Buben nie irgendwelchen Streit gehabt oder ste irgendwo einmal gereizt; ja, cs ist anzunehmen, daß ste ihnen persönlich ganz und gar unbekannt waren. Eine halbe Stunde unterhalb Bredelar im Walde nahm der entsetzliche Akt seinen Anfang und von da bis zur StadLgrenze bot die Straße einen Anblick wie nach einer Schlacht. Allenthalben Blutlache» und bewußtlose, wie tot daliegende oder röchelnde und wimmernde Menschen. Wie groß die Anzahl der Ueberfallenen und Verwundeten ist, weiß man zurzeit noch nicht. Manche hatten stch, sobald die Kannibalen bet ihnen vorbei waren, trotz ihrer Verletzungen wieder erhoben und ihren Weg fortgesetzt. Gegen 15 wurden von der Straße aufgclesen und auf Wagen, welche von den Behörden requiriert waren, in ihre Heimatsdörfer gebracht; 17 andere wurden von dem telegraphisch herbeicitisrten Arzt Stadtberg in Bredelar im Hotel Weber verbunden; es befinden stch darunter mehrere mit durchschlagenen Armen, einer mit doppelt gebrochenem Arm, zwei mit durchschlagenen Beinen, einige mit Schädelbrüchen und anderen schweren Verwundungen. Die meisten der Verwundeten sind Waldecker aus Rhenegge, Sudeck, Heringhausen, Giebringhausen. Stormbruch und Ottlar. Die Mordgesellen find verhaftet; einer derselben wurde bereits mit mehrjährigem Zuchthaus bestraft.
* Saarburg b. Trier, 28. Okt. Gestern abend traf die Nachricht hier ein, daß am 25. d. M. der 22jährige Johann Schneider zu Ebnen — im Luxemburgischen — von einem Gendarmen erschaffen worden sei. lieber den Hergang erfährt die Fr. Ztg. folg ndes: Schneider und noch zwei junge Leute von Helfant (Kreis Saarburg) kamen gegen 10 Uhr tu etwas angeheitertem Zustande aus einer Wirtschaft und wollten in ihr Quartier gehen, wo ste als Taglöhner bei der Traubenlese aushelfen sollten. An der Mosel stellten ste stch auf, um ein Liedchen zu singen. Da erschienen zwei Gendarmen und geboten Ruhe. Es kam zuerst zum Wortwechsel und schließlich Machten die Gendarmen von ihren Revolvern Gebrauch. Schneider erhielt einen
Schuß in das Bein, worauf er fiel und stch jammernd auf der Erde wälzte. Der eine Gendarm tritt heran, ergreift den Unglücklichen und schießt ihn gegen die Stirn. Schneider war sofort eine Leiche.
* Hamburg, 30. Oktbr. Ueber Rom erfährt die »Hamburger Börsen-Halle», daß die türkischen Rüstungen einen unerwarteten Umfang annehmen. Bis zum 20. Okt. habe die Trupven- stärke in der europäischen Türkei 89,500 Manu mit 350 Feld- und 72 Gebirgsgeschützen benagen. Binnen wenigen Tagen kämen hierzu noch 160,000 Redifs mit ebenso viel Kanonen, wie vorher angegeben.
Ausland.
* Ein Drama aus dem Leben spielt stch augenblicklich an den Gestaden des Genfer Sees ab, dcflen Verlauf von der ganzen dort versammelten Badegesellschaft mit leidenschaftlicher Teilnahme beobachtet wird. Es handelt sich um eine» Erben. Der betreffende junge Mann, ein Amerikaner, soll am Tage, da er das achtzehnte Lebensjahr vollendet, in den Besitz einer vollen Million Dollars gelangen. Wenn ihm jedoch vor diesem Datum, das binnen wenigen Tagen eintreten würde, dre Parze den Lebensfaden durch- schneidct, so fällt das große Vermögen enrfern- teren Verwandten des Erblassers zu. Der junge Mann ist bmstleidend. Als »galoppierende Schwindsucht» haben die Aerzte sein Ueöel bezeichnet. Er ist nach Vevey gesandt worden, um in der dortigen milden und reinen Luft nicht Genesung, sondern, wenn möglich, eine Verlängerung seines Siechtums zu finden, damit die Million Dollars, deren er sich nie wird erfreuen . können, ihm zufalle und — nach seinem Tode an seine Mutter und seine Schwester übergehen könne. Zwei der namhaftesten Aerzte haben ihn aus dem Land der Jankees an die Ufer des Lac Lsman begleitet, um jeden seiner Schritte zu überwachen, ihn vor einer leichtsinnigen Gefährdung seiner »kostbaren Augenblicke» zu behüten und durch ihre Kunst sein Dasein wenigstens bis zu dem verhängnisvollen Datum zu verlängern. Die Gegenpartei, nicht minder besorgt, hat dem Kranken ein ganzes Medizknal- kollegium, vier Aerzte nämlich, nachgesandt, welche um sein Sterbelager herumspiomeren, Depeschen gehen Tag für Tag hin und wieder, von beiden Parteien jenseits des Ozeans mit gleicher Spannung erwartet. Gegenwärtig (die Notiz trägt kein Datum) handelt es stch bei diesem Steeplechaise zwischen Leben und Tod nur noch um Stunden, aber doch möchten die berufenen ärztlichen Pfleger des Leidenden keine Garantie dafür übernehmen, daß es ihrer Kunst gelingen wird, das Unabwendbare noch bis zum entscheidenden Glockenschlag aufzuhalten. Um die Mitte vergangener Woche war es, als die an dem Tode des jungen Mannes interessierte Partei durch Kabeldepesche anzeigte, ste habe die positive Gewißheit von dem Ableben des Kranken erlangt und werde sofort die nötigen Schritte zur Wahr-
Jer Verschollene.
Roman von Arnold Pauli.
(Fortsetzung.)
Jochen fragte einen der in Livree gekleideten Bediensteten nach dem Baron. Derselbe sei abgereist, hieß es. Dann wünschte er — und das kam ihm gerade gelegen — die Baronin zu sprechen. Dieselbe habe jetzt keine Zeit, lautete hierauf der Bescheid. Der Verwalter war schon seit zwei Tagen über Land. Als Jochen nun dennoch darauf bestand, vor die Baronin geführt zu werden, übernahm ein Hausmädchen den Auftrag. ihn anzumelden, kam aber bald mit dem Bescheide zurück, daß die gnädige Fra» ihn nicht empfangen könne
Jetzt verfiel der Bauer auf eine andere Idee. Er lieb der Baronin sage», es handle stch um eine ste selbst betreffende, sehr wichtige Angelegenheit.
Albert befand stch in einem der in der ersten Etage belegenen Gemächer der Baronin; er beobachtete die letztere, als diese voller Unbefangenheit »nd fast mit einem gewissen Frohsinn ihre Sachen packte oder vielmehr packen ließ. Nicht die geringste Kleinigkeit wurde vergessen. Flacons aller Art, Bonbonnieren, Fächer, Hüte, Shawls, Kleider, Spitzen, Schirme und tausenderlei Tand, für den die Frau aus dem Volke kaum ein Verständnis hat, fanden ihren Platz in den Reisekörben der Baronin, die natürlich zuvor ihre Schmuckgegenstände wohl geborgen hatte.
Auf Albert wachte diese Ungeniertheit der bisherigen »Tante» einen äußerst abstoßenden Eindruck. Aber er ließ diese gewähren. Als das Mädchen Jochen Kolberg meldete, war er es gewesen, der den Bescheid gab, daß die Baronin nicht zu sprechen sei; als aber die Magd mit dem dringenderen Anträge des Bauern um Gehör zurückkehrte und htnzufügte
wie ihr aufgetragen war, daß die Angelegenheit die Frau Baronin selbst betreffe, gab der junge Mann Befehl, Jochen heraufzuführen.
Bald darauf trat dieser ins Zimmer, war aber offenbar von dem Umstand unangenehm berührt, daß die Frau Baronin mcht allein sei.
Laura trat ihm einige Schritte entgegen «nd fragte nach seinem Begehr.
Jochen warf einen mißtrauischen Blick auf Albert.
»Ich habe mit Ihnen allein zu thun, gnädige Frau!» sagte er.
Albert wurde aufmerksamer.
»Wer schickt Sie?» fragte er den Mann.
»Verzeihen Sie mir,» antwortete derselbe. »Mein Auftrag geht nur an die Frau Baronin. Er ist wichtig.»
Allerlei Vermutungen durchkreuzten pfeilschnell das Gehirn des jungen Edelmannes. In der Zeit ihres Falles konnte die Abenteuerin noch keine Verbindungen nach außen angeknüpft haben, durch welche sie seine Pläne zu durchkreuzen im stände gewesen wäre. Wie, wenn der Bauer irgend eine Nachricht von Otto brächte!
Diese letztere Ueberlegung bewog ihn, das Zimmer zu verlassen. Ec begab stch nach einem vorderen Raum, wo er sich am Fenster nieder- ließ. Bus keinen Fall konnte ihm die Baronin ungesehen mit den ganzen Habseligkeiten entkommen.
Sowie sich Jochen mit Laura allein sah, die auch ihre Zofe weg- geschickr hatte, zog er auS seinem Kittel Ottos Schreiben hervor und überreichte dasselbe stumm der Baronin.
Diese las den Brief. Ihre Angen füllten stch dabei mit Thräuen, so daß ste mehrmals die Lektüre unterbrechen mußte, um sich die Auge« zu wischen. Endlich, als ste zu Ende gekommen, küßte ste das Schreiben lebhaft und mit schauspielerischer Gl«t; ste sank auf die Knie nieder und verharrte so längere Zeit im Gebet.